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Das Modell
Ein anstrengender Tag geht wieder zu Ende. Es ist schon dunkel. Ich bin müde und gehe in mein Reich. Ziehe mich aus. Sorgfältig lege ich meine Kleider auf den Stuhl. Ich steige ins Bett - greife neben mich. Der Griff nach unten ist schon Routine.
Wie immer liegt sie mir zu Füssen. Stolz auf ihrem Fahrgestell mit den zierlichen Stossdämpfern.
Sanft streichle ich ihr über die zarten Flügel. Ein Meter und fünfzig Spannweite. Neu bespannt glänzen die Tragflächen in das Dunkel der Nacht. Vorsichtig ziehe ich die Piper ins Bett hoch und schmiege mich an ihren Rumpf. Das kalte Metall des Antriebmotors vergräbt sich wie ein kleines Näschen in meiner Brust. Mit beiden Beinen umklammere ich den Rumpf. Es überkommt mich.
Am Wochenende sind wir wieder zusammen auf dem Platz. Ich kann es kaum erwarten.
Wollen wir noch ein bisschen spielen? Ich schalte die Fernbedienung ein - stelle den Hebel von ihr auf "on". Ein kleines Summen signalisiert mir ihre Bereitschaft. Sie hat mich überredet. Ihre Scheinwerfer zünden und blinzeln mich an. Wie Wimpern wippen die kleinen leichten Querruder. Das Seitenruder ist bis zum Anschlag gespannt. Das Höhenruder geht erwartungsvoll in Ausgangsstellung. Mit dem Finger streiche ich auf der, vom Empfänger bis zum Heck straff gespannten Antenne entlang.
Wie Rouge bedeckt der rot gesprayte Nebel den Kopf der Piper. Die Cockpithaube aus Plexiglas gibt einen Blick auf das komplexe Innenleben des Fliegers frei. Unruhig zittern die Servos im Takt - zusammen mit einer kleinen Störfrequenz - irgendwo aus der Nachbarschaft. Synchron bewegt sich das Heckrad zusammen mit den leichten Ausschlägen des mittlerweile getriggerten Seitenruders.
Ich ziehe die Antenne des Senders auf die volle Länge. Jetzt ist sie ruhig - meine kleine Gelbe. Wartet brav auf meine Kommandos. Modellsprit entweicht als aphrodisierender Duft dem Tank - steigt mir in die Nase. Ich beginne zu schnüffeln. Diese Kombination aus Klebstoff,Benzin und Caramel ist unwiderstehlich.
Soll ich Dich noch kurz starten - zum Leben erwecken? Vor dem Schlafen noch ein letztes Motorengeräusch, der Duft von verbranntem Flugbenzin.
Ich betätige den Kipphebel am Sender.
Dank des Federanlassers springt der Motor zuverlässig an. Weissgrauer Dampf entströmt dem Schalldämpfer und füllt mein Schlafgemach. Der Motor muss erst warmlaufen. 10 ccm - Viertakter. Mit jeder Minute wird sein Lauf geschmeidiger.
Die Abgase berauschen meine Sinne. Das monotone Motorengeräusch versetzt mich in Trance. Ich sehe Dich am Startplatz, wie Du nach kurzem Anlauf auf der Piste in den Himmel steigst. Ganz zart mit Deinem Propeller die Luft hinter dich schaufelst, Meter für Meter gewinnst, bis Du am Horizont fast verschwindest. Jetzt wird es Zeit für eine 180 Grad Kurve. Aufmerksam führst Du meine Wünsche aus. Aus dem kleine Punkt kristallisiert sich langsam wieder Deine wundervolle Form heraus. Deine Flügel winken mir zu. Majestätisch ziehst Du an mir vorbei. Jetzt wollen wir beide nur noch das Eine.
Ich gebe Vollgas. Die Maschine bäumt sich auf - entgleitet meinen Händen. Mit unglaublicher Kraft frisst sich dieses Wunder der Technik durch meine Daunendecke. Wie in Zeitlupe sehe ich die Federn empor wirbeln. Sie kommt auf mich zu. Nicht bedrohlich - anmutig. Der dreiblättrige Propeller schlitzt meinen Bauch auf. Meine Gedärme quellen pulsierend hervor.
Sofort stoppt sie den Motor. Blut strömt in Schlieren an ihrem Rumpf entlang und tropft an den Flügelkanten herab. Verletzen - das wollte sie nun wirklich nicht.
Die aufgewirbelten Federn sinken wie Schneeflocken herab und bedecken sanft meinen blutenden Körper. Völlig aufgebracht zittern ihre Servos - es tut ihr so unendlich Leid - meiner kleinen, süssen Piper.