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Das Synapsengeklapper auf der Metaebene
Auf der Metaebene herrschte Langeweile. Erfüllt von einer ans Übernatürliche grenzenden Gleichgültigkeit gegen alles Konventionelle in der bildenden Kunst, der Musik, und einer Literaturlandschaft, die ihnen nicht einmal mehr ein Gähnen abnötigte, lauschten die Kreativen dem Klappern ihrer Synapsen. Magrittes Pfeife machte die Runde.
Vor einem mannshohen Spiegel verzweifelte ein Barbier an der Aufgabe, sein Spiegelbild zu rasieren. Der Pinsel, mit dem er unermüdlich schwarzen Schaum auf dem Glas verteilte, gab Töne von sich wie ein Stück falsch gehaltener Kreide auf einer Schultafel. Einer der Komponisten bekam eine Gänsehaut und übergab sich daraufhin, jedoch nicht ohne zuvor sein Aufnahmegerät zu aktivieren.
„Wisch er mir den Mund ab, trauriger Wicht“, befahl er dem Visagisten seiner Muse. Jener, zwar ungehalten ob des schroffen Tons, gehorchte dem Meister der Klänge und tat, wie ihm geheißen. Der Vorgang war für einige Autoren, die sich von einem Besuch auf der Metaebene frische Inspirationen erhofften, Grund genug, Papier und Stift hervor zu kramen. Einer kritzelte mit einem Silberstift Lügen wir schon, wenn wir nichts schreiben? auf ein Stück Wellpappe. Ein anderer sah mit einem Mal einen Zusammenhang zwischen dem sinnlosen Versuch, etwas Nachvollziehbares zu schreiben und der Weigerung, in einem hinreichend gefüllten Fahrstuhl einen fahren zu lassen. Für einen Moment schwoll das kollektive Synapsengeklapper an und etliche Mundwinkel versuchten, Kontakt zu den sie flankierenden Ohrläppchen aufzunehmen. Allein – Sensationen blieben aus, originelle Ansätze verdursteten auf halber Strecke.
„Der Himmel ist ein Kleid, das der Erde zu weit ist!“ schrie einer und streckte den übrigen Kreativen seine Schulter entgegen, doch niemand fand sich, sie zu beklopfen. In seiner Verzweiflung wagte er einen zweiten Versuch.
„Es! War! Einmal!“
„Wie bist du denn drauf?“ erwiderte ein Bildhauer, der sich der heterogenen Materialästhetik verschrieben hatte und allem misstraute, was auf den ersten Blick zu begreifen war. „Du brauchst was aufs Maul, du Penner.“
„Ruhe!“ brüllte der Geist John Cages, welcher, von allen unbemerkt, unter einem imaginären Flügel geschlafen hatte und durch das Geschrei aus einem bedeutenden Traum gerissen worden war. „Kann man denn nicht mal hier seine Ruhe haben? Das ist ja schlimmer als das elende Geklimper von Erik Satie!“
Da wurde den Kreativen klar, daß sie den Bogen überspannt hatten, und in der Metaebene kehrte für kurze Zeit Ruhe ein. Doch nicht lange, da begannen die Synapsen, zuerst ganz leise, dann immer lauter werdend, erneut, diesmal synchron, zu rattern. Der des Morsens Kundige verstand die Botschaft: Die Hirnleistung sinkt bei Unterforderung.