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Das tödliche Spiegelbild
Ich sah den LKW, er raste auf mich zu und hupte wie wild. Wie angewurzelt stand ich da und sah zu, wie er versuchte zu bremsen.
Dann war alles still, kein Hupen und auch sonst kein Straßenlärm. Eine wirklich angenehme Stille.
Plötzlich durchdrang ein Schrei die Stille. Die Stimme schrie meinen Namen. Ich öffnete widerwillig meine Augen und sah mich um. es war nichts zu sehen, der Raum in dem ich lag war dunkel. Es gab einen kleinen Nachttisch auf dem eine Lampe stand die ein klein wenig Licht spendete. Gerade genug um zu erkennen, dass ein Foto neben der Lampe stand. Darauf zu sehen waren eine Frau und ein Kind. Sie lächelten in die Kamera. Ich wusste auch genau wo das Foto aufgenommen worden war und warum die beiden lächelten. Der Mann der hinter der Kamera stand und das Bild machte, bekam einen neuen Job angeboten. Es war der letzte Urlaub dieser Familie gewesen, danach war keine Zeit für Urlaub gewesen. Der Mann musste zu oft arbeiten und bekam kaum frei. Ich musste lächeln als ich das Bild sah, denn ich war der Mann der hinter der Kamera stand. Solche Augenblicke wie auf dem Foto vermisste ich sehr. Ich durfte jetzt aber nicht in Erinnerungen versinken, sondern musste herausfinden wo ich war.
Als ich versuchte mich zu erinnern was zuletzt passiert war, fiel mir der LKW ein. Er musste mich erwischt haben, aber ich hatte weder Schmerzen noch Verletzungen irgendwo. Ich war auf dem Rückweg vom Bäcker zur Arbeit gewesen und wollte die Straße überqueren, bis dieser LKW aus dem nichts auftauchte. Stellte sich nur die Frage wo ich war und wieso ich hier war wenn der LKW mich scheinbar verschont hatte. Ich muss definitiv aus diesem Haus hier raus.
Als ich mich umsah fiel mir der Umriss einer Tür ins Auge und ging darauf zu. Die Tür schwang mit einem lauten knarren auf, als ich den Knauf drehte und ein langer Korridor erstreckte sich vor mir. Er war beleuchtet und endete mit einer anderen Tür. Sonst war nichts zu sehen. es hingen keine Bilder an der Wand, es führte nirgends ein anderer Weg oder eine Treppe entlang. Es gab nur diese Tür, also atmete ich tief durch und ging auf diese Tür zu. Auch diese ließ sich problemlos öffnen und dahinter befand sich wieder ein Raum. Mir kam der Gedanke an ein Horrorfilm oder einen Escaperoom. Vielleicht träumte ich das alles auch nur. Ich wusste es nicht, das einzige was ich wusste war, dass ich hier raus musste und die Person finden musste die nach mir geschrien hat. Die Tür schlug mit einem lauten Knall zu und ich entschied mich für die Vorstellung, dass ich entweder träumte oder in einem Horrorhaus gefangen war. Ich hoffte eher darauf, dass das alles ein Traum war. Stellte sich nur die Frage wieso konnte ich dann nicht aufwachen? So viele Fragen und so wenig Antworten.
Ich schlich durch den Raum zu zwei Türen.
" Wähle weise" erklang eine raue Stimme.
Wieder sah ich mich um, konnte aber niemanden entdecken.
Verdammt, was ging hier vor sich? Ich nahm die rechte Tür und schlüpfte schnell hindurch.
Ein komischer Geruch stach mir in die Nase. Ich hörte lachende Kinder und bewegte mich weiter vorwärts in Richtung des Geräuschs. Ein paar Meter weiter entdeckte ich die Kinder. Sie rannten lachend umher und versuchten sich gegenseitig zu fangen. Ich blieb stehen um das Schauspiel das sich mir bot zu beobachten. Unter den Kindern war auch mein Sohn. Wie kam er hier her? Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus und nahm immer mehr zu. Ich wollte meinen Sohn zu mir rufen, aber eine Stimme flüsterte in mein Ohr:
" Du willst hier raus? Ich bin dein Wegweiser, folge meinen Anweisungen. "
Ich dreht mich um, aber da stand niemand. Ein leises Lachen war zu hören, welches rasch von ohrenbetäubenden Schreien übertönt wurde. Als ich mich wieder umdrehte, lagen alle Kinder niedergemetzelt auf dem Boden. Es war nicht zu erkennen wer oder was daran Schuld war, fest stand nur, ich musste definitiv hier raus und Hilfe holen.
Es schmerzte mich meinen Sohn mit aufgeschlitzter Kehle am Boden liegen zu sehen, Tränen rollten über meine Wange. Aus einem Traum wäre ich längst aufgewacht, da dies scheinbar kein Traum war, konnte auch ich ganz schnell zum Opfer werden und sterben. Ich musste ein Weg hinaus finden.
Der Weg zurück, um die zweite Tür zu wählen, blieb mir verwehrt. Die Tür war verschlossen.
" Es gibt kein zurück. Geh an den Leichen vorbei und hole Hilfe herbei. Doch wen zu sehr treibt die Eile, bleibt für eine lange Weile. " ertönte wieder diese raue Stimme.
Schaudernd lief es mir über den Rücken, aber ich setzte einen Fuß vor den anderen um an den Kinderleichen vorbei zu kommen.
Wieder tauchte eine Tür vor mir auf, als ich es endlich geschafft hatte. Ich hasste Türen, mal ehrlich, wer benutzt so viele Türen in einem Haus und wie groß war dieses blöd Haus eigentlich.
Auf der anderen Seite der Tür stand meine Frau mir gegenüber. Wut blitzte aus ihren Augen. "Du hast unseren Sohn umgebracht!" schrie sie. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich wollte zu ihr und sie in Arm nehmen, aber irgendwas ließ mich zögern.
Ihr weinendes Schluchzen endete mit einem gurgelnden Laut, der rasch von einem bitteren Lachen übertönt wurde. Meine Frau brach vor meinen Augen zusammen, hinter ihr stand der Mörder mit dem Messer in der Hand. Er schritt ganz langsam auf mich zu und wurde kurz vor mir zu meinem Spiegelbild.
Eine Erkenntnis blitzte durch meinen Kopf. Ich hätte mich besser um meine Familie kümmern sollen. Für mich gab es immer nur die Arbeit und jetzt habe ich alles verloren. Es machte mich traurig zu wissen, dass es jetzt zu spät war und dass ich nie wieder die Möglichkeit bekommen würde es besser zu machen. Mir wurde schwindelig, alles fing sich an zu drehen und ein lautes Piepen war zu hören. Wieder schien jemand nach mir zu rufen und hielt meinen Arm fest. Die Rufe wurden immer klarer und ich konnte die Stimme erkennen. Ich schlug meine Augen auf in dem erwarten wieder in diesem Raum zu sein, allein mit meiner toten Frau.
Stattdessen war sie lebendig und stand über mir, ihre besorgten blauen Augen direkt auf mich gerichtet. Das Piepen kam von einer Maschine die neben dem Bett stand. Es wurde ruhiger, sobald ich ruhiger wurde. Ich begriff langsam, dass das Haus ein Traum gewesen war und ich in einem Krankenhausbett lag. Ich flüsterte leise wie froh ich war sie zu sehen und dass es ihr gut ging.
"Dad" rief mein Sohn und ich nahm beide fest in den Arm.
" Wie wäre es wenn wir aufs Land ziehen und einen Bauernhof eröffnen, so wie wir es immer wollten?" fragte ich in die Runde. Ich wollte die Zeit mit meiner Familie nutzen und nicht mehr nur arbeiten. Die Augen meines Sohnes strahlten, während in denen meiner Frau nur Zweifel zu sehen waren.
"Herr Mischoc, Sie müssen vorsichtig sein in nächster Zeit. Sie haben im Koma gelegen, da Sie einen kleinen Unfall mit einem LKW hatten."
Zum ersten Mal sah ich den Arzt, der am Fußende meines Bettes stand und mir zuzwinkerte. Er besaß dieselbe raue Stimme wie die von der ich geträumt habe. Ich versuchte die schrecklichen Dinge aus dem Traum zu vergessen und fragte meinen Sohn: "Also welche Tiere wollen wir zuerst auf dem Bauernhof haben mein Sohn?"
Er hüpfte auf und ab während er laut schrie:" Hühner mit einem Hahn der uns morgens weckt, eine Katze zum kuscheln und Mäuse fangen. Für die frische Milch am Morgen brauchen wir eine Kuh."
Ich kündigte meinen Job und machte mich mit meiner Familie, im Internet auf die Suche nach einem geeigneten Gelände für ein Bauernhof.