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Das Meer
Erschöpft ließ ich mich in dem herrlich kühlenden Schatten unseres Sonnenschirmes auf einem flauschigen Handtuch nieder und streckte meine brennenden Füße in den nassen Sand, der gleich darauf von eisigem Wasser überspült wurde.
Das Meer leckte an meinen Zehen, zog sich in sich selbst zurück, und verschlang sie im nächsten Moment schon wieder. So gefräßig war diese kalte Masse, und wenn es nacht war, wurde sie noch stürmischer, bedeckte beinahe den ganzen Strand und fraß gierig die mit so viel Liebe von den Kindern erbauten Sandburgen, mit ihren Zinnen und Türmchen und Gräben, dass auch ihr Zauber verlosch und sie wieder zu weißem Sand zerfielen. Doch unermüdlich würden sie, gleich einem Phönix, aus ihrer Asche wiedererstehen. Wenn die Kinderhände sie wieder berührten geschah es, wie ein Wunder, fast von selbst. Und ebenso würde das Meer sie wieder verschlingen. Unersättlich und ohne Mitleid für die Kindertränen, so salzig wie es selbst. Ein totes Meer, das niemals auf sie Rücksicht nehmen wird, ist es doch nicht wert so von mir geliebt zu werden.
Denn - oh ja - ich liebe es. Ich liebe den Geruch, das - mal einschläfernd beruhigende, mal kämpferisch tosende - Rauschen seiner Wellen, die es vermögen meine Gedanken ans Ende des Horizonts zu tragen. Mich von Dingen träumen zu lassen die sich als funkelnde Kristalle in meinen Augen zeigen.
Ich sitze und denke an all diese Träume und bemerke, dass sich die Menschentrauben um mich her allmählich auflösen, die Sonne entflammt und in der Ferne sanft den Horizont küsst. Auch das Meer bekommt von ihren Flammen ab, und wird ganz hinten blutrot, orange und geht langsam in ein Schwarz über, das viel schöner ist als das des sternübersäten Himmels, weil es glitzert und funkelt und nie still steht. Von Emotionen durchwühlt erhebe ich mich und stapfe durch den nassen Sand, immer am Strand entlang. Das Wasser ist noch kälter geworden, dass ich meine Füße kaum noch spüre. Gedankenverloren starre ich in dieses Schwarze, unendliche Nichts hinaus und summe ein Seemannslied, das mit Rauschen und Wellensäuseln untermalt wird.
Von fern erblicke ich die grellen Lichter eines Leuchtturms, die den Schiffen den Weg aus dem Meer weisen sollen. Genau wie meiner Seele, die sich mit ihren dunklen Abgründen tief darin verloren hat.