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Das Märchen von den Drachenkindern
Vor vielen, vielen Jahren, als es auf der Erde noch riesengroße Wälder und keine Menschen gab, da bevölkerten Drachen und Saurier das Land. Im Silberwald lebten die edlen und gutmütigen Silberdrachen. So wohnte auch Lucy, das kleine Drachenmädchen mit seinen Eltern und seinen vier älteren Brüdern, in einer große Höhle. Die Brüder neckten ihre kleine Schwester meist und spielten lieber ohne das Mädchen. Die Mutter nahm dann Lucy in ihren Arm und tröstete die Kleine. Die Brüder wurden eifersüchtig und es kam häufig zum Streit.
Eines Tages erkrankten die Eltern an einem schrecklichen Ausschlag und drohten zu sterben. Sie hatten große Angst, dass sich ihre Kinder anstecken könnten und schickten sie zu Tante Lukull und Onkel Lukullus, die eine Zweitagesreise entfernt im Fabelgebirge lebten. Die beiden waren sehr streng und empfanden Kinder nur als Störenfriede. Aber sonst gab es niemanden.
Die Kinder hatten eine gefährliche Reise vor sich, da sie die Höllenschlucht durchqueren und durch das Tal der Flugsaurier wandern mussten. Die Flugsaurier fraßen besonders gern kleine Drachenkinder, die sie zuvor in heißen Fett gebraten hatten.
Lucy weinte bitterlich. Sie hatte Angst ihre Eltern zu verlieren und Angst vor dem gefährlichen Weg. Außerdem hatte sie dann niemanden, der sie tröstete, wenn die Jungen sie wieder ärgerten. Aber es half nichts, sie musste sich mit den Brüdern auf den Weg machen.
Die Kinder wanderten erst friedlich zusammen, da alle sehr traurig waren. Doch nach einem halben Tag wurden Lucys Beine müde und sie wurde langsamer. Die Brüder trieben sie an: „Schneller Lucy, sonst kommen wir ja nie an!“ Aber Lucy hatte nicht mehr so viel Kraft und blieb immer weiter zurück
„Wartet auf mich, bitte!“ rief sie verzweifelt. Aber die Jungen gingen weiter. Der Älteste rief ihr zu. „Geh einfach immer geradeaus. Dann kommst du zur Höllenschlucht. Vor der Schlucht werden wir nächtigen, da warten wir dann auf dich."
Lucy hatte schreckliche Angst allein im großen Wald. Wer weiß, wer hinter den Büschen und Bäumen lauerte? Sie rief immer wieder „Wartet, bitte, wartet!“ Aber niemand hörte auf sie.
Bald war sie so erschöpft, dass sie sich unter einem Baum niederließ und sofort einschlief.
Als sie erwachte, ging zwischen den großen Bäumen bereits die Sonne auf. Oh je, sie hatte den Rest des Tages und die ganze Nacht geschlafen! Wie sollte sie jetzt die Brüder einholen?
Sie hörte ein Rascheln im Unterholz. Was war das? Sie traute sich nicht zu atmen. Noch ein Rascheln - und plötzlich stand ein Waldgeist vor ihr. Er war grün mit roten, leuchtenden Augen.
„Wo kommst du her, was macht ein Drachenkind allein im Wald?“ fragte der Kobold mit blitzenden Augen.
Lucy erzählte ängstlich ihre Geschichte.
„Deine Brüder findest du nicht mehr. Sie haben längst die Höllenschlucht durchquert. Ich bin ihnen dort begegnet. Sie kämpften mit einem Feuerdrachen.“
Lucy weinte bitterlich. Sie fühlte sich so einsam, war ängstlich, hungrig und durstig.
Der Waldgeist hatte Mitleid mit dem armen Kind und brachte es zu seiner Familie. Lucy bekam hier Wasser und einige Wurzeln zu essen. Der Älteste der Waldgeister beschloss, das arme Kind zu seinen Verwandten zu begleiten, damit es sicher war.Sie packten einige Vorräte zusammen und machten sich auf den Weg. Um ihr die Zeit zu vertreiben, erzählte der alte Waldgeist Geschichten von Zwergen und Geistern. So merkte Lucy gar nicht, dass sie schon bald die Höllenschlucht erreicht hatten. Sie lauschte ganz angestrengt dem alten Waldgeist, sah nicht wo sie hintrat, stolperte über eine dicke Wurzel und stürzte die tiefe Schlucht hinab.
Sie schrie vor Schreck und Schmerz. Der Alte eilte zu ihr. Ihr Körper war von Wunden übersäht und blutete. Er streichelte sie vorsichtig und sagte: „Ich hole ein paar Kräuter, die dir den Schmerz nehmen. Hab keine Angst. Ich bin gleich wieder da.“
Er eilte fort und ließ die weinende Lucy zurück.
„Mmh, Drachenblut, das riecht ja lecker,“ hörte sie eine schrille Stimme über sich. Da entdeckte sie einen Flugsaurier, der sich das Maul leckte.
Doch kaum hatte sie ihn entdeckt, wurde er von einem brennenden Baumstamm getroffen, fing selbst Feuer und stürzte neben Lucy in die Schlucht.
Das Feuer erlosch: Doch einige Meter entfernt hatte sich die Erde einen Spalt geöffnet und aus einem tiefen schwarzen Loch züngelten einige Flammen.
„Die Hölle,“ rief Lucy entsetzt, „ich liege direkt neben der Hölle, gleich wird sie mich verschlingen!“
„Keine Sorge,“ sagte der Waldgeist, der mit vielen Kräutern zurückkam. „Das ist das Reich der Feuerlinge. Sie bewachen das Feuer im inneren der Erde, damit es sich nicht auf der Erde ausbreitet. Nur wenn sie sich streiten, dann kommt es zu Vulkanausbrüchen, weil sie dann zu sehr mit sich selbst beschäftigt sind. Aber ich hab dort gerade das Feuer für den brennenden Baumstamm besorgt. Es ist alles friedlich.“ Er bedeckte Lucys Wunden mit den Kräutern und wie durch einen Zauber begannen sie zu heilen. Der Schmerz ließ rasch nach, und Lucy konnte sich wieder aufrichten. Sie wanderten weiter und weiter. Das Tal der Flugsaurier näherte sich.
Lucy glaubte plötzlich die jammernde Stimme ihres ältesten Bruders zu hören. Und richtig... alle vier Jungen waren an Bäumen gefesselt!
„Oh, nein!“ rief Lucy entsetzt. „Still, sonst entdeckt man uns“, zischte der Waldgeist.
„Komm hinter den großen Baum, wir beobachten erst mal die Lage. Vielleicht können wir deine Brüder befreien.“
Die vier Jungen wurden von zwei großen starken Flugsauriern bewacht. In der Nähe waren andere Flugsaurier damit beschäftigt, ein großes Feuer zu entfachen und es wurden Kübel mit Fett herbeigeschafft.
„Wir haben nicht mehr viel Zeit. Sobald das Fett heiß ist, werden deine Brüder braten.“
Lucy war verzweifelt und wünschte sich so sehr, ihre Brüder zu retten! Der Wunsch wurde immer größer und größer. Lucy wünschte sich ein Riesendrache zu sein. Die sind zehn mal größer als die größten Flugsaurier und zehn Mal stärker.
Die Flugsaurier machten immer mehr Feuer und das Fett wurde schon flüssig. Lucys Wunsch wurde jedoch auch immer stärker. Und tatsächlich begann das Drachenmädchen schnell zu wachsen. Sie wuchs und wuchs und war schnell zu einem Riesendrachen herangewachsen.
Sie erhob sich und packte einen Flugsaurier nach dem anderen und warf sie in das heiße Fett. Dann befreite sie ihre Brüder von den Baumstämmen. Die Jungen wussten gar nicht wie ihnen geschah und ängstigten sich vor dem Riesendrachen. Doch kaum waren die Drachenkinder befreit, wurde aus dem Riesendrachen wieder die kleine Lucy.
„Lucy, Lucy unsere kleine Lucy!“ riefen die Brüder erfreut. „Wie hast du das gemacht?“
Lucy schaute ratlos drein, sie wusste es selbst nicht. Da trat der Waldgeist hervor und berichtete: „Du hast unter dem Wunschbaum gestanden und dir ganz feste etwas gewünscht, was anderen gut tut. Solche Wünsche erfüllt der Wunschbaum.“
Die Kinder staunten und waren ganz still. Da ging Lucy wieder unter den Baum und wünschte sich ganz, ganz stark, dass ihre Eltern wieder gesund würden und glaubte ganz fest daran.
Zu ihren Brüdern sagte sie: „Kommt, wir gehen wieder nach Hause, unsere Eltern sind gesund und warten auf uns.“
Der Waldgeist begleitete die Geschwister zurück. Was war das für eine Freude! Die Eltern waren genesen, liefen ihren Kindern entgegen, umarmten und küssten sie. Es wurde ein sehr großes Fest gefeiert und alle Waldgeister wurden eingeladen.
Die Jungen hatten von nun an großen Respekt vor ihrer kleinen Schwester und sie spielten alle friedlich zusammen.