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Das Medikament

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01.07.2016
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Das Medikament

"Liebes Tagebuch,
das ist das erste Mal, dass ich etwas schreibe. Normalerweise rede ich nur , aber bei mir ist gerade niemand, mit dem ich mich unterhalten kann. Deswegen will ich etwas Neues ausprobieren. Rudi hat mich alleine gelassen, weil er zur Nobelpreisverleihung musste.

Oh, liebes Tagebuch, ich glaube, ich muss dir noch ein paar Dinge erklären:
Rudi ist Apotheker und ich bin sein Haustier. Eines Tages ging es mir immer schlecht, wenn ich mich bewegte. Deswegen stand ich immer starr da. Mein Verhalten beunruhigte Rudi so sehr, dass er mit mir und seinem Bruder zum Tierarzt ging. Dieser wollte, dass ich ein Medikament einnehme, welches Rudi selbst herstellte. Nachdem ich das Mittel etwa einen Monat zu mir genommen hatte, wurde ich wieder gesund. Ich bemerkte aber auch eine Nebenwirkung: In Filmen, die am Fernseher vor meinem Käfig liefen, begriff ich einzelne Wörter wie "Hallo" und merkte sie mir. Irgendwann verstand ich die Handlungen in Filmen.
Als ich mich dann endlich traute ,Wörter zu sagen ,und versuchte, mit Rudi eine Unterhaltung zu führen, wurde er vor Schock fast wahnsinnig. Nachdem er sich beruhigt hatte, untersuchte er sein Medikament. Er fand heraus, dass eine Zutat, die er verwendet hatte, eine Verunreinigung hatte, die aus vielen verschiedenen Chemikalien bestand, die er einzeln ermittelte. Er vermutete, dass er versehentlich durch die Verunreinigung chemikalische Verbindungen hergestellt hatte, die dazu führten, dass ich intelligenter wurde. So hat er es mir jedenfalls erklärt.

Jetzt sitze ich die ganze Zeit alleine in meinem vergoldeten Käfig, sehe fern und lese Bücher. Ich habe gerade eben einen Film gesehen. Dort ging es um ein Mädchen, das Tagebuch führt. Das brachte mich auf die Idee, selber etwas zu schreiben. Der Film war im Übrigen gar nicht gut.
Ich muss gestehen, es fällt mir sehr schwer, zu schreiben. Immer wieder greife ich den Bleistift mit meinem Schnabel, mein Nacken tut mir aber von dem ganzen Bewegen weh. Ich wünschte, ich könnte jetzt mit jemanden reden. In letzter Zeit fühle ich mich immer trauriger. Bevor Rudi nach Schweden ging, sah ich alleine eine Doku über Papageie. Dort hieß es, dass zwar Vögel für den Menschen alle gleich aussehen, die Vögel aber sich gegenseitig unterscheiden können. Ich konnte die Papageien in der Doku nicht unterscheiden.
Später sah ich dann mit Rudi eine amerikanische Comedy Show. Dort kam ein Witz über Asiaten vor. Die Pointe war, dass weiße Amerikaner denken, dass alle Asiaten gleich aussehen, weil sie zu wenig Kontakt mit Asiaten haben. Aus den zwei Sendungen schloss ich, dass ich zu wenig Kontakt mit meinen Artgenossen habe. Ich erkannte, dass ich noch nie einen anderen Papageien im wahren Leben gesehen hatte.

Seitdem will ich frei sein. Ich will die Welt sehen und von meinem Gefängnis freikommen und mit meinen Artgenossen spielen. Ich bitte Rudi schon seit langem, mich frei zu lassen. Bis jetzt hat er es mir jedenfalls ständig verweigert.
Aus diesem Grund bat ich Rudi ,kurz bevor er weggegangen war, um einen Gefallen: Er soll den Vögeln in Schweden sagen, dass ein Papagei in Gefangenschaft lebt, obwohl er immer um Freiheit bittet. Ich hoffe, dass die Vögel Rudi überzeugen können, mich frei zu lassen."

Der Papagei schrieb diesen Text auf die letzte, leere Seite vom Buch "Doktor Jekyll und Mister Hyde". Jedenfalls bemühte er sich darum, zu schreiben, denn diese eigenartigen Kringel, die der Vogel mit einem Bleistift malte, waren nur schwer als ein Text zu erkennen.
In dem Moment, wo der Papagei fertig war, öffnete sich die Tür und ein schlanker Mann mit grauen Haaren und schwarzer Jacke trat in das Wohnzimmer ein. Der Papagei schloss das Buch und warf den Bleistift weg.
Rudolph betrachtete sein Wohnzimmer, das er seit langem nicht mehr gesehen hatte. Der Papagei flatterte in seinem relativ großen, vergoldeten Käfig und sah zu ihm hinauf. Die Lampen waren in diesem Zimmer an. Rudolph hatte vor seiner Abreise einen Haufen Vogelfutter und viel Wasser in einer Ecke des Käfigs gelassen. In einer anderen war eine Apothekerzeitung ausgerollt, die dem Papagei als Klo diente. Der Vogel war mittlerweile intelligent genug, um selbständig zu überleben.
"Rudi! Wie wars! Was hast du erlebt!", bombardierte der Papagei Rudolph mit Fragen.
Rudolph hielt Abstand zum Papageien. "Ich bin sehr müde. Ich erzäl dir alles morgen früh."
"Bitte sag mir nur eine Sache.", entgegnete der Papagei, "Hast du mit ein paar Vögeln geredet?"
"Ja, ich habe wegen dir mit Tauben geredet.", Rudolph sah hinab zum Papagei.
"Wie haben sie reagiert?"
"Eigentlich haben sie gar nicht reagiert. Die meisten sind weg geflogen.", Rudolph sah dann dem Papageien in die Augen ,"Eine Taube ist gestorben. "
"Gestorben?", wiederholte der Papagei verwundert. Dann betrachtete er schweigend den schwarzen Fernsehbildschirm.
Er wandte sich zu Rudolph:"Rudi, bitte lass mich frei! Die Taube darf nicht umsonst gestorben sein!"
"Interpretier da nichts Besonderes rein. Die Taube ist nicht wegen dir gestorben. Vielleicht war sie schon alt.", antwortete Rudolph in einem bemüht sanften Ton.
Der Papagei sah zu Rudi hinauf. Einige Zeit verging so.
"Ok, ich will jetzt wirklich schlafen. ", brach Rudolph das Schweigen. Er öffnete eine Tür und ging hinein, während der Papagei zurückblieb.

**************************
Das Zimmer, in dem sich Rudolph befand, war sehr dunkel. Er schloss die Tür. Hier gab es einen Mini-Kühlschrank und einem Tisch mit Stuhl, sowie ein Fenster. Erst jetzt merkte Rudolph, dass er sich nicht im Schlafzimmer befand, sondern im Arbeitszimmer. Es regnete. Um ins Schlafzimmer zu kommen, musste Rudolph zurück ins Wohnzimmer. Dort war aber der Papagei und dieser würde bestimmt wieder mit ihm reden wollen. Rudolph öffnete seinen Mini-Kühlschrank, um Whiskey herauszuholen. Er war leer. Rudolph hatte vergessen, den Kühlschrank nachzufüllen. Er spielte mit einem Kugelschreiber am Tisch, legte sich dann auf den Teppich, um ein wenig zu schlafen.

Er hatte den Nobelpreis für Medizin gewonnen. "Wichtige Fortschritte in der Alzheimer Forschung" soll er geleistet haben.
Als der Papagei angefangen hatte, zu reden, konnte Rudolph Bruder kaum mehr sprechen. Rudolph hatte alles getan, um das Medikament, dass den Papagei so intelligent gemacht hatte, wiederherzustellen. Er war aber gescheitert. Eine einzige Zutat, die er für die Medizin des Papageien verwendet hatte- eine einzige- war verunreinigt gewesen. Und jetzt, da er nicht wusste, welche Verunreinigung vorhanden war, wusste er auch nicht, wie er das Medikament des Papageien wieder herstellen sollte.
Sein Bruder war kurz danach an den Folgen von Alzheimer gestorben.
Schlussendlich war Rudolphs Leistung nichts. "Wichtige Fortschritte" von Wegen: Man wusste jetzt, dass man Alzheimer heilen konnte, aber nicht, wie.

Sein Bruder war zwei Jahre jünger als Rudolph.

Er hörte ein Schluchzen aus dem Wohnzimmer. Der Papagei fing wohl an, zu weinen. Der Vogel wird schnell emotional, zum Teil ohne richtigen Grund wie gerade eben. Vielleicht lag es daran, dass er noch so jung war.
Nach dem Tot seines Bruders war der Papagei der einzige, der Rudolph von seiner Einsamkeit ablenkte. Sie hatten gemeinsam ferngesehen. Rudolph hatte dem Vögelchen Lesen beigebracht. Natürlich war der Papagei gelegentlich zu gesprächig und gefühlvoll für Rudolphs Geschmack, aber Rudolph hatte schlussendlich niemand anderen.
Kurz davor, einzuschlafen, gingen Rudolph noch Schuldgefühle durch den Kopf. Er war heute zu gemein zu dem Papagei gewesen. Der Vogel hatte doch nichts Schlimmes getan. Rudolph fasste den Plan, ihn morgen vielleicht vom Käfig frei zu lassen- natürlich nur, damit er ein wenig um Wohnzimmer herumfliegt. Das hatte sich der Vogel wirklich verdient.

**************************

Rudolph war in Straßenkleidung auf dem Boden eingeschlafen. Er hatte das nur getan, um nicht mit dem Papageien reden zu müssen. Das war das erste, woran Rudolph dachte, als er aufgewacht war. Er fasste den Entschluss, den Vogel zu trösten- irgendwie würde er es schon hinkriegen.

Als er aber das Wohnzimmer betrat und sich dem goldenen Käfig des Papageien näherte, fiel ihm auf, dass der Vogel noch schlafend im Käfig lag.
Anscheinend war er gestern noch lange wach geblieben. Rudolph ließ ihn schlafen und beschäftigte sich mit seinem Tagesablauf.
Er zog sich zunächst etwas Bequemes an, dann aß er zu Frühstück, sah im Anschluss fern und las danach noch ein nettes Buch. Während Rudolph so einige Stunden verbrachte, war kein einziges Mal ein Geräusch vom Papageien hören.
Rudolph näherte sich dem Käfig.

"Guten Morgen! Wach doch schon auf.", sagte Rudolph so sanft, wie es mit seiner rauen Stimme nur möglich war.
Keine Regung.
Rudolph nahm einen Textmarker, mit dem er den Papageien anstupste.
Keine Regung.
Rudolphs Herz schlug schneller. Er begann flach zu atmen und spürte einen Druck auf seiner Stirn. Er stupste den Vogel immer heftiger an. Zum Schluss stach er regelrecht auf den Körper ein, doch das Vögelchen regte sich nicht. Hinter den vergoldeten Stangen lag es einfach so da.

**************************

Rudolphs Garten war bedeckt mit Herbstblättern. Einige von ihnen waren schon ganz braun; kurz davor, Matsch zu werden. Die Sonne ging schon unter und schien den Garten golden an. Wie schnell war nur die Zeit vergangen? Es wehte kein Wind. Es herrschte ohrenbetäubende Stille; ohrenbetäubende Ruhe. Rudolph stand aufrecht. In der linken Hand hielt er eine kleine Schaufel. In der rechten Hand hielt er einen schwarzen Schuhkarton ohne Deckel. In diesem lag der Papagei. Er hatte es endlich geschafft, aus seinem goldenen Gefängnis zu entkommen.
Rudolph war vollkommen in schwarz gekleidet. So wollte er dem Papageien die letzte Ehre erweisen. Rudolph setzte sich nun auf seine Knie. Den Karton legte er neben sich ab. Er nahm die Schaufel und begann zu graben.
Während Rudolph grub, hörte er kurz ein Rascheln. Dann hörte er ein Flattern. Er wendete sich zum Karton und sah, dass der Papagei weg war. Dann hörte er von oben herab ein krächzen. Er sah hoch und erkannte den Papageien. Er thronte auf einem Laubbaum- wie ein Koenig- und sah auf Rudolph hinab.

"Die Taube ist nicht gestorben. Sie war eine Schauspielerin, die mir den Weg zur Freiheit zeigen wollte."
"Papagei! ", setzte Rudolph an.
" Ich habe die ganze Nacht darüber nachgedacht, ob ich ihren Rat annehmen soll. Es tut mir schrecklich leid, dass ich dich angelogen habe, Rudi. Ich bitte dich. Bitte sei nicht traurig wegen mir. Ich bin mir sicher, dass du eines Tages auch deinen goldenen Käfig verlassen wirst."

Mit diesen Worten flog der Papagei davon und lies Rudolph zurück. Es wurde langsam Abend.

 

Hallo Alexei ,

Also: Jetzt sitze ich die ganze Zeit alleine in meinem vergoldeten Käfig, sieh fern und lese Bücher.
Besser: , sehe fern und lese Bücher

Dort ging es um ein Mädchen, dass Tagebuch führt.
Besser: , das ( oder: welches)

Der Film war im übrigen gar nicht gut.
im Übrigen ( Meines Wissens groß)

er soll Vögeln in Schweden sagen ...
den Vögeln (liest sich besser finde ich)

einem Mini-Kühlschrank
einen ""


vielleicht vom Käfig frei zu lassen und ihn ein wenig im Wohnzimmer herumfliegen zu lassen.
aus dem Käfig frei zu lassen (hört sich besser an)

dann aß er zu Frühstück, dann sah er fern und dann lass er ein nettes Buch.
--> Zu oft "dann" für meinen Geschmack, vlt. so: dann aß er sein Frühstück, sah im Anschluss fern und las danach noch ein nettes Buch


Insgesamt eine sehr kreative und schöne Geschichte. Hat mir gut gefallen, vor allem auch
der Schluss mit seiner Botschaft !
Die Idee mit dem Alzheimer-Medikament erinnert an "Planet der Affen"
Formulierungen sind meist reine Geschmackssache. Da kann man immer was feilen, wobei
es da kein richtig und kein falsch gibt.
Zu viele Wortwiederholungen vermeiden, sonst gut.

Viele Grüße
JuaneZ1a

 

Hallo JuaneZ1a

danke für deinen Kommentar(hab schon all deine Kritikpunkte auskorrigiert :D).

Die Idee mit dem Alzheimer-Medikament erinnert an "Planet der Affen"
Da hast du mich auf frischer Tat ertappt.

Zu viele Wortwiederholungen vermeiden, sonst gut.
Darauf pass ich das nächste mal auf.

Danke, dass du eine Antwort zu meiner Kurzgeschichte geschrieben hast. Ich dachte schon, sie würde noch unkommentiert untergehen.

Liebe Grüße
alexei

 

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