- Anmerkungen zum Text
Eine Geschichte vom Wolf und vom Lamm.
Das Spiel
Gefällt Dir dieses Spiel? Das Spiel, das nur wir beide spielen, während alle Anderen um uns herum von seiner Existenz nicht einmal auch nur Ansatzweise etwas wissen. Das Spiel, dessen Regeln du selber erstellst, jeden Tag aufs Neue und dessen Regeln auch nur Du alleine kennst. Kann ich dieses Spiel überhaupt gewinnen? Hat überhaupt schon einmal jemand dein Spiel gewonnen, außer Dir selbst? Warum spielst Du dieses Spiel nun ausgerechnet mit mir? Und warum spiele ich überhaupt mit?
Es dämmert und wie immer beobachtest Du mich schon seit einer ganzen Weile. Ich sehe Dich nicht, aber Du siehst mich. Du kennst jeden meiner Schritte und bist mir immer mindestens Einen voraus.
Langsam wird es komplett dunkel um mich herum. Im Moment bin ich vollkommen blind, kann mich nur noch auf meine anderen Sinne verlassen. Habe ich Angst? Komischer Weise nicht. Ich sehne mich sogar schon fast danach, dass dein Spiel heute wieder aufs Neue beginnt und als würdest Du genau das ahnen, lässt Du nicht lange auf Dich warten.
Du kommst näher und Du weißt genau, was Zu tun ist, damit Dich sonst niemand bemerkt. Ich spüre deine brennenden Blicke auf meinem ganzen Körper und weiß, das Spiel hat begonnen.
Ich müsste eigentlich wegrennen. Das sagt mir zumindest mein Verstand. Ich tue es aber nicht, denn ich glaube sowieso nicht, dass ich eine Chance hätte. Anfangs hätte ich die vielleicht noch gehabt. Doch mittlerweile kennst Du mich einfach zu gut. Du hast deine Spielregeln auf mich angepasst. Also bleibe ich stehen.
Du stehst jetzt direkt vor mir. Ich sehe Dich zwar nicht, aber ich spüre deinen Atem auf meiner Haut. Langsam mache ich einen Schritt zurück. Aber da ist diese Wand. Eine Wand, die ich komplett vergessen hatte. Jetzt bin ich vollkommen gefangen.
So nah wie heute warst Du mir noch nie. Deine Spielregeln haben sich also wieder geändert. Zumindest hoffe ich, dass das noch zum Spiel gehört. Denn ansonsten müsste ich jetzt sterben. So viel ist klar.
Deine scharfen Zähne berühren meinen Hals und ein kalter Schauer durchläuft meinen Körper. Denn auch das machst Du heute zum ersten Mal. Regungslos stehen wir beide eine lange zeit so dar. Der Druck deiner Zähne auf meinen Hals erhöht sich allmählich und ich genieße diesen süßen Schmerz, den Du mir bereitest. Ich möchte etwas sagen. Etwas wie: "Tu es!", "Es ist ok.", aber bevor diese Worte meinen Mund verlassen können, bist Du weg und ich stehe alleine im Dunkeln vor dieser Wand. Warum bist Du so plötzlich gegangen? Jetzt habe ich Angst. Angst davor, dass Du vielleicht nie wieder zurück kommen wirst.
Du bist der Wolf und ich bin das Lamm und wir spielen ein Spiel. Ich hoffe, dass dieses Spiel niemals endet, auch wenn es mich irgendwann umbringt.