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Das Squiesel
Der Hausroboter hatte mal wieder nicht Staub gesaugt.
Ich gab ihm einen Tritt von der üblen Sorte, als ich meine Wohnung betrat.
Irgendetwas war schon seit Wochen nicht in Ordnung mit ihm.
Es war mir egal. Mit mir war ja auch einiges nicht in Ordnung.
Aber dazu später.
„Sie haben sieben neue Nachrichten“, sagte die freundliche Stimme meiner Visicomanlage.
„Nein! Jetzt nicht!“, schrie ich genervt und warf mich auf mein Antigravsofa.
Trotz meiner Anweisung erschien das Holo meiner Mutter vor mir.
Diese Sprachsteuerung machte, was sie wollte.
Ja, war denn in diesem Haushalt alles kaputt?
„Hallo, mein Sohn, ich wollte nur mal hören, wie es dir geht. Du kannst uns gern mal wieder besuchen kommen.“
Ich nahm die Fernbedienung und schaltete ab.
„Medorob!“, rief ich laut und verständlich, in der Hoffnung, diesmal keinen Reinfall zu erleben.
Es klappte.
„Was kann ich denn für meinen kleinen Weltraumhelden tun“, säuselte seine Stimme. Oder besser „ihre“ Stimme. „Sie“ sah verdammt gut aus, dafür, dass „sie“ ein Roboter war.
„Kannst du mich nicht endlich Janine nennen?“, forderte „sie“ mich verführerisch auf.
Ich hatte ihr Sprachmodul auf „Erotik“ und „weiblich“ eingestellt.
„Wie wäre es mit einer kleinen Massage, na?“
„Hör auf mit dem Unsinn. Du musst mal nach meiner Schulter sehen, aber sei vorsichtig.“
Es hatte mich erwischt in dieser verrückten Stadt, die eigentlich ein Monster war. Verführerisch und genial, aber auch verkommen und dekadent.
Wie konnte mir das passieren?
Seit zwei Jahren war ich auf diesem verbeulten Handelsfrachter unterwegs zwischen Frago City und Jasons Planet. Selbstständiger Spediteur im intergalaktischen Handelsraum nannte sich so etwas in Galaktica. Fast jede Woche flog ich die gleiche Strecke.
Doch bei dem letzten Flug war alles anders gewesen.
„Au, bist du verrückt, du Schreckschraube!“, fauchte ich, als Janine mich etwas zu grob von meiner Kombination befreite.
„Aber, aber, wer wird denn ein so böser Junge sein“, piepste „sie“ zurück.
„Soll ich dir ein Wannenbad einlassen?“
„Keine schlechte Idee, Janine.“ Der Medorob lächelte vielsagend.
„Die rötliche Stelle dort an deinem Hals sieht fast so aus wie die Eintrittstelle eines Squiesels.“
Zusätzlich hatte ich Janine auch noch auf „intelligent“ eingestellt.
Ich bereute es nicht.
Alles hatte mit diesem Antriebsschaden angefangen, irgendwo auf dem Rückflug von Jasons Planet. Jo, mein „Bordklempner“, fiel fast aus seinem Servositz, als wir unsanft aus dem Hypertransraum gerissen wurden.
„Was ist jetzt denn los, heiliger Hansel?“
Das nervende Quaken der Alarmanlage strapazierte meine Geduld übermäßig.
„Alarmanlage aus!“, brüllte ich.
Nichts geschah.
Mitten im Raum entstand eine altertümliche Badewanne mit geschwungenen Füßen. Das Badewasser dampfte vielversprechend und Janine selbst räkelte sich im Wasser wie in alten Filmen Marilyn Monroe. Den Badsimulator hatte ich preiswert bei Kosmobay im Spacenet ersteigert. Er war ein Schnäppchen, aber manchmal hatte er seine Macken. Genussvoll stöhnend ließ ich mich ins heiße Wasser gleiten. Die Illusion war perfekt.
„Sag mal, Janine, was weißt du über Squiesel?“, fragte ich beiläufig.
„Oh, viel, mein Schnucki“, antwortete „sie“. „Ich habe diese Frage bereits erwartet.“
Entsetzt schrie ich auf: „Temperaturüberprüfung, schnell!“
Von einer Sekunde auf die andere war die Wassertemperatur auf unter Null Grad gesunken. Eine dünne Eisoberfläche hatte sich gebildet.
Janine blieb natürlich völlig gelassen.
„Moment, das haben wir gleich.“
Sie drückte ein paar Sensoren auf ihrem Medoarm.
Ich schwor mir insgeheim, nie wieder etwas bei Kosmobay zu ersteigern.
„Wo sind wir?“
Der Bordcomputer verstand mich.
„Nächstes bekanntes System: Elvis Stern. Intertelekontakt hergestellt.“
„Die sollen uns abschleppen, verdammt noch mal.“
Auch das noch, Elvis Planet!
Ein Schmelztiegel der unterschiedlichsten raumfahrenden Völker unserer bekannten Galaxis.
Hier traf sich alles, was Rang und Namen hatte, alles, was Rang und Namen bekommen wollte und alles, was nie im Leben Rang und Namen bekommen würde.
Das konnte ja lustig werden! Und teuer!
„Elvis Planet kenne ich gut“, prahlte Jo, „sehr gut.“
Kaum hatten wir uns versehen, waren wir auch schon „am Haken“ der Abschleppmafia.
Sie brachte uns mitten in die brodelnde Stadt Elvis City.
Der Preis dafür war exorbitant.
„Ich verspreche hiermit hoch und heilig, dass ich in Zukunft jede Inspektion an meiner Kiste einhalten werde. Hast du gehört, Jo?“, flüsterte ich kleinlaut.
Der Kälteschock kroch aus meinen Gliedern.
So konnte mein plötzlicher Herztod gerade noch vermieden werden.
„Squiesel sind süße, kleine Tierchen, die wie bunte Raupen auf vier Beinen aussehen, mit großen, blauen Augen. Es gibt sie nur sehr, sehr selten und auch nur auf Squiesels Planet. Die männlichen Tiere denken ihr ganzes Leben lang nur „an das Eine“. Es ist die allerneuste und geilste Droge, die es im Augenblick auf dem Markt gibt, Liebling. Sie macht dich zu einem Mutanten, einem Sexemotionisten. Wenn du das Tier in dir hast, denkst du auch den ganzen Tag nur an Sex. Das tust du ja sowieso, doch wenn du einen Squiesel in dir trägst, kannst du dich in jedes Wesen mental und emotional hineinversetzen und seinen Sex miterleben. Dein Körper ist dann wie in Trance.“
Sie machte eine kurze Pause.
„Und du hast einen Squiesel in dir.“
Janine plätscherte mit ihren Zehen Wasser zu Schaum vor meiner Brust.
„Bei Robotern funktioniert das aber leider nicht! Wie schade.“
„Hier ist es“, flüsterte der elegant gekleidete Typ in der abgelegenen Bar auf einer der unteren Ebenen von Elvis City. Jo machte Augen wie ein Gmolch, dem man auf den Schwanz getreten hatte. Er hatte das alles hier eingefädelt.
„Komm mit! Du wirst Augen machen!“
Und ich hatte nicht „nein“ gesagt.
Die teure Reparatur unserer Blechkiste hatte dazu beigetragen, dass wir schon erheblich von den Getränken dieser Bar genossen hatten.
Das kleine Squiesel, das in einem Glaskäfig vor uns auf dem Tisch stand, blinzelte mich mit seinen großen blauen Augen an, als wollte es mich fragen: „Woran denkst du?“
„Sie müssen es sich auf die Schulter setzen, damit es am Hals einfließen kann. Wenn es spürt, dass Sie auch an Sex denken, verändert es seine Struktur und löst sich auf. Dadurch kann es die Haut durchdringen. Die rötliche Stelle, die dabei entsteht, geht wieder weg, wenn das Squiesel Ihren Körper wieder verlassen hat. Also los, worauf warten Sie noch? Probieren Sie es aus!“
Er deutete mit dem Kopf auf die beiden Vigurianer, die ein paar Tische neben uns eng umschlungen saßen. Sie sahen aus wie Schlangen auf zwei Beinen, gekleidet in eng anliegenden, schwarzen Ledermonturen und Stiefeln. Dabei zischelten sie in einer Sprache, die ich nicht verstand. Ihre gespaltenen Zungen berührten sich immer wieder blitzschnell.
Es war schon verführerisch, den Sex anderer Wesen miterleben zu können, ohne dass sie es merkten.
Sollte ich es tun?
Der Typ nahm das Squiesel aus dem Käfig.
Es gab einen Ton von sich, der sich entfernt wie ein Jauchzen anhörte.
Ich nickte.
„Du darfst es aber nicht zu oft machen, sonst kommst du nicht mehr davon los, mein süßer Weltraumcowboy. Du gehst nicht mehr zur Arbeit, trinkst und isst nicht mehr ausreichend, hechelst von einem Erlebnis zum nächsten, bis du nicht mehr kannst.
Also denk an das Mittel, das den Squiesel wieder aus deinem Körper treibt. Sonst stirbst du bei irgendeinem Orgasmus. Ist ja auch nicht so schlecht, oder?“
Janine lächelte und zeigte ihre weißen Kunstzähne.
Das Mittel!
Verdammt! Wo hatte ich in meinem benebelten Kopf dieses Mittel hingetan?
Das Mittel, das das Squiesel nicht aus meinem Körper getrieben hatte!
Ich musste zurück nach Elvis City um es umzutauschen.
Es war genial!
Mein Schädel wollte platzen von den fremden Gefühlen, die keiner beschreiben konnte.
Die beiden Vigurianer waren auf ihren Motorradgleitern in das nächste Hotel gefahren und ich mit ihnen. Jede Emotion spürte ich, jedes Zucken, jede Erregung, jedes liebevolle Beißen ihrer Giftzähne. Es sollte nicht aufhören, und doch trieb mich irgendetwas wieder in meinen Körper zurück, der in Trance in der Bar zurückgeblieben war.
Ich blickte auf meine Schulter.
Das Squiesel saß dort und putzte sich das bunte Fell.
„Das reicht fürs erste Mal. Ich habe Ihnen das Mittel eingeträufelt, das das Squiesel wieder aus ihrem Körper treibt. Es wird aus einem Sekret der weiblichen Squiesel gewonnen, die sich ständig gegen den Sextrieb der Männchen wehren müssen. Nehmen sie es ein, flüchtet das Männchen sofort aus ihrem Körper. Dann dauert es eine Weile, bis das Squiesel wieder einfließen kann. Verlieren Sie das Mittel nicht!“
„Was…was kostet der Spaß?“, stotterte in benommen.
Ich sprang aus der Illusionsbadewanne und wühlte die Taschen meiner Raumkombination durch.
Da war das Mittel!
Gott sei Dank!
„Bei mir funktioniert es nicht mehr, verdammt noch mal!“, donnerte ich los und blickte auf Janine, die ihre schwarz lackierten Fingernägel inspizierte.
Das Squiesel, das ich für einen Schweinepreis gekauft hatte, war noch in meinem Körper. Ich hatte es gleich auf meine Schulter gesetzt, als wir in Frago City gelandet waren.
Jo hatte die beiden Terraner entdeckt, die zu dem abseits geparkten Gleiter gelaufen waren und sich liebevoll umarmt hatten. Wahrscheinlich hatten sie sich lange nicht gesehen.
Von Terranern erzählt man sich ja die unglaublichsten erotischen Geschichten!
Die Situation war einfach zu verführerisch.
Aber nichts geschah!
Weder fiel mein Körper in Trance, noch konnte ich die Emotionen des Terraners miterleben.
Nur das Squiesel blieb in meinem Körper, auch, als ich etwas von dem Mittel getrunken hatte.
„Man hat dich betrogen“, säuselte Janine zärtlich, stieg aufreizend aus der Badewanne und umkreiste den roten Fleck auf meiner Schulter mit ihrem schwarzen Fingernagel.
„Man hat dir kein männliches, sondern ein weibliches Squiesel verkauft. Die sind eigentlich völlig unverkäuflich. Man hat sie wohl vertauscht, ohne dass du es gemerkt hast. Da du aber noch das weibliche Sekret im Körper hattest, ist es bei dir eingeflossen, und jetzt trägst du das weibliche Squiesel mit dir herum, mein Schatz. Es fühlt sich bei dir sehr wohl.“