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Das Märchen vom braven deutschen Mann

Beitritt
05.03.2013
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Das Märchen vom braven deutschen Mann

Es war einmal ein Junglehrer, der so glücklich war, im Jahre 1930 eine Stelle zu bekommen. In einem kleinen Ort im Harz sollte er an der einklassigen Volksschule die Kinder unterrichten.
Mit Beginn des neuen Schuljahres zog er in die Lehrerwohnung im Schulhaus ein. Ordentlich verstaute er seine wenigen Sachen in einem Schrank. Seine Bücher stellte er alphabetisch aneinandergereiht in ein Regal. Die Bibel legte er auf die Anrichte, aufgeschlagen Matthäus 1, 18-25: die Weihnachtsgeschichte. Ein Kreuz aus Oberammergau nagelte er über sein Bett an die Wand. Einen Stahlstich mit Adam und Eva von Dürer hängte er an die gegenüberliegende Wand. Vor dem Einschlafen fixierte er die nackte Eva. Unter dem Bild prangte in roten Lettern: "Adam erkannte Eva, seine Frau, sie wurde schwanger."
Am nächsten Morgen warteten die Schüler gespannt auf sein Erscheinen.
Der letzte Lehrer hatte sie oft geschlagen. Sie fürchteten und hassten ihn.
Wie würde der Neue sein?
Freundlich lächelnd betrat der Junglehrer den Raum, sagte „Frisch auf! Ich bin der neue Lehrer! Ich heiße Friedrich Wilhelm Allemann“ und sang mit den Jungen und Mädchen ein Wanderlied.
In den nächsten Wochen gewann er die Herzen der Schüler.
Im Unterricht musizierten sie viel, machten jeden Tag ein Spiel, zeichneten und lachten. Sie lernten bei ihm beinahe ohne Anstrengung und freuten sich jeden Tag auf den Unterricht.
In der Dorfgemeinschaft eroberte er die Herzen aller.
Der Junglehrer begleitete mit großer Inbrunst die Sonntagsmesse auf der Orgel. Der Gesangsverein gewann unter seiner Leitung beim Chorwettbewerb „Harzer Roller“ den zweiten Preis. Die Feuerwehr löschte unter seiner Kommandantur die Brände schneller. Die Heimatzeitung veröffentlichte jeden Samstag ein Gedicht von ihm.
Im Jahre 1933 heiratete er eine Magd von einem Bauernhof aus dem Nachbardorf.
Sie hieß Elisabeth.
In der Hochzeitsnacht erkannte er seine Frau nicht. Auch in der nächsten Nacht erkannte er sie nicht.
Nach vier Wochen endlich geschah es.
Nach dem Liebesakt nahm er seinen Ledergürtel und schlug ihn einmal mit großer Härte über den Rücken seiner Frau.
Sie sprach vor Schrecken und Angst zwei Wochen zu Hause kein Wort mit ihm.
Er half ihr im Haushalt, pflückte Blumensträuße für sie und brachte ihr Pralinen aus dem Dorfladen mit. Vor den Leuten umarmte und herzte er sie.
Wut und Hass und Angst tobten in der Lehrersgattin. Nach dem zweiten Liebesakt schlug er sie mit seinem Ledergürtel, nach dem dritten, nach dem vierten …: kühl und beherrscht, als wäre es ein bürokratischer Vorgang oder eine Hinrichtung.
Sie litt unter den Schlägen seelisch mehr als körperlich. Sie wollte sich nicht schlagen lassen.
Als sie fragte, warum er das mache, antwortete er: „Ich weiß es nicht!“
Sonst war ihr Mann vorbildlich: fürsorglich, hilfsbereit, charmant, unterhaltsam, ernsthaft, gläubig.
Er war den Schülern ein guter Lehrer und dem Dorf ein kultureller Mittelpunkt.
Immer, wenn er sie geschlagen hatte, redete sie eine Woche zu Hause kein Wort mit ihm.
Eines Tages beendete sie vorzeitig eine Schweigephase mit: „Ich bekomme ein Kind!“
Der Schulmeister überhäufte seine Frau mit Wohltaten.
Dann kam der kleine Adolf zur Welt.
Ein Jahr später kam die kleine Eva zur Welt.
Ein Jahr später kam die kleine Marlene zur Welt.
Zwei Jahre später kam der kleine Josef zur Welt.
Der Vater erzog seine Kinder hart zur deutschen Ordnung, umgarnte sie aber auch liebevoll wie Pestalozzi.
Alle Menschen weit und breit priesen ihn als idealen Vater und Ehegatten.
Auch seine Frau verehrte ihn immer mehr.
Wenn er sie nur nach einem Geschlechtsverkehr nicht schlagen würde! Das nahm die Gattin nach Abwägung aller Vor- und Nachteile ihrer Ehe mit ihm seufzend in Kauf.
Der Zweite Weltkrieg begann.
Der Gefreite Friedrich Wilhelm Allemann verhielt sich auch als Soldat vorbildlich: gehorsam, kameradschaftlich, hilfsbereit.
Er kämpfte mit zusammengepressten Lippen und tränenumflorten Augen gegen den Ansturm der Feinde.
Heftig verteidigte er in einem ungarischen Dorf seine Heimat. Nach einer mehrstündigen Schießerei herrschte plötzlich Stille.
Niemand bewegte sich.
Plötzlich zirpte eine Geige eine Melodie.
Sie tönte aus einem Stall.
Der Lehrer rannte zu dem Gebäude.
Er stieß die Tür auf.
Mitten im leeren Raum stand ein Geiger mit einer Blindenbrille und fiedelte das „Ave Maria“ von Gounod.
Der Lehrer riss sein Messer aus dem Stiefelschaft und stieß es dem Blinden in den Magen. Einmal, zweimal dreimal …
Ein zwölfjähriges Mädchen hatte sich in eine Ecke verkrochen und verfolgte mit großen Augen das Abschlachten.
Es war die Tochter des Geigers.
Der Lehrer vergewaltigte das Kind. Nach dem Geschlechtsverkehr nahm er seinen Ledergürtel und schlug ihn einmal mit großer Härte über den Rücken des Kindes.
Dann rannte er aus dem Stall.
Der Krieg ging zu Ende.
Der Lehrer Friedrich Wilhelm Allemann kam nach Hause.
Alle begrüßten ihn freudig.
Er begann mit dem Unterricht, mit dem Orgelspiel in der Kirche, mit dem Feuer löschen, mit den Proben des Gesangsvereins. In der Kreiszeitung erschienen seine Gedichte über Kameradschaft im Feld, das Schicksal Deutschlands und die Liebe zur Heimat.
Er fasste wieder Tritt.
Das Leben ging weiter und wurde schöner und angenehmer.
Der Dorflehrer unterstützte seine vier Kinder hilfreich in allen Phasen ihres Lebens.
Die Dorfleute wählten ihn zum Bürgermeister.
Der Schulrat belobigte ihn mehrmals.
Der Landesvater lud ihn mehrmals zum Neujahrsempfang ein.
Er ließ sich ein gemütliches Heim im Waldhausstil bauen.
Seine Frau richtete ihm ein Nest deutscher Behaglichkeit ein.
Sie waren glücklich.
Besonders seine Frau.
Nie mehr hatte er sie mit dem Ledergürtel geschlagen.

 

Hallo Wilhelm Berliner,


zunächst heiße ich dich hier auf kurzgeschichten.de herzlich willkommen und gehe in medias res:


Deine Geschichte lässt mich ein wenig ratlos zurück.

Zunächst zum Stil. Ich fand es passend, dass du das Leben der Leute aus dieser Zeit auch in einer etwas ältlich gehaltenen Sprache darstellst, das unterstreicht die Atmosphäre gut.
Gestört hat mich teils die Kürze der Sätze, nein eigentlich die nicht, sondern die fehlende Melodie, der Rhytmus. Versuche bitte einmal den Klang deines Textes zu erhorchen, wenn du ihn dir vorliest.
Das holpert teils ein wenig und mich hat das im Lesefluß gehemmt.

Dann kommt diese Stelle:

In der Hochzeitsnacht erkannte er seine Frau nicht. Auch in der nächsten Nacht erkannte er sie nicht.
Nach vier Wochen endlich geschah es.

und ich denke, oh je, der hat einen Schlaganfall bekommen, denn er erkennt seine Frau nicht wieder. Es bahnt sich Tragisches an.
Aber weit gefehlt, du willst damit etwas umschreiben und dich frage mich, wozu du das machst. Denn ein wenig später beschreibst du doch genau, dass er seine Frau nach dem Geschlechtsverkehr schlägt.

Ich schlage vor, du lässt einfach den von mir oben zitieren Absatz weg, die Geschichte leidet inhaltlich nicht drunter und du stiftest auch keine Verwirrung mit seltsamen Umschreibungen.

Der Punkt, dass ansonsten bei diesem Menschen alles in perfekter Ordnung zu sein scheint, er aber, ja was eigentlich, eine seltsame Angewohnheit gegenüber seiner Frau hat, ist das entscheidende Thema der Geschichte.

Denke ich.
Zum Ende hin beschreibst du aber, dass er nach der Vergewaltigung des Kindes, das er auch schlägt, von seinem weiteren Drang, es zu tun, quasi geheilt ist.
Wenn ich mich bis zu dieser Szene noch laufend gefragt habe, wann du mir mehr Informationen über diesen Mann gibst, damit ich begreife, was er da macht, wird es jetzt mit dieser Straftat an dem Kind erst recht nicht mehr verständlich. Ab diesem Zeitpunkt ist mir die Antwort auf die Frage, weshalb er so ist wie er ist, völlig ins Dunkel getaucht und ich bleibe als Leserin frustriert zurück.
Würde er am Ende der Geschichte nicht von seinem Zwang befreit sein, käme ich noch am ehesten damit klar, so aber wird es für mich einfach nur menschlich unlogisch.

Bislang habe ich nämlich sein Verhalten so gedeutet, dass es eine Art Übersprungshandlung ist. Im Grunde genommen schämt, verurteilt er sich selbst für seine sexuellen Handlungen, eigentlich müsste er die Aggressionen gegen sich richten, statt dessen reagiert er sich durch die Schläge aber an einem anderen Menschen ab. Seine Frau wird nach dem Geschlechtsakt zur Stellvertreterin an seiner Statt und zu seiner Büßerin.

Der Vorfall im Krieg wird von mir als aufgestaute Aggressionshandlung gedeutet. Er, der ja die Musik vermutlich liebt, würde in Friedenszeiten jeden, der musiziert willkommen heißen. Randgefüllt mit Todesangst und geschürtem Hass gegen den Feind ist jjedoch diese Seite seines Charakters überlagert von seinen aktuellen Gefühlen. Dazu gehört auch die Erniedrigung der Frauen und Kinder, die perfide Rache am Feind, indem man ihnen das Liebste entehrt oder gar nimmt. Ich schreibe also sein Verhalten im Krieg, dem grausamen Druck des Krieges zu, da ist er paralysiert und nicht der, der er sonst ist, wenn auch er das alte Verhaltensmuster, also das Schlagen nach dem Geschlechtsverkehr, aufrecht erhält.


Wenn aber meine Deutung richtig ist, dann passt das Ende nicht.

Ich will damit sagen, dass das Thema deiner Geschichte interessant ist. Die Umsetzung jedoch nebulös bleibt. Ich habe den Eindruck, es fehlen entscheidende Informationen über den Protagonisten, die mich in die Lage versetzen, in seinen Kopf zu schauen. Der Mann löst in mir weder Empathie noch Antipathie aus, er bleibt seltsam fremd.
Daran krankt für mich diese Geschichte. Sie wirkt dadurch nicht tiefgründig, obwohl der eigentliche Plot es benötigen würde.


Ein wenig Textkram:
Den nachfolgenden Absatz würde ich komplett entfallen lassen, denn zuvor hast du bereits alles beschrieben. Der aufmerksame Leser und von dem kannst du getrost ausgehen, hat alle Informationen bereits von dir erhalten. Wenn du jetzt wiederholst, ist das so als würdest du dem Leser nicht trauen.


Sonst war ihr Mann vorbildlich: fürsorglich, hilfsbereit, charmant, unterhaltsam, ernsthaft, gläubig.
Er war den Schülern ein guter Lehrer und dem Dorf ein kultureller Mittelpunkt.

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo Wilhelm,

mir ging es genauso wie lakita. Ich konnte mit dem:

In der Hochzeitsnacht erkannte er seine Frau nicht. Auch in der nächsten Nacht erkannte er sie nicht.
Nach vier Wochen endlich geschah es.

überhaupt nichts anfangen und dachte die ganze Zeit beim Lesen, dass es sich ja wohl noch auflösen wird. Ich führe das jetzt als Wiederholung in der Kritik bewusst noch einmal an, damit du nicht denkst, lakita sei ein Einzelfall.


Mir hätte es auch besser gefallen, wenn du bei den einzelnen Stationen etwas mehr hergezoomt hättest, also aus der Erzählerperspektive ausgebrochen wärest, hinein in ein paar markante Dialoge.

Mir ist der Beweggrund der Schläge und das Nicht-mehr-Schlagen nach der Vergewaltigung auch nicht klargeworden. Wenn du darstellen willst, dass hinter einer perfekten Fassade einiges gären kann, dann sollte man als Leser meiner Ansicht nach auch kleine Details einstreuen, die die Handlung nachvollziehbarer machen. Das wäre evtl. durch ein paar reflektierende Gedanken von ihm machbar.

Auch von mir ein herzliches Willkommen auf kg.de -
viele Grüße
bernadette

 

Hallo Wilhelm Berliner!

Deine Geschichte verstehe ich als gesellschaftskritisches Psychogramm eines frommen Katholiken, der einen Marien-Komplex hat, das heißt, die ideale Frau für ihn ist unbefleckt, von mädchenhafter Reinheit. Deshalb wohl enthält dein Text die Bibelstelle Matthäus 1, 18-25, in der es um das katholische Ideal der unbefleckten Empfängnis geht.

Zu der Frömmigkeit des Protagonisten würde auch die Verwendung des altmodischen Wortes "erkennen" in der Bedeutung von "beiwohnen" passen, das auf biblischen Sprachgebrauch zurückgeht, zum Beispiel in 1. Moses:

Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain und sprach: Ich habe einen Mann gewonnen mit dem HERRN

Und Kain erkannte sein Weib, die ward schwanger und gebar den Henoch

Dass dieser Katholik seine Frau nach der "Befleckung" schlägt, geschieht wohl aus Groll, weil sie nicht mehr diesem Marien-Ideal entspricht.

Das gleiche gilt wohl auch für das 12-jährige Mädchen, das befleckt und geschändet worden ist - unserem im Gegenwartsdeutschen auch von Nicht-Katholiken oft benutztem Begriff "Kinderschänder" liegt auch dieses Ideal kindlicher Reinheit zugrunde.

Die Szene im Stall verstehe ich so: Das Mädchen hat ihrem Vater beim Musizieren zugehört und sich vor dem eindringenden deutschen Soldaten verkrochen. Aber warum tötet der Protagonist den Vater? Bestraft er ihn vielleicht für etwas Böses? Aber was könnte das sein? Musizieren ist doch etwas Unschuldiges! - Nun, die Psychoanalyse betrachtet Musikmachen als sublimierte Sexualität, dann wäre es nicht mehr so unschuldig; in der Person des blinden Geigers bestraft der Protagonist sich selbst für seine verdrängten inzestuösen Wünsche.


Grüße gerthans

 

Hallo Wilhelm Berliner,

auch von mir ein Willkommensgruss.

"Und Adam erkannte sein Weib Eva, und sie ward schwanger und gebar den Kain 1. Mose 4..."
Das biblische 'erkannte' heisst im griechischen so viel wie 'berührte', dh. 'er erkannte sie nicht' = es findet kein Geschlechtsakt statt. Soviel für lakita und bernadette :)

Mit dem Hinweis auf Bibel - Weihnachtsgeschichte - und Kreuz legst du schon eine Spur zum Verständnis deiner Geschichte. Auch mit der Zeitangabe: 1930/33. Nach den ausufernden 20iger Jahren wurde die Gesellschaft unter den Nazis sehr prüde. Vor allem in Bayern. (Kreuz aus Oberammergau) Allerdings nur vordergründig! Und das bringst du schon gut rüber: Wahrscheinlich will der Junglehrer seine Frau dafür bestrafen, dass sie ihn verführte, dass er sie erkennen musste und damit natürlich auch seine Lust. Ich finde auch die Sprache deiner Geschichte passend. Dieses Gemisch aus Beamtendeutsch und Zackigkeit. Liest sich nicht schön, passt aber in die Zeit.
Nur: Dies ist ja ein literarischer Text und keine Eins-zu-Eins Widergabe des Zeitgeistes. Also da könntest du schon Unterscheidungen machen z.B zwischen Dialogen (Zack-zack Sprache) und Beschreibungen (literarische Darstellung). Hier ist es mehr ein Bericht: Die Personen sind aus grosser Distanz beschrieben, ihre Handlungen ebenfalls - das lese ich, bleibe aber unberührt. Die innerlichen Kämpfe dieses Junglehrers und seiner Frau muss ich erraten - weiss aber dann nicht, ob du meintest, was ich mir denke. Da darfst du als Autor schon mehr aus dir herausholen. Mehr Intensität, mehr Leid, mehr Not. So ist das noch ein sehr roher, fast skizzenhaft geschriebener Text.

Ich hoffe, du kannst etwas anfangen mit meinem Kommentar.
Viel Schreibfreude noch und lieben Gruss,
Gisanne

 

Hallo Gisanne!

Welch Zusammentreffen - wir beide um 16.10!

Du deutest:

Wahrscheinlich will der Junglehrer seine Frau dafür bestrafen, dass sie ihn verführte, dass er sie erkennen musste und damit natürlich auch seine Lust.

Volle Zustimmung!


Die innerlichen Kämpfe dieses Junglehrers und seiner Frau muss ich erraten

Das ist doch gut, wenn eine Geschichte die Fantasie des Lesers mobilisiert. Dann wird der Leser mitschöpferisch - so ist es mir auch ergangen.

Grüße
gerthans

 

Hallo lakita
vielen Dank für Deinen Willkommensgruß.
Vielen herzlichen Dank für die hilfreiche Kritik.
Vielleicht eine Anmerkung zu dem "Schreibanlass": Zwei Fotografien von August Sander hatte ich als Vorlage genommen und versucht, diese in Text und Geschichte umzuwandeln. Hier ein Link zu einem Bild, dem Lehrer: http://madamepickwickartblog.com/wp-content/uploads/2011/11/sander14.jpg, das zweite stellt einen Geiger mit einem Mädchen dar. Dazu habe ich keinen Link gefunden.
Der Nüchternheit der Fotografien sollte meine „unmelodiöse" Sprache entsprechen, aber auch das Militärische dieser Zeit andeuten: „Weicher Kern in harter Schale“.

Dann kommt diese Stelle:


und ich denke, oh je, der hat einen Schlaganfall bekommen, denn er erkennt seine Frau nicht wieder. Es bahnt sich Tragisches an.
Aber weit gefehlt, du willst damit etwas umschreiben und dich frage mich, wozu du das machst. Denn ein wenig später beschreibst du doch genau, dass er seine Frau nach dem Geschlechtsverkehr schlägt.

Ich schlage vor, du lässt einfach den von mir oben zitieren Absatz weg, die Geschichte leidet inhaltlich nicht drunter und du stiftest auch keine Verwirrung mit seltsamen Umschreibungen.

Das wichtigste Wort ist "erkannte". Diese Anspielung auf das Trauma im Paradies, als nach dem Biss in den Apfel vom Baum der Erkenntis Adam und Eva die Sexualität wahrnahmen, bezieht sich nicht nur auf Geschlechtsverkehr, sondern auch auf den Realitätbezug der Welterkenntnis. Eingebettet in gesellschaftliche Konventionen als Korsett, als Halt im Leben, zwingt den Lehrer die Ekstase des GV zu einer Neuorientierung, der er sich anfangs verweigert, dann nur mit "schlechtem Gewissen" stellt und durch Schlagen davon "befreit". Der Schock darüber, wie er sich im Krieg ohne äußere Not verhalten hat, bringt ihn zum Umdenken. Auch gesellschaftspolitisch hat eine Verwandlung von der Dominanz des militärischen Denkens zu mehr humanem Denken nach dem Krieg stattgefunden. Diese Wandlung wollte ich darstellen.
Bislang habe ich nämlich sein Verhalten so gedeutet, dass es eine Art Übersprungshandlung ist. Im Grunde genommen schämt, verurteilt er sich selbst für seine sexuellen Handlungen, eigentlich müsste er die Aggressionen gegen sich richten, statt dessen reagiert er sich durch die Schläge aber an einem anderen Menschen ab. Seine Frau wird nach dem Geschlechtsakt zur Stellvertreterin an seiner Statt und zu seiner Büßerin.
Sehr richtig
Der Mann löst in mir weder Empathie noch Antipathie aus, er bleibt seltsam fremd.
Dieses Empfinden hatte ich beim Betrachen des Fotos auch. Ich sehe den Mann mit seinem Hund und verstehe ihn nicht. Deshalb habe die Geschichte geschrieben, um mein Verstehen zu entwickeln.
Ein wenig Textkram:
Den nachfolgenden Absatz würde ich komplett entfallen lassen, denn zuvor hast du bereits alles beschrieben. Der aufmerksame Leser und von dem kannst du getrost ausgehen, hat alle Informationen bereits von dir erhalten. Wenn du jetzt wiederholst, ist das so als würdest du dem Leser nicht trauen.
Richtig


Herzliche Grüße und vielen Dank für die Hinweise
Wilhelm

 
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Zuletzt von einem Teammitglied bearbeitet:

Hallo Bernadette,
vielen Dank für Willkomm und Hilfe. Einiges habe ich schon an lakita geschrieben.

Mir hätte es auch besser gefallen, wenn du bei den einzelnen Stationen etwas mehr hergezoomt hättest, also aus der Erzählerperspektive ausgebrochen wärest, hinein in ein paar markante Dialoge.
Es gab in der Weimarer Zeit die kalte Persona. Diese Erzählhaltung wollte ich gerne einhalten: kurz, knapp, gefühlskalt, eisig, ohne Psychologie, wie mir das Foto von Sander zu sein scheint. Im Stil der Neuen Sachlichkeit.

Mir ist der Beweggrund der Schläge und das Nicht-mehr-Schlagen nach der Vergewaltigung auch nicht klargeworden. Wenn du darstellen willst, dass hinter einer perfekten Fassade einiges gären kann, dann sollte man als Leser meiner Ansicht nach auch kleine Details einstreuen, die die Handlung nachvollziehbarer machen. Das wäre evtl. durch ein paar reflektierende Gedanken von ihm machbar.
Das, so hoffe, ich wird der Leser tun. Die Personen sind so schattenhaft, dass der Leser ergänzen muss. In seinen Ergänzungen erfährt es sehr viel über sich sellber. Die Figuren sind Projektionsflächen für ihn.

Einen schönen Sonntag wünscht Wilhelm.

Hallo gerthans
vielen Dank!
Deinem Beitrag habe ich nichts hinzuzufügen.
Herzliche Grüße
Wilhelm

Liebe Gisanne,
vielen Dank für Deine Hinweise.


Mit dem Hinweis auf Bibel - Weihnachtsgeschichte - und Kreuz legst du schon eine Spur zum Verständnis deiner Geschichte. Auch mit der Zeitangabe: 1930/33. Nach den ausufernden 20iger Jahren wurde die Gesellschaft unter den Nazis sehr prüde. Vor allem in Bayern. (Kreuz aus Oberammergau) Allerdings nur vordergründig! Und das bringst du schon gut rüber: Wahrscheinlich will der Junglehrer seine Frau dafür bestrafen, dass sie ihn verführte, dass er sie erkennen musste und damit natürlich auch seine Lust. Ich finde auch die Sprache deiner Geschichte passend. Dieses Gemisch aus Beamtendeutsch und Zackigkeit. Liest sich nicht schön, passt aber in die Zeit.
Volle Zustimmung

Nur: Dies ist ja ein literarischer Text und keine Eins-zu-Eins Widergabe des Zeitgeistes. Also da könntest du schon Unterscheidungen machen z.B zwischen Dialogen (Zack-zack Sprache) und Beschreibungen (literarische Darstellung). Hier ist es mehr ein Bericht: Die Personen sind aus grosser Distanz beschrieben, ihre Handlungen ebenfalls - das lese ich, bleibe aber unberührt. Die innerlichen Kämpfe dieses Junglehrers und seiner Frau muss ich erraten - weiss aber dann nicht, ob du meintest, was ich mir denke. Da darfst du als Autor schon mehr aus dir herausholen. Mehr Intensität, mehr Leid, mehr Not. So ist das noch ein sehr roher, fast skizzenhaft geschriebener Text.
Ich hatte den kalten Blick des Fotografen als Erzählhaltung gedacht. Gerade das Rohe sollte beim Leser den Wunsch wecken, das Leid hinter der eisigen Fassade zu erfassen.
Ich hoffe, du kannst etwas anfangen mit meinem Kommentar.
Ich bin Dir dankbar für die Hinweise.
Herzliche Grüße
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm,

also das Foto...wow...genauso hätt ich ihn mir vorgestellt. Insoweit ist deine Geschichte gelungen, diesen Typen auf dem Foto hast du beschrieben.


Zum Thema dann "erkannte" er sie, ist mir nun klar, was du gemeinst hast.

Im Grunde stellt sich mir dann die Frage, für wen du diese Geschichte geschrieben hast. Für Leute mit der entsprechenden Vorbildung? An dieser Stelle befindet sich ja für alle Nichteingeweihten ein echter Hakler in der Geschichte. Ist das geschickt, es so stehen zu lassen? Gibt es nicht vielleicht irgendeine elegante Möglichkeit das eine mit dem anderen zu verbinden, sprich, meine Blödheit auszuräumen, während die Wissenden weiter wissen dürfen? :D

Lieben Gruß

lakita

 

Hallo lakita

also das Foto...wow...genauso hätt ich ihn mir vorgestellt. Insoweit ist deine Geschichte gelungen, diesen Typen auf dem Foto hast du beschrieben.
Das freut mich sehr, denn es zeigt mir, dass mir mein Vorhaben gelungen ist.


Im Grunde stellt sich mir dann die Frage, für wen du diese Geschichte geschrieben hast. Für Leute mit der entsprechenden Vorbildung? An dieser Stelle befindet sich ja für alle Nichteingeweihten ein echter Hakler in der Geschichte. Ist das geschickt, es so stehen zu lassen? Gibt es nicht vielleicht irgendeine elegante Möglichkeit das eine mit dem anderen zu verbinden, sprich, meine Blödheit auszuräumen, während die Wissenden weiter wissen dürfen? :D
Man kann nicht alles wissen. Die Sprache der Bibel ist nicht mehr so geläufig. Das hatte ich übersehen. Ich werde über eine andere Möglichkeit nachdenken, Eine wäre, das Zitat aus der Genesis voranzustellen. Gut?
"Adam erkannte Eva, seine Frau; sie wurde schwanger und gebar Kain."
Herzliche Grüße
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm,

wenn du das Zitat voranstellst, wird das garantiert schlüssiger für den Leser. Du musst dir aber auch darüber klar sein, dass so ein vorangestelltes Zitat den Fokus direkt auf dieses Augenmerk führt. Das kann von Vor-, aber auch von Nachteil sein.

Von daher ist für dich zu entscheiden, ob du das als Zitat voranstellst oder galant im Text integrierst.

Viele Grüße
bernadette

 

Änderung

Liebe Kommentatoren!
Vielen Dank für die Hinweise.
Ich habe einiges geändert. Es war für mich eine sehr produktive Diskussion, die (hoffentlich) zu Verbesserungen geführt hat.
Vielen herzlichen Dank!
Wilhelm

 

Hallo Wilhelm

Auch von mir ein nachträgliches Herzlich Willkommen im Forum!

Du behandelst in dieser Geschichte gleich zwei relativ schwierige Themen: Zum einen den Missbrauch innerhalb der Familie, zum anderen den Missbrauch bzw. die Verbrechen während eines Krieges.

Schwierig sind die Themen vor allem deshalb, weil die Taten so unverständlich sind und den Grossteil der Bevölkerung meist ratlos zurücklassen, wenn sie denn mal ans Licht kommen. Man fragt sich, was treibt diese Menschen an - was macht sie zu dem, was sie sind? Und würden wir bei ähnlichen Bedingungen vielleicht ähnlich reagieren? Schnell sind sie als "Monster" oder "Einzelfälle" abgetan - macht es sich die Gesellschaft da vielleicht zu einfach?

Das, so hoffe, ich wird der Leser tun. Die Personen sind so schattenhaft, dass der Leser ergänzen muss. In seinen Ergänzungen erfährt es sehr viel über sich sellber. Die Figuren sind Projektionsflächen für ihn.

Hier machst du es dir dann zu einfach. Hier mal ein Beispiel:

Nach vier Wochen endlich geschah es.
Nach dem Liebesakt nahm er seinen Ledergürtel und schlug ihn einmal mit großer Härte über den Rücken seiner Frau.

Ich kann hier alles mögliche ergänzen, sehe aber keine Projektionsfläche für mich. Weil ich einfach zu wenig über diesen Lehrer weiss. Der Text liefert mir da keine Anhaltspunkte. Es reicht dann nicht, die Taten zu zeigen und zu sagen, so, lieber Leser, jetzt überleg dir selbst mal, warum das so sein könnte. Dann geh ich im Kopf allerhöchstens andere Geschichten oder Filme durch, in der ähnliche Figuren auftraten, deren Verhalten dort erklärt wurde - und denke, Mensch, jetzt hab ichs. Das ist dann aber nicht deine Leistung, sondern die der anderen Geschichte :)
Du machst hier das andere Extrem, als wenn der Autor dem Leser seine Gedanken vorkaut und wenig subtil alles niederschreibt. Ich finde es wichtig, da einen Mittelweg zu finden. Du hast dir doch bestimmt was gedacht bei diesem Text - also ich gehe davon aus, dass du mehr über diesen Lehrer weisst, als du hier niederschreibst. Warum lässt du uns nicht ein bisschen mehr in sein Leben blicken?

Gerade diese Projektionsfläche, die du erwähnst - die kannst du ja nur schaffen, wenn du auch die Umstände beschreibst, wenn überhaupt mal eine Grundlage da ist. Dann kann man sich fragen: Hätte ich unter diesen Umständen vielleicht auch so gehandelt?

Also auch wenn ich hier ins selbe Horn blase wie die anderen Kommentatoren: Geh doch ein wenig näher ran an diese Figur. Dann schaffst du es auch, dass sich der Leser leichter in sie hineinversetzen, ja sie vielleicht ein Stück weit verstehen kann. So, mit dieser Distanz, dieser Kühle, fällt mir das zu schwer.

Diese Erzählhaltung wollte ich gerne einhalten: kurz, knapp, gefühlskalt, eisig, ohne Psychologie, wie mir das Foto von Sander zu sein scheint. Im Stil der Neuen Sachlichkeit.

Ist dir auch gelungen. Manchmal hätte ich mir trotzdem mehr Abwechslung gewünscht, da ist es mir dann zu eintönig:

Dann kam der kleine Adolf zur Welt.
Ein Jahr später kam die kleine Eva zur Welt.
Ein Jahr später kam die kleine Marlene zur Welt.
Zwei Jahre später kam der kleine Josef zur Welt.

Er fasste wieder Tritt.
Das Leben ging weiter und wurde schöner und angenehmer.
Der Dorflehrer unterstützte seine vier Kinder hilfreich in allen Phasen ihres Lebens.
Die Dorfleute wählten ihn zum Bürgermeister.
Der Schulrat belobigte ihn mehrmals.
Der Landesvater lud ihn mehrmals zum Neujahrsempfang ein.

Insgesamt klingt das jetzt alles negativer, als ich es empfunden habe - also, grundsätzlich finde ich das interessante Themen für eine literarische Umsetzung, vor allem das Verhalten des Mannes im Krieg. Das sind auch aktuelle und gesellschaftlich wichtige Themen. Das ist eine ambitionierte Aufgabe, sich an so was ranzuwagen - mein Ratschlag an dich ist einfach, mehr von deinen Gedanken in den Text zu packen. In dieser Form ist mir das noch zu schlicht.

Wie auch immer, bin auf weitere Geschichten von dir gespannt ... viel Spass noch hier beim Schreiben und Kommentieren.

Viele Grüsse,
Schwups

 

Hallo Schwups
Vielen Dank für die freundliche Begrüßung und die Kritik.

Schwierig sind die Themen vor allem deshalb, weil die Taten so unverständlich sind und den Grossteil der Bevölkerung meist ratlos zurücklassen, wenn sie denn mal ans Licht kommen. Man fragt sich, was treibt diese Menschen an - was macht sie zu dem, was sie sind? Und würden wir bei ähnlichen Bedingungen vielleicht ähnlich reagieren? Schnell sind sie als "Monster" oder "Einzelfälle" abgetan - macht es sich die Gesellschaft da vielleicht zu einfach?
Als Kind hörte ich immer wieder Geschichten vom Krieg. Der Erzählduktus der Männer war immer gleich: Schilderungen von Taten mit den Wertungen gut/böse; Erzähler gut, andere böse. Bei Neitzel/Welzer: "Soldaten" gibt es ähnliche Geschichten. Man tut die Kriegsverbrecher heute nicht mehr als Einzelfälle ab. Erklärungen gibt es viele: Harald Welzer: "Täter. Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder wurden." Viele der Erzählungen von damals waren von ähnlicher Kürze wie mein "Märchen". Der Inhalt nur: Schilderung von "heldenhaften" Taten.


Weil ich einfach zu wenig über diesen Lehrer weiss. Der Text liefert mir da keine Anhaltspunkte.
Man weiß doch, dass er ordentlich ist, religiös ist, musikalisch ist ...?


In dieser Form ist mir das noch zu schlicht.
Lange habe ich über die Gattung nachgedacht. Ich habe mich für Märchen entschieden. Stereotype Figuren, Formelhaftigkeit, Trennung Gut/Böse sind Kennzeichen von Märchen.
Ratlosigkeit zu erzeugen, daran kann ich auch Vorteile sehen in einer Zeit, in der es so viele "Ratgeber" gibt. Tatsächlich ist die Herstellung von Ratlosigkeit ein Distanzierungsversuch, ein Verfremdungseffekt, um aus dem Alltag auszusteigen.
Ratlosigkeit und Staunen sind Anregungen zum Denken.
Wie auch immer, bin auf weitere Geschichten von dir gespannt ...
Und ich auf Deine weiteren Kritiken. Es ist ja das Kritisieren und Antworten auf Anregungen ebenso interessant wie das Schreiben von Geschichten.
Herzliche Grüße
Wilhelm

 

Salü Wilhelm,

ich nochmal, weil ich diesen Satz von dir heikel finde:

Lange habe ich über die Gattung nachgedacht. Ich habe mich für Märchen entschieden. Stereotype Figuren, Formelhaftigkeit, Trennung Gut/Böse sind Kennzeichen von Märchen.
Deine Geschichte ist ja eben gerade kein Märchen und zum Glück hast du sie in Gesellschaft eingestellt und im Titel die Ironie gesetzt. Aber dies nur als Hinweis. :) Gehörte sie in die Gattung 'Märchen', würde sie die Historie umschreiben.
Ja, die Überarbeitung hat deiner Geschichte gut getan. Und nachdem ich das Foto sah, sind mir noch viele Gedanken durch den Kopf, die du einarbeiten könntest, um den Mann näher zu bringen: Er hat einen Schäferhund (um sich als stark und unangreifbar darzustellen?), er hat einen gutbürgerlichen Bauch (isst er vielleicht die Pralinen, die er seiner Elisabeth bringt gerne selber?), sein Blick verrät mir gespielte Unsicherheit und Hochmut (ist er Einer, der gerne den Ton angibt?), usw. Das alles kannst du in Nebensätzen einfügen und schaffst damit ein Persönlichkeitsbild und übernimmst die Ironie, die du im Titel schon anbietest.

Aber ja, ich hab schon verstanden, dass du es kurz wolltest. Nur mir fehlt doch noch ein bisschen Fleisch am Knochen - weil ich die Geschichte gut finde! Sie hätte das 'etwas mehr' verdient.

Lieben Gruss,
Gisanne

 

Salute Gisanne,


Deine Geschichte ist ja eben gerade kein Märchen und zum Glück hast du sie in Gesellschaft eingestellt und im Titel die Ironie gesetzt. Aber dies nur als Hinweis. :) Gehörte sie in die Gattung 'Märchen', würde sie die Historie umschreiben.
Märchenelemente sind drinnen, auch das Happy end, aber auch die distanzierende Ironie. Die besteht darin, Bürgers Lied "Vom braven Mann" in seiner Vorbildhaftigkeit für manche Deutsche in den entsprechenden Zeiten zu zeigen:
Hoch klingst du, Lied vom braven Mann,
Wie Orgelton und Glockenklang!
Wer solches Muts sich rühmen kann,
Den lohnt kein Gold, den lohnt Gesang.
Gottlob! daß ich singen und preisen kann,
Unsterblich zu preisen den braven Mann.
zitiert nach: http://www.balladen.de/web/sites/balladen_gedichte/autoren.php?b05=23&b16=31, 12.03.2013
Der brave (deutsche) Mann ist der Retter von was auch immer?
Du hast recht, dass die geschichtliche Einbindung nicht märchenlike ist. Vielleicht habe ich ein wenig zu viel mit Bedeutungen gespielt und sie zu wenig ausgeführt, sodass ich vieles nachvollziehen kann, ein Leser nicht.

Ja, die Überarbeitung hat deiner Geschichte gut getan. Und nachdem ich das Foto sah, sind mir noch viele Gedanken durch den Kopf, die du einarbeiten könntest, um den Mann näher zu bringen: Er hat einen Schäferhund (um sich als stark und unangreifbar darzustellen?), er hat einen gutbürgerlichen Bauch (isst er vielleicht die Pralinen, die er seiner Elisabeth bringt gerne selber?), sein Blick verrät mir gespielte Unsicherheit und Hochmut (ist er Einer, der gerne den Ton angibt?), usw. Das alles kannst du in Nebensätzen einfügen und schaffst damit ein Persönlichkeitsbild und übernimmst die Ironie, die du im Titel schon anbiett.
Zustimmung! Allein über die Bedeutung des Schäferhundes im Dritten Reich könnte und möchte ich viele Seiten schreiben. Ich habe mich angesichts dieses Bildes (und anderer von Sander) beherrschen müssen, um nicht zu erzählen noch und noch.

Aber ja, ich hab schon verstanden, dass du es kurz wolltest. Nur mir fehlt doch noch ein bisschen Fleisch am Knochen -
Natürlich waren die ersten Fassungen länger, aber auch emotionaler, "fleischiger". Es schlich sich meiner Meinung nach zu viel Ironie ein. Auch einerseits Verachtung für die Figur, andererseits auch Angst vor diesem "Untertan". Das wollte ich reduzieren, um der Peinlichkeit zu großer Emotionalität zu entgehen.
weil ich die Geschichte gut finde!
Es freut mich sehr, denn ich finde sie nicht nur gut, sondern "wahr", d. h. ich habe "wirkliche" Erzählungen zusammengefügt. Die Berichte über Blutrauschorgien findet man nicht oft in der offiziellen Literatur. Manche werden nur im vertraulichen Kreis gestanden.
Sie hätte das 'etwas mehr' verdient.
Meine Frage: Wie viele Wörter?

Vielen Dank für die Hinweise. Er war mir ein Vergnügen, auf sie zu reagieren.
Herzliche Grüße
Wilhelm

 

Unter dem Bild prangte in roten Lettern: "Adam erkannte Eva, seine Frau, sie wurde schwanger",
die (vielleicht BLUT-)ROTEN Lettern unter dem Bild verweisen auf das Kapitel des Brudermordes,

lieber Wilhelm.

Doch alles schon gesagt? Ich meine: Nee!

Mir fällt eine gewisse Nähe zu Kleist, was selbstverständlich zunächst auf Unverständnis stoßen muss, aber Kleist war auch nicht immer „der Kleist“ (nicht zu verwechseln mit dem älteren dichtenden Offizier der Familie). Aber Kleist ließ sich oft durch Bilder (Gemälde) zu seinen Texten anregen wie auch beim Zerbrochenen Krug, mit dem Kleist den Sündenfall, den Mythos direkt vorm Brudermord, literarisch in die Niederlande und seine Zeit versetzt. Nun, löst sich der Fall bei Kleist auf, so bleibt bei Dir die Gewaltneigung des Allemann (aus dem man einerseits das frz. Allemagne erkennen mag, andereseits die suebischen Volksstämme, die sich schon vor der Völkerwanderungszeit „alle Männer“ nannten) hinter gutbürgerlichen Mauern verborgen, wie ja auch Adolf Eichmann "nur" seine Pflicht tat. Wobei mir auch eine Kleistsche Novelle des Titels „die Gewalt der Musik“ und sich mit dem Schicksal der Heiligen Cäcilie auseinandersetzt (da hab ich nun nicht parat, ob er auch da von einem Bild angeregt wurde). Auch Kleist schildert Gewaltverhältnisse, vor allem aber –taten und das oft herzlich brutal (wenn etwa Kohlhaas des Junkers Kopf gegen die Wand klatscht).

Es war einmal ein Junglehrer, der so glücklich war, im Jahre 1930 eine Stelle zu bekommen.
Kindlicher Glaube spricht der märchenhaften Formel „es war einmal“ magische Kräfte zu – und hier hat in schwerer Zeit – der Schwarze Freitag wird noch auf Jahre nachwirken – dass es märchenhaft und wie ein Glückslos klingt, als junger Mann eine Stellung zu bekommen (freilich will mir die Partikel „so“ entbehrlich erscheinen) und nach dem Kriege setzt sich das Glück fort (geht auch gar nicht anders, denn wo sollten die neu gebildeten Deutschen Staaten ihr Personal hernehmen?), indem die Schandtaten der Wehrmacht (denn es war nicht nur das Versehen, pardon, das Vergehen eines je Einzelnen, Terror war erwünscht) bis in die 1990-er Jahre verschwiegen und geleugnet werden und als Wehrmachtsausstellung erst einmal Entrüstung erzeugen.

Vllt. sollen die kurzen und wenig kleistisch wirkenden Sätze von Kleist ablenken, wobei selbstverständlich noch ein Unterschied besteht: Kleist benennt den Grund der Gewalt.

Nu is' abba jenuch für heute!

Gruß

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo Friedel,
ein neuer Tag beginnt und damit neues Denken und Erzählen. Schön ist Dein Hinweis auf den (Musik)Brudermord von Allemann. Sicher sind Eichmann, mehr noch Rudolf Höß, VorBilder für den Lehrer, also banale Jedermänner, die Tod und Teufel holen müssten, wenn die ihren Beruf ernst nähmen. Jedermänner sind sie, die weiterleben, als wäre nichts geschehen und für die auch nichts geschehen war: "War da was?". Eisblöcke!
Kleist benennt Gründe für Gewalt. Die Figur des Lehrers ist nicht zu verstehen. Alle Erklärungen zum Verstehen von Gewalt, seien sie politisch, individualpsychologisch, gruppenpsychologisch, religiös, biologisch, kommunikationstheoretisch, psychoanalytisch, bürokratietheoretisch, ideologisch, soziologisch, hirnphysiologisch, militärisch, moralisch, suchtbedingt, familiär, erblich umreißen zwar das Thema wortreich, reißen mich nicht hin, sie für ausreichend zu halten. Jeder schmeißt etwas in den Suppentopf der Gewaltursachen, deren Verkostung als Appetizer Hoffnung auf die Weiterführung zum nächsten Gang macht, vielleicht sogar mit einem Sättigungseffekt, bis zur Nachspeise, wo das Menü zum Harmenü sich und den Esser wandeln will, wobei man aber letzten Endes mit vollem Magen innerlich leer vom Tische aufsteht und geht.
So sollte die Geschichte nicht sein, voller wortreicher Erklärungen für Handlungen, die sich dem Verstehen letztlich doch entziehen: Nackt steht das arme Schulmeisterlein da, ohne Blumenstücke und andere Utensilien, mit Nietzsche in der Hand rollwenzelt er sein Weibchen zur deutschen Leutnantsidyllik, genießt das Leben vorher in rastloser Tätigkeit und nachher ebenso, weiß nicht einmal, was er tut: "Es ist eben so!" Der Leser, also ich auch, steht vor ihm wie die Artisten in der Zirkuskuppel hängen: ratlos. Ratlosigkeit herzustellen, das könnte eine Aufgabe von Kunst sein. „Wer Rat hat, missioniert. Wer ratlos ist, dichtet.“ Von wem?
In diesem Sinne:
die Zipfelmütze auf und gute Nacht!
Wilhelm

 

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