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Das Rückwenden ins Tierische

Zuh

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29.12.2010
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Das Rückwenden ins Tierische

EINS

1. Ein Schiff, Fischfänger, schmal und lang, nicht sehr groß. Es ist zu weiten Teilen hölzern und steht man auf ihm, geht es von ihm steil ins Meer.

2. Es ist mild und sonnig. Die See ist ruhig. Auf dem Schiff sind der Kapitän und die geschäftige Crew.

3. Plötzlich, wie ohne Grund, fällt ein Matrose vom Schiff und wird vom Meer verschluckt.

4. Der Kapitän sagt: "Wir können nicht nach ihm angeln. Es gehört zum Wesen, zur innren Gesetzmäßigkeit dieses Schiffs, dass wir mit jeder Angel notwendig immer einen Fisch fangen. Es kann also nicht nach dem Matrosen geangelt werden."

5. Ein Matrose sagt: "Aber wir könnten nach ihm mit der Rettungsangel jagen. Wir werfen sie nicht dort aus, wo wir nach den Fischen suchen, sondern am freien Heck. Da die Rettungsangel leuchtet, an ihr ist eine Leuchte angebracht, wird der Gefallene sie sehen und zu ihr schwimmen."

6. Der selbe Matrose sagt weiter: "Würden wir nach ihm bei den Fischen jagen, dann würden die Fische meinen er sei ein Köder. Der Abgerutschte müsste zwischen den vielen Fischen sein; diese würden ihn anknabbern und an ihm fressen. Auch ist das Wasser dort dunkel und wild. Der hinuntergesunkene Matrose würde von den düsteren Strömungen mitgenommen werden. Sieht er aber das Licht der Rettungsangel, kann er hin zu ihr schwimmen.

7. Der vom Schiff Abgekommene schwamm aber bei den vielen ersten Angeln und er sah die leuchtende Angel am Heck nicht und er wurde auch nicht angefressen und auch nicht wieder an Deck gezogen.

ZWEI

1. Meine Zähne sind im Mund und reiben aneinander.

2. Die Zähne sagen: "Wir sterben bald. Das Sterben aber ist hauptsächlich kein Leid. Ja, wir kennen es zwar. Aber das Elend des Tods ist nur die Kehrseite einer wahren, tiefen Ekstase über das Überwältigen. Der Schmerz ist reine Nebensache."

3. Weiter: "Das Untergehen des Sterbens ist wie ein Verbrennen im Licht des Feuers und Verschmelzen mit dem leuchtenden Brennstoff. Es ist wie eine Heimkehr. Der Tod ist das Haus, das wir heiter bewohnen."

4. Die Zähne erzählen mir mehr: "Wenn du wolltest, könntest du durch reines Wollen nun deinen entwickelten, komplexen, menschlichen Arm in eine Art primitiveren Arm verwandeln. Es würden sich die Finger zurückbilden, die Hand auch, und der Arm würde kürzer werden.

5. Die Zähne sagen: "Am Ende würde dein Arm so etwas wie eine Hummerschere sein."

 

Moin Zuh,

als erstes zur Form: Die Nummerierung vor jedem Absatz stört für mich gewaltig den Lesefluss. Ehrlich gesagt, erkenne ich den Sinn dahinter nicht - und wenn es einen gibt, so muss der schon wirklich überzeugend sein, denn so ließt es sich einfach schlecht.

geht es von ihm steil ins Meer.
Hier frage ich mich: Wie sonst? Bei jedem normalen Schiff gehen die Bordwände einigermaßen senkrecht nach unten.

Plötzlich, wie ohne Grund, fällt ein Matrose vom Schiff und wird vom Meer verschluckt.
Selbst, wenn ich annehme, dass soll die Zufälligkeit zeigen, mit der der Tod die Menschen trifft (oder etwas anderes), erscheint mir das doch arg willkürlich. Vielleicht läßt du ihn doch auf etwas ausrutschen etc.

Der vom Schiff Abgekommene schwamm aber bei den vielen ersten Angeln und er sah die leuchtende Angel am Heck nicht und er wurde auch nicht angefressen und auch nicht wieder an Deck gezogen.
Es gibt eigentlich nur eine erste Angel.

Da die Rettungsangel leuchtet, an ihr ist eine Leuchte angebracht, wird der Gefallene sie sehen und zu ihr schwimmen.
Das Unterstrichene ist überflüssig. Es wird ja vorher schon klar, dass die Angel leuchtet.

Dann scheint mir das ganze eine Parabel auf den Tod zu sein, die Wiederkehr des Animalischen beim Sterben, sprich Instinkte etc, und Verhaltensweisen, die, starr eingehalten, zum Tod von Menschen führen, die man retten könnte.
Problem für mich hier: Für eine Parabel ist mir das Ganze zu wenig kondensiert. Das könnte man stark kürzen, ohne, dass die Essenz verloren ginge. Eine andere Möglichkeit wäre, das ganze deutlich länger zu gestallten, also echte Charaktere und keine Statisten einführen, Dialog, Aufbau von Atmosphäre und so weiter.

Gruß,
Kew

 

Hallo Zuh,

mich stören die Nummerierungen und die Absätze so stark beim Lesen, dass ich ein entsprechendes Buch im Geschäft wieder ins Regal zurück stellen würde. Dein Text zeigt mir, dass man die Philosophie nicht unbedingt verstanden haben muss, obwohl man sich dafür interessiert. So ergeht es mir. Aber das Schöne an dieser Lehre ist das Nachdenken über das Gesagte oder Geschriebene.
Über Deinen Text muss ich wohl noch länger nachdenken. Sehr gewöhnungbedürftig und deshalb vielleicht außergewöhnlich.

Wünsche weiterhin viel Erfolg!

Gruß

 

Vielen Dank für das Lesen meines in der Tat etwas undurchsichtigen Texts!

Die Nummerierung sollte dem Zweck dienen das Lesetempo zu bremsen.

Eigentlich geht es in dem Text um zwei verschiedene Verständnisse davon was Moral ist.

Auf der einen Seite die etwas aus der Mode gekommene Idee, dass Moral in einer objektiv und universell gegebenen ultimativen ethischen Pflicht besteht. [Wird oft religiös verstanden, aber muss natürlich überhaupt nicht religiös verstanden werden.]

Auf der andren Seite, die heute eher populäre Idee, dass Moral eine Art Wirtschaftlichkeit ist. "Das Individuum verhält sich sozial und ethisch, weil es letztendlich davon profitiert." bzw. "Die Moral hat sich in der Evolution entwickelt, weil es der bioloigischen Spezies Vorteile beim Überleben verschafft."

…. Bevor ich den Text geschrieben habe, habe ich einen Artikel im Spiegel gelesen, in dem es um die Begründung der Moral ging und in dem es vorrusgesetzt worde, dass Moral letztendlich überhaupt nur so etwas wie Nützlichkeit/Wirtschaftlichkeit sein könnte. … Nach dem Lesen kamem mir die zwei Bilder [EINS und ZWEI] aus denen sich meine Geschichte zusammensetzt in den Sinn.

Ich persönlich halte es aus mehreren Ebenen für einigermaßen problematisch Ethik mit Utilitarismus gleichzusetzen. Das ist eigentlich das Thema des Texts; ohne jetzt auf die Bedeutung jedes Satzes und jedes verschwurbelten Symbols einzugehen.

Kew:
"Selbst, wenn ich annehme, dass soll die Zufälligkeit zeigen, mit der der Tod die Menschen trifft (oder etwas anderes), erscheint mir das doch arg willkürlich. Vielleicht läßt du ihn doch auf etwas ausrutschen etc."

Ich habe ja geschrieben es passiert "wie ohne Grund". Ich habe nicht geschrieben, dass es ohne Grund passiert. Aber der Grund ist völlig egal. Würde ich einen Grund nennen würde das nahe legen, dass der bestimmte Grund relevant wäre.

Kew:
"Es gibt eigentlich nur eine erste Angel."

Ich unterscheide nicht zwischen individuellen Angeln, sondern zwischen zwei Klassen von Angeln. Die erste Klasse von Angeln = Die Angeln, mit denen Fische gefangen werden. Diese Angeln machen das Schiff zum Fischfänger machen und geben dem Schiff damit seinen Sinn.

Die zweiten Angeln sind die Rettungsangeln. Sie sind zweitrangig, weil sie nur dann einen Zweck haben, wenn es bereits die ersten Angeln gibt. Der Zweck der Rettungsangeln ist es Matrosen zu retten. Das ist aber kein Selbstzweck. Es ist nur dann zweckmäßig Matrosen zu retten, wenn sie die Matrosen dann auch wieder dem eigentlich Sinn des Schiffs - nämlich Fischefangen - unterordnen.

Viele Grüße

 

Hallo Zuh

Die kürzeste Geschichte, die mir bekannt ist, gab ein – wenn ich mich recht erinnere - Franzose vor längerer Zeit mal im Selbstverlag heraus. Der Titel lautete Nichts, der Inhalt des Buches waren nur leere Seiten. Ein Käufer brachte ihn vor Gericht. :D

So ist es beim Rückwenden ins Tierische bei Weitem nicht. Du erzählst knappe Geschichten die Abstraktionen sind. Einen Unterhaltungswert möchte ich da nicht verneinen. Aber, das vorgeblich Surrealistische erscheint mir hier mehr als Deckmantel, um vertieften Geschichten auszuweichen.

Vom Inhalt her schiene es mir unter Experimente besser platziert, als unter Philosophie.

Es hat auch noch Tippfehler drin, etwa: Der hinuntergesunkene Matrose würden von den düsteren Strömungen mitgenommen werden.

Deine Erläuterungen zu den Kommentaren lassen mit den Worten „… in der Tat etwas undurchsichtigen Texts!“ und den Quellangaben anklingen, dass du den Lesern einen versteckten moralischen Fingerzeig geben willst. Direkt überzeugend erscheint mir dies mit diesen Geschichten – wenn so etwas überhaupt erforderlich wäre - nicht, auch wenn das Experimentelle daran mir gefällt.

Gruss

Anakreon

 

Hallo Zuh,

wenn der Philosoph seine Denkanstöße einer breiten Masse deutlich machen will, so sollte er seine Texte für jedermann verständlich schreiben, s. Richard David Precht. Schon Nietzsche und Hegel wurden größtenteils nicht verstanden, weil sie zu "vergeistigt" argumentiert haben. Ich denke, Du befindest Dich auf dem besten Wege, ein Nietzsche oder Hegel zu werden, und damit bist Du nahe an der Depression.
Wenn Du in deinen Texten eine Aussage rüberbringen willst, dann schreibe für jeden verständlich! In dieser Form bleibt Philosophie für viele unattraktiv.

 

hr24:
"Wenn Du in deinen Texten eine Aussage rüberbringen willst, dann schreibe für jeden verständlich! In dieser Form bleibt Philosophie für viele unattraktiv."

Anakreon:
"Deine Erläuterungen zu den Kommentaren lassen mit den Worten „… in der Tat etwas undurchsichtigen Texts!“ und den Quellangaben anklingen, dass du den Lesern einen versteckten moralischen Fingerzeig geben willst. Direkt überzeugend erscheint mir dies mit diesen Geschichten – wenn so etwas überhaupt erforderlich wäre - nicht, auch wenn das Experimentelle daran mir gefällt."

Der Grund warum ich den Text geschrieben habe war ganz einfach der, dass mir diese 2 "Bilder" in den Kopf kamen und sich für mich in dem Moment richtig anfühlten. Ich habe sie dann aufgeschrieben und wollte mal sehen was andere dazu sagen.

Ich habe den Text nicht mit der Intention geschrieben die Gedanken mit denen ich mich beschäftige für möglichst viele Leute verständlich zu machen. Ich hab den Text in die Kategorie Philosophie gesetzt, weil es letztendlich um philosophische Gedanken geht. In dem Text, das gebe ich zu, behandle ich sie in gewisser Hinsicht aber nicht philosophisch, weil ich dann ein klares Problem formulieren und (mehr oder weniger) systematisch ausarbeiten müsste. Von daher hast Du, Anakreon recht, dass "Experimente" eigentlich die passendere Kategorie gewesen wäre.

Ich stimme prinzipiell zu, dass philosophische Gedanken klar formuliert sein sollten (deshalb habe ich auch nur vor ein par Jahren circa fünf Seiten Hegel gelesen und mich dann nie wieder mit ihm beschäftigt). Andrerseits sehe ich persönlich Literatur und Film als Formen, die für mich eher emotional funktionieren und deshalb finde ich es dort okay, wenn Geschichten verstandesmäßig schwer durchschaubar sind. Und mein Geschichtchen fühlte sich wie gesagt für mich richtig an [wenn ich es jetzt auch nicht für großartig halte] und ich wollte mal hören was andre dazu sagen.

hr24:
"Schon Nietzsche und Hegel wurden größtenteils nicht verstanden, weil sie zu "vergeistigt" argumentiert haben. Ich denke, Du befindest Dich auf dem besten Wege, ein Nietzsche oder Hegel zu werden, und damit bist Du nahe an der Depression."

Warum ich nah an der Depression bin habe ich allerdings noch nicht genau verstanden. Du meinst Hegel und Nietzsche haben so undurchsichtig geschrieben, dass sie sich letztendlich nicht mitgeteilt haben, sondern sich durch ihre Unverständlichkeit isoliert haben und durch die Isolation in die Depression getrieben haben? .. [ ??*]

 

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