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Das Schnabeltier in der Badewanne

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26.12.2002
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Das Schnabeltier in der Badewanne

Ich saß wie jeden Tag schon seit vier Stunden vor dem Fernseher als ich hörte, wie mein Freund Joe die Tür öffnete. Wir teilten uns nun schon seit zwei Jahren aus finanziellen Gründen diese kleine Wohnung am Stadtrand von München und waren die ganze Zeit auch wirklich gut miteinander ausgekommen. Aber heute war er anders als sonst. "Sieh dir das an!" sagte er und zitterte am ganzen Körper. "Hier, in meiner Tasche." Joe stellte seine große Reisetasche auf den Boden und öffnete langsam den Reisverschluss. "Ich habe es geschafft!" murmelte er. "Was hast du geschafft?" fragte ich und begann mich zu wundern. "Ich habe ein Schnabeltier aus dem Zoo gestohlen!" "Du hast was?"
"Ein echtes australisches Schnabeltier. Eines der wenigen eierlegenden Säugetiere." Als die Tasche ganz offen war, begann sich etwas in ihr zu bewegen und ein kleines braunes Tier mit Entenfüßen und einem merkwürdigen Schnabel kroch heraus, sah sich kurz um und watschelte dann zielstrebig auf das Badezimmer zu.
Joe setzte sich auf einen Sessel und blickte dem Tier mit glasigen Augen hinterher. Auf seiner Stirn bildeten sich Schweißperlen. "Warum freust du dich denn nicht? Du wolltest doch schon immer so ein ungewöhnliches Haustier." fragte ich ihn und meine Besorgnis wurde immer größer. "Es riecht das Wasser im Badezimmer." antwortete er. "Du weißt, es kann Stroh zu Gold spinnen, wenn man ihm diese Chemikalie einflößt. Aber wo kriege ich jetzt so ein Spinnrad her?" Joe sprang auf und rannte in das Badezimmer. Ich hetzte hinter ihm her und konnte sehen, wie er unter dem einen Arm das Schnabeltier festhielt, das sich wand und versuchte zu entwischen, und er mit dem anderen Arm das Wasser in der Badewanne aufdrehte. Als die Wanne voll war, warf er das verängstigte Tier hinein. Es versuchte mit schnellen Schwimmbewegungen zu entkommen, stieß aber immer nur mit dem Schnabel an den Rand. "Die Chemikalie, wo ist sie?" schrie er mit schriller Stimme. "Da ist sie ja!" Er griff nach dem Reinigungsmittel, das auf dem Badezimmerschrank stand und schüttete den Inhalt der Literflasche in das Wasser. Da fiel mir ein mal ein antikes Spinnrad auf dem Dachboden gesehen zu haben. Es gehörte wohl der alten Dame aus der Wohnung über uns. Die Aussicht auf das viele Gold trieb mich voran und so rannte ich so schnell ich konnte nach oben, wo ich nach kurzem suchen tatsächlich das Spinnrad fand. Ich nahm es, wischte grob die Spinnweben ab die es einhüllten und hetzte wieder nach unten. Joe stand immer noch im Bad und versuchte dem Wasser auszuweichen, das das Tier im Raum verspritzte. Es war vor lauter Schaum kaum noch zu sehen. "Gib das Rad her, schnell!" rief er und ich gab es ihm. "Stroh, wir brauchen Stroh! Vielleicht geht das auch!" schrie er und begann sich die Haare in großen Büscheln auszureißen. Dann hämmerte es mehrmals gegen unsere Tür. "Polizei! Aufmachen!" Die Tür ging auf und ich sah zwei Polizisten, gefolgt von unserem Vermieter der den Generalschlüssel in der Hand hielt.
Den ungläubigen Ausdruck in ihren Gesichtern werde ich wohl nie vergessen und es war auch das Letzte was ich an diesem Tag sah, bevor ich Ohnmächtig wurde.

 

Hey Namib.

Ziemlich abgedreht was die Jungs da erleben. Anfangs dachte ich sie würden sich gleich streiten, weil der eine anmerkt, daß sie bis jetzt immer gut zusammen gelebt haben. Aber dann springt er voll auf denn Film seines Mitbewohners an! Das hat mich doch ein wenig überrascht. Das und die Tatsache, dass man auch in München außer Bier noch psychedelische Drogen zu sich nimmt.
Dein Text läßt sich schön lesen, obwohl er auf den ersten Blick nach einem großen schwerverdaubaren Brocken aussieht. Vieleicht hier und da ncoh ein ppar Absätze...

So long

SiSa

 

Hey SiSa,

vielleicht haben sie immer gut zusammengelebt weil sie eben beide so seltsam drauf sind. Das ist aber auch der Überraschungsmoment in der Geschichte, dass er auf den Film anspringt. Das mit den Absätzen werde ich noch ändern.
Danke für die Antwort auf die KG,

MfG

Namib.

 

Hallo Namib,

eine ulkige Geschichte, mit einem gewissen `drive´ ist Dir da gelungen. Die so selbstverständliche Akzeptanz der Gold- Produktions- Idee hat mir gut gefallen.
Bei „wenn man ihm diese Chemikalie“ kann man erst denken `welche?´ es wurde doch noch keine erwähnt, oder es hört sich so an, als ob er die Substanz bereits in der Hand hätte und vorzeigt, später erfährt man aber, daß sie im Bad ist.
Der Schluß mit der Ohnmacht ist vielleicht etwas zu einfach.

Tschüß... Woltochinon

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Namib

Die Geschichte handelt von zwei ganz normalen Jungs, wie man sie fast überall antreffen kann. Allerdings sind sie nicht in der Lage sich über die Konsequenzen ihres Handelns bewusst zu werden bzw. die Konsequenzen sind ihnen egal.
Ausgelöst wird diese Irrationalität durch etwas Besonderes (ein Esel oder eine Gans, die ja bekanntermaßen auch Gold erzeugen könnten hätten als Tiere ja auch gewählt werden können, wären wohl aber zu trivial gewesen), dargestellt in Form eines Schnabeltieres, welches Aussicht auf Reichtum und (dadurch) Macht verspricht. Alle biologische, chemische und wohl auch physikalische Regeln ignorierend gehen die Jugendlichen sogar so weit gegen das Gesetz zu verstoßen, indem Joe das Tier aus dem Zoo mitnimmt.
Sein Freund springt sofort auf den Zug mit auf, ohne sich auch nur einmal Gedanken über die Realitätsferne des Vorschlages seines Freundes zu machen. Er scheint es durch das stundenlange Fernsehen schon gewohnt zu sein, Informationen ungefragt in sich aufzunehmen.

Die Fragen, die ich bei diesem Text herausfiltern kann, sind folgende:
- Gesellschaftsproblematik Informationsaufnahme: Viel zu viel wird einfach aufgenommen ohne hinterfragt zu werden
- Selbstauf- bzw. Fremdopferung für Profit und/oder Machtgewinn: Joe reißt sich die Haare aus und das Schicksal des Tieres in der mit Chemie vollgelaufenen Badewanne ist ihm auch egal.

Stellt sich die Frage, ob du, Namib, diese Fragen bewusst gewählt hast oder ob ich zuviel hineininterpretiere.

Ansonsten lustig geschrieben. Ich kann mir den Eifer der Charaktere gut vorstellen.

Gruß, Andy

PS: Ohnmacht dauert nur ein paar Sekunden an. Daher lässt der letzte Satz die Frage offen, ob Joes Freund sich den Hinterkopf irgendwo anschlägt, da er scheinbar den ganzen Tag bewusstlos bleibt.

 

Hallo Andy.

Es stimmt schon, in unserer Gesellschaft sind genau die Probleme vorhanden, die du ansprichst. Die Geschichte sollte aber kein übertriebener Spiegel der Gesellschaft sein, sondern nur auf unterhaltsame Art und Weise zeigen was passieren kann wenn Leute so richtig einen an der Waffel haben. In (hoffentlich) abgeschwächter Form erlebt man so etwas ja im täglichen Leben immer wieder.

PS: Dann schlägt er sich wohl wahrscheinlich den Hinterkopf an.

Gruß,

Namib

 

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