Das Problem mit dem fehlenden Abstand zum eigenen Werk
Hallo “Schreibozoten“!
Hier mal was, womit ich mich gerade rumquäle. Erst mal aber etwas zur Einleitung:
Ich hab kürzlich einen trivialen Roman fertig gestellt (trivial, weil ich Freude an so was hab, nicht weil ich tiefstapeln will) und wollte anschließend dazu übergehen, das Manuskript ein paar Freunden zu zeigen. Also las ich noch einmal abschließend alles schön aufmerksam durch, besserte hie und da was aus (meine Fresse, ganz schön viel!!!) und bin dann stolz wie Goethe in den Copyshop, um zwei Exemplare mittels Spiralbindung herzustellen, damit die Probanten was schönes in der Hand haben. Am nächsten Morgen, die gebundenen Manuskripte (je 12 Euro fürs Kopieren und Binden) lagen neben dem Bett, konnte ich nicht anders, ich musste einfach noch mal ein wenig drin schmökern, weil macht ja schon was her, irgendwie. Tja, das hat mir dann den Tag versaut, da ich kaum eine Seite fand, auf der nicht irgendwelche Pferdeärsche – “Füße“ wäre untertrieben – vorkamen. Ich also sofort wieder an den PC, Datei an der Gurgel auf den Monitor gezerrt und in einem mehrstündigen Marathon abermals alles (116 Seiten) in einem Rutsch bis zum Abend durchgeackert. Gleichzeitig habe ich jede Seite selbstverständlich wieder neu ausgedruckt, weil die Regenwaldplage bedroht uns alle…! Tags darauf freue ich mich schon, abermals zum Kopierladen zu dackeln, um mir endlich ein brauchbares Probanten-Manuskript zu zimmern, doch kaum werfe ich – bereits gehfertig im Jäckchen und in einen zwölf Meter langen Literatenschal gewickelt - auch nur einen Blick irgendwo in diesen Zettelhaufen, könnte ich es schon wieder an die Wand nageln, verkehrt herum!!! :jesus: Kaum eine Seite, auf der mich nicht mindestens eine Satzkonstruktion um den Gnadenschuss anwinselt! Jetzt hocke ich hier, wollte eigentlich morgen einer Bekannten das Manuskript geben, aber Pustekuchen! So einen Murks kann man niemandem zeigen, und das wo ich ihn eigentlich schon drei mal überarbeitet hab…!
So, nun zum Thema. Geht es Euch, die Ihr da schreibt, ebenfalls so? Ich habe das Gefühl, dass ich, solange ich vor dem Monitor pappe, irgendwie nicht zurechnungsfähig sein kann, denn da korrigiere ich und verändere ich mit großer Selbstsicherheit Sachen, die – einmal darüber geschlafen – zu einem gewissen Teil kaum besser sind, als es der ursprüngliche Text war. Ich wundere mich dann immer über so manches, das mir weder beim Schreiben oder beim Überarbeiten, blöde vorkommt. Bloß dann, wenn ich “nur mal so reingucke“, haut’s mich dann fast aus den Schlappen.
Jetzt bin ich verunsichert. Hört das unter Umständen nie auf??? Vielleicht drehe ich mich dabei ja endlos im Kreis, wie in einem Alptraum aus dem es kein Erwachen mehr gibt! Kann mir gar nicht vorstellen, dass das Prozedere jemals enden wird…
Möglicherweise hat das aber etwas mit dem fehlenden Abstand zum Werk zu tun, den man als “amateurender“ Autor kaum herzustellen vermag. Vielleicht ist es ja kein Wunder, dass man die Zeilen irgendwann nicht mehr sehen kann, wenn man sie wegen “Feilarbeiten“ schon tausend Mal lesen musste.
Ich komme mir momentan echt vor wie ein Maler, der sein Bild beurteilen will, aber mit dem Gesicht an der Leinwand steht, bzw. wie zwei Personen. Eine schreibt, die andere heißt Ranicki!