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Das neue Auto

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03.12.2003
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Das neue Auto

Mann, war ich neidisch, als mir Paul von seinem Plan, ein neues Auto zu kaufen, erzählte. Finanziell kann er es sich ja mittlerweile leisten. Er arbeitet nun schon seit drei Jahren bei einer Computerfirma. Simulationsdienstleistungen für die Automobilindustrie. Da hat er sich inzwischen zum Projektleiter gemausert. Aber als wir zusammen studiert haben, hatte er noch eine andere Meinung an den Tag gelegt.

Damals wollten wir noch die Welt verbessern, wenigstens soweit es in unserer Macht steht. Als
Maschinenbauingenieur hat man da viele Möglichkeiten: Wind- und Wasserkraftanlagen bauen, solarbetriebene Entsalzungsanlagen für die Sahel-Zone. Müllsortieranlagen mit 100% Recycling und 0,0 Prozent Dioxin. Oder geile Mountainbikes bauen, und das Hobby zum Beruf machen.

Aber als er sich nach dem Studium nach einem Job umgeschaut hat, gabs in diesen Branchen keine Angebote.
Ok, er hatte sich mittlerweile auch in einer anderen Spielart des Ingenieurtums spezialisiert: der technischen Simulation. Was passiert zum Beispiel, wenn in einem Flugzeug in 10000 Meter Höhe die Ladeluke des Gepäckabteils aufgeht? Der Druck entweicht, der Luftdruck in der Kabine droht jetzt, den Boden zum Gepäckabteil zu verbeulen. Wird der Boden halten? Muss die Luft in der Kabine abgelassen werden, die Sauerstoffmasken fallen runter, Panik bricht aus? Durchaus spannende Fragen, und es macht ne Menge Spass, so ein Flugzeug mal mit zig bar aufzupumpen bis es platzt ...

Dummerweise waren die wichtigen Mountainbikehersteller alle schon mit guten Simulateuren ausgestattet, und die Solar-Brotbäckerei in Burkina Faso benötigt keine Crashsimulation. Da gabs aber noch eine offene Stelle bei einem Simulationsdienstleister: interessante Aufgabe, gute Bezahlung, coole Leute und der Chef war super locker, so what? Einziges Manko: der arbeitet hauptsächlich für die Autoindustrie, und einige Rüstungsfirmen gehören auch zu den Kunden. Tschüss Ideale, willkommen im Leben!

Jetzt, nach drei Jahren, hat er schon kräftig Fuss gefasst. Das Gehalt hat sich seit dem Einstieg nahezu verdoppelt, die freie Zeit aber fast halbiert. Das Leben ist zu kurz, um die Zeit zur Arbeit noch im alten, lauten, schon sehr mitgenommenen Fiesta zu verbringen. Der schaffts ohnehin nur noch mit Nachhilfe über den nächsten TÜV. Zeit für einen Wechsel. Und wenn wir sowieso für die Ingolstädter arbeiten, warum nicht einen neuen A4? Ist schon eine schmucke Karre. Gut, der Umzug in die grössere Wohnung hat uns grade eine Stange Geld gekostet, aber der Wagen muss ja nicht bar bezahlt werden, es kommt ja jeden Monat kräftig was rein.

Und dann war sie da, die Limo. Makellos schwarz, und es geht doch nichts über den Duft eines Neuwagens. Macht schon was her, wenn er frisch geputzt in der Auffahrt steht.

Doch neulich abend passiert dann das Unglaubliche. Paul, spät von der Arbeit zurück, stellt den Audi wie immer in die Auffahrt und schmeisst sich noch mit einem Bier vor den Fernseher, ein bisschen abspannen. Die Freundin arbeitet in der Kneipe, sie hat jetzt den Fiesta und Paul muss sie nicht mehr spät abends abholen. "Waaas, schon ein Uhr? Da bin ich doch glatt eingepennt. Hallo Schatz." "Hallo mein Süsser. Du, warum hast Du denn den Audi auf dem Kinderspielplatz geparkt?" "Kinderspielplatz? Der steht doch in der Auffahrt?!" "Glaubst mir nicht? Schau doch selber." Paul geht ungläubig vor die Tür und tatsächlich: Der Audi steht nicht in der Auffahrt. 10 Meter weiter die Strasse runter entdeckt er den Wagen: Er hat den Holzzaun vom Kinderspielplatz umgedrückt und steht direkt neben den zwei Schaukelpferdchen mit Springfederfuss. "Scheisse, ich muss die Handbremse nicht ordentlich angezogen haben!" Er fährt den Wagen wieder hoch und schaut sich die Bescherung an: Ausser einem winzigen Kratzer an der Beifahrertür, der nur bei äußerst genauem Hinsehen zu erkennen ist, ist nichts zu sehen. "Puh, nochmal Schwein gehabt!" denkt er sich. "Der Zaun ist allerdings hinüber." Drei Pfosten des Zauns sind umgedrückt, und die leichten Holzlängslatten dazwischen sind gebrochen.

Nach Absprache mit dem Bürgermeisteramt kann er jetzt den Schaden selbst reparieren. Der Zaun sah sowieso etwas schäbig aus, mit den neuen Holzlatten kommt das jetzt viel schöner rüber. Nun hat er die Welt doch noch ein kleines bisschen verbessert.

 
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Hallo kaeppten!

Zu allererst ein kleines Kompliment. Für deine erste Geschichte hier war dies auf jeden Fall ein Erfolg. Locker-flockig geschrieben, aber trotzdem nicht platt, Handlung über weite Strecken problemlos rübergebracht...

Da wären wir aber auch schon bei meiner negativen Kritik: Die Moral der Geschichte, dass man auch als Idealist allzu leicht in Gefahr gerät, seine Ideale gegen Geld einzutauschen, kam etwas zwanghaft rüber. Das verdeutlicht alleine der letzte Satz. Überlege dir doch ein Ende in dem du dem Leser nicht haargenau aufs Wort den Sinn deiner Geschichte erklären musst...

 

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