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Das Mädchen von Hell's Creek

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28.12.2004
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Das Mädchen von Hell's Creek

Das Mädchen von Hell's Creek

Ein dumpfes Rumpeln im Nachbarzimmer weckte Nicole aus dem Halbschlaf. Thomas war schon wach. Auf den Ellbogen gestützt lag er neben ihr und lächelte.
„Wow“, stöhnte Nicole und blinzelte, „was geht denn da ab?“
„Klingt wie eine ganze Rugbymannschaft.“
„Hm, ja.“
Für eine Weile lauschten beide still den rhythmischen Stössen. „Soll ich gegen die Wand schlagen?“, schlug Thomas vor.
„Lass nur, die haben ihren Spass.“
Sie rieb sich die Augen, noch etwas benommen vom Alkohol, und zog sich die Bettdecke über die Schultern. Kalte Wüstenluft drang durch die Ritzen in der Wand des Hell's Creek Motels, fünfhundert Kilometer westlich des Stuart Highways, tief im Herzen Australiens.
„Möchtest du etwas Wasser?“, fragte Thomas.
„Ja, danke.“
Der junge Australier küsste Nicole auf die Stirn. Dann rollte er sich zur Seite und stand auf. Er sah komisch aus, mit braungebrannten Armen und Beinen, aber blassem Oberkörper.
Als er aus dem Bad zurück kehrte, fragte sie: „Du bist kein Trucker, oder?“
„Nein“, gab er zu. „Woran merkst du das?“
„Ich weiss nicht. Du bist nett.“ Sie überlegte einen Moment, während Thomas wieder unter die Decke kroch. „Die meisten Männer hier sind Trucker. Die sind rauer. Die bringen mir kein Wasser.“
„Ich bringe dir immer Wasser wenn du willst, Liebste ...“ Er küsste sie auf die Nase und strich ihr dabei sanft durchs Haar. Nicole liess sich ein bisschen verwöhnen, dann insistierte sie: „Also, was machst du hier?“
„Ich arbeite für's Nature Museum in London“, erklärte Thomas und betrachtete dabei das mit Sommersprossen bespickte Gesicht des Mädchens. Er hatte sie anders eingeschätzt, vorhin in der Bar, aber sie war gar nicht so dumm. In ihren Augen funkelte Neugierde, als er mit erzählen fortfuhr. „Die Biologen in London durchstöbern zur Zeit ihre Archive und dabei finden sie immer mal wieder ein paar aufgespiesste Insekten und Spinnen aus frühen Expeditionen ins Outback, die nirgends wissenschaftlich beschrieben sind. Dann schicken sie mich in die Wüste, wo ich nach Spuren dieser Arten suchen soll. Ich bin auf dem Weg nach Broome. Dort treffe ich ein paar Aborigines, mit denen ich in einem Reservat im Süden von Broome Forschungen anstellen soll.“
„Wirklich?“ Nicole musterte ihn beeindruckt, dann plötzlich musste sie lächeln. „Ich glaube, das macht dich zum interessantesten Mann, mit dem ich dieses Jahr im Bett war.“
„Ernsthaft? Machen tote Insekten interessant?“
„Ja, absolut. Sexy!“ Sie lachte und stellte das Wasserglas auf die Seite. „Und sonst? Wo lebst du?“
„In Sydney. Aber ich bin viel unterwegs.“
„Freundin? Familie?“
„Dann würde ich nicht mit dir schlafen.“
Nicole musste laut lachen und sie tat es auf sehr ehrliche, ungekünstelte Art und Weise. „Du bist wirklich anders als die Trucker.“
„Besser oder schlechter?“
„Besser, glaube ich.“
Thomas belohnte sie mit einem Kuss, während dem Nicole die Augen schloss und träumte.

Eine halbe Stunde später war es ruhig im Nebenzimmer, aber Nicole und Thomas lagen noch immer wach beeinander. Thomas' Körper war wie eine Heizung in der kalten Nacht und das Mädchen schmiegte sich fest an ihn.
Es war fast unheimlich still jetzt, in Hell's Creek.
„Machst du sowas oft?“, fragte Thomas in die Stille hinein.
Ein schwaches Zucken in Nicoles Körper verriet, dass ihr die Frage unangenehm war. Sie schüttelte den Kopf. „Nicht so oft, wie du vielleicht denkst.“
Für ein paar Minuten lag sie mit offenen Augen bei Thomas, dann erklärte sie: „Es gibt nicht viel, was man hier an den Abenden machen kann. Nur die eine Bar, und da sind die Trucker und Leute von den Minen und – manchmal, wenn ich viel getrunken habe ...“
„Ich verstehe schon.“ Thomas streichelte sie, ein wenig wie eine Vater, der seine Tochter zu beruhigen versuchte. Er erinnerte sich daran, wie er Nicole heute Abend gefunden hatte: Beim Tanzen auf der Theke, totally wasted, wie man hier draussen sagte. Und trotzdem war sie wach genug gewesen, um ihn ans Kondom zu erinnern. Sogar die Zähne hatte sie geputzt. Da war sie ihm tatsächlich für einen Moment wie ein braves Schulkind vorgekommen.
„Die sind zum Teil ziemlich verrückt“, fügte Nicole hinzu. „Ein paar der Trucker nehmen Drogen, Kokain und so, Aufputschmittel, damit sie wach bleiben. Kaum sind sie fertig mit mir, fahren sie weiter. Fünftausend Kilometer in drei Tagen machen die.“ Plötzlich musste sie lächeln. „Einmal hat mir einer eine Bluse für sechzig Dollar einfach aufgerissen. Mann, war ich wütend.“
Thomas schmunzelte mit, sein Blick aber wanderte über die Decke hinunter zu den Stellen, wo sich die Rundungen des Mädchens abzeichneten. Unter der Decke war nichts mehr, was er hätte aufreissen können. Nur ein atemberaubend schönes Mädchen. Er wollte sie berühren und spüren und küssen.
„Aber du musst jetzt nicht denken, ich lasse mich ausnützen oder so“, fügte sie derweil hinzu. „Ich will das wirklich, meistens wenigstens. Ich meine, es kann auch Spass machen.“
„So wie heute?“
„Ja, natürlich“, lachte sie. „Du bist der potenteste Liebhaber, den ich je hatte, klar, klar.“
„Ich beweise es dir gerne nochmals.“
„Vielleicht später.“
Aber als sie Thomas' Hand zwischen ihren Oberschenkeln spürte, sah auch sie keinen Grund mehr, länger auf den Beweis zu warten.

„Ich weiss nicht, wieso ich heute nicht schlafen kann“, murmelte Nicole später, als sie mit dem Rücken ans Bettgeländer gelehnt neben Thomas hockte. Das mit Schweiss getränkte Haar klebte an ihrem Nacken. „Normalerweise träume ich viel in diesen Nächten. Am Morgen weckt mich dann der startende Motor eines Road Trains. Und ich bin zurück in Hell's Creek.“
„Wovon träumst du denn?“
Sie zuckte mit den Schultern. „Ach, ich weiss auch nicht. Vielleicht davon, dass mich der Bursche, was für ein Säufer er auch ist, in seinem Lastwagen mit nach Melbourne oder Sydney nimmt. Dass er mir die Stadt zeigt, mich in seiner Wohnung leben lässt. Und so weiter, Heirat, Kinder, der ganze Spass.“ Ein langgezogener Seufzer, dann griff sie nach dem BH, der auf dem Betttisch neben der Bibel lag, und zog ihn an. Thomas schaute zu, beeindruckt von der Geschicklichkeit des Mädchens. Sie war schon irgendwie anders als die Studentinnen an der University of Sydney oder am Merimbula Beach, wo er aufgewachsen war.
Als Nicole sich wieder an ihn lehnte, fragte Thomas: „Möchtest du denn weg von hier?“
„Keine Ahnung.“ Sie strich sich die verschwitzten Haare nach hinten. Ein paar rote Sandkörner klebten darin. Hier draussen wurde man das Blut der Wüste nie ganz los. „Ich meine, ich gehöre hierher, sozusagen. Ich bin in einer Farm in der Nähe aufgewachsen. Kühe, Sandpisten, Mulgabüsche und Road Trains, das ist mein Leben. Weiter als Katherine bin ich nie gekommen, und da leben keine 10'000 Leute. Aber die Leute erzählen halt immer von Städten wie Sydney und Melbourne, von den Partys dort, den Restaurants und Clubs und so. Sie zeigen mir Bilder von Stränden, Dschungel, Bergen und ... Ich stelle mir das alles sehr aufregend vor.“ Sie schaute Thomas an und fragte: „Ist es das?“
Für einen Moment wollte er antworten, nichts sei so aufregend wie sie. Aber ihre Frage war ernst gemeint und Thomas spürte die Sehnsucht, die aus ihr sprach. „Ja. Sehr sogar.“ Nach kurzem Überlegen fügte er hinzu: „Aber trotzdem, die Wüste ist was ganz Spezielles. Und du auch.“
„Danke“, flüsterte sie und küsste Thomas' Brust. „Das hat mir noch nie wer gesagt.“
Sie legte sich auf seinen Oberkörper und für einen Moment konnte sie das Pochen unter den Rippen des jungen Forschers hören. Es war gleichmässig und ruhig und während sie lauschte, breitete sich in Nicole eine merkwürdige Wärme aus. Sie fühlte sich plötzlich glücklich und wehmütig zugleich und beinahe hätte sie weinen müssen, sie wusste nicht weshalb.
Schliesslich erlöste sie ein lautes Klatschen aus dem Nebenzimmer von den wirren Gefühlen.
Ein Stöhnen. Dann wieder Rumpeln und Stösse, die die Wände erzittern liessen. Es ging wieder los.
Mit einem Ruck riss sich Nicole weg von Thomas. Sie stand auf. „Ich kann das nicht mehr hören“, sagte sie. „Kommst du?“
Thomas schaute etwas verwirrt hoch zu ihr. „Wohin?“
„Ich weiss nicht“, gestand sie und überlegte. Sie dachte an diesen Ort, draussen in der Wüste. Diese Nacht im roten Sand. Dieses eine Mal, vor vielen Jahren, als sie dasselbe gefühlt hatte wie eben erst an Thomas' Seite. Die Erinnerung liess sie strahlen. Sie fragte: „Willst du etwas Verrücktes tun?“
„Wie verrückt?“
„Wir könnten dabei sterben“, antwortete sie übertrieben ernst und lachte. Sie warf Thomas seine Jacke zu. „Zieh dich an. Und nimm die Decke mit. Es ist kalt draussen.“

Eine einzelne Lampe leuchtete in Hell's Creek, direkt neben der Tankstelle, wo ein paar Road Trains am Strassenrand standen. Nicole führte ihren Begleiter in die entgegengesetzte Richtung. Am Lichtsignal vorbei, das vor ein paar Jahren als Jux aufgestellt worden war. Zwischen den drei Häusern hindurch, die den Dorfkern von Hell's Creek bildeten. Zum Helikopterlandeplatz. Und dann weiter. In die Wüste.
Die Milchstrasse am Himmel war hier draussen fast so hell wie nachts die Skyline von Sydney. Zusammen mit dem Mond legte sie einen blassen Schimmer über die Landschaft. Ein paar dörre Mulgabüsche. Das ausgetrocknete Flussbeet der Hell's Creek. Spuren von Kameldung. Karger Fels.
Es war still. Nur der Atem zweier junger Menschen, die immer weiter ins Herzen Australiens vordrangen: In die Wildnis. Hier lebte, abgesehen von den paar verlorenen Seelen in Hell's Creek, kein Mensch im Umkreis von Hunderten von Kilometern. Hier begann das Land, das die Leute „Never-Never“ nannten.
„Gibt es hier keine Schlangen und so?“, fragte Thomas nach einer Weile. Die Frage war eher als Erinnerung an das Mädchen gedacht, dass es hier draussen tatsächlich Schlangen gab. Ziemlich tödliche sogar.
„Ja, schon“, war dann auch alles, was Nicole zur Antwort gab. Dann schaute sie neugierig zu Thomas und wollte wissen: „Dort wo du hingehst um diese Insekten zu finden, da gibt es doch sicher auch Schlangen.“
„Wahrscheinlich, ja.“
„Wie sieht es da überhaupt aus?“
„Ich war noch nie dort“, antwortete Thomas, der den Reissverschluss seiner Jacke schliessen musste, weil er zu frieren begann. Er wunderte sich, wohin das Mädchen ihn führte, was sie hier draussen wollte, aber ihre Sorglosigkeit faszinierte ihn eher als dass sie ihn störte. „Ich glaube, es ist ganz ähnlich wie hier.“
„Könnte es dann nicht sein, dass diese Insekten auch hier vorkommen? Wie die Schlangen?“
„Keine Ahnung, ehrlich. Es kam schon vor, dass wir wochenlang vergeblich die Nullarbor-Ebene nach einer Skorpionsorte absuchten – und dann fanden wir sie ein paar Tage später im botanischen Garten von Adelaide. Wir wissen nur, dass vor hundert Jahren ein paar dieser Termiten und Käfer an einer Stelle hundert Kilometer südlich von Broome lebten – bis sie von einem Biologen getötet wurden, der sie aufspiesste und nach London brachte.“
Nicole lachte.
„Tötet ihr Forscher alles, was ihr findet?“
„Dich habe ich noch nicht getötet“, gab Thomas zwinkernd zurück und studierte dabei das Mädchen. Die Sommersprossen waren selbst im fahlen Sternenlicht noch zu erkennen. Sie hatte ein fröhliches Gesicht, fiel ihm auf, selbst wenn in ihren Worten meist Melancholie mitschwang.
„Wie weit gehen wir noch?“
„Weit genug“, erwiderte Nicole. Sie schaute über die Schultern zurück nach Hell's Creek. Noch war ein ferner Lichtpunkt zu erkennen. „Ein paar hundert Meter, vielleicht.“
„Und dann?“
„Lass dich überraschen.“

Absolute Stille. Als Nicole stoppte, war nicht mal mehr eine Grille zu hören. Kein Windstoss. Keine Vögel. Das Mädchen trat zu Thomas, stand auf die Zehenspitzen und küsste ihn. „Okay“, sagte sie dann und warf die Bettdecke zu Boden. „Jetzt musst du die Augen schliessen.“
„Wozu?“
„Ich mach es auch.“
„Und jetzt?“
„Jetzt dreh dich, so oft du kannst.“
Es wäre ein merkwürdiger Anblick gewesen für ein zufällig vorbei hopsendes Känguru. Zwei frierende Menschen zwischen ein paar Mulgabüschen, die sich im Kreis drehten und dabei zunehmend Mühe hatten, das Gleichgewicht zu halten.
Schliesslich fiel Nicole lachend auf die Decke und riss dabei Thomas mit runter. „Was ist jetzt?“, fragte der, als er auf der Decke liegend die Augen wieder öffnete. Mit jedem Blinzeln wurde der Sternenhimmel heller. Die Wüste um ihn schwankte, als wäre sie ein Ozean und die Decke ein Boot, das von den Wellen hin und her geworfen wurde.
„Jetzt wissen wir beide nicht mehr, wo die Strasse ist. Jetzt sind wir wirklich draussen, in der Wüste“, erklärte das Mädchen und küsste Thomas.
„Das ist verrückt“, war alles, was der darauf erwidern konnte, bevor ihn Nicoles zu sich zog und küsste. Sanft drückte er ihren Körper in die Decke. Er schaute sie an. Ihr Mund war leicht geöffnet, als würde sie staunen. Aber Thomas war sich nicht sicher, ob sie wirklich ihn anstarrte oder die Milchstrasse über ihm.

„Hast du schon einmal unter freiem Himmel Sex gehabt?“, wollte Thomas später wissen. Wie das Mädchen war auch er dick eingerollt in die Decke und lag auf dem Rücken. Sternschnuppen zogen über die beiden hinweg. Der Mond war riesig und fast blendend hell.
„Ja, schon“, sagte sie. „In einem Swag ein paar Mal, so einer Art überdimensionierter Schlafsack. War ziemlich unbequem. So wie jetzt, das hatte ich nur einmal.“
„Wann war das?“
„Na ja, das ist ziemlich persönlich.“
„Sonst würde es mich nicht interessieren.“
Nicole lächelte. „Okay. Hehe, also, das war als ich vierzehn war. Ziemlich klein noch. Damals arbeitete so ein Junge für ein paar Wochen an der Tankstelle, ein Aussteiger aus Europa, mit langem Haar, viel Marihuana und wirren Gedanken. Aber sehr nett. Fast wie du.“ Sie nutzte die Gelegenheit, um sich ein paar wärmende Streicheleinheiten bei Thomas zu verdienen. Dann fuhr sie fort: „Also, er hat mir natürlich immer erzählt von all den tollen Orten, die er besucht hat. Er ist auf Berge geklettert und so, hat alleine an Stränden campiert, ist ziemlich rumgekommen. Eines Abends habe ich ihn dann gefragt, weshalb er überhaupt in die Wüste getrampt sei. Ich meine, hier gibt es ja nichts als Sand, Giftschlangen und nervigen Fliegen. Daraufhin hat er gesagt, er wolle es mir zeigen und er hat mich am Arm genommen. Wir sind also in die Wüste gewandert, genau wie jetzt, bis wir Hell's Creek nicht mehr sahen. Dort küsste er mich und sagte, siehst du, das gibt es nirgends sonst: Ein paar Minuten wandern – und plötzlich gibt es kein zurück mehr. Ich meine, schau dich um, wo ist zurück? Links, rechts, geradeaus? Es sieht alles gleich aus. Genau jetzt, in dieser Sekunde, gibt es nur noch vorwärts in deinem Leben. Mich hat das sehr fasziniert. Wir haben natürlich auch gekifft und miteinander geschlafen. Es war sehr, na ja, sandig. Damals hatten wir keine Decke dabei.“
„Hattest du keine Angst?“
„Hast du jetzt Angst?“
Die beiden schauten sich an, still und gedankenverloren. Thomas musste schlucken. Da war ein Glänzen in Nicoles Augen. Eine ganze Galaxie, die sich darin widerspiegelte. Nein. Er hatte keine Angst. Da waren andere Gefühle, aber keine Angst.

Die Sonne am Morgen war grell und schmerzte in den Augen. Viel geschlafen hatten beide nicht. Sand war unterdessen überall, kratzte zwischen den Fingern und in den Augen. Staub in den Haaren, verklebt mit dem Schweiss einer Nacht voller Lust.
Der Lärm der Road Trains führte sie zur Strasse. Es war noch früh. Als sie das Motel erreichten, schlüpfte gerade ein dicker Trucker durch die Türe des Nachbarzimmers. Seine Spielgefährtin aus der Nacht liess er ahnungslos schlafend zurück.
Als Nicole geduscht hatte, stand bereits Kaffee für sie bereit. „Du bist ein Schatz“, flüsterte sie und schaute wehmütig zu, wie Thomas selber unter die Dusche trat.
Der Abschied war schnell und knapp an Worten. Beide konnten sich später nur noch vage an das letzte Gespräch erinnern. So was in der Art von: „Kommst du irgendwann wieder?“
„Wer weiss? Wenn noch mehr unbekannte Insekten im Londoner Archiv gefunden werden, vielleicht.“
Dann ein paar Nettigkeiten. Wahrscheinlich gelogen, wie Nicole glaubte. Sie war sicher nicht das schönste Mädchen, das Thomas kannte – sonst würde er doch bleiben? Sonst würde er sie nicht einfach hier zurück lassen, zwischen den rostigen Zapfsäulen des Hell's Creek Roadhouses.
Aus irgendeinem Grund blieb sie noch lange stehen, auch als sich die Staubwolken hinter Thomas' Four-Wheel Drive längst verzogen hatten. Schliesslich verjagte sie ein paar Fliegen und merkte dabei, dass eine Träne sich einen Weg über ihre Wange suchte. Es war ihr peinlich und sie wischte sie rasch weg. Okay, sie konnte nicht länger hier stehen bleiben, sonst hielt man sie noch für verrückt. Sie riss sich zusammen, betrat das Roadhouse und wünschte dem Chef einen guten Morgen. Noch ein Kaffee, bevor die ersten Trucks in Hell's Creek zum Tanken stoppten.
Es hätte sie wahrscheinlich sehr überrascht zu erfahren, dass Thomas zur gleichen Zeit den Wagen anhielt, ausstieg und ein paar Meter hinaus in die Wüste schritt. Schon jetzt war es glühend heiss. Er musste husten wegen der trockenen Luft und auch, weil sich seine Kehle merkwürdig eng anfühlte. Da war ein Käfer am Boden, aber er gehörte zu einer der 20'000 bekannten Käferarten des Kontinents. Die ganze Sache kam Thomas plötzlich absurd vor. So sinnlos. Da war er doch tatsächlich ins Outback gefahren, um nach geheimnisvollen, seltenen Lebewesen zu suchen. Und alles was er fand, war ein Käfer.

 

Salve Sorontur,

Deine Geschichte hat mir ausnehmend gut gefallen. Ohne viel über das Setting zu schreiben, kommt die Athmosphäre des Wüstenkaffs, dessen einzige Daseinsberechtigung es ist, Truckern ein Bett und einen Kaffee zu bieten, gut rüber.

Auch die Beklemmung am Morgen nach dem One-Night-Stand, bei dem emotional bei beiden Prots viel mehr passiert ist, als sie wohl vermutet hätten und nun wahrhaben wollen, hast Du schön eingefangen.

Und natürlich, sonst wäre es keine Liebesgeschichte, sondern ein Melodram, rutschen beide fast nahtlos in ihr altes Leben zurück, aber nicht ohne sich schrecklich zu vermissen ;).

Kleinkrämliches:

Dort treffe ich ein paar Aboriginies
Aborigines
Nicole musste laut loslachen
"laut lachen" fände ich schöner
wie man hierzulande sagte
"Hierzulande" klingt, als wäre Thomas ein Ausländer, der zwischen seinem und dem australischen Englisch unterscheidet.
Nur Haut und Fleisch und ein atemberaubend schönes Mädchen.
Thomas scheint mir zu sentimental für "Haut und Fleisch" - außerdem liest es sich, als lägen Haut und Fleisch fein säuberlich aufgestapelt neben dem atemberaubend schönen Mädchen ;).

Der "Forscher" klingt mir irgendwiezu trocken - in meinen Augen stört das Wort die Athmosphäre des Textes.

„Dich habe ich noch nicht getötet“, gab Thomas zurück und studierte dabei das Mädchen mit der Hingabe eines Kunstliebhabers.
An dieser Stelle habe ich nur darauf gewartet, dass er es noch tun würde :D.

Dann ein paar Nettigkeit.
Plural
des Kontinenten
des Kontinents

LG, Pardus

 

Merci Pardus für die hilfreichen Hinweise! Ist jetzt alles geändert, ausserdem fand ich noch 2-3 weitere Fehler. Es freut mich natürlich, dass dir die Geschichte gefällt und du den Text so zu verstehen scheinst, wie ich es beabsichtigt habe - daran scheitere ich normalerweise :)
Grüsse aus dem Süden!

 

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