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Das Rummelplatzmonster

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22.12.2002
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Das Rummelplatzmonster

Thorben kriegt einen ganz schönen Schreck, als er plötzlich vor dem Monster steht. Aber er merkt sofort, dass das Monster sich ebenso erschreckt hat.
„Wo kommst du denn her?“, fragt er, ohne lange zu überlegen. Das Monster antwortet nicht, und so hat Thorben Zeit, es sich näher anzusehen. Es ähnelt einer Mischung aus Drachen und Dinosaurier, mit langem Hals und noch längerem Schwanz und zwei dicken Hinterbeinen und Vorderpfoten, die eher wie Hände mit langen Fingernägeln aussehen. Aber es ist dunkelblau und hat zwei Hörner auf dem Kopf, und es ist nur so groß wie Papa.
Höchstens.
Eher so wie Mama. Also ziemlich klein für ein echtes Monster. Aber noch etwas ist merkwürdig.
„Ich hab dich doch schon mal irgendwo gesehen“, meint Thorben. Er ist sich fast sicher. Aber wo kann das gewesen sein? Bestimmt war es nicht hier, hinter der Hecke am Spielplatz.
Endlich fällt es ihm ein.
„Natürlich, du bist das Monster aus der Geisterbahn!“ Vor zwei Tagen war Thorben nämlich mit Mama und Papa auf dem Rummelplatz. Er ist im Kettenkarussell gefahren und mit dem Autoscooter. Er hat Schmalzkuchen gegessen, und auch Zuckerwatte, und er durfte Cola trinken.
Mit der Achterbahn fahren durfte er nicht, weil seinen Eltern darin immer schlecht wird und er noch nicht alt genug ist, um alleine zu fahren. Um ihn davon abzulenken, war Papa mit ihm in der Geisterbahn. Es war ziemlich dunkel, und sie sind mit dem Wagen an Gespenstern vorbeigefahren, die ganz schön gruselig aussahen. Papa hat aber gelacht und Thorben verraten, dass die Gespenster nicht echt sind, nur große Puppen. Es gab auch Räuber mit langen Messern. „Ebenfalls nicht echt“, hat Papa geflüstert. Thorben war sich nicht so ganz sicher, ob das stimmte, aber als sie an dem blauen Monster vorbeifuhren, bekräftigte Papa noch einmal: „Alles nur nachgemacht.“
Da lag er ja nun wirklich voll daneben, und Thorben denkt kurz: Wenn das Monster echt war, wer weiß, ob dann die Gespenster... Aber das will er lieber gar nicht so genau wissen.
Viel lieber will er wissen, was ein Rummelplatzmonster hier hinter dem Spielplatz macht.
„Was macht ein Rummelplatzmonster hier hinter dem Spielplatz?“, fragt er.
„Verrätst du mich auch nicht, wenn ich es dir sage?“, fragt das Monster zurück.
Thorben schüttelt den Kopf. Da beugt sich das Monster ganz dicht heran – es riecht unangenehm aus dem Mund, aber das muss bei Monstern vielleicht so sein – und flüstert Thorben etwas ins Ohr.
Thorben nickt. „Ja, das versteh ich.“ Und als er noch einen Augenblick darüber nachgedacht hat, sagt er: „Weißt du was? Ich werde das für dich regeln. Du bleibst so lange hier und versteckst dich.“
Dann macht sich Thorben auf den Weg zum Rummelplatz. Auch wenn er da eigentlich nicht alleine hin darf.
Er findet die Geisterbahn und spricht den Mann im Kassenhäuschen an: „Sagen Sie, vermissen Sie ein Monster? So ein blaues, mit Hörnern auf dem Kopf?“
Der Mann kommt aufgeregt aus dem Häuschen heraus. „Weißt du etwa, wo es steckt? Sag es mir, los!“
Thorben schüttelt den Kopf. „Ich hab versprochen, es nicht zu verraten. Es will nämlich nicht zurück.“
„Was soll das heißen, will nicht zurück? Es gehört doch in die Geisterbahn! Dafür ist es ja da!“
„Es will aber trotzdem nicht. Den ganzen Tag in der dunklen Geisterbahn hocken, darauf hat es keinen Bock mehr.“ Mama mag es nicht, wenn Thorben so redet. Aber Mama ist ja nicht da. Und Thorben will sichergehen, dass der Mann ihn versteht. „Es möchte auch mal draußen an der frischen Luft sein, wo die Sonne scheint. Ist doch kein Wunder, oder?“
Der Mann zieht Thorben am Ärmel ein Stück beiseite, damit ihnen niemand zuhört, und sagt leise: „Das geht aber nicht, hörst du? Das Monster ist unsere große Attraktion. Wenn es nicht mehr da ist, kommen die Leute aus der Geisterbahn und erzählen allen, wie langweilig es war. Dann können wir unseren Laden gleich dicht machen. Die paar falschen Gespenster und Räuber, die wir noch haben, locken doch heutzutage niemanden mehr an!“
„Ich hab aber eine bessere Idee, wie Sie die Leute anlocken können“, erklärt Thorben. Er erzählt, was ihm unterwegs eingefallen ist, und schließlich ist der Mann einverstanden. Thorben läßt sich von ihm hoch und heilig versprechen, dass er das Monster nicht wieder in die Geisterbahn sperrt. Dann geht er zurück zum Spielplatz und holt das Monster aus seinem Versteck.
Als er das nächste Mal mit Mama und Papa auf dem Rummelplatz ist, dauert es nicht lange, bis er das Monster sieht. Es schlendert gemütlich die Gasse zwischen den Buden entlang und trägt zwei große Pappschilder – eines vor dem Bauch, eines auf dem Rücken. Auf den Schildern steht: „Wenn ihr euch vor mir schon fürchtet, traut euch bloß nicht in die Geisterbahn!“
In der Hand hält das Monster eine Eistüte, an der es genüsslich mit seiner langen Zunge schleckt, während die Sonne ihm die schuppige, blaue Haut wärmt. Nur ab und zu lässt es von dem Eis ab, um ganz plötzlich irgendein Kind anzufauchen und sich köstlich darüber zu amüsieren, wenn das Kleine schreiend zu seinen Eltern flüchtet. Thorben weiß natürlich, dass das Monster es nicht böse meint, aber es muss ja seinen Job machen.
Und den macht es gut. Eine große Zahl von Kindern folgt ihm und bestaunt es aus sicherer Entfernung, und als sie zur Geisterbahn kommen, fahren fast alle eine Runde.
Thorben darf mit seinen Eltern natürlich umsonst fahren. Als Mama von einem der Gespenster so erschreckt wird, dass sie aufkreischt, lachen Papa und Thorben laut.
„Ist doch alles nicht echt“, sagen sie wie aus einem Mund.

 

Hallo Roy,

wenn man sich beim Lesen deine Stimme und deine Betonung vorstellen kann, bringt diese Geschichte gleich noch mehr Spaß.
Ich finde sie gelungen, wenngleich in einschränkend sagen muss, dass ich etwas zu bemängeln habe. Gleich an zwei Stellen arbeitest du mit Auflösungen im Nachhinein. Das finde ich in einer so kurzen Geschichte fast ein bisschen viel.
Einmal flüstert das Monster Thorben etwas ins Ohr, was du erst im Gespräch mit dem Rummeplatzbesitzer erläuterst, beim zweiten Mal ist es Thorbes Idee, die erst im Nachhinein erklärt wird. Natürlich versuchst du so zu vermeiden, Dinge zwei Mal zu erzählen, aber für mich wirkte sich das leider eher negativ auf die Spannung aus.
Das fand ich schade.

Lieben Gruß, sim

 

Hallo Roy!

Sprachlich wie immer wunderbar, hat mir ausgezeichnet gefallen. Was ist ein Schmalzkuchen?

Das mit dem Flüstern ist mir aufgefallen. Ich mag das generell weniger, wenn es nur dazu dient, Spannung zu erzeugen ...
Ich weiß allerdings nicht, inwiefern das Kinder stört, bin schon etwas alt. ;)

schöne Grüße
Anne

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Roy,

mir hat Deine Geschichte, wie immer, gut gefallen! :)

Auch die Sache mit dem Flüstern hat mich nicht gestört. Ich glaube eher, dass es den zuhörenden Kindern gefällt, dass es so eine Art Verschwörung zwischen Thorben und dem Monster gibt :D.

Liebe Grüße
von
al-dente

@maus
Schmalzkuchen: eine Art kleiner Krapfen, die in Fett ausgebacken und mit Puderzucker bestreut werden ...

 

Hallo Roy,

Deine Geschichte hat mir gut gefallen. Die kleinen Geheimnisse zwischen Thoren und Monster – Flüstern – fand ich spannend, zumindest von meinen Kindern weiss ich, dass sie das gut finden. Spannungserhöhend fand ich auch die Andeutung, was Thorben sich ausgedacht hatte.

Da ich erst ganz neu hier anmeldet bin, war das meine erste Geschichte, die ich hier gelesen haben und wo ich kurz etwas dazu geschrieben haben. Mal schauen, wie ich das künftig zeitmäßig hinbekomme, öfter reinzuschauen oder selbst was einzustellen. Als nächstes werde ich versuchen, Deine anderen Geschichten zu lesen.

Viele Grüße


R M. Bradley

 

Hallo Florian, Anne und Barbara,

vielen Dank fürs Lesen und für das Lob. (Ja, ja, ich und meine selektive Wahrnehmung - für so was muß man ganz schön lange trainieren! :D ) Entschuldigt bitte, daß ich mir diesmal mit der Antwort so viel Zeit gelassen habe.

Was das Flüstern angeht, es zeigt sich ja schon, daß die Meinungen da geteilt sind. Ich gebe aber Florian recht, daß zweimal in einer so kurzen Geschichte etwas viel ist. Werde versuchen, es zukünftig etwas sparsamer einzusetzen. :shy:

Hallo R. M. Bradley,

dann heiße ich Dich erst mal ganz herzlich auf kg.de willkommen. Ich fühle mich geehrt, daß ausgerechnet ich Deine erste Kritik bekommen habe und sie auch noch so gut ausgefallen ist. Das mit dem Zeitproblem erlebe ich auch gerade mal wieder, daher auch meine etwas verspätete Antwort.

Daß Du jetzt meine anderen Geschichten lesen möchtest, freut mich ganz besonders. Aber hier schon eine kleine Warnung: Es wird Dein Zeitproblem nicht geringer machen! :cool:

Trotzdem, ich freue mich auf weitere Kritiken und auch sonstige Beiträge von Dir.

Schöne Grüße
Roy

 

Hallo Roy
Ich wollte mich auch mal auf eine Kindergeschichte einlassen.
War kein Fehlgriff, denn diese hat mit gut gefallen.
Zwei Sachen habe ich aber anzumerken:
.........
Thorben kriegt einen ganz schönen Schreck, als er plötzlich vor dem Monster steht. Aber er merkt sofort, dass das Monster sich ebenso erschreckt hat.
Das Monster antwortet nicht
........
Keine Ahnung ob das bei Kindergeschichten eine Rolle spielt, ich meine aber daß ein Monster vielleicht mal von einem Ungeheuer abgewechselt werden sollte.
Als zweites fragte ich mich, wie der Junge mit dem Monster zum Rummelplatz kommt.
Vielleicht sollte da ein Hinweis gegeben werden, daß da der Weg hinter den Gärten direkt zum Rummel führt... oder so.
Wenn die beiden durch die Stadt marschieren gäbe das doch ein großes Aufsehen, was für die Geschichte nicht unbedeutend wäre.
Gestört hat mich auch, daß der Junge gegen den Willen der Eltern allein zum Rummel geht.
Ich meine, daß ist keine gute Botschaft für Kinder. Ich bin da sehr empfindlich.
Vielleicht könnte er seine Mutter oder die große Schwester überreden mitzugehen.
Gruß
Manfred

 

Hallo Manfred,

vielen Dank fürs Lesen. Es freut mich, daß ich Dich bei Deinem Ausflug in die Kinderwelt nicht gleich vergrault habe; so etwas ist immer eine schwere Verantwortung. :D

Aber obwohl Du mit Deinen Kritikpunkten nicht völlig unrecht hast, muß ich sie doch im wesentlichen abschmettern. :ak47:

Die Wiederholung ist aus unserer Sicht sicherlich nicht so schön, aber ich glaube, wenn ich statt "Monster" gleich am Anfang "Ungeheuer" schreibe, verwirre ich die jüngeren Leser eher. "Monster" hat hier in gewisser Weise den Charakter eines Namens.

Na schön, über die Frage, wie der Junge das Monster wieder zum Rummel bringt, kann ich ja noch mal nachdenken; ich glaube, das wird ungefähr auf demselben Weg geschehen, auf dem das Monster vorher ohne großes Aufsehen zum Spielplatz geschlichen ist. ;)

Ich meine, daß ist keine gute Botschaft für Kinder.
War das nicht die Begründung, mit der irgendein Verlag mal "Pippi Langstrumpf" abgelehnt hat? Oder war das die ständig wiederholte Kritik, die in den fünfziger Jahren dazu führte, daß Disney die Produktion von Micky-Maus-Cartoons für rund 30 Jahre einstellte? Diesen Einwand kann ich zwar als Vater verstehen, muß ich als Autor leider ignorieren. Übrigens: Lies besser nicht meine Halloweengeschichte "Die Barkasse"... :Pfeif:

Ich wünsche Dir und Deiner Familie jedenfalls einen guten Rutsch und ein tolles 2005.

Schöne Grüße
Roy

 

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