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Das Sandwich

Beitritt
24.08.2013
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Das Sandwich

Das Sandwich
Von Raureif im Blinddarm

Werner Zwistel träumte in dieser Nacht von einem Sandwich; von keinem gewöhnlichen Sandwich natürlich, sondern einem, in dem er als Belag zwischen zwei überdimensionierten Brotscheiben auf seinen Verzehr wartete.
Seine nüchterne Weltanschauung, die er als Experimentalphysiker besaß, bewahrte ihn nicht davor, in diesem Traum Furcht zu empfinden, denn Rationalität spielt in Träumen keine große Rolle. Daher war er ziemlich erleichtert, als der Wecker ihn plötzlich aus dem Traum riss.
Umso überraschter war er nun, weil er dieses beklemmende Sandwich-Gefühl immer noch verspürte. Es kam ihm vor als hätte sich die Welt verdreht, denn er lag gar nicht auf dem Bett, sondern hing an der Decke wie eine schlafende Fledermaus. Sei Bett war unter ihm, gleichsam bestrebt, an der Decke hängen zu bleiben. Das also machte das Sandwich-Gefühl aus.
Nach einigem Gähnen befreite sich Zwistel aus seiner misslichen Lage, um wie selbstverständlich Kopfüber an der Decke zu stehen. Ihm wurde jetzt bewusst, dass diese Situation nur darauf zurückzuführen sein konnte, dass die Erde nicht nur ihre Schwerkraft verloren hatte, sondern andere Körper regelrecht abstieß, was nach Kenntnis der heutigen Physik absolut unmöglich ist.
Verwundert wie er war, kam er nicht auf die Idee, dass sich die Moleküle der Erde an diesem doch recht ungewöhnlichen Tag eigentlich gegenseitig abstoßen müssten.
Nein, Werner Zwistel kam nur auf die Idee, in die Küche zu gehen und sich ein Frühstück zu machen. Seine Küche sah heute Morgen unaufgeräumt aus, wofür die Küchenschränke verantwortlich waren, die ihre Waren nach dem plötzlichen Positionswechsel an die Decke nicht länger beherbergen konnten. Etwa in Hüfthöhe unter der Decke schwebte, einem mit Helium gefüllten Luftballon nicht unähnlich, Zwistels Küchenradio, das mit dem viel zu kurzen Kabel mit der Steckdose verbunden war.
Aus reiner Gewohnheit schaltete Zwistel es ein, woraufhin die Moderatorin den Zuhörern erklärte, warum das Verlassen des eigenen Wohnhauses heute nicht zu empfehlen sei, außer man sei ein Astronaut der NASA, die, flexibel wie sie nunmal ist, für den heutigen Tag zahlreiche außerplanmässige Raketenstarts geplant hat.
Im folgenden Programm war eine Telefonkonferenz zu hören, bei der Experten ihre Meinung dazu bekannt gaben, ob denn nun die Forscher im CERN nicht nur das lang ersehnte Gravition, sondern auch gleich das Anti-Gravition gefunden haben und damit zum Spass in Serienproduktion gingen, oder ob doch wieder CIA und der Vatikan Schuld am jetzigen Zustand waren.

Doch er kümmerte sich in dieser Angelegenheit nicht um die Ursachen, sondern musste mit den Folgen fertigwerden.
Glücklicherweise hatte er noch einige Gefrierbeutel auf Lager, in denen er einen Notvorrat Luft speichern wollte, auf die die Anti-Gravitation ja auch wirken musste. Zu seinem Ärgernis sah er jedoch, dass der Schrank mit ebendiesen Gefrierbeuteln in einer seiner Schubladen in der Nacht nicht nur einfach an die Decke gewandert war, sondern sich dabei auch noch so gedreht hat, dass die Schublade genau nach oben auf der Decke lag.
Mit fluchenden Worten auf den Lippen wollte er sich erst mal ein Bier aus dem Keller holen, bevor er überhaupt etwas anfing zu tun, obwohl es doch erst gerade halb acht am Morgen war. Seine Beschimpfungen fanden aber ein abruptes Ende, als er die Kellertür öffnete und ihm gleich der Wagenheber entgegengeflogen kam. Er verzichtete auf sein Bier, das er sowieso nicht hätte trinken können, da keine Flasche den nächtlichen Sturz überlebt hatte,und machte sich gleich mit dem Wagenheber an die Arbeit mit dem Schrank. Nach wenigen Minuten hatte er nicht weniger als 27 Gefrierbeutel prall mit Raumluft gefüllt. Er hoffte inständig, dass diese beim bevorstehenden Druckabfall nicht platzen würden und speicherte zur Sicherheit noch Luft in einigen Kondomen, die schon seit der Jugendzeit Zwistels im Nachttisch lagen und genau wie sein Besitzer sehnsüchtig auf Verwendung warteten. Dass sie nun vielleicht Zwistels Leben retten konnten, gab ihnen immerhin einen Hauch des Selbstwertgefühls, das sie einst hatten, zurück.

Da an Arbeit vorerst nicht zu denken war, überlegte Werner Zwistel erst einmal, was er den Tag durch tun sollte.
Er kam zu dem Schluss, dass es am geschicktesten sei, den ganzen Tag fernzusehen. Denn dann wurde er zum einen bei neuesten Erkenntnissen zu diesem aussergewöhnlichen Zustand der Erde informiert, zum anderen sah Zwistel aber auch einfaach gern fern.
Doch als er diese Entscheidung gefällt hatte und die plötzlich sehr hohe Türschwelle ins Wohnzimmer überstieg, wurde ihm klar, dass er vor der Entspannung vor dem Gerät zuerst dasselbe von der Wand losschrauben und in umgekehrter Position wieder befestigen musste. Glücklicherweise besaß er einen Flachbildschirm, der nur mit zwei Schrauben in der Wand verankert war.
Zudem war das Sofa auf der Polsterseite deutlich bequemer, als auf der Unterseite, auf die er sich jetzt hätte setzen müssen.
Er machte sich also laut fluchend an seine beiden Aufgaben und war mithilfe des Wagenhebers nach gar nicht allzu langer Zeit fertig, woraufhin er genüsslich den Einschaltknopf drückte um dann seiner Wut in so ungeheurer Lautstärke Luft zu verschaffen, wie man es nur von ihm kennt, wenn er sich beim Nägeleinschlagen den Hammer auf den Finger schlägt.
Doch diesmal war der Grund ein anderer; sein Zorn ging gegen die Fernsehstationen, die in weiser Voraussicht ihr Programm heute ausnahmsweise kopfüber ausstrahlten. Nun war ihm die Lust am fernsehen aber gründlich vergangen, er schaltete die Mattscheibe aus, ging in sein kleines Heimbüro, wuchtete den dortigen Schreibtisch auf die richtige Seite und schrieb – aus einem inneren Antrieb heraus – an diesem Tag seine Autobiographie.

Er schrieb von den prächtigen Paraden in seiner Grundschulzeit am Geburtstag des Führers, vom Leid der Nachkriegszeit und seiner Lehre als Schreinermeister, wie es damals einen Mangel an Männern in jeglicher Hinsicht gab und ihm das gerade aufgrund seiner Schüchternheit Frauen gegenüber ganz gut gelegen kam; aber er schrieb auch von der zunehmenden Zahl an Gastarbeitern, die den Männermangel zu seinem Leidwesen allzu schnell wieder beseitigten. Er erklärte seine nun groß gewordene Verzweiflung über Frauen und seine Reaktion darauf; das pausenlose Lernen, das in einem Abschluss des Studiums der Physik endete.
Er beschrieb, wie er zu seinem Amt als Universitätsprofessor der Experimentalphysik kam und wie er sich daraufhin lautstark für eine verpflichtende Frauenquote von mindestens 30% in allen Studiengängen einsetzte.
Doch was blieb ihm von all seinen Bemühungen?
Nichts als eine Welt, die auf dem Kopf steht und dazu alles, was in seinem Haus Niet- und Nagelfest ist. Er las sich sein Werk noch mal durch und bemerkte, dass er sein Leben vielleicht etwas zu sehr auf Frauen ausgerichtet hatte, was er zumindest in seinem Buch selbstverständlich noch ändern wollte.
Doch es war bereits halb zehn Uhr aben
ds und er hatte den ganzen Tag nichts außer Bleistiftenden zwischen die Zähne gekriegt, weshalb er jetzt bemerkte, dass er Hunger hatte. Da der Herd ungünsig auf der Dampfabzugshaube gelandet war, war an warmes Essen nicht zu denken. Glücklicherweise hatte er noch Brot und Käse im Haus, was für seinen leeren Magen einen unglaublich großen Genuss bedeutete.
Wie jeden Abend ging er Punkt Zehn Uhr ins Bett, doch nicht jeden Abend hing das Bett an der Decke des Schlafzimmers.

Um genau 4:37 Uhr morgens hatte die Erde keine Lust mehr, verrückt zu spielen und zog die sich in ihrer Nähe befindenden Körper wieder liebevoll an sich heran.
An den Küsten der großen Meere und Seen war in den folgenden Tagen mit einem Regen zu rechnen, wie ihn die Welt seit der Sintflut nicht mehr gesehen hat, doch die schlauen Küstenbewohner stellten allesamt Bratpfannen vor die Tür, in der Hoffnung, dass ein Fisch gerade darin landen würde. Diese Hoffnung wurde selten enttäuscht.
In den größeren Dörfern und Städten hatte man das viel größere Problem der herunterfallenden Ziegelsteine, die einen Milliardenschaden erzeugten, den die Dachdecker bejubelten. Glücklicherweise war mit Automobilschlag nicht zu rechnen, da die meisten Autos ihres Gewichts wegen dem Einfluss der Erdanziehungskraft schon entwichen waren.
Deshalb hatte auch die Automobilbranche im krassen Gegensatz zu den meisten Versicherungen, die aber darauf plädierten, einen solchen Schaden in ihren Verträgen nicht versichert zu haben, einen guten Grund zur Freude.
Bis heute bleibt die Kostenfrage größtenteils ungeklärt.
Doch das alles interessierte Werner Zwistel, der sich in einer ähnlichen Lage wie in der letzten Nacht befand, herzlich wenig. Er träumte wieder mit gleicher Furcht von seinem WernerZwistel-Sandwich.
Diesmal wurde er nicht gestört.

 

Hallo Raureif im Blinddarm,

herzlich willkommen!


Die Welt steht Kopf. Und wer keinen Humor hat, steht genauso ernst da wie zuvor, nur andersherum.
So ähnlich ist die Aussage deiner Geschichte. Der Protagonist ist humorlos, im Alltag, als Experimentalphysiker mit nüchterner Weltanschauung, und in der verdrehten Welt kann er auch nicht lachen. Das macht aber nix, dafür besitzt der Erzähler Witz und Ideenreichtum.
In dem Szenario finden sich fein ausgedachte Details, das Radio, welches an der Strippe schwebt, und Kondome mit Selbstwertgefühl. Auch die vergebliche Mühe mit dem Fernseher fand ich lustig.

Es wird nur leider sehr sperrig erzählt. Da sind viele umständliche Formulierungen drin, die den Genuss der Geschichte auf hinderliche Weise ausbremsen.

Auch seine nüchterne Weltanschauung, die er als Experimentalphysiker besaß, bewahrte ihn nicht davor, in diesem Traum Furcht zu empfinden, denn Rationalität spielte in Träumen ja keine große Rolle.
„Auch“ hat hier keinen Bezug, bzw. steht an der falschen Stelle.
denn Rationalität spielte in Träumen ja keine große Rolle“ ist überflüssig, weil bekannt.
Und wenn du nicht drauf verzichten möchtest, dann konkreter:
denn Rationalität spielte in Träumen keine Rolle.“
Auch könnte man dann überlegen, ob man nicht „spielt“ statt „spielte“ schreibt, weil, das ist ja immer so.

Umso überraschter war er nun, weil er dieses beklemmende Sandwich-Gefühl immer noch verspürte, und er bemerkte erst nach einiger Zeit den Grund für dieses diesmal höchst reale Gefühl. Es kam ihm vor als hätte sich die Welt verdreht, denn er lag gar nicht auf dem Bett, sondern hing an der Decke wie ein Kühlschrankmagnet am Kühlschrank.
Auch da würde ich kürzen.
„Umso überraschter war er, weil er dieses beklemmende Sandwich-Gefühl immer noch verspürte. Es kam ihm vor, als hätte sich die Welt verdreht. Er lag nicht auf dem Bett, sondern hing an der Decke wie …“
Und einen neuen Vergleich suchen oder ihn anders zu formulieren. Kühlschrankmagnete hängen nicht, sie haften.

Das Bett, auf dem er einschlief, war unter ihm, gleichsam bestrebt, an der Decke hängen zu bleiben. Das also machte das Sandwich-Gefühl aus.
Das Bett, auf dem er einschlief,“ falsche Zeit, muss Vorvergangenheit sein.
Du kannst aber auch auf diesen Einschub verzichten und einfach „Sein Bett war …“

Verwundert wie er war kam er, wie auch alle anderen Wissenschaftler, nicht auf die Idee, dass die einzelnen Moleküle der Erde sich an diesem doch recht ungewöhnlichen Tag eigentlich selbst gegenseitig abstoßen müssten, was aber nicht geschah und die Forscher heute allesamt verwundert.
Kommafehler.
Logikfehler: Wenn die Forscher nicht auf die Idee kommen, können sie sich auch nicht wundern.
was aber nicht geschah“ kann gestrichen werden. Dass die Moleküle (eigentlich müssten sich die Atome auflösen!) sich nicht gegenseitig abstoßen, ist klar. Denn dann wäre die Geschichte eine ganz andere.
Und warum werden andere Wissenschaftler erwähnt? Die haben mit der Handlung nix zu tun.
Warum „einzelne“ Moleküle und nicht einfach Moleküle?
„doch recht + eigentlich“ könnte man noch streichen, aber als Stilmittel des Understatement ruhig drin lassen.
Was übrig bleibt:
Verwundert, wie er war, kam er nicht auf die Idee, dass sich die Moleküle der Erde an diesem doch recht ungewöhnlichen Tag eigentlich gegenseitig abstoßen müssten.

Glücklicherweise hatte er noch einige Gefrierbeutel auf Lager, in denen er einen Notvorrat Luft speichern wollte, die die Wirkung der Anti-Gravitation ja auch verspüren musste.
Das Luft etwas spürt, damit kann ich mich nicht anfreunden.

Dies hingegen ist sauwitzig:

Dass sie [die Kondome] nun vielleicht Zwistels Leben retten konnten, gab ihnen immerhin einen Hauch des Selbstwertgefühls, das sie einst hatten, zurück.
Kondome mit Selbstwertgefühl, einfach köstlich! :lol:

sein Zorn ging gegen die Fernsehstationen, die in weiser Voraussicht ihr Programm heute ausnahmsweise kopfüber ausstrahlten.
:lol:


Den Text kann man gut 20% kürzen, ohne das wichtige Informationen für den Leser verloren gehen. Oft resultiert das Überflüssige aus Unsicherheit, der Leser könne etwas nicht verstehen.
Einige Kommafehler und Rechtschreibfehler sind drin, da könntest du nochmal nachschauen.

Lieben Gruß

Asterix

 

Hallo Asterix,
vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Die meisten deiner Vorschläge habe ich geändert, vor allem die Stelle mit den anderen Wissenschaftlern hat mir selber nicht gefallen.

Verwundert, wie er war, kam er nicht auf die Idee, dass sich die Moleküle der Erde an diesem doch recht ungewöhnlichen Tag eigentlich gegenseitig abstoßen müssten.

Aber das ist gut. Danke.

Das Luft etwas spürt, damit kann ich mich nicht anfreunden.

Oh, das muss mit meinem Süddeutschen Dialekt zu tun haben. Da ist es eine ganz normale Redewendung, dass auch Dinge etwas spüren. Aber Danke für den Hinweis, ich habe es geändert, damit es nicht zu Missverständnissen kommt.

Lierbe Grüße
Raureif im Blinddarm

 

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