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Das Schnabeltier in der Badewanne
Ich saß wie jeden Tag schon seit vier Stunden vor dem Fernseher als ich hörte, wie mein Freund Joe die Tür öffnete. Wir teilten uns nun schon seit zwei Jahren aus finanziellen Gründen diese kleine Wohnung am Stadtrand von München und waren die ganze Zeit auch wirklich gut miteinander ausgekommen. Aber heute war er anders als sonst. "Sieh dir das an!" sagte er und zitterte am ganzen Körper. "Hier, in meiner Tasche." Joe stellte seine große Reisetasche auf den Boden und öffnete langsam den Reisverschluss. "Ich habe es geschafft!" murmelte er. "Was hast du geschafft?" fragte ich und begann mich zu wundern. "Ich habe ein Schnabeltier aus dem Zoo gestohlen!" "Du hast was?"
"Ein echtes australisches Schnabeltier. Eines der wenigen eierlegenden Säugetiere." Als die Tasche ganz offen war, begann sich etwas in ihr zu bewegen und ein kleines braunes Tier mit Entenfüßen und einem merkwürdigen Schnabel kroch heraus, sah sich kurz um und watschelte dann zielstrebig auf das Badezimmer zu.
Joe setzte sich auf einen Sessel und blickte dem Tier mit glasigen Augen hinterher. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. "Warum freust du dich denn nicht? Du wolltest doch schon immer so ein ungewöhnliches Haustier." fragte ich ihn und meine Besorgnis wurde immer größer. "Es riecht das Wasser im Badezimmer." antwortete er. "Du weißt, es kann Stroh zu Gold spinnen, wenn man ihm diese Chemikalie einflößt. Aber wo kriege ich jetzt so ein Spinnrad her?" Joe sprang auf und rannte in das Badezimmer. Ich hetzte hinter ihm her und konnte sehen, wie er unter dem einen Arm das Schnabeltier festhielt, das sich wand und versuchte zu entwischen, und er mit dem anderen Arm das Wasser in der Badewanne aufdrehte. Als die Wanne voll war, warf er das verängstigte Tier hinein. Es versuchte mit schnellen Schwimmbewegungen zu entkommen, stieß aber immer nur mit dem Schnabel an den Rand. "Die Chemikalie, wo ist sie?" schrie er mit schriller Stimme. "Da ist sie ja!" Er griff nach dem Reinigungsmittel, das auf dem Badezimmerschrank stand und schüttete den Inhalt der Literflasche in das Wasser. Da fiel mir ein mal ein antikes Spinnrad auf dem Dachboden gesehen zu haben. Es gehörte wohl der alten Dame aus der Wohnung über uns. Die Aussicht auf das viele Gold trieb mich voran und so rannte ich so schnell ich konnte nach oben, wo ich nach kurzem suchen tatsächlich das Spinnrad fand. Ich nahm es, wischte grob die Spinnweben ab die es einhüllten und hetzte wieder nach unten. Joe stand immer noch im Bad und versuchte dem Wasser auszuweichen, das das Tier im Raum verspritzte. Es war vor lauter Schaum kaum noch zu sehen. "Gib das Rad her, schnell!" rief er und ich gab es ihm. "Stroh, wir brauchen Stroh! Vielleicht geht das auch!" schrie er und begann sich die Haare in großen Büscheln auszureißen. Dann hämmerte es mehrmals gegen unsere Tür. "Polizei! Aufmachen!" Die Tür ging auf und ich sah zwei Polizisten, gefolgt von unserem Vermieter der den Generalschlüssel in der Hand hielt.
Den ungläubigen Ausdruck in ihren Gesichtern werde ich wohl nie vergessen und es war auch das Letzte was ich an diesem Tag sah, bevor ich Ohnmächtig wurde.