Das Quiz
Der fragende Blick des Moderations-Meisters aller Klassen und Großinquisitors ruht auf mir. Ich grinse zufrieden und nicke. Das gedimmte Licht verbirgt den Kameras, wie er resigniert den Blick senkt und unmerklich den Kopf schüttelt.
Es folgt der übliche, klägliche Versuch, mich zu verunsichern. Doch Wissen ist Macht, und er scheitert. Sein ganzes Konzept war schon nach acht Fragen über den Haufen geworfen. Vermutlich hat er wirklich noch nie einen Kandidaten vor sich gehabt, der die läppischen Fragen beantwortet, ohne die vier Antwortmöglichkeiten eines Blickes zu würdigen.
Er spült seinen offensichtlichen Ärger mit Wasser hinunter. Soeben wurde ihm das dritte Glas serviert. Es musste extra eine Werbepause eingelegt werden, obwohl die letzte erst vor zwölfeinhalb Minuten war. Mittlerweile sollte seine Blase bald bersten. Oder er sich zumindest in die Hose pissen, was nicht weniger amüsant wäre.
In dem Moment, als die von mir gegebene Antwort auf dem Display grün aufleuchtet, gibt er seinen Widerstand gegen meine Überlegenheit auf.
„Woher nehmen sie nur all diese Antworten?“, will er wissen.
„Gute Frage. Haben sie sich schon einmal gefragt, wie Sie auf all diese Fragen kommen?“
Jetzt ist er erst recht verblüfft. Vielleicht wäre ihm zu einem anderen Zeitpunkt eine passende, vielleicht humorvolle Erwiderung eingefallen. Jedoch nicht heute. Also fahre ich fort:
„Sie müssen sicher eingestehen, dass es auf jede Frage eine Antwort gibt. Jedenfalls auf diejenigen Fragen, die sie hier präsentieren. Oder in ihren anderen Sendungen. In Interviews. Im Gespräch mit Politikern, Wissenschaftlern oder bemitleidenswerten Skispringern, denen als Lohn für ihre Erfolge die Privatsphäre genommen wird.“
Hier halte ich inne. Er scheint immer noch nichts entgegnen zu wollen. Oder er kann es nicht.
„Nun, sie verfügen anscheinend über das Talent, ein unerschöpfliches Repertoire an Fragen zu besitzen. Und ich kenne Antworten. Finden sie das erstaunlich? Ich nicht.“
Vielleicht sollte jemand aus der Regie ihn bitten, die Kinnlade wieder hochzuklappen. Als wenn damit nicht alles erklärt worden sei.
Langsam und immer noch konfusioniert, findet er in den Dialog zurück. Ob ich bereit sei für die Eine-Millionen-Euro-Frage. Eine Frage, die mich auf eine Frage vorbereiten soll.
„Nein.“, entgegne ich.
Ha, damit hat er wieder nicht gerechnet.
„Nein, ich nehme das Geld und breche ab.“
„Aber...“
„Kein aber. Versuchen sie mich nicht zum Weiterspielen zu überreden. Ich höre auf.“
Vielleicht wollte er mich noch auf die zwei Joker hinweisen, die mir zur Verfügung standen (mit dem Telefonjoker habe ich mir eine große Pizza mit Salami und Pepperoni ins Studio liefern lassen), oder auf die Souveränität, mit der ich bis zu diesem Punkt des Spiels gelangt war. Stattdessen stehe ich auf, um ihm die Hand zu schütteln, wie es bis dato usus in dieser Show war. Unfreundlicherweise bleibt er dabei sitzen, was er bisher noch nie zuvor getan hat. Auch sein Kameralächeln hat er verloren. Er schaut mich fragend an. Ich grinse und verlasse das Studio.
[Beitrag editiert von: BigXtra am 06.02.2002 um 21:56]