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Das Rapid Eye Movement- Blutbad
Das Rapid Eye Movement- Blutbad
Wie die Wolken am Himmel, so ballten sich auch seine Ängste in ihm.
Doch es war nicht der Gedanke an eine sternenlose Nacht, oder an fallenden Regen und donnernde Blitze, die ihm Furcht in die Glieder trieben, und ihn am Einschlafen hinderten.
Mit schwerem Schritt, ging er zum Fenster und stellte sich der Aussicht, die sich ihm dort bot.
Es kostete ihn einiges an Überwindung, den Blick zu heben, und durch das dicke Glas zu blicken, denn es würde ihm nicht gefallen, was es dort zu sehen gab.
Der Clown! Ein greller Blitz zerriss den schwarzen Nachthimmel, und für einen erschreckenden Augenblick der Panik, füllte das hämische Lächeln der Statue das Fenster aus.
Er sah eigentlich ganz harmlos aus, wie der Liebling aller Kinder:
Blutrote Lippen zierten sein Gesicht und formten zusammen mit der kunterbunten Schminke ein scheinbar bezauberndes Lächeln.
Seine Hände waren offen gegen den Himmel emporgestreckt, als wollten sie die ganze Welt umarmen, und überall an seinem Körper sah man winzige Glöckchen die von seinem Kostüm baumelten.
Rundherum ein Kinderfreund, dieser Clown!
Wenn die Sonne prall am Himmel stand, dann tollten die Kinder aus der Umgebung um ihn herum, und wenn dick, der Schnee sein freundliches Gesicht bedeckte, dann bauten sie einen Schneemann, der so aussehen sollte wie er.
Scheinbar wußte niemand außer Peppo, was sich wirklich hinter dieser lachenden Statue verbarg.
An einer durchblitzten Nacht, wie dieser, konnte er es besonders gut sehen:
Die Reißzähne die untertags hinter einem süßen Lächeln verborgen waren, und die Klauen an den Händen, die bei Sonnenschein den Himmel zu liebkosen schienen.
Doch bei der Sicherheit, der schützenden Nacht, war das alles anders.
Zitternd wischte er sich den Schweiß von der Stirn, und wandte sich von dem nachtgeschwärzten Fenster ab.
Er wankte zum Bett und setzte sich auf die weiche Matratze.
Es würde ein lange Nacht werden, denn wie die Blitze am dunklen Himmel tobten, und grollenden Donner nach sich zogen, so würden die gräßlichen Morde ewig in seinem Innern nachhallen.
Mit Fingern, die sich wie trockene Äste anfühlten, nahm er ein Bild vom Nachttisch, klammerte sich fast schon daran fest, und erfaßte es mit eisernem Blick.
Zwischen dem Rahmen lächelte ihm eine hübsche junge Frau entgegen.
Es war ein lauer Sommerabend gewesen, als es passierte.
Genau wie heute, so verdunkelten auch an diesem Tag dicke Wolken den Himmel, und trübten die Sicht mit dicken Regentropfen.
Die Müdigkeit hatte ihn an jenem Tag praktisch erschlagen, und er hatte den ganzen Tag in Träumen geschwelgt, von denen lediglich Gefühlsfetzen von dunkler Angst seinen Geist durchstreiften.
Er konnte sich eines Gefühls der Beklemmung nicht erwehren, als er mit eilendem Schritt zu seiner Liebsten schlenderte.
Er hatte ihr Blumen mitgebracht.
Knallgelbe Märzenbecher und blutrote Tulpen, die in raschelndem Papier eingewickelt waren.
Als sie auf sein Klopfen nicht antwortete, holte er seinen Schlüssel aus der Tasche.
Knackend schob er den Riegel weg und öffnete die hohe Tür, zu ihrem Apartement.
Im inneren herrschte ein reges Durcheinander:
Der Essstisch aus schwerem Eichenholz war umgeworfen, darunter sah er die Zacken von zerbrochenem Porzellan.
Der Schock schlug ihm ins Gesicht, als er den Teppich sah.
Eine dicke Spur aus Blut, das fast schwarz war, zog sich in wirren Linien darüber, schlängelte sich in weiten Kurven über den Boden und führte durch die Schlafzimmertüre.
„Berta?“ krächzte er und seine Stimme entglitt ihm vor Angst. Der Raum antwortete mit Schweigen.
Nach wenigen Sekunden aber, vernahm er ein gedämpftes Röcheln, das hinter der Schlafzimmertür ihren Ursprung hatte.
Panik durchströmte seinen Körper in heißen Wellen, und ein Korken schien tief in seiner Kehle zu stecken.
Er warf die Blumen eilig in die Ecke und stürmte mit weit ausholenden Schritten in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war.
Er durchquerte die Blutspur, und hinterließ rote Fußabdrücke auf dem Parkettboden.
Der Anblick, der sich ihm bot war furchtbar:
Motoröl beschmierte mit pechschwarzen Schlieren das Bett, und in der Ecke, erkannte er seine zusammengekrümmte Liebste: Berta!
Sie sah aus, als hätte sie jemand mit einer Motorsäge bearbeitet, und ihre Abendgarderobe war mit Blut getränkt.
Plötzlich drehte sie ihren Kopf ruckartig in seine Richtung.
Sie blickte ihn aus angsterfüllten Augen an, als wäre ein Fremder.
Peppo wollte ihr helfen, sie in seine Arme schließen, wußte aber nicht was er machen sollte.
„Lass mich in Ruhe!“ schrie sie plötzlich mit schriller Stimme.
Ihr Gesicht war eine von Furcht zerrissene Fratze.
„Verschwinde!“
„Aber Berta! Lass mich dir helfen!“
„Verschwinde! Du Clown! Verschwinde und lass mich in Ruhe!“
Sie sollte nicht das einzige Opfer des blutrünstigen Clowns bleiben. Zwei Tage später fand man den Leichnahm eines völlig zerfetztes Säuglings.
Im folgenden August waren es drei Katzen, ein Hund und fünf Kinder.
Oft waren es Burschen und Mädchen, die Peppo noch am Tag davor um die lächelnde Clownstatue hatte tanzen sehen.
Es geschah stets nach dem selben Schema:
An einem regnerischen Abend legte sich Peppo hin, um den immergleichen Alptraum zu haben.
Er träumte sich als Clown, nämlich als genau der Clown, der auf einem Sockel vor seinem Fenster stand.
Er war der Clown und schlachtete alle möglichen Menschen und Tiere, die ihm in die Quere kamen.
Oft waren es sogar die Opfer, die man am nächsten Tag in den Nachrichten sah: tot.
Er hatte Angst davor einzuschlafen, solche Angst.
Er sah zum Fenster. Wieder erhellte ein Blitz die Nacht, und für einen winzigen Wimpernschlag, sah er das unglaubliche:
Der Clown hatte eine Motorsäge! Er hielt sie triumphierend in beiden Händen, als wollte er sagen:
„Ich habe deine Freundin zersägt, und ich hatte Spaß daran, und du kannst nichts dagegen tun, dass ich dasselbe mit noch hunderten von Kindern mache!“
Peppo blinzelte: Nichts. Er schüttelte den Kopf, als wollte er so die bösen Bilder vertreiben.
Es waren Halluzinationen die ihn plagten, aber in Nächten wie dieser, konnte es gut passieren, dass sein dunklen Träume bis in die Wirklichkeit wuchsen, ihren Samen in die Realität streuten und Früchte trugen.
Er wußte, dass er nicht einschlafen durfte, bevor nicht die Sonne aufgegangen war, und draußen Regen vom Himmel fiel; er krampfte sich fest im diesen Gedanken, klammerte sich an seine Wachheit.
Immer wieder versuchte er seinen Anker in diese Welt zu werfen, indem er seine tonnenschweren Lider zum Offensein zwang, aber es war zu spät.
Der Schlaff schlich sich in sein Bewußtsein, und wickelte seinen Geist ein wie ein warme, angenehme Decke, und als er Peppo schließlich fest in seinen Klauen hatte, da begrüßte dieser es beinahe, fand Gefallen an der Sorglosigkeit der Traumwelt, in der nichts wichtig und alles gesagt war.
Es geschah das Unvermeidliche:
Er sah seine ausgepolsterte, lustige Gestalt, wenn er den Blick senkte- er sah, seine Hände, die mit Klauen bewaffnet waren, und er erkannte seinen Körper, der ihm selbst fremd war.
Er war der Clown, er allein steuerte die Bewegungen des Clowns.
Der Regen prasselte hart auf den Asphalt, auf die Autos die vor ihm parkten, und auf seine Clownsmütze.
Er betastete seinen Mund und konnte die scharfen Zähne unter seinen Lippen fühlen, bereit zu töten und zu zerreißen. Mit steinernen Gelenken und bleiernen Gliedern, stieg er von seinem Sockel und machte sich auf den Weg.
In einem deliriösen Wirrwarr der Sinne, eilte er auf das Haus zu. Seine Bewegungen schienen sich ihm selbst zu entziehen, und doch wußte er, dass dieser Körper für diese Nacht ihm gehören würde.
Wie aus dem nichts hielt er plötzlich etwas schweres, klobiges in Händen: Eine Motorsäge! Die Motorsäge, die er schon einmal in den Händen des Clowns gesehen hatte!
Und er erkannte auch das Haus wieder, dessen Türe er schon fast erreicht hatte.
Es war sein eigenes. Was hatte er selbst in seinem eigenen Haus vor? Wozu wollte er dort hin?
Die dicken Hände packten die Klinge mit eisernem Griff, und rissen die Türe ohne Anstrengung aus den Angeln.
Er betrat das Haus.
Die Treppe, er bestieg die Treppe.
Die Stufen häuften sich unter ihm, zogen unter ihm hinweg.
Er sah eine weitere Türe auf ihn zukommen, ja auf ihn zu schweben: Die Schlafzimmertüre!
Was hatte der Clown mit seinem schlafenden selbst vor? Wieso steuerte er auf seinen schlafenden Körper zu?
Doch kurz bevor er das Zimmer erreichte, hielt er plötzlich inne. Hatte er es sich anders überlegt? Sollte er nicht selbst wissen, ob er es sich anders überlegt hatte? Es war zu verrückt, er war gefangen in diesem fremden Clownskörper, in dieser Mordmaschine.
Seine Hände starteten die Motorsäge, ließen sie rattern und stottern. Kleine, schwarze Wölkchen stoben hervor.
Die Säge wurde zu einem ohrenbetäubenden Mordinstrument, einem Instrument das schreckliche Klänge hervorbrachte, die direkt aus der Hölle zu kommen schienen.
Der Lärm hallte zwischen den Wänden hin und her.
Peppo erwachte schweißgebadet, und aufrecht sitzend.
Was war passiert? Er konnte sich an das knochenharte Dröhnen einer Harley Davidson erinnern, doch das war auch alles.
Seine feuchten Hände knipsten die Nachttischlampe an.
Seine Hände waren beschmiert mit pechschwarzem Motoröl. Die Erinnerungen strudelten in ihm hervor, und schleuderten Bilder in seinen Kopf: Die Motorsäge, die Clownshände, das Kostüm!
Er war eingeschlafen, und war in den Körper des Monsters geschlüpft.
Doch er konnte sich an keinen Mord erinnern, es war alles ohne Blut und Mord von statten gegangen.
Es war ein erleichterndes Gefühl, wieder in seinem eigenen Körper zu sein.
Mit wankendem Schritt ging er ins Bad, um sich die Hände zu waschen, und seine Glieder fühlten sich schwer an, nach dem ungemütlichen Schlaf.
Er öffnete die Badezimmertüre.
Er schaltete das Licht an und blickte in den Spiegel.
Es war zu furchtbar, was ihm da entgegenblickte: sein Gesicht war über und über geschminkt, seine Haare waren rosa gefärbt, und von seinem Gewand baumelten klingende Glöckchen!
Davon nicht genug: Sein Spiegelbild lachte ihm höhnend entgegen, mit rasiermesserscharfen Zähnen!
Sein panisches Grauen gipfelte in einem langen Schrei.