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Das Meer

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29.06.2016
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Das Meer

Der Wind spielte mit ihrem langen, blonden lockigen Haar und ließ es sanft zu einem unhörbaren Rhythmus schweben. Dabei streifte er die stummen, langsam ihre Wangen hinunterrinnenden Tränen hinfort und führte sie dem Meer, diesem majestätischen riesigen Blau, vor dem sie gerade stand, zu. Ihr gelbes, mit Blumen durchwirktes Leinenkleid wehte sanft und beruhigend um sie, als wollte es seine Trägerin trösten. Sie jedoch betrachtete starr und schweigend den Horizont, dessen helles Blau nur hie und da von schneeweißen Zirruswolken durchbrochen wurde. Die Sonne schien am Firmament und wärmte ihre Haut, doch sie spürte es nicht.
Um die junge Frau sprangen Kinder aller Altersklassen umher und tobten spielerisch den Sandstrand entlang, begleitet von den wachsamen Augen der dazugehörigen Eltern. Gelächter drang von allen Seiten an sie heran, doch nichts davon berührte sie. Keiner der fröhlich lachenden Anwesenden bemerkte sie, selbst die Kinder, die so dicht an ihr vorbeirannten, dass sie sie eigentlich umrennen mussten. Keiner hörte ihr leises Schluchzen, keiner wurde ihrer Tränen gewahr. Niemand schenkte ihr die geringste Aufmerksamkeit, doch auch sie würdigte die Anwesenheit der anderen keines Blickes. Sie starrte einfach weiter auf das Meer hinaus.
Direkt vor ihr fing plötzlich ein kleines Mädchen, dessen Eis in den Sand gefallen war, lauthals an zu weinen. Die Frau beobachtete sie interessiert, blieb jedoch regungslos. Die Mutter des Mädchens rannte sofort zu ihrem Kind, tröstete es und versprach ihr ein neues Eis, was seine Wirkung nicht verfehlte. Ein sanftes Lächeln huschte über die Lippen der weinenden Frau, doch ihre Tränen versiegten nicht. Kein Eis der Welt könnte ihre Trauer mildern, keine nett gemeinten Worte die Last von ihren Schultern nehmen.
Ihr Blick wanderte wieder über das Meer, welches die Sonnenstrahlen glitzernd widerspiegelte und allem etwas Märchenhaftes verlieh, doch selbst die Schönheit dieses Anblicks ließ die Frau kalt.
„Es ist Zeit“, rief ein plötzlich auftauchender kleiner Junge von etwa zehn Jahren zu ihr. Grüne Augen sahen sie sanft und verzeihend an. Überrascht starrte die Frau das Kind an. „Es ist nicht deine Schuld“, fuhr er fort, nahm ihre Hand fest zwischen seine kleinen Hände und drückte sie in dem Versuch sie aufzumuntern. „Keiner hätte in diesem Sturm etwas unternehmen können, um uns zu retten.“
„Aber es war meine Idee!“, erwiderte die Frau müde und traurig. Ihr Körper war starr und verkrampft. Der Selbsthass hatte sie eisern im Griff. Der kleine Junge musterte sie mit intelligentem Blick, wog seine Worte sorgsam ab, bevor er erneut begann: „Vielleicht war es deine Idee, dieses Schiff zu wählen, aber du wolltest mir doch nur eine Freude machen, schließlich habe ich ständig davon gesprochen, das Meer einmal nicht nur vom Strand aus zu erleben.“
„Stimmt. Aber es gab so viele Möglichkeiten, so viele andere Gelegenheiten auf einem Schiff mitzufahren, warum erwische ich ausgerechnet dieses?!“, Der kleine Junge drückte erneut die eiskalte Hand seiner von Reue geplagten Mutter.
„Vielleicht war das unser Schicksal, wer weiß das schon?“
„Aber warum du, mein Kind?! Du bist doch noch so jung...!“ Wut und Verzweiflung ließen die junge Mutter nicht mehr los. Der Junge, traurig darüber, dass sich seine Mutter so quälte, ließ ihre Hand los und näherte sich dem Meer, bis seine nackten Füße darin verschwanden. Dann drehte er sich zu ihr um.
„Wenn es dir hilft“, fing er an und zeigte ihr sein wunderschönes Lächeln, „ich verzeihe dir. Ich werde auf dich warten, egal, wie lange es dauert, schließlich bist du mir auch gefolgt.“ Daraufhin ging er tiefer und tiefer ins Wasser hinein, bis er völlig verschwunden war. Seine Mutter beobachtete ihn, während ihre Tränen nach und nach versiegten. Dann folgte sie ihrem Kind ins Meer.
Am Strand jedoch, bei den sich amüsierenden Menschen verschiedener Generationen, deutete nichts darauf hin, dass sie jemals dagewesen waren.
Ein Mann mittleren Alters und ein junges Mädchen im Teenageralter kamen Hand in Hand zum Strand, einen kleinen, mit roten Band gebundenen Blumenstrauß bei sich. Schweigend starrten beide auf das blaue sonnendurchwirkte Meer. Die irritierten Blicke der anderen bemerkten sie nicht, interessierten sie aber auch nicht. Nach einer geraumen Weile ließ das Mädchen die Hand ihres Vaters los, ging mit dem Strauß in den Händen bis zu den Knien ins Wasser und legte den Strauß obenauf. Eine geraume Zeit lang hielt sie ihn noch fest und beobachtete, wie er versuchte den Wellenbewegungen des Meeres zu folgen, um den Strand zu verlassen.
„Bitte finde sie“, flüsterte sie leise, bevor sie ihn losließ. Ihr Vater gesellte sich zu ihr und beide verfolgten schweigend, mit Tränen in den Augen, wie der Strauß dem Horizont entgegenschwamm. Das rote Band löste sich, sodass der Aufdruck zu lesen war: >An eine liebende Mutter und einen geliebten Sohn und Bruder, Opfer des Schiffunglücks vor 10 Jahren. Wir werden euch immer im Herzen tragen<. Während Vater und Tochter unter den verdutzten Blicken der anderen Strandgäste sich auf den Nachhauseweg machten, sank der Blumenstrauß mitsamt dem Band gen Meeresboden und wurde nie mehr gesehen.

 

Das war heftig, schöne Erzählung, gegen Ende wird man regelrecht emotional.
Eine fantastische Idee den Vater und die Tochter dann noch den Strand zu besuchen zu lassen.
2 Sachen:
>An eine liebende Mutter und einen geliebten Sohn und Bruder, Opfer des Schiffunglücks vor 10 Jahren. Wir werden euch immer im Herzen tragen< solltest du nicht mit den <> formatieren, der Satz Opfer des.. klingt ein bisschen sperrig.
verdutzt passt finde ich von der Stimmung her nicht.

 

Hallo AnBu und willkommen hier!

Du hast einen interessanten Schreibstil, er erinnert mich an die Märchen, die ich früher gelesen habe. :)

Deine Geschichte hat auch etwas Märchenhaftes. Auf mich wirkt sie außerdem schwermütig, was ja beabsichtigt war.
Schön finde ich, dass du den Leser erst im Unklaren darüber lässt, wer die Frau am Strand ist. Man denkt sich schon, dass sie vermutliche so etwas wie ein geist ist, aber man kennt ihre Geschichte noch nicht.

Was mir auch positiv aufgefallen ist: keine Zeichen- oder Rechtschreibfehler. (Oder ich hab nur keine gesehen :) )

Aber: mir waren da viel zu viele Adjektive und BEschreibungen drin! Vieles ist überflüssig und das strengt beim Lesen dann z.T. sogar richtig an.

Ich hab dir allein mal im ersten Abschnitt die Adjektive und Adverben markiert:

Der Wind spielte mit ihrem langen, blonden lockigen Haar und ließ es sanft zu einem unhörbaren Rhythmus schweben. Dabei streifte er die stummen, langsam ihre Wangen hinunterrinnenden Tränen hinfort und führte sie dem Meer, diesem majestätischen riesigen Blau, vor dem sie gerade stand, zu. Ihr gelbes, mit Blumen durchwirktes Leinenkleid wehte sanft und beruhigend um sie, als wollte es seine Trägerin trösten. Sie jedoch betrachtete starr und schweigend den Horizont, dessen helles Blau nur hie und da von schneeweißen Zirruswolken durchbrochen wurde. Die Sonne schien am Firmament und wärmte ihre Haut, doch sie spürte es nicht.

Die Mutter des Mädchens rannte sofort zu ihrem Kind, tröstete es und versprach ihr ein neues Eis, was seine Wirkung nicht verfehlte.
den letzten Halbsatz brauchst du m.M.n. nicht, denn im darauffolgenden Satz zeigst du das ja

hr Blick wanderte wieder über das Meer, welches die Sonnenstrahlen glitzernd widerspiegelte und allem einen märchenhaften Touch verlieh, doch selbst die Schönheit dieses Anblicks ließ die Frau kalt.
das Wort passt nicht zu deinem sonstigen Schreibstil, finde ich

„Es ist Zeit“, rief ein plötzlich auftauchender kleiner Junge von etwa zehn Jahren zu ihr und sah sie sanft aus verzeihenden grünen Augen an.
Der Satz war mir irgendwie "zu viel Information auf einmal". Ich würde da zwei Sätze draus machen, so z.B.: "Plötzlich tauchte ein kleiner Junge auf. "Es ist Zeit", rief er und sah sie sanft an."

„Aber es war meine Idee!“, erwiderte die Frau müde, traurig, sich selbst verachtend.
Hier würde ich mich für ein Adverb entscheiden.

Wut und Verzweiflung ließen die junge Mutter, welche sich für den Tod ihres geliebten Sohnes verantwortlich fühlte, nicht mehr los.
den erklärenden Nebensatz braucht es m.M.n. nicht

Trau dich ruhig, dem Leser weniger zu erklären, der versteht in der Regel schon, was du ihm sagen willst ;)

Ich hoffe, du konntest mit meinem Anmerkungen etwas anfangen :)

Liebe Grüße,
Tintenfisch

 

Hallo AnBu :)

Ich finde die genauen Beschreibungen hier, wie auch in deiner anderen Kurzgeschichte Flammentanz wirklich sehr gut. Vielleicht könnte man tatsächlich eine Spur weniger Adjektive verwenden, aber eigentlich finde ich, dass du es wirklich schaffst, dass der Leser sich die Szene sehr genau vorstellen kann.
Die Thematik bzw. die Handlung der Geschichte finde ich auch sehr gut. Am Ende hätte ich wirklich weinen können.
Auch finde ich das die Geschichte sehr spannend ist, dadurch das man erst einmal ließt und ließt und sich immer wieder fragt, weshalb die Stimmung der Frau so traurig und verzweifelt ist, bis zu dem Gespräch mit dem Jungen. Die Stelle finde ich auch wirklich toll.

Ihr Blick wanderte wieder über das Meer, welches die Sonnenstrahlen glitzernd widerspiegelte und allem einen märchenhaften Touch verlieh, doch selbst die Schönheit dieses Anblicks ließ die Frau kalt.

Hier schließe ich mich Tintenfisch an. Ich finde die Formulierung 'märchenhafter Touch' stört etwas und passt nicht ganz zu deinem Stil im Rest des Textes.

Ich finde die Geschichte einfach großartig und ich finde du hast einen wirklich tollen Schreibstil mit dem du es schaffst die Vorstellungkraft des Lesers anzufachen und seine Emotionen anzusprechen :thumbsup:

LG Cephei:)

 
Zuletzt bearbeitet:

@ Comyu
Zunächst einmal vielen Dank, dass du diese Geschichte gelesen hast.

>An eine liebende Mutter und einen geliebten Sohn und Bruder, Opfer des Schiffunglücks vor 10 Jahren. Wir werden euch immer im Herzen tragen< solltest du nicht mit den <> formatieren, der Satz Opfer des.. klingt ein bisschen sperrig.
Ich hatte die Befürchtung, dass es nicht reichen würde, das ohne Anführungszeichen zu schreiben. Das war der einzige Grund dafür.
verdutzt passt finde ich von der Stimmung her nicht.
Das war bewusst gewählt, weil die anderen Strandbesucher, auf die es sich bezieht, nicht wissen, worum es geht und daher gefühlsmäßig auf einer anderen Ebene sind. Wenn es trotzdem nicht passt, suche ich ein passenderes Wort.

Gruß, AnBu

@ Tintenfisch

Auch dir herzlichen Dank, dass du die Geschichte gelesen hast, sowie die Begrüßung.
Danke auch für den Vergleich mit den Märchen. Ich war mir nicht sicher, ob das passt, deswegen habe ich es nicht als Schlagwort angegeben.

Zu den Adjektiven: Ich hatte das Gefühl, dass sie in diese Geschichte hinein mussten, werde es bei manchen aber noch einmal überdenken. Denn wenn sie nur hinderlich sind, bringt es nichts.

Die Mutter des Mädchens rannte sofort zu ihrem Kind, tröstete es und versprach ihr ein neues Eis, was seine Wirkung nicht verfehlte.
den letzten Halbsatz brauchst du m.M.n. nicht, denn im darauffolgenden Satz zeigst du das ja
Bist du sicher? Der Halbsatz bezieht sich auf das weinende Mädchen, der darauffolgende Satz auf die Frau.

Der Satz war mir irgendwie "zu viel Information auf einmal".
Tut mir leid, könnte bei mir vielleicht öfter vorkommen (ich liebe Schachtelsätze), versuche dies, in den Griff zu bekommen. Und das Beispiel in zwei Sätze aufteilen.
„Aber es war meine Idee!“, erwiderte die Frau müde, traurig, sich selbst verachtend.
Hier würde ich mich für ein Adverb entscheiden.
Obwohl ich das nachvollziehen kann, werde ich das wahrscheinlich nicht ändern, weil die Frau innerlich so zerrissen ist, dass sie sich nicht einfach für eines dieser Gefühle entscheiden kann.
Den nächsten von die angeführten Halbsatz werde ich wahrscheinlich entfernen.

Was den Touch anbelangt, so habe ich echt lang überlegt und war unzufrieden. Aber ein anderes Wort wollte mir partout nicht einfallen. Mache es mir jetzt aber einfach : )

Dann vielen herzlichen Dank für die Tipps! Freu mich schon auf das nächste Mal.

Gruß, AnBu

@ Cephei

Danke fürs Lesen und die netten Worte! :D Ich freue mich riesig.
Es freut mich, dass ich dich emotional mitreißen konnte. Denn auch wenn das beabsichtigt war, ist das nicht so einfach.

Ja, das mit dem Touch ist so eine Sache. Bei der Änderung, die mir eingekommen ist, als ihr es erwähnt habt, ist mir eine einfache Möglichkeit eingefallen. Danke euch dafür! *hugs* Auch in Zukunft werde ich mir Mühe geben.

Bis zum nächsten Mal! : )

Gruß, AnBu

 

Hallo AnBU

Bist du sicher? Der Halbsatz bezieht sich auf das weinende Mädchen, der darauffolgende Satz auf die Frau.
Da hast du Recht, sorry :D

Obwohl ich das nachvollziehen kann, werde ich das wahrscheinlich nicht ändern, weil die Frau innerlich so zerrissen ist, dass sie sich nicht einfach für eines dieser Gefühle entscheiden kann.
ich frag mich nur: Das hört man alles aus einem einzigen Satz heraus? Müde und traurig kann ich mir noch vorstellen, aber wie höre ich da auch noch Selbstverachtung heraus? Ich verstehe schon, dass die Frau innerlich zerrissen ist. Aber ich fänds besser, wenn du das dem Leser ZEIGST. Wenn du es nur so als Adverb hintenanhängst, geht es auch, aber du machst es dir halt ein bisschen einfach ;)

Liebe Grüße,

Tintenfisch

 

Tintenfisch

Okay, dachte schon, ich hatte einen Denkfehler.

Obwohl ich das nachvollziehen kann, werde ich das wahrscheinlich nicht ändern, weil die Frau innerlich so zerrissen ist, dass sie sich nicht einfach für eines dieser Gefühle entscheiden kann. ich frag mich nur: Das hört man alles aus einem einzigen Satz heraus? Müde und traurig kann ich mir noch vorstellen, aber wie höre ich da auch noch Selbstverachtung heraus? Ich verstehe schon, dass die Frau innerlich zerrissen ist. Aber ich fänds besser, wenn du das dem Leser ZEIGST. Wenn du es nur so als Adverb hintenanhängst, geht es auch, aber du machst es dir halt ein bisschen einfach

Okay, ich korrigiere mich: Ich werde das SO wahrscheinlich nicht ändern. Erst hast du vorgeschlagen, dass ich mich für eines der Wörter entscheide. Umschreiben, bzw besser ausformulieren, was du selbst auch anführst, ist eine andere Option. Dafür brauche ich jetzt nur noch eine gute Idee.

Vielen Dank für alles.

LG
AnBu

 

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