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Das schwarze Kreuz
„Jimmy, fahr mal rechts ran! Ich muss pissen!“, tönte es von der Rückbank des Toyotas nach vorne. Ein leises „was schon wieder“ war von der Beifahrerseite zu hören, und auch Jimmy dachte sich im Geiste das selbe. Erst vor einer Stunde hatten sie angehalten, damit Alex Hodge, ein kleiner Angestellter bei einer Supermarktkette, die doppelte Menge Urin aus seiner Blase entlassen konnte, die er vorher zwanghaft mittels Bier in sich reingeschüttet hatte.
Jimmy Carlyle fuhr rechts an den Straßenrand, stellte den Motor ab und drehte sich um. Auf der Rückbank saßen Alex Hodge, der kleine besoffene Pisser, und seine Freundin Caroline McDougall, ehemalige Beauty Queen von Little Spring, einem kleinen Nest mitten im Nirgendwo.
„Geh, mach schon! Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit. Muss sonst noch wer? ... Nein, gut, denn das nächste Mal halten wir erst wieder an, wenn wir tanken müssen.“ Jimmy Carlyle war mittlerweile ziemlich verärgert. Er war nicht scharf darauf gewesen diesen kleinen dreckigen Wichser und seine Freundin in die Ferien mitzunehmen, doch seine eigene Freundin, Anna Fleming, die neben ihm auf den Beifahrersitz saß, bestand darauf. Sie meinte, sie könne Caroline nicht einen Monat allein lassen, da sie in letzter Zeit, nach ihrer Niederlage bei der Wahl zur Miss Utah, ziemlich niedergeschlagen war. Das wunderte auch keinen, bei so einem Freund. Dieses kleines Sackgesicht wusste wahrscheinlich nicht einmal wie man Bier schreibt, aber saufen konnte er es ohne Ende. Wahrscheinlich würde seine jugendlich Begeisterung für gering alkoholische Getränke in wenigen Jahren zu einer regelrechten Sucht ausufern und wenige Jahre später würde er besoffen hinter dem Lenkrad seines Autos einschlafen und gegen einen Baum donnern. Das würde ihm auch recht geschehen, dachte Jimmy, im selben Moment tat es ihm aber wieder leid. Es stimmte schon, Alex Hodge war ein kleines, besserwisserisches Arschloch, das sein ganzes Leben lang ein Niemand sein würde, aber den Tod hatte er nun auch wieder nicht verdient. Noch nicht, dachte Jimmy dann aber trotzdem wieder und musste lächeln.
Alex stieg langsam und gequält aus dem Auto aus, er konnte nicht mehr ganz gerade gehen und torkelte somit zu einem kleinen Strauch, der neben der Fahrbahn stand. Dort angekommen, fingerte er ungefähr eine Minute an seiner Hose herum, ehe er dazu kam, sein Geschäft zu verrichten. Als er fertig war, drehte er sich mit offenem Hosenstall um und kam auf das Auto zu.
„Alex, schau dich an wie du daher kommst. Wie ein Schwein. Wenn du dich nicht mehr unter Kontrolle hast, dann hör auf zu trinken. Irgendwann wird dich das noch umbringen“, fauchte ihn seine Freundin an.
„Ach ja, und was interessiert dich das, du miese kleine Schlampe!“ brüllte er Caroline an, während er weiter auf den Wagen zutorkelte. „Dir kann es doch egal sein, wie ich daher komme. Du liebst mich ja so oder so, du Miststück, und wenn du mich nicht mehr liebst, auch egal, ich suche mir einfach eine andere die ich vögeln kann.“
„Das reicht jetzt,“ meinte Anna lautstark. „Hör zu, du Arsch. Keiner war scharf drauf dich mitzunehmen, wir haben das nur Caroline zu Liebe getan. Warum sie weiterhin mit dir zusammen ist, versteh ich sowieso nicht. Ich hätte dir schon lange mit dir Schluss gemacht und dir gewaltig in die Eier getreten. Das ist wahrscheinlich auch das einzige, für was die zu gebrauchen sind, nicht wahr. Also, entweder du steigst jetzt ein, hältst die Klappe und wenn auch nur ein einziges Bier in die Nähe deiner Lippen kommt, sorge ich dafür, dass du mit diesen Lippen nie wieder ein Bier trinken wirst, oder du bleibst hier zurück und schaust alleine wie du nach Hause oder sonst wohin kommst.“ Annas Gesicht war rot vor Wut und ihre Nasenflügeln blähten sich auf. Das war bei ihr immer so, wenn sie wütend war, und Jimmy fand das auf eine gewisse Art und Weise auch ziemlich sexy.
„Du kleine Schlampe, was willst du mir schon sagen. Glaubst du ich gebe auch nur einen Furz auf deine Meinung. Du... du, Pferdefickerin.“
Jetzt reicht's, dachte Jimmy. Er schnallte sich ab, öffnete die Tür und ging um den Wagen herum auf Alex zu.
„Nein Jimmy, tu’s nicht“ meinte Caroline. „Er meint es doch nicht ernst, er ist doch nur betrunken.“ Doch da hatte Jimmy Alex schon am T-Shirt gepackt und zog ihn ganz nah zu sich heran.
„Hör mit gut zu, du kleiner widerlicher Wichser! Du hast gerade deine Mitfahrgelegenheit verspielt. Ich weiß, wir sind hier mitten im Nirgendwo, 20 Meilen von der nächsten Raststation entfernt. Hier gibt es weit und breit nichts als Grasbüschel, Sträucher und Sand, jede Menge Sand. Du wirst keinen Fuß mehr in dieses Auto setzen, für dich ist hier und jetzt Schluss. Ich habe dein selbstgerechtes Gefasel satt, deinen stinkenden, nach Bier riechenden Atem und deine Beschimpfungen. Wenn Anna und Caroline jetzt nicht hier wären, würde ich dir die Fresse polieren, so dass du es nie mehr vergessen würdest. Doch du hast Glück, Anna verabscheut Gewalt, und ich würde im Gegensatz zu dir niemals was machen, das meiner Freundin weh tun würde. Aber soweit bist du anscheinend noch nicht, du kleiner präpubertärer Drecksack. Nun verabschiede dich von Caroline, denn so schnell wirst du sie nicht wieder sehen. Nach Little Spring ist es noch ein weiter Weg, und diese Straße ist nicht unbedingt dass, was man eine verkehrsreiche Strecke nennt, wie dir sicher schon aufgefallen ist. Nimm dein Scheiß Bier und verzieh dich.“
Mit diesen Worten ging Jimmy zum Wagen zurück, nicht ohne Alex vorher von sich weg zu stoßen, so dass er rücklings zu Boden fiel, griff durch das geöffnete Fenster auf die Rückbank und holte ein volles und ein halbes Sixpack hervor. Er warf sie Alex zu, eines nach dem Anderen, der sie natürlich nicht mehr fangen konnte. Sie krachten hinter ihm in den Sand, eine oder zwei Flaschen gingen kaputt. Danach stieg er wieder in den Wagen ein, startete und fuhr weg. Jimmy, Anna und Caroline ließen Alex Hodge allein zurück.
„Was hast du da gerade gemacht?“ Caroline reagierte entsetzt. „Okay, ich gebe zu, er hat sich etwas daneben benommen, aber doch nur weil er betrunken war. Ich meine ...“
„Etwas daneben benommen!“ Jimmy konnte es kaum glauben, dass Caroline diesen Typen auch noch in Schutz nahm. „Etwas daneben benommen, wäre gewesen, wenn er gefurzt oder gerülpst hätte. Wenn er unanständige Witze erzählt oder seinen nackten Arsch beim Fenster rausgehalten hätte, aber er, ..., er nannte meine Freundin eine Pferdefickerin. Der Mistkerl sollte sich darüber freuen, dass ich kein Schlägertyp bin, denn sonst hätte er jetzt ein gebrochenes Kiefer und würde zwei oder drei Oktaven höher singen. Also um Himmels Willen, halt bitte deine Klappe.“
„Die nächste Tankstelle ist zwanzig Meilen weit weg. Dort werden wir anhalten und den Tankwart ersuchen den Sheriff zu der Stelle hinzuschicken um Alex einzusammeln. Ich glaube eine Nacht in der Ausnüchterungszelle wird im gut tun“, meinte Anna, die den Mistkerl am liebsten einfach in der Wüste verrotten lassen würde. Doch da Caroline ihre beste Freundin war, konnte sie das nicht tun.
„Wieso bist du eigentlich mit diesem Mistkerl zusammen. Ich meine, er sieht nicht besonders gut aus, ist nicht besonders hell in der Birne – blöd wäre fast schon zutreffender – und führt sich auf wie das größte Arschloch der Welt. Was hat der Kerl an sich?“ fragte Jimmy und drehte sich dabei zu Caroline auf der Rückbank um.
„Er versteht mich halt!“, antwortete sie, doch ihre Stimme klang unsicher und zittrig. Irgendwie war sie ja auch froh, das der Kerl weg war. Sie wollte es ihm schon lange sagen, aber fand noch nicht die richtige Gelegenheit dazu. Es war aus zwischen ihnen, obwohl sie von ihm schwanger war. Im dritten Monat, und er wusste nichts davon, Jimmy auch nicht, nur Anna. Sie war immerhin ihre beste Freundin. Nicht wegen der Misswahl war sie niedergeschlagen, sondern wegen des Babys, dass in ein paar Monaten das Licht der Welt erblicken sollte. Sie hatte keine Ahnung, wie sie es Alex beibringen sollte, sie hatte keine Ahnung wie sie es ihren Eltern beibringen sollte. Diese würden sie sicher enterben; sie waren streng katholisch und würden ihre Tochter lieber verstoßen, als wahrzuhaben, dass sie Sex vor der Ehe hatte. Der Urlaub, in den sie gerade fahren wollten, hätte entweder das Verhältnis zwischen den beiden zumindest soweit bessern sollen, das Alex akzeptiert hätte, dass er der Vater sein und so auch seinen Pflichten nachzukommen hat, auch wenn sie nicht mehr zusammen sein würden.
Die Landschaft flog an ihnen vorbei und außer der leisen Musik aus dem CD-Player, war es ruhig im Auto. Keiner sprach mehr über das was vorgefallen war, bis plötzlich Jimmy das Schweigen brach.
„Hey Baby“ sagte er. „Mach doch mal das Handschuhfach auf. Da liegen ein paar Joints drinnen. Rauch mir doch bitte einen an und reich in mir dann, ich glaub den brauch ich jetzt nach der Aktion von vorhin.“
Normalerweise hätte Anna jetzt nein gesagt. Sie hielt nichts von Drogen hinter dem Steuer, doch hier draußen in der Wüste, wo weit und breit kein anderer Mensch war, sah sie keinen Grund, warum er nicht einen rauchen sollte. Es war ja nicht so, dass er von ein paar Zügen zu bekifft zum Autofahren sein würde. Nein, einer reichte da nicht für Jimmy, da müssten es schon zwei oder drei sein, also tat sie, wie ihr geheißen wurde.
Als sie sich vorbeugte, um den Zigarettenanzünder hineinzudrücken, ruckelte plötzlich der Wagen. Der Motor stotterte und protestierte, doch anscheinend stimmte etwas nicht, da der Wagen letztendlich zum Stillstand gekommen war.
„Verdammte Scheiße“ fluchte Jimmy.
„Was ist den los“ wollte Anna wissen. Der Ausdruck auf dem Gesicht ihres Freundes verhieß nichts Gutes,
„Der Sprit ist alle!“
„Der Sprit alle, das gibt’s doch nicht, wir haben doch erst vor 75 Meilen getankt.“, ließ sich Caroline vernehmen.
„Ja, anscheinend haben wir ein Loch in der Benzinleitung, oder die Tankanzeige ist defekt, oder ....“
„Oder was?“
„Keine Ahnung. Bin ich Mechaniker. Ich bin Musiker, was versteh ich schon von Autos. Tatsache ist, dass wir hier festsitzen, und bis zur nächsten Tankstelle sind es noch sieben oder acht Meilen.“
„Und was sollen wir jetzt tun?“, warf Anna ein.
„Na ja, es ist kurz nach Einbruch der Nacht. Wenn wir hier bleiben, steht uns eine Nacht im Auto bevor, Alex wird uns, wenn er nicht besoffen an der Stelle einschläft, wo wir in rausgeworfen haben, einholen und dann wird es sicher nicht ein gemütlicher Abend zu viert. Ich könnte mir gut vorstellen, dass er gerade auf den Weg zur nächsten Tankstelle ist, um sich dort die Nacht um die Ohren zu schlagen und darauf hoffen, dass ihn morgen früh ein Trucker bis zur nächsten Stadt mit Bahnhof oder einer Autovermietung mitnimmt. Wir werden jetzt aussteigen, unsere Rucksäcke nehmen wir mit, damit wir etwas zu trinken haben und dann werden wir die nächsten drei oder vier Stunden unterwegs sein, bis zur nächsten Tankstelle, dort werden wir uns einen Abschleppwagen bestellen und mit diesem hier her zurück fahren. Dann lassen wir das Auto abschleppen und herrichten. Danach geht es weiter in die Ferien.“, antwortete Jimmy.
„Aber was ist, wenn uns etwas zustößt?“, fragte Caroline verängstigt.
„Was soll uns denn hier schon zustoßen. Wir sind mitten im Nirgendwo. Wir nehmen ein paar Taschenlampen mit und machen uns auf den Weg oder hast du eine bessere Idee. Ich habe auf jeden Fall keine Lust die Nacht heute im Auto zu verbringen und dann morgen in der Früh die Strecke zurückzulegen, in der heißen Sonne. Mir wäre ein nächtlicher Spaziergang viel lieber. Es ist angenehm kühl draußen, die Strecke ist in drei Stunden zu schaffen und dann sind wir ruck zuck wieder zurück und lassen den Wagen abschleppen. Außerdem ist so ein kleiner Nachtsparziergang romantisch.“, meinte Anna mit einem Lächeln im Gesicht und sah dabei ihren Freund an.
So kam es, dass die drei aus dem Auto ausstiegen und sich auf den Weg zur Nächsten Tankstelle machten. Es war eine wundervolle Nacht, angenehm kühl, aber nicht kalt. Der Wind wehte sanft und Annas lange Haare wurden ihr ins Gesicht geweht. Es war eine von den Szenen, die man oft in Filmen sah, wie das lange Haar der Angebeteten im Wind weht, ihr Gesicht zum Teil verdeckte, so dass man nur mehr ihrer strahlend blauen Augen und ihre sinnlichen roten Lippen erkennen konnte, die einen liebevoll anlächelten. Doch meistens galt das Lächeln nicht dem romantischen Verlierertypen, der für das Mädchen schwärmte, sondern dem King der Highschool, dem Quaterback, der meist hinter dem etwas anderen „Helden“ des Films stand um ihn beim vorbeigehen umzustoßen. Doch am Ende des Films wurde meist alles gut. Der Loser kam mit seiner Angebeten zusammen, nachdem diese festgestellt hatte, dass ihr Freund ein totales Arschloch war. Doch Jimmy musste nicht bis zum Ende der Geschichte warten, er hatte Annas Herz schon lange erobert.
„Schau mal wie die Sterne leuchten“, flüsterte er ihr ins Ohr und deutete mit dem Zeigefinger in den sternenübersäten Nachthimmel. „So viele sieht man in der Stadt nicht.“
Tausende Sterne funkelten und glitzerten am nächtlichen Himmel und warfen ihr fahles Licht auf die Erde. Der Mond war voll und man konnte deutlich seine zerfurchte und von Narben gezeichnete Oberfläche erkennen. Ich wäre so gerne einmal dort, dachte er, doch als er Anna neben sich sah, die gerade seine Hand ergriffen hatte, wurde ihm gewahr, das der schönste Ort im Universum, egal wo er gerade war, der war, an dem er mit Anna zusammen sein konnte. Er gab ihr einen Kuss auf die Wange und gemeinsam gingen sie los, mitten auf der Straße. Caroline folgte zwei oder drei Schritte hinter ihnen. Sie hielt es noch immer für keine gute Idee, nachts auf einer endlos zu sein scheinenden Strasse zur nächsten Tankstelle zu marschieren.
Sie waren etwa eine Stunde gegangen, ohne dass etwas nennenswertes passiert war, außer dass sie in der Ferne ein paar Mal das Rasseln von Klapperschlangen hörten, die sich vielleicht durch ein paar Erdmännchen in ihrer nächtlichen Ruhe gestört fühlte. Doch auf einmal hörten sie von hinter sich einen erfreuten Aufschrei. Es war Caroline, die stehen geblieben war und mit der Hand nach Norden deutete.
„Seht mal!“ rief sie. „Dort drüben brennt Licht. Ich kann es ganz deutlich erkennen. Vielleicht eine halbe Meile oder eine Meile entfernt. Wir können ja dort hin gehen und anklopfen. Die Leute die dort wohnen, lassen uns sicher telefonieren oder fahren uns zur nächsten Tankstelle.“
Anna und Jimmy blickten sich kurz gegenseitig an. Jimmy zuckte mit den Schultern und Anna nickte. Zu dritt machten sie sich auf nach Norden, auf einer kleinen Schotterstraße, die sie vermutlich in der Dunkelheit übersehen hätten, hätte Caroline in der Ferne nicht das Licht gesehen.
Alex Hodge war, gegen Jimmys Überzeugung nicht aufgebrochen, um dem Verlauf der Strasse zu folgen, sondern blieb an der Stelle sitzen, an der ihn die anderen verlassen hatten. Er hatte sich ein weiteres Bier aufgemacht und geleert, wollte sich gerade das nächste nehmen, als er plötzlich hinter sich ein Rascheln hörte. Rasch drehte er seinen Kopf um und hinter ihm kam gerade ein Mann aus den Büschen. Alex hatte keine Ahnung woher dieser Kerl plötzlich kam, immerhin war weit und breit nichts, hinter dem er sich verstecken hätte können, doch soweit dachte er gar nicht.
„Mann, wo kommst du den plötzlich her?“ lallte er den Fremden an. Dieser entgegnete nichts sondern trat statt dessen einen Schritt näher. Er trug einen dunklen, schwarze Umhang, sein Gesicht war bleich wie der Mond und seine Figur war von hünenhafter Gestalt.
„Willste ein Bier, mann“ fragte Alex und hielt ihm eine Flasche hin. „Haben dich deine Freunde auch aus dem Auto geschmissen? Nein, sicher nicht, das hätten sie nicht geschafft. Vermutlich hättest du ihnen den Kopf abgerissen und ihr Blut getrunken, so wie du aussiehst.“ Alex lachte und der Mann kam noch einen Schritt näher.
„Vermutlich“ sagte der Mann und seine Stimme klang irgendwie nicht menschlich sondern dunkel und melancholisch, aber auf eine ganz besondere Art und Weise auch erotisch.
Der sonderbare Kerl holte zum Schlag aus und traf Alex direkt an der Schläfe. Alex kippte um wie ein nasser Sack und blieb auf den sandigen Boden liegen. Seine Bierflasche, die er gerade im Begriff war zu öffnen, war zerbrochen und der Inhalt hatte sich über das Bankett der Strasse ergossen.
Nach wenigen Gehminuten waren die drei Freunde bei dem Haus angekommen, von dem das Licht kam. Es war aber nicht nur einfach ein Haus, sondern mehrere kleine Häuser auf einen Haufen, die aus roten Backsteinziegeln erbaut worden waren. Das ganze sah aus wie eine kleine, mexikanische Hazienda, wie man sie des öfteren in Western sehen konnte, umgeben von einer zwei Meter hohen Mauer, hinter der sich ein paar Bäume abzeichneten. Jimmy klopfte an dem großen Holztor an und wartete einen Augenblick. Nichts tat sich. Er klopfte erneut dagegen, aber diesmal fester und kurz darauf konnte man hastige Schritte über den Sand kommen hören. Ein kleines, im Tor eingelassenes Fenster, wurde aufgemacht und heraus blickte das braune, runde Gesicht eines Mönchs.
„Was kann ich für euch tun“ fragte die freundliche Stimme des Mannes.
„Entschuldigen sie bitte die späte Störung“ sagte Anna. „Wir hatten eine Autopanne, circa drei oder vier Meilen von hier. Dürften wir ihr Telefon benutzen um den Pannendienst zu rufen?“
„Es tut mir leid, dich zu enttäuschen mein Kind,“ meinte der Mönch „wir haben hier kein Telefon. Aber wenn ihr wollt könnt ihr die Nacht bei uns verbringen, Bruder Ezekiel kommt morgen früh mit dem Wagen aus der Stadt zurück, wir können euch dann zur nächsten Tankstelle mit Telefon bringen. Von dort könnt ihr dann den Pannendienst rufen.“
Anna sah die anderen beiden fragend an. Jimmy zuckte mit den Schulter und sagte schließlich „Warum nicht?!“.
„Dann müssen wir wenigstens nicht bei Nacht durch diese gottverlassene Gegend laufen“ raunte Caroline verdrießlich.
„Gottverlassen ist diese Gegend mit Sicherheit nicht, mein Kind“ erwiderte der Priester sanftmütig woraufhin Caroline die Schamesröte ins Gesicht schoss.
Die Klappe im Tor wurde wieder geschlossen und man konnte hören, wie dahinter ein Riegel zur Seite geschoben wurde. Das riesige Holztor wurde mit einem leichte Quietschen aufgezogen und der Priester trat einen Schritt zur Seite, damit die drei eintreten konnten. Hinter ihnen wurde die Pforte wieder geschlossen.
Sie standen mitten im Innenhof des Klosters, wenn man es so bezeichnen wollte. Außer dem Haupthaus, aus dem das Licht kam, das sie vorhin gesehen hatten, gab es noch eine Scheune, eine Kappelle und ein etwas kleineres Haus, das aussah, als wäre es extra für Gäste erbaut worden. In der Mitte des Hofes stand ein alter Brunnen, aus dem gerade ein anderer Mönch Wasser aus einem Eimer in einen anderen goss. Als er die Gäste bemerkte, sah er kurz auf, winkte ihnen freundlich zu und fuhr anschließend mit seiner Arbeit fort.
Der Mönch der sie hereingelassen hatte, führte die drei Freunde über den Innenhof zu dem Haupthaus. Aus ein paar Fenstern drang verhaltenes Licht. Es sah nicht so aus, als wäre es künstlich. Vielmehr flackerte es und schien unstet zu brennen, fast so, als stamme es von Fackeln. Sie stiegen eine kleine Veranda hoch. Die alten Holzdielen, knarrten und stöhnten unter dem Gewicht der vier Personen, jedoch bestand keine Gefahr, dass sie einbrechen könnten. Sie folgten dem Mönch einen langen Gang entlang, der in einem riesigen Raum endetet. Eine lange Holztafel stand in dessen Mitte und Stühle, ebenfalls aus Holz, standen um ihn herum. Die Tischplatte wurde von Kerzenschein erhellt. Einige Stühle waren leer, auf anderen saßen Mönche die sich leise unterhielten und kurz aufschauten, als sie die Gäste erblickten.
„Meine lieben Brüder“ sagte der Priester, der ihnen die Tür geöffnet hatte „wir haben heute nacht Gäste hier. Sie haben eine Autopanne und ich bot ihnen an, die heutige Nacht hier zu verbringen. Wie ihr alle wisst, kommt Bruder Ezekiel morgen früh mit dem Wagen zurück. Dann werden wir sie zur nächsten Tankstelle bringen, wo sie einen Abschleppdienst rufen können. Heute nacht jedoch, sind sie unsere Gäste.“
Ein paar der Mönche lächelten freundlich, andere nickten nur und wandten sich wieder ihren Gesprächen zu. Anscheinend war es nichts neues, das hin und wieder jemand eine Autopanne hatte und hier Unterschlupf für die Nacht suchte. Bei der Verkehrssituation auf der Strasse dürfte das jedoch nur alle paar Jahre einmal passieren, aber so wie die Mönche aussahen, waren sie schon ihr ganzes Leben lang hier.
„Setzt euch bitte“ sagte der Priester und deutete auf ein paar Stühle am Ende der Tafel. „Ich werde euch etwas zu essen bringen und zu trinken bringen. Nachdem ihr gespeist habt, werde ich euch eure Zimmer zeigen. Wie ihr vielleicht schon bemerkt habt, haben wir hier keinen Strom und auch kein fließendes Wasser, aber dafür sind die Betten weich und des Nachts ist es immer schön ruhig. Ihr werdet also kein Problem haben, da ihr wahrscheinlich sowieso schon müde sein werdet.“ Nach diesen Worten verschwand der Priester kurz und tauchte wenige Minuten später mit einem Tablett voll köstlicher Speisen wieder auf. Es gab gebratenes Hähnchen mit Reis und als Nachspeise einen Apfelkuchen, wie er besser nicht sein konnte. Dazu gab es einen guten Weißwein, der süß und fruchtig schmeckte. Nach dem Abendmahl, währenddessen der Priester die ganze Zeit bei ihnen gesessen, jedoch kein Wort gesagt hatte, führte er sie aus dem Haupthaus hinaus, zu dem etwas kleineren Haus, dem Gästehaus hinüber.
„Ich nehme an, ihr beide seit nicht verheiratet?“ fragte der Mönch Jimmy und Anna. Jimmy musste fast lachen, konnte es sich aber gerade noch verkneifen und brachte ein fröhliches „Nein“ hervor.
„Das habe ich mir fast gedacht, deshalb ist es mir auch nicht erlaubt, euch beiden ein Zimmer zu geben. Vielmehr werden die beiden Damen in eines und du, mein Sohn, ein anderes Zimmer beziehen. Wir werden euch morgen früh um sieben Uhr wecken. Dann dürfte Bruder Ezekiel wieder hier sein.“
Er brachte zuerst Jimmy in ein Zimmer, das zwar eher spärlich, aber gemütlich eingerichtet war. Ein Bett stand darinnen. Die Matratze war weich und die Bettdecke war flauschig. Auf einer Anrichte neben dem Fenster, von dem aus man Richtung Norden sehen konnte, stand eine Schale mit Wasser. Sie war offensichtlich dafür da, sich zu waschen. Neben dem Bett auf einem kleinen Nachtkästchen stand eine alte Petroleumlampe. In einer Schublade des Kästchens waren Streichhölzer, um sie anzuzünden.
Einen Stock darüber war das Zimmer der Mädchen, ähnlich eingerichtet, nur etwas größer. Nachdem er ihnen auch alles gezeigt hatte, wollte er wissen, ob sie noch Fragen hätten.
„Ich habe eine“ sagte Jimmy und hob dabei wie ein Schuljunge seine Hand. „Wie ist eigentlich dein Name und welcher Religion gehört ihr an.“
Der Mönch hatte anscheinend nicht mir dieser Frage gerechnet, denn er schaute zu erst verdutzt, dann etwas ratlos drein. Seine Mine besserte sich aber zusehends, als er merkte, dass Jimmy das wirklich wissen wollte. Anscheinend war er nicht daran gewöhnt, das sich jemand für ihren Glauben interessierte.
„Ich möchte euch diese Frage gerne beantworten, doch zunächst sollten wir uns vielleicht setzen. Das wir eine etwas längere Geschichte.“
Die Mädchen setzten sich auf das Bett, Jimmy nahm auf dem Fußboden Platz und der Priester zog sich einen Stuhl von einem kleinen Tisch heran.
„Mein Name ist Jacob, doch Name spielen hier an diesem Ort keine Rolle. Der einzige der in unserer Gemeinschaft mit Name angesprochen wird ist Bruder Ezekiel, unser geistiger Führer.“
„Heißt das, dass ihr euren Namen keine Bedeutung beimesst?“ wollte Caroline wissen.
„Keineswegs, wir messen unseren Namen extreme Bedeutung bei, und ganz genau das ist der Grund warum wir sie nicht gebrauchen. Das hängt mir unserem Glauben zusammen. Wir sind ein uralter Orden, werden jedoch nur die Namenlosen genannt, sodass der eigentliche Name unserer Gemeinschaft schon lange in Vergessenheit geraten ist. Unsere Vorfahren waren Wächter eines dunklen Geheimnisses, so wie wir heute die Wächter dieses Geheimnisses sind so wie es unsere Nachfolger nach uns sein werden. Vor Jahrhunderten gab es einen Kult mächtiger Druiden. Sie kamen schon lange hierher, bevor Columbus Amerika entdeckte. Sie lebten im Verborgenen aus ständiger Angst, er könnte sie entdecken.“
„Er?!“ fragte Jimmy.
„Er war ein mächtiger Hexer, der unsere Brüder damals in England verfolgte und sie töten wollte. Man sagte, er habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, der ihm übermenschliche Kräfte und ein unnatürlich langes Leben verlieh. Er bediente sich der schwarzen Magie um sie zu finden und zu töten. Das alles aus einem Grund. Sie hatten ihm etwas gestohlen, ein Symbol seiner Macht, ohne dass er nicht mehr ganz so mächtig, aber immer noch zu mächtig war. Dieser Hexer hieß Satras. Er wollte die ganze Welt in eine Finsternis stürzen und so seinem Herrn und Meister, dem Teufel, den Weg ebnen. Unsere Vorfahren sind damals aus England hierher geflüchtet und seit dem ist Satras auf der Suche nach uns um sich sein Eigentum zurückzuholen. Unsere Aufgabe ist es, diesen Gegenstand versteckt zu halten und ihn sicher zu verwahren, bis Satras endgültig von diesem Erdboden vertilgt wurde.“
Jacob machte eine kurze Pause. „Ihr fragt euch sicher warum ich euch das so bereitwillig erzähle, wenn doch das Leben der Bruderschaft davon abhängt. Ganz einfach. Die kleine Lady hier“ und er deutete dabei auf Anna „trägt ein goldenes Kreuz um den Hals. Diener des bösen jedoch können keine heiligen Reliquien, egal welcher Religion, tragen, also geht von euch keine Gefahr aus.“
Die drei jungen Erwachsenen sahen sich gegenseitig an und ihre Blicke sprachen Bände. Wo waren sie da wieder reingeraten. Ein Haufen verrückter der sich in der Wüste vor einen angeblichen Hexer versteckte, der vor Hunderten von Jahren in England gelebt haben soll. Na ja, jeder sollte das Denken was er wollte und die freie Entscheidung in der Wahl seines Glaubens haben. Jimmy hatte beschlossen, sich auf keinen Fall auf eine religiöse Diskussion einzulassen und aus dem Gesichtsausdruck der anderen schloss er dass sie das selbe dachten. Die Geschichte jedoch war interessant, auch wenn sie offensichtlich nur ein Märchen war.
„Wie sieht dieser Gegenstand aus“ fragte Caroline.
„Es ist ein schwarzes Kreuz, in dessen Mittelpunkt ein blutroter Rubin eingelassen wurde, der die Quelle der Macht darstellt. Satras darf unter keinen Umständen dieses Kreuz zu fassen bekommen, sonst ist es mit der Welt wie sie wir kennen aus und vorbei. Im Laufe der Jahrhunderte, in der Satras auf der Suche nach uns war, lernte er sicher viel dazu und auch ohne sein Kreuz ist er sicher mächtiger geworden, als je zuvor. Jedoch ist es ihm verboten, seine wahre Macht zu zeigen, solange er das Kreuz nicht wieder besitzt. Es wäre schrecklich, sich vorzustellen was passieren würde, wenn er es in die Hände bekommen würde. Die Welt würde in totaler Finsternis versinken. Er wäre mächtig genug, die Sonne zu verdunkeln und Kreaturen zu erschaffen, wie sie furchtbarer gar nicht sein könnten. Mit einer Armee aus Untoten und grausamen Monstern würde er alles Leben auf der Erde auslöschen und dann würde der Teufel höchstpersönlich sich aus der Hölle erheben um auf der Erde zu wandeln. Die wenigen, die dass Pech hätten zu überleben, würden buchstäblich die Hölle auf Erden zu erleben.
Der Grund warum wir uns nicht mit unseren Namen ansprechen, ist der, dass er alle unsere Namen kennt und wir es ihm so schwer wie möglich machen wollen uns zu finden. Aber genug nun von diesen schauderhaften Geschichten, es ist schon spät. Ich wünsche euch eine gute Nacht und ich hoffe, junger Mann, dass du unseren Wunsch respektierst und zum Schlafen runter in dein Zimmer gehst.“ Mit diesen Worten stand er auf, schob den Stuhl zum Tisch zurück und verließ das Zimmer.
Nachdem er gegangen war, warteten die drei ein oder zwei Minuten, dann brachen sie in Gelächter aus.
„Verdammt Scheiße,“ meinte Jimmy als er sich vor Lachen den Bauch hielt. „Warum um alles in der Welt mussten wir nur hier her kommen. Das war die absurdeste Geschichte, dich ich je gehört habe. Ein alter Hexer der ein schwarzes Kreuz sucht und eine Horde namenloser Mönche, die es vor ihm verstecken. Das gibt es kein zweites mal auf der Welt.“
„na ja, wenn wir von unserem Urlaub wieder zu Hause sind, haben wir zumindest eine gute Geschichte zu erzählen.“, meinte Anna.
Wie gut die Geschichte wirklich werden sollte, erahnte zu der Zeit noch keiner der drei. Sie saßen noch eine Weile zusammen, aber etwas später verließ Jimmy die beiden Mädchen, ging runter und legte sich in sein Bett. Er schlief fast augenblicklich ein.
Alex Hodge erwachte in einer dunklen Höhle. Es war kühl und feucht. Er lag auf nassem Moos, was zur Folge hatte, das auch seine Hose und sein T-Shirt nass waren. Seine Schläfe pochte vor Schmerzen und auch der Rest seines Körpers fühlte sich nicht gerade übermäßig gut an. Er hatte Hautabschürfungen an den Händen und auch im Gesicht, was darauf hindeutete, dass man in hierher geschleift hatte.
Er konnte sich nicht genau erinnern was passiert war. Er wusste nur, er wurde mitten in der Wüste von seiner beschissenen Freundin und ihren kleinen Arschlochfreunden aus dem Auto geworfen und dann war dieser Mann.
Wer war er, dachte Alex. Wo war er und was ihn am meisten interessierte, was hatte er mit ihm vor. Alex reib sich die Schläfen und versuchte in der Dunkelheit irgendetwas zu erkennen. Doch seine Augen konnten die absolute Schwärze nicht durchdringen. Kein Licht drang von irgendwoher zu ihm durch und schon langsam bekam Alex es mit der Angst zu tun. Er versuchte sich aufzurichten, doch seine Hände und Füße waren gefesselt. Als er schreien wollte, wurde ihm gewahr, dass er auch geknebelt war. Wenn ihm jetzt irgendwas zustoßen und er es überleben würde, er würde die anderen drei halbtot schlagen.
Wieso nur halb? Ertönte eine Stimme in seinem Kopf. Ich habe schon immer die Ansicht vertreten, halbe Sachen sind es nicht einmal wert, dass man überhaupt damit anfängt. Ganz oder gar nicht, ist die Devise mein lieber Freund. Du solltest sie töten und anschließend ihre Herzen essen. Sie haben dich aus dem Auto geschmissen, dich alleine zurück gelassen, sie verdienen es nicht anders als getötet zu werden.
Wer ist da? Wieso höre ich deine Stimme in meinem Kopf? Was hast du mit mir vor?
Nenn mich einfach einen Freund! hörte er die Stimme in seinem Kopf. Ich bin ein Wanderer, auf der Suche nach seinem Eigentum, und du wirst mir dabei behilflich sein. Ich fühle, es ist ganz in der Nähe. Du wirst mir helfen und wenn du deine Sache gut machst, werde ich dich zu meinem Schüler machen. Ich werde dich mit einer Macht ausstatten, die sonst kein zweiter auf diesem Planeten besitzt und am Ende unseres Plans werden wir beide unsterblich sein und mit Luzifer persönlich die Erde regieren. Klingt das nicht verlockend für dich? Es wird dir Spaß machen. Keine Gesetze, keine Regeln. Du kannst tun und lassen was du willst und das beste kommt erst, keiner kann uns aufhalten. Doch vorerst, sage mir, wirst du mir helfen?
Alex Hodges Antwort war ein kurzes, aber entschlossenes Ja! Er musste nicht mal darüber nachdenken. Macht, das, was er sich seit jeher wünschte, würde endlich in Erfüllung gehen. Er fühlte sich als wäre er genau für diesen Moment geboren worden und eine innere Stimme drängte ihn zu dieser Antwort.
Dann pass jetzt gut auf, ich werde dir deine Aufgabe nur ein einziges Mal erklären.
Jimmy und die beiden Mädchen schliefen tief und fest in ihren Zimmern. Auch sonst war in dem sonderbaren Kloster der Namenlosen schon Ruhe eingekehrt. Nichts regte sich mehr. Einzig und allein das Rauschen des Windes in den Ästen der Bäume war zu hören. Es war ruhig, zu ruhig.
Eine schemenhafte Gestalt taumelte auf das Tor des Klosters zu. Ab und an stolperte sie, fiel hin und stand danach wieder auf. Als der Unbekannte endlich das Tor erreicht hatte, klopfte er stürmisch an das Tor und schrie um Hilfe. Wie ein Verrückter drosch er darauf ein. Seine Hände schmerzten schon von den stark, konsequenten Schlägen gegen die Pforte. Holzschiefer bohrten sich in sine Hände, rissen die Haut und das Fleisch auf, Blut sickerte aus den Wunden hervor und tropfte auf die Kleidung des Unbekannten.
Wenige Minuten später ging im Haupthaus ein Licht an. Jacob, der sich flüchtig eine Kutte übergeworfen hatte, eile über den sandigen Innenhof, vorbei an den Brunnen zum Tor und öffnete das kleine Fenster. Die unbekannte Gestalt merkte zuerst nicht, dass jemand gekommen war sondern trommelte weiterhin konsequent gegen das Tor und schrie um Hilfe als wäre der Leibhaftige selbst hinter ihm her.
„Beruhige dich, ruhig, mein Sohn. Was ist passiert?“ Jacob musste die Worte mehrere male wiederholen, bevor der verängstigte Mann vor dem Tor merkte, das schon jemand da war.
Der Mann vor der Tor war etwa 35 Jahre alt, hatte schon ansatzweise graues, aber dennoch volles Haar. Er war hochgewachsen und seine breiten Schulten ließen auf einen durchtrainierten Köper schließen. Seine zum größten Teil schwarze Kleidung war zerfetzt und blutdurchtränkt. Sein Gesicht war, vermutlich von Schlägen, grausam entstellt. Blut tropfte von einer Wunde an der Stirn zu Boden.
Als der Mann endlich zu Atem gekommen war, stammelte er irgendwas von einem Überfall. Jacob fackelte nicht lange, den Mann herein zu lassen, denn er hatte Mitleid mit ihm und seine Gottesfürchtigkeit gebot es ihm, dem Mann zu helfen. Er öffnete das Tor, ließ den Mann herein, der sogleich in seine Arme sank und bewusstlos zusammenbrach. Als er wieder zu sich kam, lag er in einem weichen Bett. Seine Wunden waren verbunden und frische Kleider lagen zusammengefaltet über einem Sessel in dem Zimmer. Bruder Jacob saß an seiner Seite.
„Wie lange war ich bewusstlos?“ fragte der Mann.
„Ungefähr ein halbe Stunde mein Sohn. Ich habe derweilen deine Wunden verarztet und dir frische Kleider geholt. Es sind zwar nicht die modischsten, aber was besseres können wir dir leider nicht anbieten. Ich habe auch die anderen Brüder über dich informiert, allerdings dachte ich mir, ich kann dir auch alleine helfen, und so schickte ich sie wieder ins Bett. Es wird morgen für uns wieder ein arbeitsreicher Tag. Nun sag mir, was passiert ist.“
„So genau kann ich mich nicht mehr erinnern. Mein Name ist Michael, Michael Bernstein. Ich war gerade mit meiner Frau und unserer dreijährigen Tochter unterwegs in die nächste Stadt. Wir wollten dort Verwandte besuchen und ein paar Tage bei ihnen bleiben. Es war kurz nach Mitternacht. Meine Tochter Helen und meine Frau Suzie schliefen auf dem Rücksitz, als uns plötzlich von hinten ein Wagen rammte. Es war ein Jeep, so einer wie ihn die Army benutzt, einer Hummer glaube ich nennt man sie, nur waren keine Soldaten drinnen, sondern irgendwelche Schlägertypen. Sie drängten uns von der Straße und ich fuhr mit dem Wagen gegen einen Baum. Ich wurde gegen das Lenkrad geschleudert und wurde bewusstlos. Als ich wieder zu mir kam, hatte man mich und meine Familie aus dem Wagen gezerrt. Die Arschlöcher, Verzeihung Pater, hatten sich an meine Frau vergangen, doch vorher mussten sie zusehen, wie sie meine kleine Tochter an dem Auto angekettet und über die Straße geschliffen hatten, so lange, bis sie tot war.“ Der Mann brach in Tränen aus und Krämpfe schüttelten ihn. Die nächsten Minuten weinte er nur und Bruder Jacob nahm ihn in den Arm.
„Als ich zu mir kam, war das erste was ich sah, den toten, zerfetzten Körper meiner kleinen Tochter, noch immer hinten an den Wagen gekettet. Meine Frau wurde vergewaltigt, immer und immer wieder und schließlich schaffte ich es, mich auf das Auto zu zu bewegen. Mit einer Brechstange, die ich immer unter dem Sitz habe, ging ich auf den Kerl los, der sich an meiner Frau verging. Ich schlug auf ihn ein, zwei, dreimal, doch dann entriss er mir ein anderer die Waffe und schleuderte mich zu Boden. Er drosch damit auf mich ein, wieder und immer wieder und ich hörte meine Frau vor Angst und Schmerzen schreien. Bis ich wieder bewusstlos wurde. Als ich aufwachte, waren sie weg. Der Körper meiner Tochter war ebenfalls verschwunden, nur die Leiche meiner Frau lag nackt am Boden. Sie wurde mit einem Schuss ins Gesicht getötet. Pater es war so schrecklich. Überall war Blut und dieses Lachen, ich werde dieses Lachen nie vergessen, dass ich hörte, als sie meine Frau schändeten und auf mich eindroschen. Anscheinend dachten sie ich wäre tot und ließen mich deswegen liegen, doch ich war nicht tot.“ Wieder folgte ein Weinkrampf . Nach wenigen Minuten hatte sich der Mann wieder soweit unter Kontrolle, dass er weiter erzählen konnte.
„Als ich wieder aufstehen konnte, schleppte ich mich die Strasse weiter, ein oder zwei Meilen, als ich plötzlich hier das Anwesen sah. Es musste ein Wink des Schicksals gewesen sein, dass ich es überhaupt gesehen habe, denn es war ziemlich dunkel, doch im fahlen Lichtschein des Mondes konnte ich die Silhouette dieses Klosters erkennen..... Polizei, ich muss zur Polizei und diesen Vorfall melden.“
Michael wollte sich gerade im Bett aufsetzen und sein Füße rausschwingen, als Bruder Jacob ihn mir sanfter Gewalt zurück aufs Bett drückte.
„Morgen, morgen früh“ sagte er „wir haben keine Möglichkeit sie jetzt zu verständigen. Hier draußen gibt es kein Telefon und Bruder Ezekiel ist mit dem Wagen in der Stadt. Du solltest jetzt schlafen. Ich werde ein paar Brüder ausschicken, die die Leiche deiner Frau hier her bringen sollen“
Mit diesen Worten stand der Mönch auf und verließ das Zimmer. An der Tür angekommen drehte er sich noch einmal um. Er wollte noch ein paar aufmunternde Worte sprechen, doch Mr. Bernstein war schon eingeschlafen. Leise schloss der Priester die Tür und begab sich auf sein Zimmer. Er wollte für die armen Seelen, die heute Nacht den Tod gefunden hatten, beten.
Michael Bernstein schlief aber nicht, sondern tat nur so. Erst circa eine viertel Stunde nachdem der Priester gegangen war, öffnete er die Augen wieder. Er lächelte leicht, aber diabolisch.
Inzwischen wartete der Meister draußen in der Nähe des Klosters. Er war praktisch unsichtbar, da er es gelernt hatte, mit der Dunkelheit der Nacht, seinem Element zu verschmelzen. Selbst sein fahles, bleiches Gesicht, war von dem Schatten seiner Kapuze verdeckt. Ein Lächeln breitete sich über seinem Antlitz aus und enthüllte rasiermesserscharfe Zähne. Sein Plan schien zu funktionieren. Nur noch wenige Augenblicke und er hatte sein Ziel erreicht. Das schwarze Kreuz, der Inbegriff seiner Macht, schien endlich in reichbare Nähe gerückt zu sein und er würde sich von nichts und niemanden dazu abhalten lassen, es endlich wieder in seinen Händen zu halten. Zu lange hatte er auf diesen Augenblick gewartet. Zu lange hatten sich seine Gedanken nur um die Wiederbeschaffung dieses Relikts gedreht. Schon bald würde endlose Nacht über die Erde hereinbrechen und der Teufel selbst würde sich aus der Hölle erheben und ihn zu seiner rechten auf den Thron setzen. Gemeinsam würden sie über die Erde herrschen, ein Ort, endlosen Grauens, des absoluten Bösen. Und dieser Alex Hodge, welch großer Narr er doch sein muss, zu glauben, er würde seine Macht mit ihm teilen. Sobald sein Auftrag zu seiner Zufriedenheit erledigt war, würde er ihn vernichten.
Michael Bernstein richtete sich im Bett auf und schwang die Füße auf den Boden. Fast mühelos, angesichts seiner schweren Verletzungen, stand er auf, ging zu dem Stuhl und nahm die Kleider herunter. Weiß, welch grässliche Farbe, dachte er. Bald würde die Erde nur noch aus schwarz und dem roten Feuer der Hölle bestehen. Und er würde mächtig sein. So mächtig, wie der Teufel selbst, und verlorene Seelen würden ihn um Gnade anflehen, doch er würde sie ihnen nicht gewähren. Niemanden würde er Gnade gewähren, denn er würde ein herzloser Mächtiger sein, ein Diener des Teufels und ein Feind Gottes.
Michael zog sich die Sachen an, eine weiße Leinenhose und ein weißes Leinenhemd. Dazu braune Ledersandalen. Er ging vorsichtig zur Tür, versuchte, auf den alten Holzdielen kein Geräusch zu machen und öffnete sie dann schließlich. Zuerst einen spaltbreit um zu checken, ob ihn irgendwer sehen würde, wenn er jetzt sein Zimmer verließ. Doch alles schien ruhig und so trat er nach draußen auf den Gang. Er schlich sich an einem Zimmer vorbei, aus dem er leises Schnarchen hörte. Armer Narr, dachte er, du hast dir den falschen Ort zur Nächtigung ausgesucht, doch zumindest wirst du es bald vorbei haben.
Michael Bernstein trat nach draußen in den Innenhof und atmete tief die Nachtluft ein. Er sah sich kurz um, doch alles war ruhig, also setzte er seinen Weg in Richtung Tor fort. Er schob den Riegel zurück und öffnete das Tor einen Spalt breit. Sofort nachdem er das gemacht hatte, hörte er die Stimme seines Meistes wieder in seinem Kopf.
Gut gemacht mein Schüler. Der erste Teil wäre erledigt. Du weißt, was du jetzt zu tun hast.
Alex nickte, als ob ihn Satras hätte sehen können, doch er wusste, der Meister würde es verstehen. Alex alias Michael Bernstein machte sich nun auf den Weg in die Scheune. Dort würde er sicher finden, was er suchte. Irgendeinen scharfen Gegenstand.
Im Inneren der Scheune war es dunkel, doch für Michael war das kein Problem mehr. Seit er dem Meister diente, konnte er in der Dunkelheit sehen. Das wird mir später sehr nützlich sein, dachte er bei sich, und fing an leise zu lachen. Nach kurzem Suchen hatte er schon etwas gefunden, eine Axt, vermutlich benutzten die Brüder sie zum Holzhacken, würde für seine Zwecke reichen.
Nun geh in das Gästehaus., vernahm er die Stimme seines Meisters. Dort sind deine Freunde untergebracht. Im ersten Stock schläft deine Freundin. Sie ist Übringes schwanger und auch Anna schläft dort. Töte aber zuerst Caroline. Dann Anna. Dann geh runter in den ersten Stock und töte Jimmy.
Ja, er würde sie töten. Es würde ihm auch vergnügen bereiten sie zu töten. Er hasste sie, hasste sie alle, hasste die ganze Welt. Niemand hat ihn je verstanden, aber der Meister tat es. Der Meister würde sich in Zukunft um ihn kümmern.
Alex hielt die Axt mir beiden Händen. Er stapfte über den Platz, jetzt war es ihm egal ob ihn jemand entdecken würde, so siegessicher fühlte er sich Bei dem Gästehaus angekommen, trampelte er förmlich die Treppe hoch. Durch den Lärm wurden Anna und Caroline geweckt. Verschlafen rieben sie sich den Schlaf aus den Augen und Anna stand als erster auf und ging zur Tür um nachzusehen, was der Lärm zu bedeuten hatte. Währenddessen zündete Caroline die Petroleumlampe am, um Licht zu machen. Als Anna die Tür gerade öffnete, hörte sie wie ein scharfes Pfeifen das die Luft zerschnitt und instinktiv riss sie den Kopf zurück. Ihr Glück, den da, wo gerade ihr Kopf gewesen war, steckte nun eine Axt im Türstock.
Jimmy wurde durch den Schrei einer Freundin geweckt. Er wusste zwar nicht woher, aber er war sich sicher, dieser Schrei gehörte zu dem Mädchen das er liebte. Er sprang aus dem Bett, rannte, nur in schwarzen Boxershorts die Treppe hinauf. Von oben hörte er erneut schreie, die ihn zu größerer Eile anspornten. Zu dem ersten Schrei, gesellten sich jetzt auch Schreie von Caroline und ein teuflisches Lachen war zu hören.
„Ihr Huren“ hörte er eine raue, männliche Stimme rufen. „Ihr Huren. Heute nacht werdet ihr sterben, so wie es der Meister befielt.“
Jimmy hörte das Splittern von Holz, etwas klirrte, wahrscheinlich war die Öllampe zu Bruch gegangen.
Anna hatte sich noch nicht ganz von dem ersten Schrecken erholt, als Alex Hodge, immer noch in der Gestalt von Michael Berstein, zum zweiten mal zum Schlag ausholte. Sie schrie wie am Spieß und duckte sich unter dem Schlag hinweg. Inzwischen hörte sie auch von hinter sich Schreie. Caroline hatte endlich realisiert was los war. Sie schrie vor Angst und Schreck und dem Moment ließ sie die Öllampe fallen. Das Glas zersplitterte und Öl floss über den ganzen Fußboden, das sich im Bruchteil einer Sekunde entzündete.
Während Anna versuchte den Schlägen des verrückten mit der Axt weiter auszuweichen, versuchte Caroline die Flammen mit dem Bettlaken zu ersticken, doch dieses fing sofort Feuer und die Flammen breiteten sich weiter im Zimmer aus.
Von unten hörte Anna wie jemand nach oben rannte, ja die Stufen förmlich nach oben flog. Alex hörte das anscheinend nicht, oder er war so sehr im Blutrausch, dass er es ignorierte, was schließlich sein Fehler war. Jimmy rannte von Ende des Ganges bis zum Zimmer der Mädchen. Der Verrückte mit der Axt stand noch halb in der Tür und holte gerade zu einem neuen Schlag aus, als sich Jimmy mit aller Wucht von hinten auf ihn warf. Die Axt entglitt Alex’ Händen und flog quer durch den Raum, prallte gegen eine Wand und fiel zu Boden.
„Raus hier! Haut endlich hier ab und weckt die Mönche!“ schrie er aus ganzer Seele. Die verängstigten Mädchen zögerten keine Sekunde und liefen an den beiden am Boden ringenden Gestalten vorbei.
Alex Hodge wusste gar nicht was mit ihm geschehen war. Zuerst stand er noch da, im nächsten Moment lag er auf dem Boden und jemand schloss von hinten seine Arme um ihn und drückte so fest zu, dass ihm fast die Luft weg blieb. Unter immensem Kraftaufwand kämpfte sich Alex auf die Beine, von hinten noch immer von Jimmy umklammert. Er warf sich nach hinten gegen den Türstock. Jimmy prallte mit dem Hinterkopf dagegen und einem Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Kleine Sterne tanzten vor seinen Augen herum.
Doch diesen Moment nutzte Alex aus um sich aus Jimmys Umarmung herauszuwinden und in die gegenüberliegende Ecke des Zimmers zu hechten um die Axt zu erreichen.
Die Flammen hatten mittlerweile das Bett, die Anrichte neben dem Fenster und Boden und Decke zerstört. Es roch nach verbranntem Holz.
Jimmy schüttelte seine Benommenheit ab und gerade noch rechtzeitig sah er, wie Michael auf ihn zu stürmte, die Axt hoch über den Kopf erhoben, zum Schlag ausholte. Die Axt sauste auf Jimmy hernieder, doch glücklicherweise bekam er den Stil zu fassen und konnte so den Schlag abfangen. Zu zweit standen sie nun in einem Meer aus Flammen, miteinander um die Axt ringend. Es sah so aus, als würden sie beide verbrennen. Die Hitze war unerträglich und Jimmys Hinterkopf schmerzte. Blut rann ihm aus einer Wunde am Kopf in den Nacken.
„Stirb!!!“ brülle Michael und in diesem Moment trat ihm Jimmy zwischen die Beine. Sofort ließ sein Gegner die Axt los und krümmte sich zusammen. Jimmy riss sein Knie hoch und traf den Verrückten damit ins Gesicht. Er konnte hören wie unter diesem gigantischen Aufprall Knochen brachen. Blut spritze ihn an, als Michaels Nase brach. Mit der stumpfen Seite der Axt holte Jimmy nun von unten aus und schmetterte sie seinem nun vor Schmerzen knienden Gegner ins Gesicht. Der Schlag wurde mit solche Wucht geführt, das Alex durch die Luft auf das Bett geschleudert wurde, wo die Flammen sofort von ihm Besitz ergriffen.
Jimmy wandte sich um, wollte aus der Tür laufen, als er plötzlich seinen Namen vernahm.
„Jimmy, hilf mir!“ Er drehte sich um und konnte kaum glauben was er sah. Michael Bernstein verwandelte sich vor seinen Augen in Alex Hodge, der ein einziger, menschlicher Feuerball war und seine Hand hilfesuchend ausstreckte.
Jimmy begriff zwar nicht ganz was los war aber spuckte in Alex’ Richtung aus, packte den Griff der Axt fester und rannte aus dem Gebäude raus.
Als er draußen ankam, standen Anna und Caroline inmitten einer Vielzahl von Mönchen auf dem Innenhof, der nun vom Widerschein der Flammen hell erleuchtet war. Die meisten Priester hatten ihr Nachtkleider an, andere hatten sich flüchtig ihre Kutten übergeworfen. Die Mädchen weinten und als Anna ihren erschöpften Freund aus dem Haus kommen sah, rannte sie auf ihn zu. Er schloss sie in die Arme, streichelte ihr über den Kopf und versuchte sie zu beruhigen.
„Es wird alles wieder gut, es ist jetzt vorbei“ flüsterte er ihr ins Ohr, während sie von Weinkrämpfen geschüttelt wurde.
Doch plötzlich hörte er donnergleich ein Nein. Der Innenhof hallte wieder von der Gewaltigkeit dieses Wortes, und er zuckte zusammen. Anna riss den Kopf herum und beide, sowie auch der Rest der Mönche, starrten zur Pforte des Klosters. Die schweren Flügeltüren wurden aufgestoßen und aus den Angeln gerissen. Eine gewaltige Staubwolke wurde aufgewirbelt, als die Türen in den Sand fielen, und als sich der Staub wieder setzte, stand einen hünenhafte Gestalt, die ganz in Schwarz gehüllt war im Torbogen.
„Satras“ entfuhr es Jacob, der in der Nähe von Jimmy stand.
„Ja genau, ich bin es. Euer alter Feind, und endlich habe ich euch gefunden. Ich bin gekommen und mein rechtmäßiges Eigentum an mich zu nehmen und keiner kann mich jetzt noch aufhalten. Zulange habe ich auf diesen Augenblick gewartet und zu groß ist mein Verlangen danach, um noch länger zu zögern. Nun sage mir, Jacob, wo habt ihr es versteckt.“
„Wie kommt Ihr hier herein. Es ist euch nicht möglich geheiligten Boden zu betreten, es sei den ....“
„Ja, es sei denn mir wird von innen geöffnet. Bedankt euch bei dem Freund eurer Gäste, es war ein leichtes seinen Geist zu beeinflussen. Bruder Jacob, du hast ihn nur in der Gestalt des Michael Bernstein kennen gelernt und zu gerne hast du seine Geschichte geglaubt. Doch in Wirklichkeit war sein Name Alex Hodge. Es war wieder mal ein Paradebeispiel wie anfällig Menschen für einen kleinen Illusionszauber sind, aber ich muss mich selbst loben, der Zauber war fein gesponnen. Nicht einmal seine eigene Mutter hätte ihn wieder erkannt. Aber jetzt sage mir endlich, wo ist mein Kreuz.“ Seine Stimme klang mächtig, donnernd, kein Mensch in der Umgebung konnte sich ihr entziehen. Selbst wenn man sich die Ohren zuhielt, hörte man die Stimme in seinem Kopf, und Jimmy wusste, wenn die Stimme wirklich etwas verlangte, so könnte kein normaler Mensch auf Dauer wiederstehen.
„Lieber sterbe ich!“ sagte Bruder Jacob mutig.
„Das lässt sich einrichten, doch zuerst, werden hier deine Brüder sterben, einer nach dem anderen, und wenn ich mit ihnen fertig bin, dann werden deine neuen, jungen Freunde hier dran glauben müssen und zum Schluss wirst du mit der Gewissheit sterben, dass du für ihren Tod verantwortlich bisst.“
Satras drehte den Kopf nach links und schaute einen Mönch an, der etwas abseits der Gruppe stand. Der Mann wurde wie von Geisterhand hochgehoben und durch die Luft geschleudert. Er schrie um Hilfe, zappelte und fiel schließlich von einer Höhe von fünfzehn Metern auf den Boden.
„Ich habe ihm einen gnädigen Tod gewährt. Aber ich kann noch viel schlimmere Sachen mit euch machen. Wie etwa dass hier.“
Der Hexer blickte einen anderen Mönch an, der sofort in Flammen aufging. Vor Schmerzen schreiend lief der Mann herum, als lebende Fackel, bevor er zusammensackte und tot am Boden liegen blieb. Der Innenhof war nun erfüllt vom Geruch nach verbrannten Menschenfleisch.
Die Sonne war nun inzwischen fast aufgegangen, und das Brand des Gästehauses hatte inzwischen auch auf das Haupthaus übergegriffen.
„Oder ich kann das hier machen!“ Wider starrte er der Brüder an. Der Priester fiel auf die Knie, hielt sich mit beiden Händen den Kopf. Jede Ader, jede Vene, jedes einzelne Blutgefäß an seinem Körper traten hervor und explodierten schließlich in einen Schwall aus Blut.
„Oder das hie....“ doch weiter kam er nicht, denn er wurde von jemanden unterbrochen.
Der Mann, der hinter Satras im Torbogen stand, war alt und stütze sich auf einen Stab. Jimmy schätzte ihn auf fünfundneunzig oder noch älter. Sein Gesicht war von Falten überzogen, das Haar war schneeweiß, genauso wie sein Bart, doch die Augen waren wach und rege und glühten förmlich vor Zorn.
„Es ist genug, Satras! Viele Jahrhunderte konnten wir uns vor dir verstecken, doch irgendwann musste der Tag kommen, an dem du uns finden würdest. Dieser Tag ist heute gekommen und es ist der Tag der Entscheidung. Heute wird sich herausstellen, was das Schicksal der Welt ist.“ Die Stimme des Mannes wahr ruhig und klar, seine Augen funkelten Satras zornig an und in ihnen lag Entschlossenheit, wie Jimmy es noch nie zuvor gesehen hatte.
„Bruder Ezekiel“ sagte Satras sanft. „ich dachte schon, du würdest nicht mehr unter uns weilen, weil ich dich bei unserer kleinen Versammlung hier am Innenhof nicht gesehen hatte, doch als ich schon glaubte, keinen nennenswerten Kontrahenten zu haben, tauchst du schließlich und endlich doch noch auf, und wie ich fühle, ist auch deine Macht gewachsen.“
Es sah fast so aus, als freue sich Satras darüber, das der geistige Führer der Bruderschaft aufgetaucht war.
Bruder Ezekiel schritt langsam an Satras vorbei und kam schließlich in der Mitte des Innenhofes am Brunnen zu stehen. Jimmy löste sich aus einem Grund, den selbst er nicht genau kannte, aus Annas Umarmung und schritt ebenfalls langsam zu dem Brunnen. Es war als Befehle es ihm eine innere Stimme und er konnte sich nicht dagegen wären. Seltsamerweise hielten ihn weder seine Freundin, noch einer der Mönche auf, bis er schließlich neben Ezekiel stand. Satras sah in finster an.
„Und nun, sag mir, wo das Schwarze Kreuz ist!“ Das war keine Bitte oder Aufforderung, sonder ein Befehl und Satras fauchte diesen Befehl heraus. Nichts war mehr geblieben von der ruhigen, sanften Stimme von vorher. Vielmehr glich er jetzt einer Wildkatze, die ihre Beute anfauchte um ihre Kraft und Überlegenheit zu demonstrieren. Der Hexer hatte keine Angst vor Ezekiel. Er war sich seiner Sache ziemlich sicher; nie im Traum hätte er daran gedacht hier in diesem Moment nicht am Ende seiner Suche angelangt zu sein.
„Ich kann es spüren, es ist ganz nah.“ Wo könnte es sein, dachte Satras. Er fühlte die Anwesenheit des Kruzifix mehr denn je. Die kalte, düstere Macht die von ihm ausging, zog den Hexer an, wie Blut einen Hai. Die Beute war ganz in der Nähe, und am stärksten spürte er es, seitdem Ezekiel zurück gekehrt war. Natürlich, es war doch Sonnenklar. Ezekiel musste das Kreuz bei sich haben. Wäre es die ganze Zeit über hier gewesen, hätte er die Macht des Kreuzes die ganze Zeit in der selben Intensität wahr nehmen können. Doch dieses Gefühl war seit dem Zeitpunkt am stärksten, seit dem der Führer der Mönche den Platz des Geschehens betreten hatte.
Plötzlich schnellte der Hüne nach vorne, packte die Kutte des Mönches und riss sie über der Brust in zwei Teile. Der Priester hatte das Kreuz um den Hals getragen, sein Rubin strahlte voller Kraft und schien in blutrotem Glanz. Es sah aus, als würde der Edelstein wie ein Herz pulsieren. Satras griff nach dem Kreuz, doch im selben Augenblick hob Jimmy die Axt und schlug nach der Hand des Hexers. Satras schrie seinen Schmerz hasserfüllt in die Welt hinaus, als die Axt durch das Fleisch der rechten Hand bis tief in den Knochen fuhr. Blut spritzte, doch das Blut war nicht rot, sondern schwarz und dampfte. Satras fuhr herum, packte Jimmy mit der linken an der Kehle, hob ihn einen Meter über den Boden und schleuderte ihn quer über den Platz. Der Junge prallte gegen die Mauer, die das Anwesen umgab und glitt benommen zu Boden.
Geistesgegenwärtig riss Ezekiel an der Kette, die das Kruzifix trug, und warf das Kreuz in den Brunnen in der Mitte des Hofes. Mit einem lauten, wutentbrannten nein sprang Satras nach. Das Wasser würde ihn nicht töten, doch er konnte das Kreuz erwischen und dann möge Gott den Seelen dieser verdammten Priester und deren Freunde gnädig sein.
Gerade in diesem Augenblick kam Jimmy wieder zu sich, er konnte gerade noch sehen, wie der Rest des Hexers im Brunnenschacht verschwand.
„Das Wasser“ rief er Ezekiel zu. „Segne das Wasser!“ Wieder war es eine sonderbare Macht, die ihn dazu leitete, die Worte zu sagen. Der Mönch hielt sich über den Brunnen, als von unten ein platschen zu hören war. Er machte das Kreuzzeichen und murmelte die Worte. Augenblicklich hörte man von tief unten im Brunnen einen Schmerzensschrei, wie ihn keins von Gottes Geschöpfen hätte ausstoßen können. Der Schrei war schrill und grell, erfüllt von Schmerz, Hass und Entsetzen. Es waren die selben Schreie, die jemand ausstößt, wenn er bei lebendigem Leibe verbrennt, nur um Äonen schrecklicher. Doch schon nach kurzer Zeit kehrte Frieden auf den Innenhof des Klosters ein. Nur das Prasseln des Feuers war ihn der morgendlichen Ruhe zu hören.
Keiner der Priester sagte etwas. Es war total still und alle Augen waren auf Jimmy gerichtet, der sich langsam wieder aufrichtete. Anna war bereits bei ihm und half ihm dabei. Als er schließlich wieder auf den Beinen stand, brach tosender Applaus los. Die Priester waren ausgelassen, wie man sie sich nur schwer vorstellen konnte. Sie klatschten und riefen, pfiffen und schrieen vor Freude. Ihr schlimmster Gegner, der Feind, der über Jahrhunderte hinweg ihr Leben und die Existenz der Menschheit bedroht hatte, war nun vernichtet.
Jimmy humpelte, gestützt auf seine Freundin, zur Mitte des Platzes. Direkt vor Ezekiel blieb er stehen. Er konnte einen derartigen Frieden in seinen Augen sehen, wie bei einem Menschen, der ein vollkommen erfülltes Leben hinter sich hatte. Ezekiel streckte Jimmy seine Hand entgegen. Nicht ganz ohne Unbehagen, nahm er diese zögernd, doch als er sie ergriffen hatte, strömte mehr Macht in Jimmy über, als er sich je in seinem Leben träumen hat lassen. Es war nicht wirklich eine Macht, von der er im täglichen Leben profitieren hätte können, sondern es war eher ein Schwall Energie, die ihn durchströmte. Die jeden Millimeter seines Körpers ausfüllte, bis in die kleinsten Fasern und Härchen. Es war ein unglaubliches Gefühl und Jimmy glaubte sofort, danach süchtig zu werden. Ezekiel wand sein Hand sanft aus Jimmys Griff heraus und blickte dann in seine Augen. Sein Stimme klang sanft aber bestimmt.
„Danke. Ich danke dir aus tiefstem Herzen. Du hast uns geholfen, unseren schlimmsten Fein zu besiegen. Nun können wir wieder in Frieden unseren alltäglichen Arbeiten nachgehen. Der Herr der schwarzen Kreuze ist besiegt. Mit seiner Macht, ist auch die Macht des Kreuze erloschen und es stellt für niemanden eine Gefahr dar. Wir werden es aber aus dem Brunnen bergen, auf dass es für ewig ein Mahnmal darstelle, sich nicht auf einen Pakt mit dem Teufel einzulassen.“
Jimmy wusste nicht was er sagen sollte. Er konnte es gar nicht begreifen, was er eben getan hatte, und vermutlich würde er es auch nie begreifen. Doch er war sich nun sicher, das ein fremde, übernatürliche Kraft ihn geleitet hatte.
„Aber verrate mir eins. Woher wusstest du, was zu tun war.“
„Ich habe keine Ahnung. Es war nicht ich der da gehandelt hatte. Ich schätze es war alles eher instinktiv.“ Doch in Wirklichkeit wusste er die Antwort, hatte aber zuviel Angst es auszusprechen.
„Oder vielleicht wurdest du von einer himmlischen Macht gelenkt.“ Die Art und Weise, mit denen Ezekiel das sagte nahm ihm jedoch einen Großteil dieser Angst.
„Ja, vielleicht ....“
Am nächsten Morgen erwachte Jimmy mir Kopfschmerzen in seinem Wagen. Doch trotz des hämmernden Schmerzes in seinem Kopf fühlte er sich ausgesprochen gut und stark. Auf dem Beifahrersitz schlief Anna, auf dem Rücksitz, zusammengerollt wie eine Katze, Caroline. Was war bloß passiert? Er konnte sich an letzte Nacht nicht mehr erinnern. Er wusste nur noch, das sie Probleme mit dem Wagen hatten. Welcher Natur diese waren, blieben ihm jedoch ein Rätsel. Er beschloss trotzdem, den Wagen noch einmal zu starten, und sieh da, er lief und schnurrte wie ein Kätzchen..
Jimmy legte den ersten Gang ein und fuhr davon. Sie hatten ja schließlich Ferien und er wollte pünktlich sein, es sollten ja schöne Ferien werden.