Das Nichts
"Gott ist tot!" erklärt der Professor, oder auch nicht. Ich nicke. Nein, wir nicken. Keiner weiß um den Sinn seiner Worte. Hat er gesagt Gott sei tot, oder sprach er über Photosynthese? Wir nicken. Wir hängen an seinen Lippen, mit leerem Blick und totem Geist, hören die Worte und lassen sie weiterziehen, ohne sie gekannt zu haben. Ich weiß nicht, ob ich die Worte mal kannte, oder ob sie schon immer waren wie namenlose Fremde, die stumm an uns vorüberziehen. Graue Gestalten, von denen man sich ängstlich abwendet.
Er redet weiter. Redet er, oder schweigt er? Ich versuche ihn zu hören, es ist totenstill, doch er spricht. Spricht ohne was zu sagen. Die Stille ist gewaltig. Sie breitet sich aus wie das dunkle Nichts, das langsam aber unaufhaltsam um sich greift.
Es ist zu Ende. Alles sieht anders aus als sonst. Eine andere Perspektive, ein anderer Platz. Ich werde die anderen führen. Ich früchte mich - glaube ich. Ich weiß nicht, ob ich noch fühlen kann. Muss ich fühlen können, um mich zu fürchten? Ich führe uns hinaus. Ich gehe einen anderen Weg. Sie folgen mir. Sie folgen immer dem der vorangeht. Der der vorangeht ist krank. Ich setzte mich auf seinen Platz. Ist er krank, oder tot? Ich gehe die Treppe hoch. Es ist das erste mal, dass ich die Treppe hoch gehe. Mein Herz beginnt zu klopfen. Adrenalin. Ein anderer Weg. Sie folgen mir, ich weiß nicht, ob sie sehen, dass es ein anderer Weg ist. Sie sehen den anderen, der vor ihnen geht und sind zufrieden.
Musik wäre schön, doch sie würde verrinnen wie fade Suppe. Alles ist grau. War es schon immer grau? Wahrscheinlich schon. Gibt es noch andere Farben? Ich erinnere mich nicht mehr. Ich gehe immer weiter die Treppe hoch, bis es nicht mehr geht. Wir sind auf dem Dach, der Wind weht, doch ich spüre nichts. Ich sehe es nur daran, dass sich die Bäume bewegen. Die Tiefe liegt vor uns und sie sieht aus wie das große dunkle Nichts, dass kommt um uns zu holen. Aber nein, es will uns nicht holen. Wir sind das Nichts. Es gehört zu uns. Der nächste Schritt ist einfach. Der Fall auch. Ich höre das Singen der Vögel, spüre den Wind auf meiner Haut und das Land erstreckt sich unter mir in sattem Grün. "Wie schön es ist!" denke ich voller Erstaunen und in einem letzten Aufbäumen gegen das Nichts, bevor ich für immer in ihm versinke.