Was ist neu

Das Radio mit dem goldenen Herzen

Mitglied
Beitritt
11.12.2001
Beiträge
55

Das Radio mit dem goldenen Herzen

Das Radio mit dem goldenen Herzen

Es war einmal ein Radio, das stand auf einem kleinen Küchentisch in der Wohnung der Familie Eberlein. Jeden Morgen wurde es eingeschaltet wenn Mutter, Vater und Sohn frühstückten. Die Familie hörte die Nachrichten oder etwas Musik, je nachdem ob sich der Vater oder die Mutter durchgesetzt hatte. Der kleine Sohn war noch zu jung, um sich durchzusetzen und löffelte meist in heller Vorfreude auf den Kindergarten sein Müsli.
Das Radio war sehr stolz auf seine Aufgabe. Es war erst vor kurzem gekauft worden und stand nun seit fast einer Woche in der Küche. Davor hatte Familie Eberlein ein sehr altes Radio gehabt, das eines Tages aus der Küche verschwunden war.

Das neue Radio aber wusste nichts davon und spielte die Musik so fröhlich es konnte, verbreitete die Nachrichten so seriös wie möglich und freute sich zusammen mit den Menschen auf das Wochenende, an dem es für viele spielen würde.
"Es war viel zu gut, dieses alte Radio" flüsterte der alte und weise Kühlschrank dem Neuankömmling eines Nachts zu "es hatte ein goldenes Herz, aber die Menschen verstehen uns Maschinen ja nicht. Noch heute fängt meine Pumpe an zu ächzen, wenn ich an diese Geschichte denke.".
Das neue Radio schwieg. Es hielt nicht viel von solch negativen Meinungen über die Familie Eberlein.

Doch am nächsten Morgen, als es wieder spielte waren seine Schaltkreise ganz aufgeregt und es beobachtete alles sehr genau. Wie konnte dieser kleine, strahlende Junge, der mit so viel Hingabe sein Müsli löffelte oder dieser riesige Vater, der immer ein leichtes Lächeln auf der Lippe hatte und nach dem Einschalten einmal zärtlich über sein Display strich, oder gar die Mutter, die den Vater mit einem unendlichen Vorrat von guter Laune vor neuen, unsinnigen und teueren Anschaffungen bewahrte, ein Radio mit einem goldenen Herzen weggeben? Außerdem waren Mutter und Vater Ärzte. Sie halfen täglich anderen Menschen und konnten doch gar nicht in der Lage sein, etwas so furchtbares zu tun.

Solche Gedanken geisterten durch die Platine des neuen Radios, während sein Lautsprecher strahlendes Wetter und ein wenig Ostwind verkündete.

"Es geht so nicht weiter! Ich bin überhaupt nicht mehr bei der Sache. Immer wenn ich eingeschaltet werde, erinnere ich mich an deine Geschichte von dem alten Radio mit dem goldenen Herzen. Bitte. Erzähl sie mir doch" plärrte das neue Radio also eines Tages, als Familie Eberlein gerade nicht zu hause war, dem Kühlschrank zu.
"Hmm" brummte dieser "also gut. Aber du brauchst starke Drähte!".
"Ja ja, die hab ich ganz bestimmt. Ich bin ein Qualitätsprodukt mit über.."
"Ist ja gut" unterbrach es der Kühlschrank mit seiner ruhigen, tiefen Stimme, bei der manchmal sogar der Boden vibrierte "ich werde dir die Geschichte erzählen. Angefangen hat alles mit dem Sohn von Frau und Herr Eberlein. Vor langer Zeit fing er häufig an, fürchterlich laut zu schreien und zu weinen und niemand konnte ihn beruhigen. Das alte Radio bekam jedesmal einen Schreck und dachte, es wäre schuld an dem Unglück. Das stimmte natürlich nicht. Niemand war Schuld. Menschen machen einen solchen Krach, wenn sie klein sind. Das müssen sie, um uns Maschinen zu zeigen, wer der Boss ist. Trotzdem war das alte Radio nicht mehr in der Lage, weiter Musik zu machen und ging einfach aus. Zuerst bemerkten die Menschen nichts, da sie ja damit beschäftigt waren, ihr kleines Baby zu beruhigen. Aber dann ertappte der Vater das alte Radio bei einem erneuten Nervenzusammenbruch. Er verhielt sich allerdings sehr freundlich und verstand, glaube ich, sogar den Zusammenhang. Von da an hatte das alte Radio..."
"Pssst!" rief der Herd "die Menschen kommen zurück".
Sofort verstummten alle, der Kühlschrank hörte auf zu brummen und das neue Radio tat so, als würde es schlafen.
Und so vergingen einige Tage, bis das neue Radio den Kühlschrank weiter löchern konnte.
"Hey, hallo!" rief es jetzt sehr aufgeregt "erzähl mir die Geschichte weiter"
"Wo waren wir denn stehengeblieben?" brummte der Kühlschrank und seine kleinen Lämpchen flackerten ungeduldig. Er verstand die Aufregung der Jugend nicht.
"Das alte Radio war immer ausgegangen und.."

"Ach so, ich weiß es wieder." unterbrach es der Kühlschrank
"Also. Seit diesem Vorfall war das es regelrecht vernarrt in die Menschen und wollte ihnen nur Gutes tun.
Also dachte es sich eine Menge Dinge aus. Zum Beispiel spielte es lauter, wenn ein Lied kam, dass den Menschen gefiel. Oder es wurde leiser, wenn es merkte, dass es bei einer Unterhaltung störte. Es wollte alles tun um den Menschen zu gefallen. Die Menschen bemerkten dies allerdings nicht. Sie wissen ja nicht, was in uns Maschinen vorgeht. Das alte Radio wurde sehr traurig, als es dies feststellte.
"Da strenge ich mich so sehr an, um ihnen das Leben zu erleichtern, und sie merken es noch nicht einmal" sagte es einmal niedergeschlagen zu mir.
"Ich weiß" sagte ich "es ist mir auch schon oft so ergangen und ich habe in meinem langen Leben viele dieser Situationen miterlebt. Die Menschen sind dumm. Sie wissen nichts über uns und solche Anstrengungen sind völlig nutzlos."
Aber ich konnte das alte Radio nicht von seinem Weg abbringen.
"Ich möchte mich gerne altruistisch verhalten" plärrte es jetzt sehr aufgebracht "und wenn die liebe Familie Eberlein nichts davon mitbekommt, dann werde ich mich eben noch mehr anstrengen müssen."
Seit diesem Tag war das alte Radio regelrecht angespornt, es den Menschen immer leichter zu machen. Mit mir aber redete es kein Wort mehr.
Es ließ sich lauter verrückte Dinge einfallen."
Der Kühlschrank schwieg eine Weile und das neue Radio wartete geduldig.
"Nun musst du dazu wissen, dass nicht nur die Menschen uns nicht richtig verstehen, wir Maschinen können sie auch nicht richtig verstehen" fing er wieder an.
"Das alte Radio war besessen. Wenn die Familie sich jetzt unterhielt, spielte es lauter, damit sie es trotzdem hören konnten. Wenn schlechte Nachrichten über Kriege oder dem Konkurs einer Elektronik-Firma kamen, wurde es sehr leise, oder ging gar ganz aus. Es war wirklich traurig zu beobachten, wie es sich selbst zerstörte. Der Vater brachte es sogar einmal zum Elektriker. Aber nichts half. Es wurde jeden Tag schlimmer.
Eines Tages saß die Mutter etwas betrübt am Tisch und schaute zum Fenster hinaus. Draußen war Herbst und die Blätter trieben ziellos im Wind, ein Wenig Regen schlug gegen die Scheibe und der Himmel war voller schwarzer Wolken. Das alte Radio hatte morgens den Wetterbericht gespielt und wusste aus einer Wissenschaftsendung, wie die Menschen auf diese Jahreszeit und das Wetter reagieren. Es schaltete sich ein und spielte irgendeine traurige Musik. Ich fing sofort an zu rumoren, um es davon abzuhalten. Aber es war zu spät. Zuerst merkte die Mutter nichts, aber dann sprang sie erschrocken vom Stuhl auf und stieß das alte Radio vom Tisch.
Das war der Todesstoß. Diese Kränkung überlebte das alte Radio nicht und sein Herz war gebrochen. Es konnte keine Musik mehr spielen und die Menschen brachten es weg. Ich habe es seitdem nie wieder gesehen."
Der Kühlschrank war verstummt. Nur hin und wieder war ein leichtes Ächzen von ihm zu
vernehmen.
Auch das neue Radio schwieg und erst als der Herd anfing zu schluchzen, stimmte es mit ein.
Seit jenem Tag war es sehr vorsichtig, ja geradezu ängstlich. Nur hin und wieder unterhielt es sich mit dem Kühlschrank.
"Es hatte wirklich ein goldenes Herz" sagte es dann.
"Ja, und es war so mutig" stimmte dieser mit ein.

Und so verging fast ein halbes Jahr. An einem schönen Sommertag geschah dann etwas atemberaubendes. Der Vater hatte sich in letzter Zeit offenbar häufig verspätet und die Mutter stellte einen Wecker auf den Küchentisch neben das neue Radio. Er war sofort die Attraktion für die Maschinen und als sie hörten, dass er aus dem Schlafzimmer kam, waren alle sehr interessiert und durchbohrten ihn mit Fragen. Doch irgendwann hatte der Wecker es leid, immer nur zu erzählen.
"Ich möchte auch einmal eine Geschichte von euch hören!" piepste er.
"Er hat ja recht! Wir sind so egozentrisch" murmelte der Herd.
"Wollen wir ihm die von dem Radio mit dem goldenen Herzen erzählen?" brummte der Kühlschrank
"Super Idee, aber lass sie mich erzählen, du machst es immer zu traurig" plärrte das neue Radio.
"Aber, aber" stammelte der Kühlschrank
"Nichts aber, lass es das Radio machen! Es ist schließlich ein Profi" mischte sich der Herd ein.
Und das neue Radio erzählte die Geschichte. Am Ende waren alle sehr traurig, wie jedesmal. Nur der Wecker fing munter an zu piepsen, ja er brach sogar in schallendes Gelächter aus.
"Ach darum! Der alte Geheimniskrämer" piepste er.
Sofort wollten alle wissen, wovon er sprach.
"Ihr müsst wissen, dass im Schlafzimmer genau so ein Radio steht, wie ihr erzählt habt. Es wollte nie damit herausrücken, woher es kommt. Aber es muss dieses alte Radio sein, denn der Vater nennt es "mein kleiner Zauberkasten" und auch die Mutter ist ganz vernarrt in es. Wenn ich das alte Radio nach dem Geheimnis seines Erfolges fragte, kam es mir mit Altruismus und Karma und wollte mir erzählen, dass alles Illusionen seien. Ich hatte mich irgendwann damit abgefunden, dass bei ihm eine Schraube locker ist."
Als das neue Radio dies hörte, fing es augenblicklich an zu singen und auch der Kühlschrank stimmte in einem tiefen Bass mit ein. Nach und nach überwanden sich auch der mürrische Herd und der Wecker und schließlich sang sogar der sehr verschlossene und schweigsame Toaster mit. Als die Familie Eberlein nach Hause kam, grölten alle Maschinen im Chor, der Fernseher zappte wie wild und die Stereoanlage machte die Nachbarn rasend. Wären sie nicht so maschinen-spirituell veranlagt, so hätten sie vermutlich an einen Poltergeist geglaubt. So aber gingen sie nur in das Schlafzimmer und strichen zärtlich über das Display des alten Radios.


© by Olafson, 10.10.02, 1639 Wörter

 

Hallo olafson,

inhaltlich finde ich die Geschichte nicht schlecht und bin froh, dass es für das alte Radio so gut ausgegangen ist. Ich werde mich bemühen, zu Computer&Co. in Zukunft netter zu sein :).
An einigen Stellen gefällt mir der Stil jedoch nicht so gut. Zum Beispiel stolperte sicher nicht nur ich über Wörter wie "altruistisch", "egozentrisch" und "Karma". Für eine Kindergeschichte finde ich sie unpassend.
Du solltest den Text noch mal Korrektur lesen (lassen), es haben sich einige Komma- und Rechtschreibfehler eingeschlichen. Mit den Regeln bei der wörtlichen Rede bin ich nicht so vertraut, meine aber, statt
"Hmm" brummte dieser "also gut. Aber du brauchst starke Drähte!".
müsste da stehen:
"Hmm", brummte dieser, "also gut. Aber du brauchst starke Drähte!"
Die doppelte wörtliche Rede (dort, wo der Kühlschrank über seine Gespräche mit dem alten Radio erzählt) irritiert beim Lesen.

Ich hoffe, du kannst was anfangen mit meiner Kritik.

Gruß,
Juliane

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Juliane,
um ehrlich zu sein, war diese Geschichte auch gar nicht für Kinder gedacht. Es sollte eine Geschichte für Erwachsene im Stile einer Kindergeschichte werden. Leider habe ich auf KG.de keine passende Rubrik gefunden. Die doppelte wörtliche Rede finde ich schon sehr wichtig und ich habe die meißte Zeit beim Überarbeiten damit verbracht, diese klar heraus zu arbeiten. Das mit den Kommas stimmt offensichtlich, Danke.

Gruß,
Olafson

Upsala, mir ist gerade die Rubrik Fantasy/Märchen aufgefallen. Vielleicht ist sie da ja passender aufgehoben. Ich weiß nicht. Vielleicht ist diese Rubrik ja auch mehr für Geschichten à la Ritter, Schwerter, Burgen, Zwerge gedacht. Wenn dies ein Mod liest, vielleicht kann er mir ja helfen

 

Hallo Olafson
Inhaltlich ist deine Geschichte prima. Leider hast du es mit dem "es". Vielleicht kann man statt für "es" bessere alter Röhrenkasten oder nur Kasten.
Bei dem Satz; " Nichts aber, lass es das Radio machen! Es ist schließlich ein Profi" mischte sich der Herd ein." Würde ich vorschlagen "Nichts aber. Lass(oder Lasst)doch das Radio, die Geschichte erzählen. Schließlich ist es ein Profi, in diesen Dingen." Auch die letzen beiden Sätze könnte man stilistisch besser schreiben. Denn hier stelle ich mir die Frage "Wer ist maschinen-spirituell veranlagt und könnte an Poltergeister glauben. Und wer ging ins Schlafzimmer?" Auch diese beiden Sätze kann man besser formulieren. Es hatte wirklich ein goldenes Herz" sagte es dann.(Wer sagt was)
"Ja, und es war so mutig" stimmte dieser mit ein.(Wer stimmt mit wem überein?)
Ich denke schon das diese Geschichte für Kinder sein könnte. Umsonst haben die Menschen den Dingen keinen Namen, bzw.Bezeichnung gegeben.Es ist eben ein modernes Märchen. Bei dir merke ich, dass du vom Alltag abschalten willst und dich im Reich der Fantasie zurückziehst. Dies finde ich gut so. Denn die Realität ist sehr hart. Außerdem hat deine Geschichte den Vorteil des lernens.Kinder haben oft die kuriosesten Fragen, auf die wir oft keine Antwort finden, weil für uns so manches selbstverständlich ist. Kinder sind da sehr genau. Sie wollen wissen warum das so ist und nicht, das ist einfach so.
gruss rosi
P.S. Nicht böse über meine Kritik sein. Manchmal überarbeite ich meine Geschichten oft oder lasse sie von Freunden lesen.

 

Danke, danke, gute Kritik ist eigentlich das beste, was ein Autor bekommen kann. Mit "gut" meine ich nicht positiv sondern qualitativ. Denn wer meine Geschichten so genau kritisieren kann, hat sie ja gelesen und ist nicht nach dem ersten Satz zurückgeschreckt. Ich habe die Sache mit dem "es" schon von einem Freund gehört, wollte es aber auch nicht mit andauernder Namensnennung übertreiben. Die goldene Mitte habe ich wohl verfehlt. Na ja. Die anderen Sätze sind ja nur noch Kleinigkeiten, die ich noch genauer schreibe und dann hier mal korrigiere. Was du über meinen Alltag geschrieben hast, stimmt erstaunlich gut. Ich hatte heute Schule und ES IST SONNTAG!! Denn Abi + Bayern = Stress!
Liebe Grüße, Olafson

 

Hej olafson!

Mir hat die Geschichte recht gut gefallen, durchaus auch als Kindergeschichte! Ich würde sie also in diesem Forum stehenlassen, allerdings Wörter wie "altruistisch" etc. durch leicher verständliche ersetzen.

Lieben Gruß,

chaosqueen :queen:

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom