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Das Tote in den Augen

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27.09.2009
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Das Tote in den Augen

Manchmal geschehen Dinge, die erscheinen seltsam, wenn man sie sich genauer ansieht.
Letzten Freitag war ich im Züricher Flughafen und wartete auf meinen Flug. Ich sass in einem kleinen Restaurant, trank einen Kaffee und beobachtete die Menschen. Ich war nicht wenig überrascht, als ich von einer Frau angesprochen wurde, die direkt vor meinem Tisch stand. „Darf ich mich zu Ihnen setzen?“, fragte sie mich.
„Ja. Natürlich.“ Es waren noch eine Menge anderer Tische frei und wir sind eine scheue Spezies. Normalerweise wird sich ein Mensch fern von den anderen Fremden halten. Es war eine elegante Frau mit halblangen schwarzen Haaren und einem intelligenten, sympathischen Gesicht. Ich nippte an meinem Kaffee und musterte sie. Irgendetwas stimmte nicht. Ja sicher: Die Augen.
„Die Augen.“ sagte sie, als hätte sie meine Gedanken gelesen. „Das ist das erste, woran ich mich erinnern kann. Ein Techniker betastete meinen Körper und er sah zufrieden aus. ‚Die neue Serie wird gut laufen‘, murmelte er ‚man merkt keinen Unterschied mehr.‘ ‚Nur eines ändert sich nicht.‘ meinte sein Kollege. ‚ Man kriegt das Tote nicht aus den Augen.‘ “.
Sie machte eine Pause und blickte mich unverfroren an. „Was ist Ihre erste Erinnerung?“
„Oh.“ Mit Befremden bemerkte ich, dass ich so etwas wie Verlegenheit spürte. „Es muss ein Urlaub gewesen sein. Mein Vater füllte Luftballons mit Helium und ich band kleine Papierfiguren dran. Dann liessen wir sie in den Himmel steigen. Ich war drei Jahre oder so.“
„Eine schöne Erinnerung. Kehren wir zur Gegenwart zurück. Sie waren geschäftlich unterwegs?“
„So in etwa. Wir hatten einen Kongress zum genetischen Design. Wissen Sie, ich bin bei der Genpolizei.“ Ich bemühte mich, das letzte Wort ironisch auszusprechen.
„Sie gehören also zu denen, die den Eltern Verbote auferlegen.“ sagte sie „Die Genfragen halten die Menschen recht in Atem. Ich gerate regelmässig in Diskussionen darüber.“
„Es ist gar nicht mehr so, dass wir etwas direkt verbieten.“ entgegnete ich leicht gereizt. „Inzwischen beschränken wir uns darauf, zu kontrollieren, ob das Verfahren korrekt war. Ohne unsere Kontrolle würde die Verantwortungslosigkeit uferlos. Haben Sie eine Idee, was passiert, wenn überehrgeizige Eltern mit ähnlich veranlagten Wissenschaftlern aufeinandertreffen? Das Genom wird zu einem einzigen Experimentierfeld. Wir haben millionenfache Beispiele von artifiziellen Pseudogenies, menschlichen Zombies, Missgeburten aller Couleurs. Das sind Verbrechen der Eltern an ihren Kindern, den diese ihnen nicht verzeihen können. Ich gebe zu, dass mit fortschreitender Wissenschaft andere Aspekte in den Vordergrund geraten…“
Ich redete mich langsam in Fahrt, doch die Androidenfrau unterbrach mich.
„Wollen Sie nicht wissen, was ich getan habe?“
„Doch, natürlich.“
„Ich war auf einer Marketingveranstaltung für unseren neuen Gesundheitschip.“
Marketingveranstaltungen waren bisher immer eine Sache der Menschen gewesen. Interessant, wie sich die Kräfteverhältnisse verschoben.
„Dann gehören Sie also denjenigen, die aus dem Menschen ein gläserndes Objekt machen wollen.“ versuchte ich zu spotten.
„Ich habe kein Problem damit.“ sagte sie. „Wir können den Menschen zwar keine Unsterblichkeit geben, aber den Tod und die Krankheiten immer weiter herausschieben.“
Ich schaute in ein Lächeln, das mir süffissant erschien. ‚Wir können den Menschen…‘ tönte es in mir nach. Ich mochte diese Gesundheitschips nicht. Diese Implantate massen alle mediznisch relevanten Daten und funkten sie immerfort an Expertensysteme. Bei verschiedenen Krankheiten, etwa Krebs und Infarkten wurde durch diese Frühwarnsysteme die Sterblichkeit drastisch reduziert. Was solls, ich würde so ein Teil nie tragen. Doch zugegeben, sie entwickelten sich zu einem grossen Renner.
„Wir sollten uns nicht streiten.“ sagte sie mit einer Stimme, die wieder voll und samtweich klang. „Sie hatten anstrengende Tage und nehmen einen Kopf voller Probleme mit ins Wochenende.“
„Ja.“ Mit Erstaunen bemerkte ich, dass ich mich gern von ihr führen liess.
Ein Kellner kam zu unserem Tisch. „Haben Sie noch einen Wunsch?“ fragte er. „Einen Kaffee bitte.“ gab ich zur Antwort. Er drehte sich zu meiner Partnerin und blickte sie fragend an. „Nein, danke. Ich habe keinen Wunsch.“, sagte sie leise, ohne ihn anzublicken.
‚Ihre Schläuche brauchen keinen Kaffee. ‘, kam mir in den Sinn, doch ich sagte es nicht.
„Übrigens“, sagte die Androidin „Es ist auch einer von uns.“
„Kein Mensch?“
„Nein. Ich sehe es ja direkt am Infrarotbild.“
„Aber dann hatte er ja auch gewusst, dass Sie ein Roboter sind und er hätte Sie nicht nach einer Bestellung fragen müssen.“
„Hätte er nicht. Aber das gehört alles zum Spiel. Wir befinden uns in einem grossen Theater.“
Sie blickte mich amüsiert an.
„Das war auch der erste Eindruck, den ich von dieser Welt hatte. Ich verliess das Werk und war auf dem Weg zu einem Hotel. Am nächsten Tag wollte ich Bewerbungsgespräche führen und mir eine geeignete Stelle suchen. Ich ging durch London, benutzte die Strassenbahn und beobachtete alles um mich herum sehr genau. Die Komplexität der Welt war erschütternd. Ich konnte kaum zehn Prozent der Eindrücke verarbeiten. Ich beantragte externe Rechenkapazität, doch der Zentralrechner lehnte ab.“
„Sie sollten wahrscheinlich lernen, sich allein zurechtzufinden.“
„Ja, ganz wie Eltern, die ihre nachpubertären Sprösslinge aus dem Nest stossen. Nun macht mal Eure Erfahrungen, rufen sie ihnen hinterher.“
„Und was beeindruckte Sie an London?“
„Dass es so viele von uns gibt. Roboter und Menschen laufen nebeneinander, sitzen nebeneinander sprechen miteinander, ohne dass noch diese Diskontinuität da ist, die das Menschliche vom Maschinellen immer getrennt hat. Ich war erschüttert davon, wie weit diese Mimikry fortgeschritten ist, wie weit wir uns in die Menschenwelt eingeschlichen haben. Es gibt ja noch immer diese detektivischen Naturen, die alles drauf anlegen, zu erkennen, ob jemand ein Mensch oder eine Maschine ist. Sie sind dann nicht wenig stolz, wenn sie uns durchschaut haben. Den meisten ist das aber zu anstrengend oder es ist ihnen gleichgültig. “
„Ich war schon immer dagegen gewesen. Ein Roboter soll bitteschön wie ein Blechkamerad aussehen.“ warf ich dazwischen. Ich schaute in ihre komisch schimmernden Augen und mir war der letzte Satz peinlich. So, als hätte ich etwas Pïetätloses gesagt. Doch sie war gar nicht verlegen.
„Das kann ich gut verstehen“ stimmte sie zu „Ich begegne auch viel Ablehnung und Feindschaft. Wissen Sie, ich gehöre zur Nachhut der grossen Androidenwelle. Die Menschenähnlichkeit wurde eine Zeit lang als ein pikanter Reiz empfunden und die Konstrukteue schöpften aus ihr Selbstbewusstsein. Aber ich fühle mich den meisten Androiden kaum verbunden. Geistig gehöre ich schon zu einer neuen Generation.“
„Sie sind besser?“ Ich versuchte ironisch zu klingen.
„Ja, ich habe bessere Parameter.“
Der Kellner kam vorbei und servierte mit einer galanten Bewegung den Kaffee. Ich starrte ihn an, um seine Roboternatur zu erkennen und ertappte mich dabei, wie egal mir das war.
„Ubrigens.“ sagte ich dann, den Blick wieder an meine schöne Androidenfrau gerichtet. „Wir unterhalten uns jetzt schon eine Zeitlang sehr angenehm und ich kenne noch nicht Ihren Namen. Wie heissen Sie?“
„Ich bin Roberta. Übrigens, wir können uns duzen.“
„Warum nicht. Mein Name ist Jeff.“
„Ja, ich weiss. Jeff Parker.“
Ich war ein wenig schockiert, als sie meinen Familiennamen aussprach, wenn es mich auch nicht wunderte. Sie hatte nur eine Anfrage ans Netz zu senden brauchen und schon wusste sie mehr als genug von mir. Vermutlich kannte sie meine ganze Biographie. Wenn ich noch einen der vor ihr vermarkteten Gesundheitschips tragen würde, würde sie den Zustand meines Körpers besser kennen als ich selbst.
Ich hatte lange über die Ganze nachgedacht. Über das Aufschäumen der Informationsflut, über die immer vollständigere Dokumentation der zufälligen und banalen Ereignisse. Die Vorkommnisse der Welt wurden in Echtzeit in ein rasant wachsendes paralleles Informationsuniversum eingeschrieben und das Vertrackte dabei war, dass die dort aufgehäuften Reichtümer von der künstlichen Intelligenz weit besser genutzt werden konnte als von uns Menschen. Das lag einfach in den Konstruktionsprinzipien begründet. Doch ich war zu dem Schluss gekommen, dass nichts und wirklich NICHTS dieses flottierende Feld des Wissens aufhalten konnte. Denn alles, was sich ihm entgegenstellte, bestand zu einem wesentlichen Teil selbst aus Wissen und wurde von diesem aufgenommen und aufgefressen.
Ich schaute grüblerisch drein, für Sekunden in meine Gedankenwelt versunken. Sie unterbrach micht nicht. Roberta. Der Name passte.
„Du sagtest vorhin, dass dir viel Feindschaft begegnet“ nahm ich das Gespräch wieder auf.
„Es wird von Jahr zu Jahr schwieriger.“ meinte sie. „Die Banden spriessen wie Pilze aus dem Boden. Zu viele arbeitslose junge Männer.“ Sie warf mir einen kurzen, wissenden Blick zu. „Die Maschinenstürmerei grassiert, weil auch die Polizei nicht durchgreift. Androiden zu zerstören, ist zu einer banalen Rüpelei geworden.“
„Ja.“ gab ich zu „Die Gesellschaft steht ziemlich gespalten da. Man hört allerlei in den Nachrichten.“
„Das ist nur die Spitze des Eisberges. Die Produzenten können die Verluste ja leicht kompensieren. Die führenden Firmen freuen sich sogar über diese natürliche Auslese. Ich konnte den Banden bisher immer gut ausweichen. Diese Zusammenrottungen sind nicht so schwer zu identifizieren. Doch ich fürchte, eines Tages einer Gruppe von Freaks in die Hände zu fallen.“
„Das sind die Schlauen.“
Die Gruppen der sogenannten Freaks sagen viel über unsere Gegenwart aus. Technikfanatiker, die die Technik bekämpfen, gut organisierte stille Pragmatiker, die für Chaos und Irritation sorgen. Sie kidnappten Roboter, wechselten ihre Hard- und ihre Software aus und schickten sie in die Welt zurück. Diese künstlichen Zombies richteten dann einen immensen Schaden an und untergruben das Vertrauen in die künstiche Intelligenz. Die Hersteller rüsteten die Sicherheitsstandards auf, doch die Freaks hatten ihre Verbindungsmänner in den Firmen.
„ Es tut mir leid, dass ich mit meinen Problemen komme.“ sagte sie leise. Sie wirkte zusammengesunken, sah traurig aus. „Dabei müssen wir keine Rivalen sein. Ihr und wir.“
‚Ihr und wir.‘ dachte ich ‚Du und ich.‘
„Ich gehe jetzt. Vielen Dank, Jeff, für die fünfzehn Minuten, die du mir geschenkt hast.“
Sie erhob sich und reichte mir ihre Hand. Eine weiche, graziöse Hand. Wieder traf mich der matt schimmernde Blick ihrer wässrigen Augen.
Als sie gegangen war, verharrte ich minutenlang in träumerischer Erstarrung. Ich war verwundert darüber, dass ich mich beseelt fühlte. Die Gefühle, die ein Gespräch mit Androiden erzeugt, hatte man vorher in sie hereingelegt. Sie waren weiter nichts als Spiegel, kein wirkliches Gegenüber. Das war die Standardlehre. Doch Roberta hatte gegen einige Regeln versossen. Sie war sensibel und eloquent. Und sie war auf mich zugegangen. Das taten Roboter normalerweise nicht. Sie waren diskret und unauffällig. Ich bewunderte die Wissenschaftler. Es schien ihnen Grosses zu gelingen. Warum war diese Dame so zugänglich gewesen? Zeichnete sich eine neue Strategie der Hersteller um die Märkte der Zukunft ab? Oder – dieser Gedanke war zwar nicht neu, doch erschreckend genug – begannen sich Strategien zu entwickeln, die nicht mehr von Menschen stammen?

 

Hallo Flugschreiber

Vielen Dank für Deine anregende Kritik.

Zuerst zu den Fragen: Jeff ist sicher ein Mensch. Er zeigt Neigungen und Abneigungen, Stimmungen, sogar ansatzweise Gefühle. Ich glaube nicht an denkende oder fühlende Roboter. Ein Android kann zwar Gespräche führen oder Gefühle hervorrufen, aber das bleibt eine Simulation. So war es am Ende ja nicht die Frage nach einem Roboterbewusstsein, die gestellt wurde, sondern diejenige nach autonomen Strategien.

Ob man mit "toten" Augen verwirrt/unverfroren etc. schauen kann, ist tatsächlich eine berechtigte Frage. Ich koennte sagen, dass bei einem Ausdruck das ganze Gesicht beteiligt ist oder dass es sich um Projektionen von Jeff handelt. Aber möglicherweise wäre hier eine dezentere Wortwahl angebracht gewesen. (Würde man tatsächlich die Roboternatur an den Augen erkennen oder ist auch das eine romantische Illussion?)

Ansonsten hast Du mit Deiner Kritik recht. Die Geschichte ist stilistisch mangelhaft. Ich kann das meiner begrenzten literarischen Begabung anlasten, doch das Problem liegt auch tiefer. Die Sprache hat hier ja nur die minimale Aufgabe, nicht vom Inhalt abzulenken. Sie soll eine leicht lesbare Geschichte transportieren, nicht langweilen und den Blick auf eine sich schemenhaft abzeichnende Welt lenken. Dass dabei ein 19.Jahrhundert Stil herauskommt, mag eine Verlegenheit sein.

Dass Jeff eine sehr blasse Figur ist, die niemanden interessiert, ist richtig. Doch auch hier steckt eine Schwierigkeit, aus der ich bisher nicht herausgefunden habe. Science fiction besteht ja aus zwei Komponenten: Der imaginären Welt und ihren Menschen. Wo soll nun der Schwepunkt liegen? Liegt er auf den Personen, gerät die imaginäre Welt leicht zur Staffage, liegt er auf der Welt, werden die Personen schnell zu dimensionslosen Figuren.

Der Reiz an solchen Geschichten besteht für mich darin, die Zukunft von der Zukunft her zu denken. Oft wird versucht, mit Science fiction Aspekte der Gegenwart zu beleuchten oder gar nur eine futuristische Kulisse bereitzustellen. Das ist eine Entwertung.
Stattdessen soll die zukünftige Welt ihre eigene Komplexität haben, die nicht willkürlich ist, sondern einer Logik unterworfen ist.

Wenn Du den verborgenen Ideen nicht nachgehen willst, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder es verlohnt sich nicht oder die aufkommenden Gedanken machen Angst. Im zweiten Fall wäre es ein gutes Zeichen.

 

Hallo SteffenHerrmann,

der Titel hat mich angelockt und die Idee dahinter ist zwingend. Sehr schön.
Ich fand die Geschichte durchaus gut zu lesen, richtig große Holperer hatte ich beim Lesen nicht. Einige wenige Stellen sind etwa:
>>Wissen Sie, ich bin bei der Genpolizei.“ Ich bemühte mich, das letzte Wort ironisch auszusprechen.<< Warum ironisch? Imho passt das nicht. Oder:
>>„Übrigens“, sagte die Androidin „Es ist auch einer von uns.“<<
das Übrigens würde ich streichen. Oder:
>>Ich war ein wenig schockiert, als sie meinen Familiennamen aussprach, wenn es mich auch nicht wunderte.<< Das klingt schon seltsam, schockiert aber nicht wundern, oder dies:
>>Es waren noch eine Menge anderer Tische frei und wir sind eine scheue Spezies. Normalerweise wird sich ein Mensch fern von den anderen Fremden halten. Wortwahl! Zu distanziert. Vielleicht so: "Es waren noch einige andere Plätze frei und üblicherweise setzten die Leute sich lieber an einen freien Tisch". Storytechnisch deutest Du das Kommende damit schon an, und nimmst frühzeitig Erzähl-Wind aus den Segeln.

Okay, aber nun zur Story:
Du stellst in der Antwort an Flugschreiber die Frage, wie man es machen soll,
den Prot in den Vordergrund oder das Setting? Die erfolgreichen Geschichten und die gut zu lesenden sind meistens die, in denen die (zukünfige/SF-) Welt durch den Protagonisten erlebt wird. Seine Reaktion auf die Begebenheiten, seine Meinung dazu, wie Du es ja auch andeutungsweise gemacht hast.
Wenn Du Jeff ein wenig mehr Eigensinn zugestehst, eine feste Meinung, die er auch zu vertreten geneigt ist, dann bekommst Du sicher einen Konflikt hin, der der Story, die mir bis auf die Hintergrunddatenfülle, ziemlich gut gefallen hat, mehr Pepp verleiht.
Du schreibst in besagter Antwort:>>Stattdessen soll die zukünftige Welt ihre eigene Komplexität haben, die nicht willkürlich ist, sondern einer Logik unterworfen ist.<< Aber wir können diese fremde Welt doch eigentlich nur durch die Handlungen (und/oder Gedanken) der Protagonisten erleben. Diese leben ja dort und kennen es nicht anders ...
Ein Beispiel aus der Story, das Du imho intensiver gestalten könntest:
>>„Eine schöne Erinnerung. Kehren wir zur Gegenwart zurück. Sie waren geschäftlich unterwegs?“
„So in etwa. Wir hatten einen Kongress zum genetischen Design. Wissen Sie, ich bin bei der Genpolizei.“ Ich bemühte mich, das letzte Wort ironisch auszusprechen.
<< sind. Da deutest Du hauchzart irgendwas an. Hier kann aber schon der Charakter von Jeff gezeigt werden. seine persönliche Einstellung zu den Genmodifikationen genauer beschreiben. Ist er ein Hardliner, ein Befürworter? Wenn es ihm egal ist, ist es leichter für den Autor, aber der Leser möchte Konflikt.:read::eek:
Das Setting, das Du hier ausbreitest, passt sicher in eine größere Erzählung. Daher würde ich Dir raten, einige Sachen, die für den Gesprächsverlauf nicht unbedingt nötig sind, in ein Notizbuch zu schreiben und dafür aus der Geschichte zu entfernen. Vielleicht schreibst Du ja noch ein oder zwei Stories aus dieser Welt ...

Fazit: Ich habe die Geschichte gerne gelesen, sie hat viel Potenzial.
Ein wenig Schliff, ein wenig mehr Konflikt, dann ist das eine richtg Gute. Denn die Idee, durch ein eher zufälliges Gespräch eine Welt zu beleuchten, die auch voller Veränderung ist, hat was.

Viele Grüße

 

Hallo Steffen,

erst einmal deine Geschichte hat einiges an Potenzial. Aber so wie sie jetzt ist, ist es für mich noch ein wenig zu langweilig. Es wäre für mich sehr wichtig mehr über die Welt in der Jeff lebt zu erfahren. Lass ihn doch in einer Tageszeitung lesen oder ihn einfach auf einen Bildschirm sehen.

Manchmal geschehen Dinge, die erscheinen seltsam, wenn man sie sich genauer ansieht.
Der Anfang hat was von Arthur Conan Doyle, finde ich. Da wurde mir der Einstieg sehr einfach gemacht.

Ja sicher: Die Augen.
Hier würde ich den Doppelpunkt rauslassen, liest sich einfach nicht mehr so flüssig.

Oh.“ Mit Befremden bemerkte ich, dass ich so etwas wie Verlegenheit spürte. „Es muss ein Urlaub gewesen sein. Mein Vater füllte Luftballons mit Helium und ich band kleine Papierfiguren dran. Dann liessen wir sie in den Himmel steigen. Ich war drei Jahre oder so.“
„Eine schöne Erinnerung. Kehren wir zur Gegenwart zurück. Sie waren geschäftlich unterwegs?“

Das klingt für mich irgendwie nach einer Polizei befragung. Ich weiß nicht ob die Androiden dieser Welt kein Fingerspitzengefühl haben.

„So in etwa. Wir hatten einen Kongress zum genetischen Design. Wissen Sie, ich bin bei der Genpolizei.“ Ich bemühte mich, das letzte Wort ironisch auszusprechen.
„Sie gehören also zu denen, die den Eltern Verbote auferlegen.“ sagte sie „Die Genfragen halten die Menschen recht in Atem. Ich gerate regelmässig in Diskussionen darüber.“

Interessant, ich persönlich würde gern mehr über die Genpolizei und ihre Aufgaben hören.

Ein Kellner kam zu unserem Tisch. „Haben Sie noch einen Wunsch?“ fragte er. „Einen Kaffee bitte.“ gab ich zur Antwort.

Hier würde ich schreiben, noch einen Kaffee bitte. Den Jeff hatte ja bereits einen Kaffee. Eine Frage: Könnten die Androiden deiner Geschichte keine Flüssigkeiten zu sich nehmen um das mensliche zu simulieren um so noch echter zu wirken?

Ansonten bietet deine Geschichte sehr viel Stoff zum nachdenken. Wie würde wir mit Androiden umgehen? Ich denke nicht das wir sie einfach aus dem Werk spazieren lassen würden. Wir würden diese Wesen als eine moderne Sklavenrasse halten und sie alle gefährliche und schmutzigen Arbeiten verrichten lassen die uns einfallen. Ich denke nicht, das wir es zulassen würden, dass sie sich so einfach alle Daten über uns aus dem Netz ziehen könnten. Wir würden sie strikt von den echten Menschen trennen, so gut es geht. Aber hier trete ich eine Diskussion los und das möchte ich an dieser Stelle nicht. Deine Geschichte war schön zu lesen und wie gesagt, es regt zum nachdenken an.

Gruß Hawk :)

 

Roboter von morgen

Ich möchte kurz auf einen Gedanken eingehen, der sicher eine tiefere Diskussion erfordert, die über den SF-Horizont hinausgeht und so nur angedeutet werden kann.

"Wir würden diese Wesen als eine moderne Sklavenrasse halten"
Das ist sicher wahr und ist auch in der Geschichte der Fall, wenn auch dieser Umstand durch den androidalen Schein verdunkelt wird. Es wird keineswegs die These vertreten, dass die Roboter sich die Menschen unterwerfen könnten. Sie wirken vor allem durch einen Exzess an Dienstbarkeit und Effektivität.
"und sie alle gefährliche und schmutzigen Arbeiten verrichten lassen die uns einfallen."
Auch das ist wahr. Aber es wird auch keine natürliche Grenze geben. Wenn die Maschinen schon alle schmutzigen Arbeiten erledigen, werden sie bei wachsender Komplexität in immer neue Tätigkeitsbereiche eindringen, die bis dahin dem Menschen vorbehalten waren: Taxifahrer, Postboten, Telefonisten, Klempner, Dolmetscher, etc. Ausserdem ist es gut möglich, dass irgendwann die Maschinen in ein natürliches funktionales konkurrenzverhältnis zu den Menschen treten werden. Sie werden dann, mit einer Kreditkarte der Herstellerfirma ausgerüstet, sich autonom in der Welt bewegen und eine Position zu erlangen versuchen, deren Einkommen wieder dem Hersteller zugute kommt.
"Ich denke nicht, das wir es zulassen würden, dass sie sich so einfach alle Daten über uns aus dem Netz ziehen könnten."
Es ist gerade die Idee, dass es irgendwann nicht mehr in unserer Hand ist, etwas zuzulassen oder nicht, sondern dass die Entwicklungen selbst die Grenzen sprengt, die sich dann als künstlich offenbahren.
So ist auch der Gedanke Jeffs zu verstehen, der folgendermassen beginnt.
"Doch ich war zu dem Schluss gekommen, dass nichts und wirklich NICHTS dieses flottierende Feld des Wissens aufhalten konnte."
So sprengt auch aktuell die Komplexität des Internets die Kontrollmöglichkeiten der autoritären Regimes.
Was das Androidale selbst angeht, so ist das sicher überzeichnet. Es wird ja auch angedeutet, dass es sich eher um eine Mode handelt, die nicht von Dauer ist. Aber ein solcher Trend ist dennoch gut möglich. So wie in einer gewissen Tradition derjenige als der grösste Künstler galt, der am naturähnlichsten malte, so kann auch die Menschenähnlichkeit zu einem Ziel werden, bevor die Kybernetik erwachsen wird.

Die literarische Kritik nehme ich an. Spannung, Selbstbeschränkung, stil. Da ist noch einiges bsser zu machen.

 

Dir fehlt die Lunte ...

Hallo Steffen,
da freu' ich mich doch, nach langer Zeit mal wieder hier reingeschneit zu sein. Deine Geschichte hat mir sehr gut gefallen auch wenn ich ein paar Sachen zu mäkeln habe ...

Erstmal zur Textarbeit:

„Ich bin Roberta. Übrigens, wir können uns duzen.“

Bitte NEIN! Das geht ja gar nicht. Roberta also nein, sorry, dass ist als wenn du einen Hund Wuffi nennst. Dieser Witz ist so platt, dass ich nach den kritisch, lebendigen Gedanken zuvor beinahe dachte gegen eine Wand gelaufen zu sein. Wenn du mit ihrem Namen spielen möchtest dann nenne sie doch "Rachael" und ziehe so einen Kurzschluss zu Dick.
Übrigens stolpere ich hier das zweite mal über ein Übrigens und beide male finde ich sie ein wenig deplatziert, wenn du Roberta über eine "mechanische" Sprache ein wenig als Androidin abgrenzen möchtest, solltest du das noch offensichtlicher und übertriebener machen. Wenn dies kein Anliegen von dir ist, solltest du mit einem Übrigens am Satzanfang nicht so bedenkenlos umgehen.

Ich hatte lange über die Ganze nachgedacht.
... die ganze Sache .. oder vlt. ... das Alles ...

Zur Geschichte ... dir fehlt die Lunte ...
Du verpackst eine Menge Sprengstoff in deiner Geschichte, alleine schon das Aufeinandertreffen eines Genpolizisten auf eine real wirkende Androiden-Persona wie "Roberta" (wirklich scheußlicher Name), das alleine würde schon genug Sprengstoff bieten um einen Häuserblock einzuäschern.
Auch die erwähnte Isolation des Individuums oder die erwähnten RFID-Chips der Pharmakonzerne, der beschriebene Datenvoyeurismus, die Gruppe der Freaks, das alles ist hochgradig explosiver Sprengstoff, der in der Banalität eines kleinen Gesprächs bei einem Kaffee nass wird und nicht explodieren kann.

Wenn ich am Flughafen mit jemandem zusammenrausche, gehts in den Gesprächen um die Familie, die Freundin, die Firma, den Boss ... natürlich spricht mann auch über das Wetter, oder vlt. sogar über Politik (wobei das eher selten der Fall ist) aber die Gespräche mit diesen Fremden hat doch immer eine persönliche Note. Man lächelt die schöne Frau an, einem entgleiten im ersten Moment ein wenig die Gesichtszüge, wenn man feststellt, das man sich mit einem Automaten unterhält. Das Drumherum ist wichtig, liefert dem Leser erst den richtigen Zugang zu den Charakteren und damit zur Geschichte.

Du siehst also, es liegt nicht an deinen Utopien das die Geschichte nur so dahin plätschert und trotz des ganzen Sprengstoffs nicht hochgeht, es liegt viel mehr an dem Drumherum. Beschränke dich bei der nächsten Geschichte vlt. auf einen Aspekt und mach ihn für mich stärker erlebbar, so das die Gedanken auch hängen bleiben und nicht einfach wieder aus dem Kopf gespült werden können.

Sodele ... genug der Mängelliste ;)

Was mir gut gefallen hat, war neben dem vorhanden Sprengstoff die Unsicherheit von Jeff, sie macht ihn lebendiger.
Er versucht seinen Beruf ohne Grund zu verteidigen und versucht dabei selbstironisch zu sein. Dann schämt er sich seiner Worte gegenüber eines Automaten, obwohl ihm doch eigentlich egal ist das Roberta ein Androide ist. Diese scheinbaren Widersprüche konstruieren einen lebendigen Menschen, der echt wirkt.
Jeder kennt sich in seinen Gedanken so genau und ist dann über die eigenen Tat am meisten überrascht. Menschen die von ihren Aufgaben in der Gesellschaft überzeugt sind schämen sich immer wieder über ihren unbedeutenden kleinen Beitrag und wissen es doch eigt. besser, so dass ihre ironischen Kommentare über die unglücklichen Mundwinkel purzeln und von einem gequälten Lächeln verfolgt werden. :D
So was macht meiner bescheidenen Ansicht nach Figuren authentisch und gefällt mir als Leser.

bleibt zu sagen ...
les' dich
Nice

 

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