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Das Ritual

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12.02.2016
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Das Ritual

Ich sitze in meinem Zimmer, am Laptop, als es zum dritten Mal an meine Tür klopft.
„Jahaaa“, nuschel ich halblaut und etwas genervt. „Komme ja gleich“, füge ich etwas lauter hinzu, um ein viertes, eindringlicheres Klopfen von Jenseits der Tür zu vermeiden. Das YouTube-Video, das mir ein Freund auf mein Facebook-Profil gepostet hat, ist noch nicht zu seiner Pointe gelangt, noch 15 Sekunden registriere ich missmutig, als mich die Stimme meines Vaters von Jenseits der Tür anstatt eines Klopfens erreicht.
„Ich warte auf dich, Sohnemann. Jedes Mal das gleiche …“

Auch er klingt genervt, sein Kopfschütteln kann ich beinahe hören. Er hat aber recht, jedes Jahr dasselbe. Das Geräusch seiner Schritte wird leiser, entfernt sich in Richtung Wohnzimmer und ist schließlich nicht mehr zu hören.
Meine Konzentration gilt nun wieder dem Video, in dem die junge Frau, die so anmutig den Laufsteg entlang stolzierte, eine Bruchlandung in die Zuschauerreihen hinlegt und mich zum Lachen bringt. Ein Insider, bezogen auf eine Situation in der Sylvesternacht letzten Jahres. Guter Clip, sehr guter Gag. Noch immer glucksend schreibe ich meinen Kommentar unter den Post: „XD Saugeil!!! Kommt dir das bekannt vor, Nora?“. Abschließend klicke ich auf den „Gefällt mir“-Button, dann logge ich mich aus, klicke die Facebook-Startseite weg („Du ziehst weiter? Bleibe in Verbindung Besuche facebook.com auf deinem Handy.“), und erhebe mich von meinem zerschlissenen Schreibtischstuhl. Unwillkürlich kontrolliere ich mit einer Handbewegung, ob mein I-Phone noch in der Hosentasche ist und beschließe nach kurzem abwägen, den Laptop nicht herunterzufahren, weil er immer so lange braucht zum Hoch- und Runterfahren, das ist wirklich lästig.

Im Wohnzimmer wartet mein Vater, er hat das Licht halb herunter gedimmt und zündet grade eine von vier roten Kerzen an. Sie stehen perfekt in Reih und Glied in ihrer dekorativen Unterschale, genau mittig auf dem Couchtisch, den mein Vater extra für dieses Ritual freigeräumt hat. Noch sind sie alle gleich groß, in exakt drei Wochen jedoch, weiß ich genau, werden sie gemeinsam eine beinahe perfekte Lichtdiagonale zeichnen, eine brennende Treppe, in der die eine Kerze, die zu lange gebrannt hat, ihr Dasein für dieses Ritual gibt.
„Hast du es dann auch mal geschafft, Sohnemann?“ fragt mein Vater, eine vorwurfsvolle Freude schwingt in seiner Stimme mit.
Ich weiß nicht genau, was ich ihm antworten soll und setze mich auf die Couch.
„Jep“, sage ich dann doch, und grinse ihn an. Jedes Jahr dasselbe.
Doch anstatt sich, wie immer, zu mir hinzusetzen und den Fernseher einzuschalten, geht mein Vater zu dem Wohnzimmerschrank am anderen Ende des Raumes und kramt darin herum. Meinen fragenden Blick sieht er nicht, er steht mit dem Rücken zu mir und erklärt in den Schrank hinein
„Ich hab mir mal Gedanken gemacht. Anstatt immer die gleichen Sendungen zu sehen, könnten wir mal was anderes machen“.
Er dreht sich zu mir um und hält mehrere, erschreckend dicke Alben in der Hand. Ich ahne, was da auf mich zukommt.

„Willst du ein Bier?“ fragt er, als ich noch zweifelnd die drei Fotoalben anstarre, die er sorgfältig dort auf den Couchtisch platziert, wo er sitzen wird. Ich zögere einen Moment zu lange, sodass mein Vater mich missbilligend ansieht und die rechte Augenbraue hochzieht.
„Öhm, klar …“ antworte ich hastig, das Bier wird wahrscheinlich das einzig Gute an diesem Abend werden, vermute ich.
„Ok“, nickt mein Vater zufrieden, „Warte hier, ich geh kurz in die Küche“. Er lässt mich im Wohnzimmer zurück und ich höre ihn in der Küche, nur ein paar Meter weiter, klimpernd mit Flaschen hantieren.
Mein I-Phone vibriert in der Hosentasche, ich fische es heraus und checke die Nachricht. Facebook. „En Ora gefällt ein Link an deiner Pinnwand; En Ora hat einen Link an deiner Pinnwand ebenfalls kommentiert: Ihr seid doof…!“.

Schneller, als ich erwartet hatte, kehrt mein Vater zurück in das Wohnzimmer, ein Bier in der rechten Hand, einen Cognac-Schwenker und eine Flasche Chantrè in der linken. Ich like grinsend Noras Kommentar und lasse mein I-Phone, so schnell und elegant ich es fertigbringe, wieder in der Hosentasche verschwinden, als mein Vater seine Utensilien auf dem Couchtisch verteilt und mit den Augen rollt.
„Das geht doch wohl jetzt nicht den ganzen Abend so, oder? Die paar Mal im Jahr kannst du dir doch wohl einfach Zeit nehmen, ohne das ganze Geposte und Gebrumme …“ Diesen Satz kenne ich in verschiedenen Versionen sehr gut, etwas zu gut wie ich finde.
„Nein … Ja …“ antworte ich genervt und fügsam, obwohl ich im Grunde weiß, dass es sich auch heute nicht ändern wird. Mein Vater auch, schätze ich mal, deswegen kommentiert er die Situation auch nicht weiter und setzt sich ächzend neben mich auf das Sofa.
„Weißt du, ich habe meine alten Fotokisten aufgeräumt und Alben angelegt. Ich hatte gedacht, vielleicht interessiert dich das. Ich hätte mir von meinem Vater auch gewünscht, dass er sowas mal mit mir macht.“ erklärt er mir. Etwas Merkwürdiges schwingt dabei in seiner Stimme mit, das ich nicht recht einordnen kann. Wehmut vielleicht, denke ich mir. Pflichtbewusst zucke ich mit den Achseln, als mein Vater mein Bier öffnet.
„Warum nicht?“ nuschel ich.

Mein Vater gießt sich Chantrè ein, ohne Eis, und lächelt stumm. „Lust auf ein bisschen alte Musik?“, fragt er.
Wieder zucke ich mit den Achseln „Was hast du denn da?“, frage ich und weiß im Grunde, dass ich nichts davon kennen werde.
Mein Vater hebt nun seinerseits die Schultern an und legt den Kopf fragend schief.
„Bob Dylan? PUR? BAP? Jimmy Hendrix? Wolf Biermann?“ fragt er und erwartet von mir, dass ich wähle. Nun scheint mir meine Ahnung langsam Gewissheit zu werden, das hier ist wohl eine dieser berüchtigten Midlife-crisis-Nostalgie-Aktionen, von denen auch in meinem Freundeskreis berichtet wird.
Ich entscheide mich für den Namen, der mir am bekanntesten ist: „Jimmy Hendrix …?“
Mein Vater nickt zufrieden und sucht seinen CD-Ständer durch.

Mein I-Phone vibriert. Facebook. „Ypso Calypso hat einen Link an deiner Pinnwand ebenfalls kommentiert: Alle Jahre wieder, En Ora? XD…“. Währenddessen hat mein Vater die CD gefunden, die er gesucht hat und legt sie in den veralteten CD-Player mit Kassettendeck ein. Ich like den Kommentar und lasse mein I-Phone wieder in der Hosentasche verschwinden, grade so schnell, dass mein Vater es noch aus den Augenwinkeln mitbekommt und wieder die Augen verdreht. Kommentar unnötig, er sagt nichts und drückt auf die Play-Taste. Nach ein paar Sekunden ist die Luft im Wohnzimmer geschwängert von schweren Gitarrenklängen. Old-School. Die Melodie kommt mir bekannt vor, aus einem Techno-Remix vielleicht, oder aus einem der unzähligen Hip-Hop- und Gangsterrap-Songs. Mein Vater dreht die Lautstärke etwas herunter und nickt zufrieden, bevor er sich wieder zum Sofa begibt und sich auf das Polster sinken lässt. Ich trinke an meinem Bier, er an seinem Chantrè.

Er nimmt das erste Album von dem Stapel, legt es zwischen uns und will es aufschlagen, hält aber noch einen Moment inne, um mich zweifelnd anzusehen.
„Aber nur, wenn du möchtest. Ich will dich zu nichts zwingen“ erklärt er.
Was soll ich denn antworten? `Eigentlich hab ich keinen Bock darauf …` kann ich wohl schlecht sagen, ich will ihn schließlich nicht verletzen.
Also nicke ich, „Doch, doch …“, beteuere ich hastig und trinke einen Schluck Bier, „Ich will mir das gerne anschauen.“
Die Gitarrenklänge ergießen sich in einem, scheinbar nie enden wollenden, Crescendo. Solopart. Mein Vater lächelt, als ein langgezogener, quietschiger Ton erschrillt.

Erste Seite, erstes Foto. Ich brauche einen Moment, um in dem unmöglich gekleideten jungen Mann, der fröhlich aus dem Bild grinst, meinen Vater zu erkennen. Eindeutig die 70er. „Geburtstagsfeier `77“ steht danebengekritzelt.
„Das war an meinem 18. Geburtstag …“, deutet er auf das Foto, „Ich weiß, die Klamotten sind unmöglich. Aber wir sind alle so rumgelaufen, damals …“ erklärt er grinsend. Den Stil der übergroßen Brille kenne ich, als Retro-Look, damit hören die Parallelen zu meiner Modewelt aber auch schon auf. Nach und nach deutet mein Vater auf die einzelnen Fotos und erklärt die Motive ausführlich.
Zweites Foto: Das erste Auto meines Vaters.
Drittes Foto: Mein Vater und sein bester Freund, den er seit Jahren nicht gesehen hat.
Viertes Foto: Eine Gruppe junger Männer vor einer Bar. Stammkneipe, damals. Ich grinse und denke an unsere Dorfdisco.
Fünftes Foto: Mein Vater fummelt an einem Fernseher herum. Er hat ihn für meine Oma, seine Mutter, eingestellt. „Sie hatte die olle schwarz-weiß-Kiste bis zuletzt“, erklärt er, „Weil sie sich ans Farbfernsehen nie so recht gewöhnen konnte. Ihr wäre das zu gruselig, hat sie gemeint“, lacht er.
Ich lache auch und nicke. Jimmy Hendrix hat sein letztes Lied beendet. Stille kann doch recht ungemütlich werden, merke nicht nur ich, mein Vater sieht ein paarmal nervös in Richtung Anlage, während er weiterhin die Fotos kommentiert.
Mein I-Phone vibriert hörbar. Zuerst straft mein Vater mich mit einem vorwurfsvollen Blick, seufzt dann aber lächelnd „Mach mal, ich leg eine neue CD ein. Willst du noch ein Bier?“
Die Flasche vor mir ist fast leer, sehe ich jetzt grade erst.
„Ja, gerne“ antworte ich und fummel das I-Phone aus der Hosentasche.
Mein Vater geht in die Küche um ein Bier zu holen, ich checke die Neuigkeiten. Facebook. „En Ora hat einen Link an deiner Pinnwand ebenfalls kommentiert: Ich hoffe nicht XD…“. Like. Ich kommentiere: „Wart mal ab…;-)“.

Das I-Phone verschwindet wieder in meiner Hosentasche, ich blättere die nächste Seite im Fotoalbum um. Auf dem ersten Foto ganz oben erkenne ich ein weihnachtlich geschmücktes Wohnzimmer, in der Mitte des Bildes meinen Vater in jungen Jahren, auf dem Sofa sitzend, in ein Buch versunken. Die Familie drumherum versammelt, in eifrigen Gesprächen verwickelt, Bierflaschen und Sektgläser in den Händen und auf einem Couchtisch verteilt. „Weihnachten 1980“ steht danebengekritzelt.

Mein Vater kehrt wieder in das Wohnzimmer zurück, stellt die Bierflasche wortlos vor mir ab und wechselt die CD. Eine Männerstimme singt zu Akustik-Gitarrenklängen etwas von harten Zeiten und abbrechenden Spitzen.
„Wolf Biermann“, erklärt mein Vater lächelnd, „Den haben wir damals rauf- und runtergehört. Toller Liedermacher.“ Er setzt sich wieder zu mir und sieht, dass ich bereits weitergeblättert habe. Es scheint ihn zu freuen, „Ach ja, Weihnachten 1980“ lacht er herzhaft. „Ich konnte mich von diesem Buch einfach nicht losreißen, irgendwann hat mein Vater es mir einfach aus der Hand genommen und gemeint Jetzt ist Familienzeit, dein Buch läuft dir nicht weg.“ Er sieht mich nachdenklich an und gießt sich Chantrè nach. „Du solltest auch mal ein Buch lesen und nicht immer bloß im Internet rumhängen. Lesen bildet“, meint er.
Ich muss grinsen und entgegne „Ich lese auch ab und zu mal.“
„Sohnemann, die Bedienungsanleitung von deinem Handy zählt nicht“, lacht mein Vater.
Ich lache mit, obwohl ich diesen Satz wirklich unfair finde, und trinke an meinem Bier.
„Nein, wir haben erst kürzlich ein Buch rezensiert“, berichte ich stolz.
„Ach so“, mein Vater legt den Kopf schief und runzelt die Stirn, „Und wie hast du so abgeschnitten?“ fragt er, etwas Lauerndes liegt in seiner Stimme.
„Mittelmäßig …“ gebe ich zu, woraufhin mein Vater wieder seine rechte Augenbraue hochzieht und dieses Nicken nickt, dass einem wortlos mitteilt `Siehst du? Hatte ich doch recht, du solltest besser auf mich hören´. Mein I-Phone vibriert, mein Vater bekommt es diesmal nicht mit, Wolf Biermanns Gesang übertönt es. Dieses Mal lasse ich es in der Hosentasche.

Wir reisen wieder durch das Fotoalbum, ich lasse mir erklären, was mein Vater erlebt hat, wie es damals war. Ich muss keine Fragen stellen, mein Vater erzählt von sich aus und lässt kaum Fragen offen. Es finden sich Fotos von meiner Mutter, kurz nachdem sie sich kennengelernt hatten, meiner Oma und meinem Opa, Onkel, Tanten, der Wende, Geburtstagen, Ostern, Weihnachten, Sylvester. Schließlich, nach zwei weiteren Flaschen Bier und drei Gläsern Chantré, endet das Fotoalbum. Seltsam, denke ich, aber ich bin darüber etwas betrübt, zwei weitere Alben bleiben jedoch noch.
„Na, das war’s mit diesem Album. Im zweiten sind hauptsächlich Fotos von mir und Mama, auch von dir nach deiner Geburt bis zur Einschulung. Nur, wenn du noch Lust hast. Wir können auch nächstes Mal weitermachen, wenn du willst“. Mein I-Phone vibriert.
„Nein, nein, ich hab wohl noch Lust.“ schüttel ich den Kopf, „ Aber eine kleine Pause könnte ich vertragen. Macht es dir was, wenn ich kurz eben ins Internet gehe?“
Mein Vater lächelt freudestrahlend, „Schon Ok. Ich leg noch ne CD auf“.
Die Flamme der Kerze ist mittlerweile hinter einer Wand aus leuchtendem, rotem Wachs eingesunken.

Ich sitze in meinem Zimmer, am Laptop, und logge mich in Facebook ein. Rot auf blau zeigt es mir an, dass ich eine neue private Nachricht erhalten habe und dass Facebook mich über etwas benachrichtigen möchte.
Benachrichtigung: „En Ora gefällt dein Kommentar;“.
Private Nachricht: „Ypso Calypso: Hey, sag mal, du hast doch die letzte Sylvesterparty auch rumgeknipst? Wenn du `n paar gute Pics hast, schick mir die mal… ;-)“.
Ich brauche eine Sekunde, dann fange ich an zu lachen. Ein Gedanke, von dem ich nicht weiß ob er absurd oder genial ist, schießt mir durch den Kopf, ich schreibe zurück: „Klar. Mach ich morgen, hab grad keine Zeit …Und ne Frage: hast du eigentlich dein altes Samsung noch?“.

Ich logge mich aus, („Du ziehst weiter? Bleibe in Verbindung Besuche facebook.com auf deinem Handy.“), klicke das Internet weg und fahre den Laptop herunter. Ich lege mein I-Phone neben den Laptop und gehe wieder in das Wohnzimmer, wo mein Vater schon mit Wolf Biermann, einem Glas Chantrè und dem zweiten, bereits aufgeschlagenen Fotoalbum auf mich wartet. Lachend setze ich mich neben ihn und trinke an meinem Bier.
Mein Vater sieht mich verwirrt an, „Was ist denn los?“, fragt er.
„Nichts“, sage ich, „Nächstes Jahr drehen wir den Spieß um, hab ich mir überlegt.“
Stirnrunzelnd, aber lächelnd, fragt mein Vater noch verwirrter „Was meinst du denn damit?“, während Wolf Biermann im Hintergrund irgendwas von „Trotz alledem, trotz alledem …“ singt.
Ich grinse geheimnisvoll und nuschel in meine Bierflasche: „Wirst schon sehen, Dad, wirst schon sehen…“.

 

Hallo & herzlich Wiillkommen bei den Wortkriegern!


Ich wollte schon nach dem fünften Abschnitt aufgeben, habe mich dann aber noch bis zum achten durchgekämpft - in der Hoffnung, es passiert was.
Aber fünf Bilder, ein Bier, ein Jimi Hendrix-Song und zwei Facebook-Posts später passierte immer noch keine richtige Handlung und ich habs endgültig aufgegeben. Es passiert einfach nix Aufregendes.
Und darum liest man ja Geschichten oder Erzählungen. Man will lesen, dass etwas passiert.
Aber in dem Fall - leider - nix. Ansatz: gut. Idee: gut. Umsetzung: leider nicht gut. Es zieht sich wie Kaugummi.
Versuch mal, den Knackpunkt der Geschichte etwas weiter nach vorne zu verschieben. Du beschreibst 4 Absätze lang darüber, was der Prot macht, bis du auch nur den Handlungsstrang änderst.
Für meine Begriffe viel zu lang Vorbereitung. Darum war auch nach dem achten Absatz bei mir Schluss. Der Spannungsbogen kommt viiiiiel zu spät. Und weil der Leser so lange warten muss, verliert er die Geduld.

Und abschließend Motivation: Du hast nen tollen Style und formulierst die Sätze jugendgerecht und verständlich. Hast du schon mal Clustern bzw. Brainstormung zu einem Thema nachgedacht?

LG

Betze

 

Lieber Konfusius,

letztendlich eine schöne Geschichte, die mir gut gefallen hat, nicht immer sprachlich, aber von ihrer Aussage her.
Das hast du schon ganz gut gemacht und die beiden treffend beschrieben, den Vater und den Sohn – und ihre Annäherung. Auch die Pointe finde ich gelungen. Ja, mir hat dein Text gefallen, obwohl er eigentlich keinen Spannungsbogen enthält und auch nicht wirklich eine Geschichte ist. Du schaffst es für mein Empfinden recht gut, das, was sich zwischen den beiden abspielt und verändert, rüberzubringen: Die Unsicherheit und Unbeholfenheit des Vaters und das Genervte und das Sich-in-sein-Schicksal-fügen des Sohnes.

Und dann die Wende:

Seltsam, denke ich, aber ich bin darüber etwas betrübt
Da ist etwas passiert zwischen den beiden, da ist der Sohn seinem Vater näher gekommen. Da kommt Verständnis füreinander auf.

Das drückt sich besonders in folgenden Stellen aus:

Er nimmt das erste Album von dem (vom) Stapel, legt es zwischen uns und will es aufschlagen, hält aber noch einen Moment inne, um mich zweifelnd anzusehen. „Aber nur, wenn du möchtest. Ich will dich zu nichts zwingen“K erklärt er. Was soll ich denn antworten? `Eigentlich hab ich keinen Bock darauf …` kann ich wohl schlecht sagen, ich will ihn schließlich nicht verletzen. Also nicke ich gewissenhaft, „Doch, doch …“, beteuere ich hastig und trinke einen Schluck Bier, „Ich will mir das gerne anschauen.“
Das ‚gewissenhaft’ kannst du mMn auch weglassen – versteht sich von selber.

Und hier:

Stille kann doch recht ungemütlich werden, merke nicht nur ich, mein Vater sieht ein paar mal nervös in Richtung Anlage, während er weiterhin die Fotos kommentiert. Mein I-Phone vibriert. Zuerst straft mein Vater mich mit einem vorwurfsvollen Blick, seufzt dann aber lächelnd „Mach mal, ich leg eine neue CD ein. Willst du noch ein Bier?“

Und dann der Schluss, der unerwartet ist, aber – wie ich finde – witzig und gelungen.

Wenn du `n paar gute Pics hast, schick mir die mal… ;-)“.
Ich brauche eine Sekunde, dann fange ich an zu lachen. Ein Gedanke, von dem ich nicht weißK ob er absurd oder genial ist, schießt mir durch den Kopf, ich schreibe zurück: „Klar. Mach ich morgen, hab grad keine Zeit

Jetzt noch ein paar Sachen, die mir aufgefallen sind:
Schau dir bitte die Zeichensetzung bei der wörtlichen Rede an. Ich zeige dir zwei Beispiele von dem, was du meistens (nicht immer) falsch machst:

„Warum nicht?“(,) nuschel ich.
Zwischen wörtlicher Rede und Beisatz steht ein Komma.

„Nein, nein, ich hab wohl noch Lust.“ schüttel ich den Kopf
Hier fällt der Punkt weg und hinter dem Schlusszeichen steht ein Komma.
Kannst du hier nachlesen:
http://www.wörtlicherede.de/

Ein Insider, bezogen auf eine Situation in der Sylvesternacht letzten Jahres.
Den Satz verstehe ich nicht.

Diesen Satz kenne ich(,) in verschiedenen Versionen(,) sehr gut, etwas zu gut wie ich finde.
Das empfinde ich nicht als Einschub, deshalb keine Kommas.

„Nein … Ja …“ antworte ich genervt und fügsam, obwohl ich im Grunde weiß, dass es sich auch heute nicht ändern wird.
Ich finde diese ganze Stelle ist nicht sehr klar formuliert. Müsstest du noch mal überlegen, was du genau sagen möchtest. Was ist ‚fügsam’ antworten?

Ich hätte mir von meinem Vater auch gewünscht, dass er so was (so was) mal mit mir macht.“ erklärt er mir, was ich bereits geahnt hatte.
Was genau, hast er bereits geahnt?

Mein Vater hebt nun seinerseits die Schultern an und legt den Kopf fragend schief.
‚an’ würde ich weglassen.

Lieber Konfusius, man muss sich auf deinen Text einlassen. Wenn man es schafft, sich durch das recht mühsame Fotoalbum-Schauen durchzukämpfen, hat man eine sehr menschliche Geschichte mit einem ebensolchen Ende gelesen.

Ich begrüße dich bei den Wortkriegern und wünsche dir hier viel Spaß.

Liebe Grüße
barnhelm

 

Hallo Konfusius

deine Geschichte beschreibt eine Szene zwischen Vater und seinem (Teenager?-)Sohn, in der Adventszeit.

Mir hat sehr gut gefallen, wie du die Situation der beiden dargestellt hast. Wie der Sohn, zunächst in Abwehrhaltung oder eher skeptisch, sich am Ende auf den Vater einlässt und Gefallen an dem gemeinsamen Abend findet. Ist sehr gut rübergekommen, finde ich.
Das ewig vibrierende Handy, das verschicken der Posts ist so typisch für die Jugend und empfand ich nicht als störend.

Gefragt habe ich mich, wo ist die Mutter? Ist er ein Scheidungskind und nur am WE oder über Weihnachten beim Vater?

Das würde auch die Frage erklären:

Lust auf ein bisschen alte Musik?“, fragt er. Wieder zucke ich mit den Achseln „Was hast du denn da?“, frage ich ....

Hier habe ich mich nämlich gewundert, dass er die Musiksammlung und den -geschmack des Vaters nicht kennt.

Den Schluss habe ich dann aber leider nicht verstanden:

Und ne Frage: hast du eigentlich dein altes Samsung noch?“.
„Nächstes Jahr drehen wir den Spieß um, hab ich mir überlegt. ... „Wirst schon sehen, Dad, wirst schon sehen…“.

Oder ist das eine Fortsetzungsgeschichte? :)

Einen Tipp hätte ich für dich:
deine Geschichte ist ziemlich "blockig" geschrieben. Außer den einzelnen Absätzen hast du die Sätze hintereinander geschrieben. Das ist unschön. Fang mit deinen Dialogen in einer neuen Zeile an.
Neue Zeile: Sohn spricht.
Neue Zeile: Vater spricht.
Das lockert den Text auf und ist angenehmer zu lesen.

Keine Frage, du hast die Situation gut beschrieben, es hat mir gefallen. Auch wenn keine Spannung vorhanden war, so hat es doch ungemein "gemenschelt". Gut gelungen.

Willkommen und viel Spaß hier.

Gruß Tintenfass

 

Hi Konfusius!

Auch ich hatte beim Lesen das Problem, dass deine Geschichte wenig bis gar nicht Fahrt aufnimmt. Anfangs fand ich deine ewigen Handy-I-Phone-Facebook-Wasweißich-Technik-Unterbrechungen unserer heutigen jugendlichen "Generation Sozial-Autist", die selbst auf'm Pott noch online sind und wahrscheinlich sogar ihren Stuhlgang "like"-en müssen, ganz amüsant. Dieses Stilmittel hast du dann jedoch leider überreizt, indem du die Szene ganz einfach zu lang und ausufernd dargestellt hast. Die ständige Wiederholung und das Fehlen einer interessanten Abwechslung machen deine Erzählung tatsächlich regelrecht langweilig. Und das ist sehr schade, wenn man betrachtet, dass du eine angenehme Art der Erzählung hast und außerdem gut formulieren kannst.
Deshalb habe ich deine Geschichte auch nach dem ersten Drittel nur noch überflogen. Wie gesagt, sehr schade.
Ich würde dir empfehlen, dem Ganzen etwas mehr Pepp und Dynamik zu verleihen. Da fallen mir spontan zwei Möglichkeiten ein:
1) Mitten im Satz stürmt eine Horde irrer Axtkiller-Zombies ins Wohnzimmer und Vater und Sohn kämpfen mit Kettensäge und Motorsense, die zufällig unter'm Sofa liegen, um ihr Leben und die Wolf-Biermann-Cd-Sammlung
oder aber
2) du kürzt ganz einfach deine Geschichte und schmeißt die ganzen überflüssigen Wiederholungen über Bord.

Welche der beiden Varianten dir allerdings besser gefällt, dass musst du selbst entscheiden!;)

Grüße vom Eisenmann

 
Zuletzt bearbeitet:

Einen guten Abend und vielmals Entschuldigung wegen der verspäteten Antwort. Ich hatte schon eine Antwort erstellt, sie dann aber durch einen blöden Klick auf den "Zitieren"-Button gelöscht. Ich kenn mich leider noch nicht mit den ganzen Möglichkeiten aus.


betzebub: Schade dass es dir nicht gefallen hat, ich werde beim nächsten mal stärker auf die Spannungskurve achtgeben. Der Tipp mit dem Clustern ist interessant, das werde ich beizeiten mal ausprobieren, danke.


barnhelm: Freut mich dass dir die Geschichte gefallen hat, und danke für den Link, die Zeichensetzung in Verbindung mit wörtlicher Rede ist noch ein Problem bei mir. Da werde ich mich nochmal dransetzen.

Ein Insider, bezogen auf eine Situation in der Sylvesternacht letzten Jahres
.
Den Satz verstehe ich nicht.
Sollte den Nebenschauplatz bzw. die Facebook Unterhaltung zwischendurch einleiten. Besagte En Ora (oder Nora) wir vermutlich genau so eine "Bruchlandung hingelegt" haben wie die junge Frau in dem Video. Sollte ich das deutlicher machen? Vielleicht die Situation kurz einfügen?
Nein … Ja …“ antworte ich genervt und fügsam, obwohl ich im Grunde weiß, dass es sich auch heute nicht ändern wird
.
Ich finde diese ganze Stelle ist nicht sehr klar formuliert. Müsstest du noch mal überlegen, was du genau sagen möchtest. Was ist ‚fügsam’ antworten?
Ehrlich gesagt fiel mir kein besseres Wort ein. Der Sohn ist genervt, weil der Vater eine bekannte Moralpredigt hält, will aber auch keine Diskussion anzetteln und ... naja ... fügt sich? Ich hab versucht diesen Tonfall rauszuarbeiten, den Kinder und Jugendliche dann anschlagen, dieses leicht gedehnte, monotone (hatte ich auch als Wort schon drin, fand es aber unschön). Der letzte Satzteil
dass es sich auch heute nicht ändern wird
gefällt mir auch nicht gut. Da geh ich nochmal drüber und überlege mir etwas.

Ich hätte mir von meinem Vater auch gewünscht, dass er so was (so was) mal mit mir macht.“ erklärt er mir, was ich bereits geahnt hatte.
Was genau, hast er bereits geahnt?
Stimmt, das irritiert und kann eigentlich weg.


Tintenfass: Schön dass es dir gefallen hat, danke.

Gefragt habe ich mich, wo ist die Mutter? Ist er ein Scheidungskind und nur am WE oder über Weihnachten beim Vater?
So hatte ich mir das gedacht, wollte anfangs noch etwas dazu schreiben, fand es dann aber für die Geschichte unnötig.

Den Schluss habe ich dann aber leider nicht verstanden
Der Gedanke war, dass der Vater den Sohn über das Fotoalbum in seine Lebenswelt "mitnimmt", und der Sohn die Idee hat, mit seinem Vater dasselbe zu machen, vielleicht auch um ein besseres Verständnis zwischen den beiden herzustellen. Vielleicht hab ich das zu kurz gefasst, ich wollte es absichtlich etwas offener lassen.
Das mit den Dialogen ist ein guter Hinweis, das werde ich umsetzen, danke.

Oder ist das eine Fortsetzungsgeschichte?
Das hatte ich nicht geplant, nein. ;)


Eisenmann:
Tut mir leid, dass die Geschichte nichts für dich ist, ich lese aber auch raus dass das Thema eventuell nicht so deins ist ;)
Über deinen Vorschlag zu der Horde irrer Axtkiller-Zombies hab ich kurz nachgedacht (eventuell die Sorte, die von Biermann Texten angelockt wird und dann durch PUR-Melodien platzt?), aber dann fand ich es doch nicht so gut da die Geschichte dann nicht mehr unter Alltag und Jugendliche einzustellen geht. Vielleicht in einer anderen Geschichte.
Das kürzen wird ich überdenken und vielleicht umsetzen, aber da brauch ich noch etwas Übung. Vielen Dank für die Rückmeldung.

Danke an alle,
LG Konfusius

 

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