Das Springen ist ein einziges auf und ab
"Nichts scheint wie es ist. Trotzdem scheint ab und zu
die Sonne"
Fast fluchtartig hatte ich das Haus verlassen. Nur schnell
die Jacke rüber, Schuhe um die Füße gebunden und dann raus.
Verabschiedung ist nicht, vor allem nicht weil es sich
"Jemand" nicht verkneifen kann an diese auch noch ein paar
Verhaltensregeln fuer den Abend zu heften. Ich könnt kotzen.
Kaum bin ich draussen atme ich tief ein. Einmal, zweimal und
die Ruhe kehrt langsam zurück. Was fuer ein befreindes
Gefühl. Der Wind bläßt leicht durch meine Jacke und
ich muss die Augen zusammnkneifen, um ihm zu trotzen.
Unwillkürlich lächele ich, als mir dieser Geruch in
die Nase steigt. Es ist etwas ganz eigenes dieser Geruch der Luft
zur Herbstzeit in der Stadt. Eine Mischung aus dem ersten Laub
das von den Bäumen fällt und den Abendgerüchen
die aus den Küchen der verschiedenen Wohnungn schleichen.
Trotzdem herrscht ein gewisse Kühle, wenigstens eine
dünne Jacke ist unerlässlich. Wieder atme ich tief ein, um
noch mehr von diesem abendlichen Leben in mich aufzunehmen.
Rauh und frei, doch fern ab von der eisgen kühle des Winters
aber auch nichtmehr diese schwüllastige Hitze des Sommers.
Und trotzdem auch dieser Lebendige beigeschmack, oder sind
das nur die ersten verwesenden Blätter?
Ich hab mein Tempo gebremst, und aus meiner hastigen
Flucht wurde ein lässiger Gang. Die Mütze zurechtgerückt und
die Hände in die Tasche, so ging es Richtung Haltestelle
Stb Mitte/West. Meine Stammhaltestelle, keine 200 Meter
von meinem Daheim entfernt. Von hier aus kam man an fast
alle Orte dieser Stadt, und einem kleinen Stadtbewohner
wie mir erschien das wie ein unverhältnissmäsig grosser
Hafen der Freiheit. Das sollte jetzt weniger pathetisch klingen,
aber die Haltestelle lag direkt auf einer Brücke über einem Fluss.
So war das schon immer mein kleiner 'Hafen'. Nur, dass dem
an Bewunderung erinnerten Aufschauen als kleines Kind ein
spöttisches und aus purer langweile übernommener Ausdruck
wurde.
Auf einmal, während ich einen zweifelnden Blick
nach vorne Tat, fand ich einen Gummiball in meiner
Hosentasche.
Zwei Dinge waren verwunderlich:Zum einen blickte ich selten
zweifelnd, und das letzte mal, dass ich einen Gummiball in meiner
Hose fand, musste gute 10 Jahre her sein. Mein zweifelnder
Blick verschwand schliesslich unter dem Auftreten eines
verhaltenen Lächelns als mir wieder bewusst wurde, wo dieser
Ball herkam. Betrunken war ich wohl auf dem Jahrmarkt,
als ich ihn bekommen hatte. Es war ein Geschenk.
Wenn mir nur einfallen würde wie es genau dazu kam. Angestrengt
dachte ich nach und suchte in meinem Kopf nach der entsprechenden
Erinnerung. Es war kein Geschenk das ein Geschäftsman macht, um
seine Kunden zu locken, weder war es ein Geschenk das
verpflichten wollte. Eher, war es ein Geschenk das
selbst aus tiefster Überzeugung Geschenk war.
Meine Finger tasten und fühlen den Ball zwischen ihnen.
Ich presse sie kurz zusammen als könnte ich mit dem gleichen
Druck die Erinnerung heraufbezwingen.
Ich blieb stehen. Da war es, dieses süsse Gesicht. Zwischen
Zuckerwatte, zwei Lebkuchenherzen und dem Funkeln der
Jahrmarktslichter konnte ich es klar erkennen. Auf einmal
war es wieder da. Unwillkürlich lief mir ein Schauer über den
Rücken. Sie hatte ihn mir gegeben, nachdem sie ihn beim
Lose-Angeln gewonnen hatte. Ein Trostpreis, mehr nicht.
Aber als sie ihn mir gab war der gelbe Gummiball bei weitem
kein Trostpreis mehr. Vielmehr erschien er mir komisch lebendig,
in einer Sprunghaftigkeit, die die unserige bei weitem
überstieg. Ich konnte mich an das Glitzern des Balles
erinnern, an die wiederspiegelungen des Scheins der Lichter.
An unser kindhaftes gehaste, wie wir diesem etwas hinterher das
unberechenbar hinundherzuspringen schien. Wir sprangen einfach
umher. Wie der Ball auf und ab. Die Lichter wurden zu Schlieren
als die Nacht langsam älter wurde.
Ich weiss nicht was dann war.
Komisch was einem auf dem Weg zur haltestelle so alles einfällt.
Langsam geh ich wieder weiter und hol kurz den Ball raus.
Schade, aber er sah bei weitem nicht mehr so aus
wie in meiner Erinnerung. Das leuchtende Neongelb war einem
schmutzigen post-gelbgrau gewichen und an der Oberfläche
konnte man deutliche Absplitterungen erkennen. Schade, denk ich mir
wieder und lass den Ball in meiner Jackentasche verschwinden.
Ich hätte ihn gern noch einmal springen lassen. Als hätte ich erneut
einen Punkt gefunden (oder verloren?), rauscht der Wind in den
Bäumen. Noch bevor ich die Haltestelle erreiche, hab ich den Ball
vergessen.
Wohin es heute wohl geht?