- Zuletzt bearbeitet:
- Kommentare: 2
Das Schneemännchen
Das Schneemännchen
Die Zwillinge Hans und Fine schauten aus dem Fenster. Über Nacht war es Winter geworden in ihrem kleinen Städtchen. Es war viel Schnee gefallen, der alles zudeckte, sogar die Geräusche des morgendlichen Straßenverkehrs.
Die beiden freuten sich über den vielen Schnee. Am liebsten wären sie gleich hinaus in den Garten gerannt und hätten Schneebälle geformt, um sich gegenseitig zu bewerfen. Das wäre ein Spaß gewesen. Aber die Mutter war in der Küche und da ging kein Weg nach draußen an ihr vorbei. Von unten her roch es verführerisch nach warmen Brötchen, Kaffee und Gemütlichkeit. Schade, dass heute kein Wochenende war.
Hans und Fine mussten den Blick aus dem Fenster langsam aufgeben. Sie gingen ins Bad und eine viertel Stunde später standen sie am Küchentisch.
„Morgen, Mama“, begrüßten sie ihre Mutter.
„Guten Morgen, ihr zwei. Setzt euch, euer Kakao kommt gleich. Habt ihr gesehen, dass draußen alles tief verschneit ist? Heute Nachmittag könnt ihr rodeln gehen. Euer Vater hat die Schlitten schon vom Boden geholt. Aber bitte, vergesst die Zeit nicht. Sobald es anfängt, dunkel zu werden, seid ihr zu Hause. Ich verlasse mich auf euch.“
„Das geht in Ordnung, Mama“, antworten die Zwillinge, mit vollem Mund Brötchen kauend. „Du kannst dich doch immer auf uns verlassen.“
Dann hatten sie es eilig, zur Schule zu kommen, vor allem Hans. Der dachte, vor dem Unterricht könnte man vielleicht noch ein paar verstohlene Schneebälle nach den Mädchen werfen.
Der Vormittag ging ganz langsam vorüber. Immer wieder schauten Hans und Fine aus dem Fenster, und mit ihnen weitere dreiundzwanzig Augenpaare. Sie sahen in den Himmel. Denn bis zum Erdboden reichten die Blicke aus dem Fenster der ersten Etage noch nicht. Und was sie sahen waren Schneeflocken über Schneeflocken. Es wollte nicht aufhören zu schneien. In den Pausen prüften die Kinder die Schneehöhe. Sie sahen nach, was während der letzten Unterrichtsstunde im Schnee verschwunden war.
Endlich war Schulschluss. Die Kinder waren weg, ehe die Schulklingel verhallt war. Sogar die Lehrer beeilten sich heute beim Verlassen der Schule.
Hans und Fine hatten einen schönen Nachmittag beim Rodeln. Trotzdem vergaßen sie nicht das Versprechen, pünktlich zu Hause zu sein. Daheim hingen sie ihre nassen Kleidungsstücke zum Trocknen auf, erledigten die wenigen Hausaufgaben – viel hatte es heute nicht gegeben. Dann warteten sie auf die Mutter. Die hätte längst da sein müssen. Den Kindern begann der Magen zu knurren. Nun, sie waren ja mit ihren zehn Jahren schon groß genug, sich um sich selbst zu kümmern. Deshalb deckten sie den Tisch allein. Aber niemand kam nach Hause. Nicht die Mutter und auch nicht der Vater. Endlich klingelte das Telefon und die Mutter meldete sich. Sie war aufgeregt, weil sie so bald nicht nach Hause kommen könne. Wegen des extremen Schneefalls sei der gesamte Verkehr fast gänzlich zusammen gebrochen. Sie säße in einem Wartesaal auf einem Bahnhof in der nächst größeren Stadt und hoffe auf einen Zug nach Hause. Der Vater sei noch in seiner Firma. Er war mit dem Auto nicht mal vom Parkplatz auf die Straße gekommen. Wahrscheinlich müsse er in der Firma übernachten, hatte die Mutter noch gesagt und dass sie die Nachbarn anrufen würde, damit sie nach ihnen schauen kommen.
Die Geschwister fanden es zuerst ganz lustig, allein zu Haus zu sein. Sie aßen ihr Abendbrot und taten dabei so vornehm, als wären sie in großer Gesellschaft. Dann wollten sie spielen, aber es fiel ihnen nichts Interessantes ein.
„Weißt du Fine“, sagte Hans, „es ist wirklich einsam hier, allein ohne die Eltern. Im Nachbarhaus ist es auch finster. Sicher ist niemand zu Hause. Es wird ihnen wie unseren Eltern gehen. Am besten ist es, wenn wir uns für’s Bett anziehen und uns auf’s Sofa legen. Dann können wir Filme für Große ansehen bis jemand kommt. Dann stellen wir uns schlafend und sagen, wir wären eingeschlafen, weil das Kinderprogramm so langweilig war. Ich sehe mal in die Fernsehzeitung, ob ich einen guten Actionfilm finde.“
Fine hatte einen anderen Vorschlag: „Ich glaube, wir können später noch genug fernsehen. Wir sind bestimmt die ganze Nacht allein. Jetzt wollen wir nach draußen gehen und sehen, ob wir einen Schneemann bauen können.“
„Echt, jetzt im Dunklen? Du traust dich das?“
„Klar, was ist schon dabei? Außerdem ist es draußen hell. Die Straßenlaternen sind eingeschaltet und der Schnee leuchtet weiß und hell. Wir können genug sehen.“
Die Zwillinge zogen sich warm an. Sie dachten dabei, wie gut es gewesen war, dass sie die nasse Rodelkleidung auf die Leine zum Trocknen gehängt hatten. Jetzt waren sie wieder trocken und schön warm.
Hans sagte: „Wir müssen unsere Sachen nachher unbedingt wieder aufhängen, damit wir morgen früh alles trocken vorfinden wie jetzt. Sonst frieren wir auf dem Weg zur Schule“.
Dann verließen sie das Haus. Ein wenig ängstlich, wegen der im Dunklen so veränderten Umgebung, und ein wenig abenteuerlustig, wie große Kinder nun mal sind.
Die Geschwister prüften ihr Baumaterial, fanden es außer in der obersten Schicht ausreichend pappend und rollten schnell drei verschieden große Schneekugeln zusammen. Die stellten sie an einen Platz, an dem sie das Blumenbeet vermuteten. Die Kugeln wurden übereinander gesetzt. Vaters alter Zylinder kam auf den Kopf, glänzende Kohlestücken wurden zu Augen. Der Schneemann war schnell fertig, aber in der Eile ein wenig klein geraten.
„Nennen wir ihn Schneemännchen, weil er so klein ist“, meinte Fine.
Die beiden Kinder wollten schnell wieder ins Haus zurück. Es war merklich kälter geworden als am Nachmittag. Im Haus setzten sie ihre vorherigen Vorsätze schnell in die Tat um. Wenig später lagen sie gemütlich auf dem Sofa, warm zugedeckt, mit weichen Kissen gepolstert.
Die große Konfektschale von Mama in Reichweite auf dem Couchtisch. Sie suchten sich mit der Fernbedienung einen Film aus, einen Cowboyfilm, der gerade begann. Als der Vorspann gerade zu Ende war, schliefen beide Kinder bereits tief und fest. Es war ein anstrengender Tag gewesen.
In der Nacht wurde Fine wach. Es war kurz nach Mitternacht. Sie konnte die Uhrzeit im Mondlicht genau erkennen. Schnell huschte sie aus den warmen Decken zum Fenster, um nach dem Schneemann zu sehen. Der Schneemann stand da, wo sie ihn mit Hans gebaut hatte, aber er war nicht allein, um ihm herum standen drei weitere weiße Männer, die viel größer waren als ihr kleiner Schneemann. Fine kam es so vor, als würden die Schneemänner miteinander reden. Sie legte deshalb ein Ohr an die Scheibe und lauschte angestrengt.
Tatsächlich hörte sie folgendes Gespräch: „Na, Schneemännchen, sei nicht traurig, dass du so klein geraten bist.“
„Aber ich habe ja nicht einmal Arme und Beine, wie Hans und Fine.“
„Sie sind Menschen, keine Schneemänner. Sie müssen Arme und Beine haben, wir nicht.“
„Vielleicht habt ihr recht. Das Schlimmste ist ja auch, dass ich keine Nase habe. Und Schneemänner müssen eine Nase haben, eine Nase, die vorher eine Möhre war.“
„Ja!“, sagten die drei großen Schneemänner und nickten mit ihren gewaltigen Köpfen. „Ohne Möhrennase wirst du nie ein richtiger Schneemann. Wir kommen morgen Nacht wieder, um dich mitzunehmen. Es wird Tauwetter geben, und wir müssen nach Norden fliehen. Sieh zu, dass du eine anständige Nase bis dahin hast, sonst lachen dich die anderen aus, und wollen dich nicht mitnehmen.“
Fine sah die drei großen Schneemänner davon gleiten. Der kleine Schneemann stand einsam und allein da. Er ließ den Kopf traurig hängen. Fine hatte großes Mitleid mit ihm.
„Wir sind schuld, weil wir dir keine Nase ins Gesicht gesteckt haben.“
Der Schneemann schien Fines Flüstern gehört zu haben. Er hob den Kopf und sah Fine an. Seine Augen glänzten von den Tränen, die ihm übers Gesicht liefen und tiefe Spuren eingruben.
„Ich komme Schneemännchen“, rief Fine.
Sie zog sich an und lief in den Garten zum Schneemann.
„Schneemännchen, es tut mir leid. Sei nicht traurig, ich werde morgen für dich eine Nase suchen. Hans wird mir dabei helfen.“
Schneemännchen nickte, dann erstarrte er und stand still und stumm da, wie sich das für einen Schneemann gehörte. Fine ging ins Haus zurück. Ihr war schrecklich kalt, sie hatte sich nicht warm genug angezogen. An den Füßen hatte sie sogar nur Hausschuhe, keine Strümpfe. Im Wohnzimmer auf der Couch schlief Hans tief und fest. Er merkte nicht, wie Fine neben ihm eiskalt unter die Decke schlüpfte. Fine kuschelte sich ein, und langsam wurde sie wieder warm. Mit der Wärme kam der Schlaf.
Hans und Fine wurden erst spät wach. Sie hätten bereits auf dem Weg zur Schule sein müssen. Aber sie lagen in ihren Betten. Die Mutter kam herein und rief fröhlich:
„Guten Morgen Kinder! Das war ja eine abenteuerliche Nacht. Wir sind erst gegen Morgen nach Hause gekommen. Vater hat euch in eure Betten gebracht. Ihr ward so müde, dass ihr davon nichts gemerkt habt. Ihr könnt euch noch ausruhen. Die Schule fällt heute aus. Die Geschäfte sind fast alle geschlossen. Auf den Nebenstraßen kann kein Auto fahren. Morgen soll die Temperatur stark ansteigen. Wir werden Tauwetter haben und der viele Schnee wird vielleicht in zwei Tagen weg sein. Dann hat alles wieder seine Ordnung. Aber ein bisschen schade ist es doch um den schönen Schnee.“
Kaum war die Mutter aus dem Zimmer, sauste Fine ans Fenster. Schneemännchen stand still und stumm, wie sie ihn in der Nacht verlassen hatte, nur mit einer Veränderung. Sein Gesicht hatte er zum Fenster des Kinderzimmers gewandt. Die schwarzen Kohlenaugen sahen Fine durchdringend an. Fine winkte hinüber, als wollte sie sagen, dass sie verstanden hätte. Hans sah auf.
“Was ist los?“, fragte er.
Fine erzählte hastig, was sie in der Nacht erlebt hatte. Hans wollte das nicht glauben.
„Du hast bestimmt geträumt,“ sagte er, „Schneemänner sprechen doch nicht. Und sie können sich auch nicht bewegen. Aber eine Möhre könnten wir wirklich besorgen.“
Fine meinte jedoch:
„Komm mit, und ich werde es dir schon beweisen.“
Als sie in ihre Hausschuhe fuhr, zuckt Fine zusammen.
„Siehst du, meine Hausschuhe sind noch nass“, sagte sie.
Hans fragte: „Du warst doch nicht etwa mit diesen Stoffdingern im Garten?“
„Doch, ich hatte es so eilig, dass ich alles vergessen habe.“
Die Zwillinge beeilten sich, zu ihrem Schneemann zu kommen. Fine zeigte Hans die tiefen Rinnen im Schneegesicht.
„Hier sieh, das sind die Spuren von seinen Tränen.“
„Die werden wir gleich mal beseitigen“, sagte Hans und besserte das Gesicht mit Schnee aus. Als er den Schnee glatt strich, strahlten die Kohlenaugen auf und Schneemännchen zog die Mundwinkel nach oben. Hans staunte:
„Er lacht ja. Jetzt glaube ich, was du erzählt hast.“
„Ja, und jetzt müssen wir ein Möhre beschaffen. Am besten fragen wir Mama.“
Die Eltern saßen am Frühstückstisch. Sie waren ein bisschen müde von der letzten Nacht. Die Frage nach einer Möhre ließ die Mutter lächeln.
„Ihr habt wohl einen Schneemann gebaut?“
„Ja, du musst aus dem Wohnzimmerfenster schauen, dann kannst du ihn sehen.“
Die Mutter ging nach nebenan, und sah aus dem Fenster.
„Er ist schön, aber ein bisschen klein“, rief sie.
„Ja, er heißt Schneemännchen. Wir hatten nicht viel Zeit, ihn zu bauen. Es war ja schon dunkel. Deshalb haben wir auch die Möhre vergessen. Hast du eine?“
„Leider nein. Ich habe nur kleingeschnittenes Gemüse in Dosen.“
Das war eine Enttäuschung, aber man könnte ja in ein Gemüsegeschäft gehen, oder zum Supermarkt, um eine Möhre zu kaufen. Die Mutter hatte aber gesagt, die meisten Geschäfte wären geschlossen. Sie mussten es probieren. Vielleicht hatten sie Glück. Der Vater reichte ihnen etwas Geld:
„Das wird für euer Gemüse ausreichen.“
Die Zwillinge frühstückten hastig und machten sich dann auf den Weg zum nächsten Einkaufsgebiet. Auf der Hauptstraße kamen sie gut voran, obwohl der Fußweg sehr schmal war. Die Schneemassen türmten sich zu beiden Seiten so hoch, dass die Kinder nicht darüber hinausschauen konnten. Sie mussten darauf achten, nicht die Orientierung zu verlieren.
Das nächste Einkaufsgebiet beherbergte einen kleinen Supermarkt und fünf, sechs weitere kleine Läden. Sie waren alle geschlossen. So ging es den Geschwistern auch bei den drei anderen Einkaufseinrichtungen, die sie kannten. Sie fragten andere Leute nach dem Weg zum nächsten Einkaufscenter, oder gingen nach Gefühl in die eine Richtung, dann in die andere. Überall erwartete sie dasselbe. Alle Geschäfte waren geschlossen. Als es Mittag geworden war, suchten sie den Weg nach Hause. Dort kamen sie niedergeschlagen, hungrig und frierend an.
Beim Mittagessen waren sie entgegen sonstiger Gepflogenheiten sehr still. Sie löffelten ihre Suppe und schauten dabei nur auf ihren eigenen Teller. Schließlich fragte der Vater:
„Ihr habt wohl keine Möhre bekommen?“
Die Antwort war ein Kopfschütteln von den Zwillingen.
„Wir können doch etwas anderes als Nase benutzen. Es wird sich bestimmt etwas finden.“
„Das geht nicht, Schneemännchen wird dann von den anderen nicht mitgenommen,“ rief Fine, und Hans bestätigte das. Die Eltern sahen sich an und die Mutter dachte gleich an Fieber und Erkältung. Der Vater bat jedoch um eine genaue Erklärung, welche Schwierigkeiten seine Kinder hatten. Fine erzählte ausführlich von ihrem nächtlichen Erlebnis. Und Vater und Mutter dachten darüber nach, wie sie Schneemännchen helfen konnten.
Als es dunkelte, ging die ganze Familie in den Garten zum Schneemann. Der Vater hatte ein Stück Rundholz zugeschnitten und angespitzt. Das steckte er dem Schneemann anstelle einer Möhre ins Gesicht. Mit einem Seufzer wurde Schneemännchen wach.
„Danke, dass ihr mir eine Nase gebracht habt. Es ist so wichtig für einen Schneemann, eine Nase zu haben.“
„Ja, aber es ist keine Möhre“, sagte Fine, „wir haben noch keine finden können.“
„Das macht eigentlich nichts. Ich habe letzte Nacht und am heutigen Tag soviel in meinen Träumen erlebt, dass ich nicht mehr weggehen möchte. Im Norden ist es sogar für Schneemänner zu kalt, vor allem zu kalt zum Träumen. Wir können dort nur still und starr herumstehen. Es ist besser, eine kurze Zeit zu leben.“
„Aber Morgen kommt das große Tauwetter,“ rief Hans aufgeregt, „das überstehst du nicht.“
„Moment, dafür hätte ich eine Lösung.“, meldete sich jetzt die Mutter zu Wort. „Das Tauwetter dauert nicht lange, dann kommen wieder Frost und Schnee. Wir setzen Schneemännchen in unseren alten großen Kühlschrank, der funktioniert noch. Ich mache ihn sauber, wir stellen einen Hocker hinein und Schneemännchen kann darauf Platz nehmen. Wir lassen die Tür offen, damit genug Luft und Licht hinein kommen. Länger als zwei Tage dauert das Tauwetter nicht.“
Schneemännchen war begeistert: „Bitte vergesst mich nicht.“
„Du kannst dich auf uns verlassen“, meldete sich jetzt der Vater zu Wort, „morgen früh, wenn es noch dunkel ist, holen wir dich.“
„Das ist gut, denn ich kann mich nur im Dunkeln selbst bewegen.“
„Ist sonst alles in Ordnung?“ fragte der Vater noch.
„Ich hätte gern noch Arme“, seufzte Schneemännchen.
„Die kannst du bekommen“, riefen da die Zwillinge, “sobald du aus dem Kühlschrank kommst.“
Am nächsten Morgen, es war Wochenende und kein Wecker klingelte, standen Hans und Fine trotzdem zeitig auf. Sie wollten dabei sein, wenn Schneemännchen in den Kühlschrank einquartiert wird. Der Blick aus dem Fenster zeigte jedoch nur noch einen leeren Platz. Im Schlafanzug rannten sie die Treppe hinunter und den Vater fast über den Haufen.
„Wo ist Schneemännchen?“, wollten sie wissen.
„Er sitzt in seinem Kühlschrank, und es geht ihm gut. Ich musste ihn schon sehr zeitig aus den Garten holen. Das Tauwetter hatte schon gestern Abend eingesetzt. Wahrscheinlich hatte er sich nicht einmal von den anderen Schneemännern verabschieden können. Durch den überraschend schnellen Wetterwechsel müssen diese sehr in Eile gewesen sein. Lasst Schneemännchen jetzt in Ruhe, für ihn ist jetzt Schlafenszeit. Heute Abend werden wir ihn besuchen.“
Den ganzen Tag schlichen die Zwillinge zu dem alten Kühlschrank. Sie lauschten und spähten durch den offenen Schlitz, konnten aber nichts hören und sehen. Die Lampe im Kühlschrank war herausgedreht und die im Raum leuchtete nur sehr schwach. Der Vater hatte an alles gedacht. Bis zum Abend wurde ihnen die Zeit lang. Endlich wurde es dunkel und die Zwillinge gingen jetzt hoffnungsvoll zu dem alten Kühlschrank. Sie hörten leise Schnarchgeräusche und klopften an die Tür. Die Geräusche hörten auf und Schneemännchen sagte: „Es geht mir gut. Ihr müsst euch keine Sorgen machen.“
„Hast du keine lange Weile?“, wollten die Zwillinge wissen.
„Nein, ich träume fast die ganze Zeit. Es sind schöne Geschichten, die ich träume. Wenn ich wach werde, denke ich über diese Geschichten nach. Ich möchte sie aufschreiben können.“
„Kannst du denn schreiben?“, fragten die Geschwister erstaunt.
„Ja, ein bisschen. Aber ich mache viele Fehler, meine Rechtschreibung ist so schlecht. Und ich weiß nicht, wo man die Kommas hinsetzt. Aber ich kann ja nicht einfach in die Schule gehen. Natürlich brauche ich auch einen Bleistift und Papier. Das hat man als Schneemann normalerweise nicht.“
„Gut, wir werden das Problem lösen“, sagte der Vater.
Beim Abendbrot wurden die neuen Fragen ausgiebig erörtert. Der Vater versicherte, sich um das Papier zu kümmern. Die Zwillinge würden dem Schneemännchen Arme ansetzen. Und die Mutter machte den Vorschlag, Schneemännchen in den Schulhof unter das Fenster der zweiten Klasse zu platzieren. Wenn er dort fleißig zuhörte, würde er schon bald besser schreiben können.
Am Sonntagmorgen konnte Schneemännchen den Kühlschrank verlassen. Er bekam Arme und dazu Hände wie Schneebälle. Und am Abend in seinem Kühlschrank, als der Vater ihm einen extra großen Zimmermannsbleistift reichte, schrieb Schneemännchen einen Brief. Dann zog er seine Rundholznase aus dem Gesicht und steckte dafür den Bleistift hinein.
„Das ist jetzt meine Nase, und das soll sie bleiben. Ich danke euch allen.“ Und mit einem tiefen Seufzer war Schneemännchen eingeschlafen.
Die Familie las mit viel Freude, aber auch mit großer Mühe Schneemännchens Brief:
Danke fir ales.
Ich freue mich ser euer Schnemenchen zu sein. Morgen bin ich in der Schule und lerne. Dan schreibe ich die Geschichten aus meinen Treumen fir euch. Den gansen Winter lang bis zum Frijar.
Euer Schnemenchen