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Das rote Höschen
„Seine Augen, sein Lächeln und diese unschuldige Art an ihm. Seine Ausstrahlung, seine Person und alles fasziniert mich an ihm…“, sagte Kathy und drehte an einer Haarsträhne.
Rebecca zündete sich die nächste Zigarette an, es war schon ihre fünfte heute und es war gerade mal zehn Uhr morgens. Sie hatte gerade ihre letzte Schicht vor ihrem 3-tägigen Urlaub hinter sich und hatte seit dreiundzwanzig Stunden nicht mehr geschlafen.
„Kathy, hör auf damit. Du weißt doch ganz genau wie Männer sind.“
Kathy schaute enttäuscht und bedrückt aus ihrem weißen Krankenschwesternkittel, „meinst du wirklich? Neulich sagte er sogar, dass er mich liebe. Wir sind jetzt drei Monate zusammen! Er ist anders als die anderen.“
„Ja Kathy, wir alle sind auf die eine oder andere Weise anders, jetzt beeil dich, ich will heute noch Heim.“
Kathy und Rebecca schoben so gut wie immer zusammen die Nachtschicht im städtischen Krankenhaus. Bloß nahm es Kathy Ernst und Rebecca mit Fassung.
Kathy verließ die Raucherveranda und zog sich um während Rebecca noch ihre letzte Kippe vor Feierabend genoss.
Rebecca war eine sarkastische Person mit wenig Humor. Für sie zählten nur die entscheidenden Dinge im Leben. Ruhe vor anderen Menschen die sie sobald sie ihren Namen kannte, als nervig abstempelte, genug Tabak in ihrem südamerikanischen Döschen welches sie mal in einem Ramschladen mitgehen lassen hatte und Sex. Jedoch sah sie ihre wechselnden Sexpartner nicht als „nervige Menschen“ an, sondern vielmehr als Objekte des alltäglichen Lebens. Sie war gerade mal fünfundzwanzig geworden - hatte jedoch eine Einstellung zum Leben wie eine alte Frau; Hauptsache den heutigen Tag überleben.
„Was machst du heute Abend?“, fragte Kathy sie hoffnungsvoll.
„Mich von dir fernhalten.“
Kathy war eine lebensfrohe - ja, man kann schon sagen, manchmal zu lebensfrohe - Person. Sie lebte nur von Luft und Liebe. Und vom Geld ihres reichen Vaters. Rebecca beschimpfte sie immer als kleines, naives Mädchen. Natürlich meinte sie das ernst, jeder wusste das. Doch Kathy ließ sich von Rebecca nicht abbringen. Sie verfolgte ihre Lebensträume, welche sie mindestens einmal wöchentlich wechselte. Für Kathy war Rebecca eine beste Freundin, und für Rebecca war Kathy - wie sollte es auch anders sein - eine nervige Gestalt.
Rebecca stieg in ihren alten, dunkelgrünen Opel Corsa und ließ schon mal den Motor laufen, während Kathy an der Beifahrertür stand und ihre Frisur wieder hinrichtete da ein Notfallhubschrauber diese gerade außer Rand und Band gebracht hatte.
„Püppchen, einsteigen, sonst fahr ich ohne dich“, hörte man Rebecca aus dem Wagen rufen.
„Schon gut, ist ja gut, ich bin ja schon da.“
Bei dem Anblick von Kathys verzausten Haaren musste Rebecca grinsen, was eine wahre Seltenheit war. Verzweifelt kämmte Kathy sich die Haare und betrachtete sich im Rückspiegel, während Rebecca versuchte, rückwärts rauszufahren.
„Kannst du mal bitte deinen Dickkopf aus meinem Blickwinkel nehmen? Danke.“
Kathy achtete kaum noch auf Rebeccas Anweisungen, Sprüche oder Kommentare die Rebecca immer abließ und damit nur sagen wollte wie nervig Kathy doch war. Natürlich nahm sie Rebecca ernst und für voll, doch beleidigt war sie bei ihren Beleidigungen nie.
„So Prinzessin, aussteigen“, sagte Rebecca und drückte Kathy einen Kuss auf die Backe. Wir sehen uns in einer Woche.
„Tschüss du alte Schlampe“, gab Kathy zurück, „ich ruf dich an“, sagte sie noch und stieg aus dem Wagen.
Als sie ausgestiegen war, machte Rebecca eine Kassette rein und ließ sich noch mal die Namen der Jungs durch den Kopf gehen, an die sie die vierundzwanzig Stunden gedacht hatte. Es kamen nicht viele in Frage. Da war Tim der Spießer, der aber eine Eins im Bett war. Dann war da noch Robin, der es zwar im Bett nie brachte, bei dem es aber immer Koks um sonst gab. Und dann war da noch Silvio, der Südländer - ob er nun Italiener, Spanier oder Portugiese war, wusste sie bis heute nicht so genau. Er konnte im Bett nie was anderes als seinen eigenen Namen sagen. Warum Rebecca auf den stand, wusste sie selber nicht genau, doch sie zählte ihn zu ihrer Engeren Auswahl mal dazu.
Ein verschlafenes „ja?“, hörte Rebecca als sie geklingelt hatte.
„Mach auf du Arsch, ich frier mir meinen knackigen Hintern ab“, entgegnete Rebecca der Sprechanlage.
„Ach du bist es“, und die Tür klirrte auf. Es waren nur ein paar Stufen bis zu seiner Wohnung. Nach ein paar Minuten machte er auch endlich auf. Vor ihr stand der mit Abstand geilste Typ der ganzen Stadt. Vielleicht auch nur der geilste Typ in diesem Stadtviertel. Wenn Rebecca ehrlich zu sich selbst war, war es wahrscheinlich nur der geilste Typ von den hier Anwesenden. Also der Einzige. Sie hatte sich für Tim entschieden. Kein Prachtbursche, im Gegenteil. Er war schwach, unstabil gebaut und Rebecca hatte nie etwas an ihn gefunden. Außer dem guten Sex.
„Darf ich rein?“, fragte Rebecca eher rhetorisch und hatte schon die Wohnung betreten.
Tim kratzte sich nur am Kopf und zog sich einen Pulli über seinen nackten Körper mit dem er gerade die Tür aufgemacht hatte.
„Kannste gleich ab lassen“, sagte sie und stellte sich dicht vor ihn. Mit einem Ruck hatte sie ihn auf das Sofa geschupst. Kurz darauf legte sie sich auf ihn und erdrückte ihn fast mit ihren großen Brüsten.
„Du willst doch nur wieder Sex“, sagte er verzweifelt.
„Richtig gemerkt, Dummerchen. Und jetzt halt die Klappe.“
So war Tim immer zu Anfang. Sie musste ihn nur ein bisschen ködern und schon sprang er sie an wie ein Verrückter.
„Es ist gerade mal elf Uhr morgens und ich möchte wieder schlafen gehen. Rebecca bitte.“
Rebecca hörte auf an ihm zu spielen und setze sich auf.
„Woher weißt du meinen Namen?“
Schließlich hatte sie erst zwei oder dreimal mit ihm geschlafen gehabt und hatte es noch nicht mal erlebt, dass Typen ihren Namen nach der fünften Nacht mit ihr wussten. Sie wussten nur, dass sie die „schwarzhaarige Krankenschwester mit den großen Möpsen“ war, aber an ihren Namen, erinnerten sie sich nie.
„Weil ich dich vor einer Woche danach gefragt habe, als wir uns im Club kennen gelernt haben?“
„Wann haben wir uns in einem Club kennen gelernt?“, fragte sie skeptisch.
„Na du weißt schon. Vor ca. einer Woche im „Dig in“. Du hast die ganze Zeit vor mir getanzt, später hab ich dir einen Drink spendiert und schon landeten wir in meinem Bett.“
„An so was erinnerst du dich?“
Tim nickte kräftig, „natürlich, du denn etwa nicht?“
„Natürlich nicht“, sagte Rebecca mit großer Selbstverständlichkeit, „und jetzt lass uns weiter machen.“
Sie beugte sich wieder zu ihm herunter und leckte seinen Hals langsam ab.
„Rebecca bitte, hör auf damit.“
Wieder setzte Rebecca sich auf, „hör verdammt noch mal auf meinen Namen zu sagen!“
Tim fand gefallen daran, „Rebecca, Rebecca, Rebecca.“ Und dann schlug sie zu. Tims Wange rötete sich an.
„Die hat gesessen“, sagte er leise und rieb sich über die heiße Wange, „und jetzt raus!“, schrie er, schupste Rebecca von sich weg und stand auf.
„Spielverderber“, murmelte sie.
„Hau endlich ab!“, wiederholte er und Rebecca machte sich auf den Abgang ohne ein Wort zu sagen.
„Wichser“, murmelte sie noch bevor sie die Wohnung verließ und hörte einen lauten Türknall hinter sich. Dann eben nicht, dachte sie sich und lief die paar Stufen wieder runter. Dann würde sie eben erst mal Heim gehen um eine Runde zu schlafen.
Als sie zu Hause ankam, hörte sie erst mal ihren Anrufbeantworter ab;
„Erste Nachricht: Ähm… hallo? Hallo, bin ich jetzt richtig bei… Na ja, spielt ja auch keine Rolle… Ähm, ich würde dich gerne wieder sehen. Hier ist Silvio. Weißt du noch? Ja genau, der verdammt gutaussehende Kerl aus dem „Dig in“. Hast du Lust? Wenn ja, ruf mich an.“
„Zweite Nachricht: Hallo Rebecca, hier ist deine Mutter. Hast du an den Geburtstag deiner Schwester gedacht? Ich weiß, dass du es nicht getan hast. Scher dich zum Teufel, Kind. Sie ist krank, und braucht deine Hilfe. Du als Krankenschwester kannst sie noch nicht mal besuchen obwohl du im…“
Rebecca drückte auf die Löschtaste als das Telefon klingelte, doch sie ließ den AB weiter laufen.
„Hallo Rebecca. Hier ist Tim. Was gerade passiert ist tut mir Leid. Ich… ach, ich weiß gar nicht was ich sagen soll, es tut mir Leid. Reicht das? Jedenfalls sitzt ich hier jetzt mit einer Riesenlatte und weiß nicht, was ich tun soll.“
Rebecca ging ran, „hol dir einen runter.“
„Was?“
„Hol dir einen runter“, wiederholte sie kühl.
„Hab ich schon. Es bringt nichts.“
Rebecca seufzte, „ich komm vorbei“, sagte sie und legte auf.
Rebecca stöhnte laut auf. „Hör nicht auf, ja, hör nicht auf!“, rief sie lautatmend. Und Tim hörte auch nicht auf. Es war ein hin und her und ein oben und unten und ein… Na ja, wie es eben immer bei Rebecca war. Nach jeglichen Höhen, war auch Tims Riesenständer einmal gewesen.
„Oh ja, Kleine, das war genial“, sagte Tim und legte sich neben Rebecca.
„Nenn mich bloß nicht mehr Kleine“, sagte sie und stand auf. Tim betrachtete wie sie sich ihre enge Jeans wieder anzog und nichts drunter trug. Über ihren nackten Oberkörper zog sie nur ein kurzes weißes Trägertop.
„Ciao, ich geh jetzt“, sagte sie, zog sich ihre Jeansjacke wieder an und verließ die Wohnung. Tim wollte ihr gerade noch ihr rotes Höschen nachwerfen, welches sie liegen gelassen hatte, doch dann war es auch schon zu spät.
Also sie wieder in ihren alten Opel Corsa einstieg spürte sie ein Stechen in ihrem Herzen.
„Es geht gleich vorbei“, sagte sie sich, „keiner wird es erfahren.“
Zwölf Stunden später hörte sie wieder das Telefon klingeln. Rebecca hörte es bis zum Schlafzimmer. Verschlafen schaute sie neben sich und wunderte sich, wen sie denn jetzt schon wieder nach Hause geschleppt hatte. Sie glaubte Robin neben sich liegen zu sehen, doch im Raten war sie noch nie gut gewesen. Sie erinnerte sich nur an den Koks, und sobald es um den ging, ging es auch um Robin. Sie fühlte sich mehr als tot.
„Wer stört?“, ging sie ran und hörte ein leises Schluchzen, „hallo? Wer zum Teufel ist denn…“
„Ich bin's, Kathy“, sagte eine verheulte Stimme.
„Was willst denn du jetzt?“
„Tim hat mich betrogen… ich fand ein rotes Höschen bei ihm auf dem Nachtisch…“