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Das Tappen der Liebe
Es ist Nacht. Alles verläuft sich ins Dunkel hinein. Das Tappen wird lauter und verschwindet wieder. Eben noch war es ganz nah bei mir, doch jetzt herrscht Stille, Dunkelheit, Hoffnungslosigkeit…
Ich bin beraubt worden, beraubt der Sicherheit was Liebe ist. So unsicher wie ein Neugeborenes bei seinen ersten Schritten wanke ich, wanke ich, falle ich. Verlassen und doch umringt von Händen, suche ich nach derjenigen, die mich nicht wieder loslässt. Ich wünschte, ich könnte dieses Gefühl der Leere beschreiben, wünschte die Worte würden aus meinem Herzen fließen, so wie der Schmerz in Tränen aus mir herausfließt. Ich würde ihnen folgen diesen Worten, so lange bis ich es wieder höre: das Tappen.
Doch im Moment bin ich allein in der Dunkelheit, habe Kopfschmerzen von den verzweifelten Versuchen, es wieder hören zu können.
Gestern sah ich ein Paar, da war es ganz laut dieses Tappen. Ich konnte es nicht hören, aber ich war ganz sicher, sie konnten es. Die Zärtlichkeit, die aus ihren Augen zueinander sprach, war so überwältigend, dass ich nicht wusste, was ich empfinden sollte. Ich war glücklich, freute mich für sie, dass sie es gefunden hatten, aber gleichzeitig fühlte ich mich traurig, töricht und unwissend, weil ich geglaubt hatte, auch ich hätte es schon in den Händen gehalten. Doch es ist mir entglitten, entschwunden, entflohen. Inzwischen bin ich so verwirrt, dass ich nicht einmal mehr weiß, ob ich es jemals besessen habe.
Ich bin der Mittelpunkt eines Strudels geworden, weiß nicht mehr, was war, was ist und was sein wird. Alles was ich sehe, sind diese verschwommenen Umrisse, Farben und Konturen, die der Strudel durch schwindelerregendes Drehen um mich herum hinterlässt. Und ich habe Angst vor dem Moment, in dem ich wieder in dem Glauben lebe, alles klar sehen zu können, dass ich glaube, die vom Strudel erzeugten Umrisse, Farben und Konturen würden sich formen zu einem Bild, zu etwas Ganzem. Doch in Wirklichkeit habe ich nur eine Brille auf, eine Sehhilfe, die mir die Realität täuschend echt verkaufen will, die eine Welt erzeugt, die nicht existiert und keine Beständigkeit hat. Denn um die wahren Bilder des Lebens erkennen zu können, muss man durch seine eigenen Augen sehen, muss die Tränen des Schmerzes herausfließen lassen. Und jetzt, da man mir meine Brille abgenommen hat und ich hilflos diesem Strudel aus Unsicherheit ausgeliefert bin, suche ich in diesem Meer aus Umrissen und Konturen eine Gestalt, jemanden, den ich durch meine eigenen Augen sehen kann.
Doch ich bin beraubt worden, beraubt der Sicherheit was Liebe ist. Das Tappen war vielleicht eine Einbildung, ich weiß es nicht. Es hat mich begleitet, während ich mit meiner Brille (rosarot oder doch nur grau in grau?) auf dem Weg des Lebens stolzierte. Und nun wird es dunkel, die Luft geschwängert von Stille und Hoffnungslosigkeit.
Die Liebe trägt merkwürdige Schuhe. Sie kommt auf leisen Sohlen, schleicht sich in dein Haus und tappt im Dunkeln. Man kann sie hören, kann sie fühlen, manchmal lauter, ja manchmal fast so unerträglich laut, dass man sich die Ohren zuhalten möchte. Und ohne Scheu nimmt man diesen Widerspruch in sich auf: ein lautes Tappen. Und während der Widerspruch der Liebe für einen Moment die Leere füllt, die eigene Einsamkeit überdeckt, zerrt sie an deinem Verstand und bereitet dir Kopfschmerzen. Denn wenn sie sich wieder aus deinem Haus geschlichen hat, zerfressen Zweifel dein Gehör.
Ich bin zerfressen, scheine die Sensibilität für das Tappen verloren zu haben, fühle mich taub. Eben noch war es ganz nah bei mir, doch jetzt herrscht Stille, Dunkelheit und Hoffnungslosigkeit. Ich wanke…