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Das Mädchen und die eisigen Tränen
Sie steht still. Atmet ruhig. Nichts kann sie aus der Ruhe bringen. Noch drei Schritte bis zum Abgrund. Sie hat es sich gut überlegt. Hatte lang genug Zeit dafür. Hat lang genug den Anderen die Zeit gegeben. Die Möglichkeit, sie zu retten. Die Chance, ihr zu helfen. Doch die Anderen haben ihre Tränen nicht gesehen. Nicht sehen wollen. Ignoriert.
Sie haben ihre Worte nicht verstanden. Nicht gehört. Vergessen.
Sie habe ihre Taten nicht wahrgenommen. Nicht beachtet. Ausgeblendet.
Und irgendwann hat das Mädchen angefangen, selber nicht mehr wahrzunehmen.
Noch zwei Schritte.
Sie hat aufgehört, auf ihr Umfeld zu vertrauen. Sich in sich selbst zurückgezogen. Eine kleine Schale aus Eis um sich herum entwickelt.
Die anderen haben weiter gelebt. Das Mädchen auch. Allein. In ihrer Schale aus Eis. Doch die Schale hat sie beeinflusst. Hat ihr Blut langsamer fließen lassen, ihren Lebensmut. Hat ihre Hände und Füße taub werden lassen, ihre Gefühle. Hat ihre Tränen auf dem Gesicht zu Eis gefrieren lassen, ihre Hoffnung.
Noch ein Schritt bis zum Abgrund.
Und in dieser Schale war eine Stimme. „Lass los", sagt sie. „Du musst nicht leiden" Sanfte Worte. Schöne Versprechen. „Du bist stark"
Und das Mädchen hört zu. Versteht. Entscheidet.
Sie macht den letzten Schritt. Doch anstatt zu fallen fliegt sie.