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Das Ouija-Brettchen
‘’Hey Johnny, sieh mal was ich gefunden habe.’’ Melinda kam die Treppen runter und setzte sich zu mir an den Tisch. Sie stellte ein Ouija-Brettchen auf den Tisch, das sie auf dem Dachboden ausgekramt hatte.
‘’Was soll das denn?’’ fragte ich, ‘’du glaubst doch nicht wirklich an diesen Hokuspokus, oder? Da bewegt einer das Brettchen mit den Fingern und alle glauben es wäre ein Geist.’’
‘’Blödsinn. Da antworten wirklich Seelen verstorbener Menschen und die bewegen auch das Brett.’’ antwortete Melinda.
‘’Ja ja, wenn du meinst. Aber du erwartest hoffentlich nicht, dass ich da mit mache?’’
‘’Ach, komm schon. Ich will es ja nur mal ausprobieren. Draußen ist es auch schon dunkel, perfekt für so ein Spiel.’’ Sie schaute mich an wie Roger, mein Golden Retriever, wenn er ein Leckerchen wollte.
‘’Na schön, von mir aus,’’ willigte ich ein. Ich verfluchte mich dafür, dass ich mitmachte. ‘’Du wirst sehen, es passiert ja doch nichts.’’
Sie ging nicht weiter darauf ein, sondern machte ein paar Kerzen an und löschte die große Lampe über unseren Köpfen. Augenblicklich wurde es düster im Zimmer und so ein bisschen Unbehagen überkam mich. ‘Na hoffentlich sind wir bald fertig,’ dachte ich, während Melinda das Brettchen auf die Unterlage mit den Buchstaben stellte. Roger interessierte das ganze Spektakel nicht. Er lag auf seinem Kissen und schlief.
‘’Los, Finger her.’’ sagte sie. Also legte ich meine Fingerspitzen ihren gegenüber auf das Brettchen.
‘’ Hallo? Ist da jemand,’’ begann sie mit leiser Stimme. ‘’Kann mich jemand hören? Wenn da jemand ist, bitte antworten sie.’’ Nichts.
Sie gab nicht auf. Jetzt wurde sie langsam lauter. Halloooo, ist da wer? So antworten sie doch.’’ Eine Viertelstunde probierte sie alle möglichen Anreden und Fragen aus, aber nichts passiert. Innerlich grinste ich vor mich hin, weil ich mich bestätigt fühlte. Ich hatte also doch recht, dass das nur Humbug ist. Ich wollte gerade die Finger vom Brettchen nehmen, als es passierte!
Es bewegte sich, zuerst nur ein kleines Stück vor, dann zurück. Wollte sie mir einen Streich spielen? Ich sah in ihr Gesicht. Nein, jemand, der einen Streich spielt, hat nicht so einen Blick von Entsetzen, Neugier und Spannung im Gesicht. Sollte uns tatsächlich ein Geist, ein Wesen aus dem Jenseits geantwortet haben? Nun wollte ich mehr, die Neugierde packte mich.
‘’Los, frag weiter, Melinda,’’ wisperte ich, ohne die Blicke vom Brettchen zu nehmen.
‘’Hallo, Du. Schön, dass du geantwortet hast. Wie heißt du?’’ Ihre Stirn war schweißnass vor Anspannung.
Das Brettchen fing wieder an sich zu bewegen. Es rutschte zuerst auf den Buchstaben E, dann auf das H, als nächstes zum T, danach auf das A und zum Schluss zum N.
E-T-H-A-N. Ethan hieß er also.
‘’Okay, Ethan. Wir, Melinda und Johnny, möchten dir ein paar Fragen stellen. Ist das in Ordnung?’’
Der Zeiger des Bretts rutsche zum Ja.
Nun fing Melinda an, eine Reihe Fragen zu stellen, zum Beispiel, wie es ihm ging, wie lange er schon im Jenseits war oder ob er dort Freunde hatte. Ethan beantwortete alle Fragen mit Ja oder Nein oder mit kurzen Worten. So erfuhren wir zum Beispiel, dass er in einem Altenheim als Pfleger gearbeitet hat. Vielleicht in so einem wie unser städtisches Altenheim ’St.Mary’. Hm, als ich an das Altenheim dachte, kam mir der Name Ethan irgendwie bekannt vor. Möglicherweise einer der Pfleger von denen Opa früher erzählt hat.
Moment!
Nun wollte ich eine Frage stellen, mir kam gerade etwas in den Sinn.
‘’Hallo, Ethan. Hier spricht jetzt Johnny. Ich möchte dir eine Frage stellen. Wie lautete dein Nachname in deinem früheren Leben?’’
Plötzlich veränderte sich die Stimmung im Zimmer. Mir kam es vor, als ob es düsterer geworden war. Meine Finger wurden nun immer wärmer. Es fing in den Fingerspitzen an und kroch bis zu den Ellenbogen hoch. Die Kerzen fingen an zu flackern. Der Tisch wurde auf einmal unruhig.
Das Brettchen rutschte über die gesamte Unterlage, hin und her. Als erstes hielt es bei B, dann rutschte es weiter, A, und weiter, N, E. Bane. Er hieß Bane mit Nachname?
Oh mein Gott! Bane! Ethan Bane! Jetzt fiel es mir wieder ein. Dieser Mann hatte wirklich einmal in unserem Altenheim gearbeitet. Er wurde aber letzen Sommer zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil es dort eine Reihe von Morden gegeben hat. Über zehn Menschen die dort gelebt haben, waren an Überdosen Medikamenten gestorben. Wie sich herausgestellt hat, war es Ethan Bane gewesen. Und mit dessen Seele kommunizierten wir gerade.
Mir wurde ganz schlecht. Sollte ich Melinda informieren, Sollte ich einfach meine Hände vom Brettchen nehmen und das Ganze beenden?
Doch zu spät!
Das Zittern des Tisches wurde heftiger, wie bei einem kleinen Erdbeben. Meine Hände wurden jetzt heiß, ich wollte sie vom Brettchen nehmen, aber irgendetwas hielt sie daran fest. Ich riss den Mund auf, um vor Schmerz zu schreien, doch ich brachte keinen Ton heraus. Das Brettchen klebte an meinen und Melindas Finger fest. Ihr erging es genauso wie mir, wie ich an ihrem schmerzverzerrten Gesicht sehen konnte. Plötzlich verloschen die Kerzen, der Tisch stand still, das Brettchen gab meine Finger frei und ich zog sie erschrocken zurück. Ein Krachen, ein Poltern ein Stöhnen und die Lampe über mir erhellte den Raum.
Melinda hatte viel schneller reagiert als ich. Sie war aufgesprungen, dabei fiel der Stuhl um. Beim Aufschlagen brach ein Bein ab, währenddessen Melinda war zum Lichtschalter gestolpert um ihn zu betätigen.
Wir waren beide total fertig. Wir atmeten noch schwer, aber im Hellen wirkte die Situation nicht mehr so beängstigend. War das gerade wirklich passiert? Mir kam es wie ein Traum vor, obwohl die Kerzen und der weggerückte Tisch etwas anderes sagten.
Melinda war die erste die die Sprache wiederfand.
‘’Johnny, ich finde wir sollten die Sache erstmal für uns behalten.’’
‘’Ja, finde ich auch.’’
‘’Man ich bin total müde,’’ sagte sie, ’’ich geh jetzt heim in mein Bett.’’
Ich brachte sie noch bis zur Tür.
‘’Mach’s gut Melinda. Ich werde mir jetzt erst noch was zum Essen machen, ich hab tierischen Kohldampf. Gute Nacht.’’
‘’Gute Nacht, Johnny,’’ Erwiderte sie, drehte sich um und ging. Auch ich ging ins Haus. Schlagartig fiel mir Roger ein, mein Hund. Hatte er denn nichts mitbekommen?
Er saß neben der Treppen nach oben, wo es zu meinem Zimmer ging und schaute mich. Ich lächelte und kraulte ihn hinter den Ohren.
‘’Da bist du ja, Roger, hast wohl gar nichts mitbekommen, du alte Schlafmütze.’’
‘’Hallo, Johnny.’’
Ich sprang entsetzt zurück und starrte Roger an. Er hatte gerade gesprochen. Das durfte doch nicht war sein!
‘’Hallo, Johnny, ich bin es, Ethan. Erinnerst du dich?’’
Der Ausdruck in Rogers Augen war jetzt ein anderer. Der Hund wirkte total fremd. Das war nicht mehr Roger, das war jemand anderes. Es war Bane! Ich hatte es mir also doch nicht eingebildet, dass noch jemand im Raum war. Es war Ethan Bane’s Geist, der Geist eines Serienmörders und der war in meinen Hund gefahren. Ich sah wie sich Roger/Ethan in Bewegung setzte und auf mich zu lief. Nun übernahm die Panik die Kontrolle über mich. Ich legte einen Blitzstart hin und hechtete an Roger/Ethan vorbei. Ich rannte die Treppen hoch, ohne zurückzuschauen. Ich lief so schnell ich konnte in mein Zimmer und bevor ich die Tür schloss, hörte ich ihn noch von unten rufen: ‘’Wo willst du hin Johnny? Bleib doch bei mir und lass uns spielen.’’ Sein Lachen war grausam und kalt. Aber er folgte mir nicht. Ich riegelte die Tür ab, stellte noch einen Stuhl davor, Ich verkroch mich in mein Bett und zog die Bettdecke bis über den Kopf. An Schlaf war eigentlich nicht zu denken, doch mit einem Mal fielen mir die Augen zu und ich schlief tief und fest.
Draußen war es bereits hell und ein Blick auf den Wecker sagte mir, dass es kurz vor zwölf Uhr mittags war. Ich schlug die Decke zurück, rieb mir den Schlaf aus den Augen und dachte an gestern Abend. Wahrscheinlich war es ein Alptraum, ja so muss es gewesen sein. Als ob Roger plötzlich reden konnte, weil er von dem Geist eines Serienkillers besessen war. So ein Quatsch. Ich nahm neben mir ein Bewegung war. Ich drehte meinen Kopf und erblickte Roger, der mich schwanzwedelnd ansah. Ich streichelte ihm über die Stirn und sagte:’’ Roger, du wirst mir niemals glauben, was ich heute Nacht geträumt habe.’’
‘’Das war kein Traum, Johnny.’’