Was ist neu

Das Monster und das Kind

Seniors
Beitritt
12.02.2004
Beiträge
1.254
Zuletzt bearbeitet:

Das Monster und das Kind

Der kleine Pudel namens Purzel verzog sich winselnd, wenn er im Zimmer des Kindes war und unter dem Bett wieder das merkwürdige Scharren hörte.

Die Erwachsenen leuchteten mit einer Taschenlampe unter das Bett.

„Siehst du? Da ist nichts.“

„Aber Purzel hat angeschlagen.“

Wie zur Bestätigung bellte der Hund und wedelte mit dem Schwanz.

Wenn die Nacht hereinbrach, hielt etwas Unheimliches Einzug im Kinderzimmer. Das Kind verkroch sich unter die Decke, bis nur noch die Nase hervorlugte. Ein sanftes Nachtlicht in Form eines schlummernden Kätzchens leuchtete in der Steckdose neben der Tür.

Purzel lag bäuchlings auf dem Bettvorleger. Wenn die Geräusche kamen, zuckte er und blickte aus den Augenwinkeln unter das Bett, wo sich ein unbekannter Schrecken zusammenbraute.

* * *​

Um Mitternacht erwachte das Kind durch seltsame Vibrationen. Es war, als würde das ganze Zimmer wanken. Ein Dröhnen näherte sich von sehr weit unten. Purzel drückte sich ängstlich in eine Zimmerecke.

Das Fußende des Bettes hob sich. Das Kind rutschte in Richtung Kopfende, bevor das Bett mit einem dumpfen Schlag in seine ursprüngliche Position zurückfiel, wobei die Matratze sich etwas verschob.

Da war etwas: Das Kind sah im spärlichen Licht ein Wesen, das in seiner Grauenhaftigkeit alles übertraf, was es in seinem kurzen Leben zu Gesicht bekommen hatte.

Die riesige Kreatur schien nur aus Zähnen, Klauen und leuchtenden Augen zu bestehen. Ein grobes Fell bedeckte den Körper, der sich bis zur Decke aufrichtete. Ein gewaltiger Schwanz hielt alles im Gleichgewicht. Es stank nach Moder und verbranntem Horn.

Der Mund voller Fangzähne öffnete sich. Das Ungeheuer begann mit einem Grummeln und Murmeln zu einer langen Rede anzusetzen, die es mit Gesten seiner Klauenhände unterstrich.

Das Kind verstand kein einziges Wort von der weitschweifigen Erklärung, ahnte aber, dass das Monster ihm Vorwürfe machte und der Meinung war, von dem Kind ungerecht behandelt worden zu sein. Auch die Angst des zitternden Pudels war, so schien es, eine Zumutung.

Am Ende der Rede starrte das Monster mit verbissenem Maul auf das Kind, hob dann das Bett an und verkroch sich wieder in die unbekannte Tiefe. Wie eine sich schließende Falltür rumpelte das Bett auf die metallenen Füße. Der zitternde Hund kroch zu dem Kind unter die Decke.

*​

Das Kind jedoch verlor seine Angst, weil das Monster seinen Standpunkt so ausführlich dargelegt hatte.

 

Hallo @Berg,

ich bin sehr angetan von deiner kleinen Geschichte. Du schaffst mit wenigen Sätzen eine bedrohliche Atmosphäre, der Unglaube der Erwachsenen macht das Kind in seiner Angst einsamer, aber du stellst ihm den kleinen Hund an die Seite. Das Erscheinen des Ungeheuers ist so wunderbar echt gruselig und auch überraschend. Die Auflösung am Ende ist ganz wunderbar und freut kleine und große Leser.

Der kleine Pudel namens Purzel verzog sich winselnd, wenn er im Zimmer des Kindes war und unter dem Bett wieder das merkwürdige Scharren hörte.
Schöner Einstieg, direkt rein ins Problem.
Die Erwachsenen leuchteten mit einer Taschenlampe unter das Bett. „Siehst du? Da ist nichts.“ „Aber Purzel hat angeschlagen.“ Wie zur Bestätigung bellte der Hund und wedelte mit dem Schwanz.
Dass der Hund anschlägt, spricht ja dafür, dass das Kind sich das Monster auch später nicht einbildet oder träumt, sondern dass es ein ECHTES Monster ist, von dem die Geschichte erzählt. Finde ich toll gemacht. Vielleicht ist es auch ein Monster, dass nur Kinder und Tiere wahrnehmen können. Die Erwachsenen sind einfach zu bräsig.
Das Kind verkroch sich unter die Decke, bis nur noch die Nase hervorlugte. Ein sanftes Nachtlicht in Form eines schlummernden Kätzchens leuchtete bis zum Morgen.
Das ist jetzt voll pingelig, weil ich deinen Text als nahezu perfekt empfinde. Am zweiten Satz bin ich etwas hängengeblieben. Er ist ein schöner Kontrast zu dem Unheimlichen, aber die Kätzchenform ist irgendwie eine Komplikation, fast wie eine weitere Figur und dann gehst du ja im nächsten Satz wieder in der Zeit zurück. Ich glaube, mehr Klarheit würde ein räumlicher Bezug bringen, auch wenn das schöne Wort "Morgengrauen" dann flötengeht. Also z.B. Ein sanftes Nachtlicht in Form eines schlummernden Kätzchens leuchtete auf dem Nachttisch. oder "in der Steckdose neben der Tür".
Um Mitternacht erwachte das Kind durch seltsame Vibrationen. Es war, als würde das ganze Zimmer wanken. Ein Dröhnen näherte sich von sehr weit unten. Purzel drückte sich ängstlich in eine Zimmerecke.
Sehr schön.
Das Fußende des Bettes hob sich, um dann plötzlich auf die Bettfüße zu stürzen.
Muah, ich stelle mir vor, wie das Kind ein bisschen Richtung Kopfende rutscht.
Da war etwas: Das Kind sah im spärlichen Licht ein Wesen, das in seiner Grauenhaftigkeit alles Schlimme übertraf, das es in seinem kurzen Leben zu Gesicht bekommen hatte.
Die allerschlimmsten Ängste bewahrheiten sich. Dadurch, dass du es erst hinterher beschreibst, hast du hier noch einen kleinen Moment der größten Unheimlichkeit.
Die riesige Kreatur schien nur aus Zähnen, Klauen und leuchtenden Augen zu bestehen. Ein grobes Fell bedeckte den Körper, der sich bis zur Decke aufrichtete. Ein gewaltiger Schwanz hielt alles im Gleichgewicht. Es stank nach Moder und verbranntem Horn. Der Mund voller Fangzähne öffnete sich.
Eine aufregende Geschichte für Kinder. Aber vermutlich nicht aufregender, als das, was sie sich nicht ohnehin schon vorstellen. Und die genaue Beschreibung macht es eher fassbarer.
Das Kind verstand kein einziges Wort von der weitschweifigen Erklärung, ahnte aber, dass das Monster ihm Vorwürfe machte und der Meinung war, von dem Kind ungerecht behandelt worden zu sein. Auch die Angst des zitternden Pudels war, so schien es, eine Zumutung.
Toll, dass du hier keinen Dialog verwendest. Andererseits ist das sicherlich die schwierigste Stelle über die man mit Kindern sprechen würde. Aber schon ist man einen Schritt weiter, von der grauenhaften Bedrohung vorher, nun bei dem Versuch zu verstehen, was hier eigentlich passiert. Und wieder macht der Part mit dem kleinen Hund es deutlicher. Das Monster ist verbittert, dass das Kind und der Hund solche Angst vor ihm haben, es fühlt sich total ungerecht als Monster hingestellt. :lol:
So interpretiere ich es jedenfalls.
Am Ende der Rede starrte das Monster mit verbissenem Maul auf das Kind, hob dann das Bett an und verkroch sich wieder in die unbekannte Tiefe. Wie eine sich schließende Falltür rumpelte das Bett auf die metallenen Füße.
Oh und hier habe ich ja richtig Mitgefühl und möchte es am Liebsten zurückrufen. Es gibt ja nun kein "Wir haben uns alle lieb-Ende". Aber das Monster ist jedenfalls seinen Ärger losgeworden. Und zurück bleibt keine Angst mehr, sondern so etwas wie Neugierde.
Der zitternde Hund kroch zu dem Kind unter die Decke.
So süß. Hier trennen sich nun Kind und Hund in ihrem Empfinden. Das Kind wächst ein Stückchen.
Das Kind jedoch verlor seine Angst, weil das Monster seinen Standpunkt so ausführlich dargelegt hatte.
Irgendwie total raffiniert gemacht. Nun kann man da natürlich viel interpretieren, aber vor allem finde ich, dass die Geschichte auf mehreren Ebenen wirkt. Ich frage mich ja, ob phantasiebegabte Kinder nach der Geschichte nun mehr oder weniger Angst vor Monstern unterm Bett haben, müsste man ausprobieren. Ich vermute, du hast sie mit dem Ende wieder eingefangen, die Angst. Auf jeden Fall lohnt es sich, den Monstern unterm Bett zuzuhören. ;)
Hat mir sehr gut gefallen.

Liebe Grüße von Chutney

 

Hallo @Chutney!

Danke für Deine freundliche und ausführliche Kritik. Zwei Dinge daraus habe ich übernommen: die Sache mit der Steckdose neben der Tür (wirkt räumlicher als die Zeitangabe) und das Verrutschen des Kindes, wenn das Fußende des Bettes sich hebt.

Dass der Hund anschlägt, spricht ja dafür, dass das Kind sich das Monster auch später nicht einbildet oder träumt, sondern dass es ein ECHTES Monster ist, von dem die Geschichte erzählt. Finde ich toll gemacht. Vielleicht ist es auch ein Monster, dass nur Kinder und Tiere wahrnehmen können. Die Erwachsenen sind einfach zu bräsig.
Selbstverständlich handelt es sich um ein echtes Monster! Da lasse ich mich nicht lumpen. :) Gott sei Dank ist es nicht nötig, plausibel zu erklären, wie sich unter dem Bett ein Gang öffnen kann, der dem Monster das Eindringen erlaubt.

Eine aufregende Geschichte für Kinder. Aber vermutlich nicht aufregender, als das, was sie sich nicht ohnehin schon vorstellen. Und die genaue Beschreibung macht es eher fassbarer.
Danke. Ich habe versucht, dem Kopfkino ein paar Eindrücke zu bieten.

Toll, dass du hier keinen Dialog verwendest. Andererseits ist das sicherlich die schwierigste Stelle über die man mit Kindern sprechen würde. Aber schon ist man einen Schritt weiter, von der grauenhaften Bedrohung vorher, nun bei dem Versuch zu verstehen, was hier eigentlich passiert. Und wieder macht der Part mit dem kleinen Hund es deutlicher. Das Monster ist verbittert, dass das Kind und der Hund solche Angst vor ihm haben, es fühlt sich total ungerecht als Monster hingestellt. :lol:
So interpretiere ich es jedenfalls.
Schön, dass das funktioniert hat. Es heißt ja, das Nonverbale sei der Kern einer Konversation. Dementsprechend ist es nicht so wichtig, ob das Monster sich gut ausdrücken kann.

Die Frage nach der Motivation des Monsters und seinem Selbstbild bleibt unbeantwortet. Vielleicht gehört das zu seiner Fremdartigkeit.

Liebe Grüße zurück
Berg

 

Hallo @Berg

dein kleiner Text erinnert mich vom Umfang und von der Art an deine Tiger-Geschichte. Die hat mir ganz gut gefallen. Und du meintest ja auch in einem Kommentar, dass du planst, in Zukunft mehrere deiner kleinen Geschichten zusammenzulegen? Da würde dieser Text ja vermutlich ebenfalls zu passen.
Ich muss aber sagen, dass mich dieses Mal dein Text nicht so bekommen hat. Es mag aber auch dran liegen, dass ich den vielleicht zu ernst genommen habe und mir der augenzwinkernde Blick dafür fehlt.

Der kleine Pudel namens Purzel verzog sich winselnd
Purzel lag bäuchlings auf dem Bettvorleger. Wenn die Geräusche kamen, zuckte er und blickte aus den Augenwinkeln unter das Bett, wo sich ein unbekannter Schrecken zusammenbraute.
Du legst am Anfang ja schon ziemlich den Blick auf diesen Hund. Und am Ende kriecht der Hund dann auch wieder unter die Decke. Ich frage mich aber, warum es den überhaupt braucht? Denn eigentlich geht es ja um Ungeheuer und Kind. Der Hund hat (mich zumindest) da eher gestört, zumal du mit ihm beginnst und so den Fokus auf ihn lenkst.
Nun ist dein Text zwar schon sehr kurz, aber dennoch finde ich, dass es eine Überlegung wert wäre, Purzel zu streichen. Oder geht es dir darum, Purzel als Gegengewicht zum Kind zu nehmen? Dass das Kind das Monster versteht, Purzel dazu aber nicht in der Lage ist? Oder welche andere Funktion hat der für deine Geschichte?

Das Kind verstand kein einziges Wort von der weitschweifigen Erklärung, ahnte aber, dass das Monster ihm Vorwürfe machte und der Meinung war, von dem Kind ungerecht behandelt worden zu sein.
Wie gesagt, vielleicht gehe ich da zu ernst dran. Aber wieso ahnt denn das Kind, dass das Monster ihm Vorwürfe macht. Wenn ich als Kind in meinem Bett liegen würde und ein Monster käme polternd unter meinem Bett hervor, würde sich aufbauen, zu knurren beginnen und mit seinen Krallen herumfuchteln, würde ich vermutlich nicht direkt darauf kommen, dass es mir Vorwürfe macht. Finde grundlegend die Idee der Geschichte gut, aber denke, dass hier noch ein wenig mehr dazu kommen müsste, warum das Kind eben versteht, worum es dem Monster geht.
Andererseits frage ich mich beim Verfassen des Kommentars gerade, ob dadurch nicht auch ein wenig dieses Märchenhafte verloren gehen würde, was dir ja gut gelingt. Mh, bin unschlüssig :(

hob dann das Bett an und verkroch sich wieder in die unbekannte Tiefe.
Haha, kann mir die Stelle gut vorstellen. Und ich habe direkt auch ein wenig die wilden Kerle oder die Wesen der Monster AG vor meinem inneren Auge.
Insgesamt find ichs ganz charmant geschrieben. Bis auf die beiden Dinge, die ich angemerkt habe, gerne gelesen!

Grüße
Habentus

 

Deine Geschichten sind originell, Du bist in der Lage eine Pointe zu setzen.
Vielleicht eine Kleinigkeit: Der Begriff "Grauenhaftigkeit" ist ausdrucksstark genug, so dass er, auch um der Verkürzung des Textes willen, für sich alleine stehen könnte.

Da war etwas: Das Kind sah im spärlichen Licht ein Wesen, das in seiner Grauenhaftigkeit alles Schlimme übertraf, das es in seinem kurzen Leben zu Gesicht bekommen hatte.

Da war etwas: Das Kind sah im spärlichen Licht ein Wesen, das an Grauenhaftigkeit alles übertraf, was es in seinem kurzen Leben zu Gesicht bekommen hatte.

Mein Resümee: In Deinen Geschichten lauern immer kleine Gags, man wird nicht enttäuscht, wenn man darauf wartet, dass sie zum Ausdruck kommen.

 

Letzte Empfehlungen

Neue Texte

Zurück
Anfang Bottom