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Das Schlüsselloch

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26.07.2017
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Das Schlüsselloch

Er ist gegangen. Schon wieder lässt er mich alleine. In diesem Zimmer.
Ich habe keinen Schlüssel. Nur er kann sie öffnen. Die Tür.
Warum tut er das immer wieder? Hier habe ich doch nichts.
Kein Essen. Kein Trinken. Kein Bett.
Ich bin alleine. Es ist dunkel. Ich kann nichts sehen.
Die Fensterrollos hat er herunter gelassen. Das tut er immer, wenn er geht.
Ein einziger Lichtstrahl strahlt durch das Schlüsselloch.
Eine so kleine Öffnung durchflutet von dem Licht. Ich weiß nicht, wo es herkommt.
Ich wusste es mal. Zu lange ist es her. Ich habe es vergessen.
Ich starre den Lichtstrahl an. Vom Anfang bis zum Ende. Beim Schlüsselloch ist sein Ursprung. An der gegenüberliegenden Wand sein Schlusspunkt. Viel zu klein ist dieser Abstand. Der Lichtstrahl hat keine Chance sich zu vergrößern.
Ich sitze einfach da und schaue ihn an. So wunderschön ist er. Er ist das Schönste, das ich hier je gesehen habe. Jedes Mal, wenn ich hier drinnen alleine bin, schaue ich ihn mir an. Beobachte ihn, wie er die Dunkelheit durchbohrt. Als wäre es so leicht.
Langsam hebe ich meine Hand. Ich möchte ihn berühren. Das Licht trifft meine Finger und ich schrecke zurück. Es hat sich warm angefühlt. Lebendig.
Erneut strecke ich meine Hand danach aus. Dieses Mal schrecke ich nicht zurück. Ich genieße die Wärme, die sich in meiner Handfläche ausbreitet. Diese Wärme habe ich vermisst. Sie erinnert mich an damals. Damals, als ich noch wusste, wo das Licht herkam.
Ich sitze einfach da und beobachte das Licht auf meiner Hand. Ich weiß nicht, wie lange ich hier nun schon so sitze, doch ich kann nicht genug davon bekommen.
Ich will mehr.
Ich will diese Wärme am ganzen Körper spüren.
Ich will hier raus.

Ich schaue mich um.
Dunkelheit.
Ein einziger Lichtstrahl strahlt durch das Schlüsselloch.
Ich habe keinen Schlüssel. Nur er kann sie öffnen. Die Tür.

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo und herzlich willkommen hierorts,

Smartie143,

Du schreibst über die gesellschaftliche Vereinsamung/Vereinzelung eines in Düsternis ge-/befangenen Ich und den Schlüssel zur Enteinzelung trägt "Er", der Andere jenseits der verschlossenen Tür der Zelle/Kammer. Einziger Kontakt zu/m andern auf der anderen Seite der Tür bietet das Licht (wie im großen Maßstab von der Welt, wie wir sie kennen, zu fernen Welten ja auch das Licht maßgeblich ist, dass durch das Schlüsselloch (unseres Auges) dringt. Horkheimer hat mal den Gefangenen in der Einzelhaft als die Verwirklichung der Monade Leibniz' bezeichnet.

Gut, das ist nun keine großartige Handlung - was der eine oder die andere hierorts bemängeln wird, aber es ist und bleibt ein Geschehen, ein Wort, von dem selbst das Wort "Geschichte" herkommt, ahd. gisciht/mhd. geschiht = Ereignis, Geschehen als historisches Ereignis wie auch als Erzählung und vebildlicht in dem Hoffnungsschimmer (dem Strahl) eine ganze Utopie, dass es auf der anderen Seite des Gefängnisses ein anderes, besseres Leben gebe.

Dabei bevorzugstu kurze Sätze bis hin zur Ellipse, dass auch jeder Feind Kleitscher Strukturen mithalten kann, in einem, wie ich finde, gefälligen Stil, und mir ist - das kommt selten genug vor - nur ein Unterlassen aufgefallen, das Komma vor der Infinitvgruppe, da diese von einem Substantiv abhängt, repräsentiert durch das Refelxivpronomen.

Der Lichtstrahl hat keine Chance[,] sich zu vergrößern.

Da darf ich gespannt sein auf Dein Zweitwerk!

Friedel

 

Hallo Friedrichard!

Vielen Dank für deinen Kommentar.

Was Du in meinen Text interpretiert hast, stimmt zu. Mit "Ihm" meine ich die Hoffnung und Zuversicht, welche hier als Person mit Schlüssel dargestellt ist. Manchmal können wir nicht beeinflussen, ob wie Hoffnung haben oder nicht. Manchmal verlässt sie uns, manchmal ist sie da, wenn man es am wenigsten vermuten würde.

Ich hatte eigentlich vorgehabt, einen längeren Text zuschreiben, mit gutem Ende. Doch dieses abrupte Ende kam mir vielaussagender vor. Es soll zum Nachdenken anregen.

Meine künftigen Beiträge werden auf jeden Fall auch mal etwas länger sein.

Ich freue mich, Teil dieser Seite zu sein und werde mehr veröffentlichen und auch meine Meinung zu anderen Texten abgeben.

Viele Grüße,
Smartie

 

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