Das Podest - „…. aber ich stelle sie nicht auf ein Podest.“
Das leuchtende Abendrot war längst dahin, die Dunkelheit hatte es bereits in sich verschlungen, als ihr dennoch das Leuchten in seinen Augen auffiel, in denen sie sich so gerne so oft verloren hatte und sie wünschte sich so sehr, dass er sehen hätte sehen können, dass es auch in ihr noch hell war, auch wenn sie das selbst dafür bereits blind war.
Und so fragte er sie: „Was ist es, das du wirklich willst?“
Sie wusste, dass er diese Frage bereits eine kurze Ewigkeit in sich trug, und sie nie in der Lage war diese auch nur im Ansatz beantworten zu können, weil sie es selbst schlicht nicht gewusst hatte.
Und obwohl sie es nur selten wagte zu sagen was sie wirklich dachte, weil sie die Erfahrung gelehrt hatte mit dem Äußern ihrer Gedanken ihre Situation meist zu verschlimmern, sah sie, dass es das Einzige war, das sie nun noch retten könnte und so versuchte sie zu formen, was lose in ihr umherschwirrte:
„Ankommen - Ich will ankommen. Ankommen im Leben, im Herzen eines anderen und auch, dass dieser andere in meinem Herzen ankommt.
Ich will die Eine sein und das Gefühl zurückgeben können. Einst wusste ich genau wie das funktionieren wird. Doch heute habe ich den Eindruck, dass ich die Person, die ich hätte werden sollen, längst aus den Augen verloren habe. Und ich bin nicht sicher, ob ich diese Person je wiederfinden werde. Es ist, als hätten alle vergangenen Entscheidungen, von welchen ich dachte, sie seien der Weg zu dieser Person, eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Und so sehr ich mich bemühte meinen Platz in meinem eigenen Leben zu finden, desto mehr ist da entstanden, was es zu bedauern gibt.
Deshalb will ich Liebe - nicht von irgendjemanden, sondern von dir.
Ich will die Besondere sein. Die, von der man den Blick nicht abwenden kann, weil sie einen einfach umhaut wie der Anblick der tanzenden Nordlichter am Polarhimmel oder die unendliche Weite des tiefblauen Ozeans.
Ich will auch die Hilflose sein. Nicht, weil ich mich so gerne im Abgrund verliere, sondern weil ich gerettet werden will. Und vor allem gerade dann, wenn ich nicht einmal weiß, dass ich gerettet werden will oder die helfende Hand bereits von mir gestoßen habe. Manch einer mag denken, dass sei verrückt und so widersprüchlich zugleich. Doch man muss geduldig sein mit jenen, die nicht in der Lage sind zu sehen, wie sehr die Tiefe sie bereits ergriffen hat. Denn jeder weiß, in der Tiefe ist es dunkel, und manchmal benötigt es das Licht von außen um den Weg nach oben, der umhüllt ist von der Finsternis, wiederzufinden. Manch ein Gefallener mag zunächst noch geblendet sein vom Licht der Hilfe und kann sie daher nicht erkennen, doch weiß er in sich, dass er sich nach eben dieser Rettung sehnt.
Ich will außerdem die sein, die du auf ein Podest stellst. Wie sollst du mich denn sonst unter den ganzen anderen finden und wiederfinden können? Gerade wenn wir uns einmal mehr voneinander entfernt haben. Damit ist nicht gemeint, dass der eine hinaufschauen muss und der andere auf den anderen herabsieht, sondern das Wissen für eine Person jemand das besondere Glitzern im Leben zu sein, welches den Rest zum Funkeln bringt. Für den man alles gibt, für ihn da ist, selbst dann, wenn der andere nicht einmal weiß, dass er jemanden braucht. Denn ist es nicht eines der wundervollsten Gefühle, für den anderen das zu sein, was man auf die Frage „was willst du?“ antworten würde.
Ich will, dass du auf meinem Podest stehst.“
In eben dieser Sekunde, in der all das ihre Lippen verließ, sahen sie sich. Nicht auf diese gewöhnliche Weise wie man sich eben so ansieht, sondern auf diese besondere Weise, wie sie nur zwischen zwei sich gleichenden Seelen stattfinden konnte.