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Das Mädchen mit den brennenden Haaren

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11.06.2014
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Das Mädchen mit den brennenden Haaren

Das Mädchen mit den brennenden Haaren

Dunkelheit. Sie wählte die Dunkelheit um zu leben.


„Ich bin weg Ma’ “, rief Lana noch schnell, während die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Es war 12.30 Uhr, sie war schon wieder zu spät und durfte den Bus nicht verpassen. Zeit war Geld und Geld hatte Lana’s Familie nicht.
Ma’ und sie waren Einzelgänger, die Menschen mieden sie, denn Ma’ war eine „Gezeichnete“, eine Frau die sich wehrte und ihren Mann verließ. In Metropolia wird das als Verrat des Systems angesehen, als Verbrechen. Denn Ehen werden vom System errechnet, jeden Monat ab dem 18. Lebensjahr schickt es den Frauen der Republik einen möglichen Partner zu und rechnet die Zuneigung aus die man füreinander empfinden wird, wenn die Übereinstimmung über 80% liegt ist man verpflichtet sich mit dem Partner zu treffen. Bei 90% hat nur noch der Mann das Recht die Heirat abzulehnen und wenn die Übereinstimmung bei 100% liegt… Ma’ war 18 als es passierte, ihr 3. Monat im System. Sie wurde geschlagen, gedemütigt und vergewaltigt, nach einem Monat lief sie vor der vermeintlich perfekten Ehe weg.
Doch sie wurde erwischt.
Bei der Zeichnung bekommen die Frauen ein Mittel verabreicht, welches die Haare Feuer-Rot werden lässt und sie so jeden Tag erneut vor den Pranger stellt. Sie rasierte sich in den ersten Jahren jeden Morgen den Schädel, doch nun wolle sie dazu stehen, erklärte sie Lana. Während des Verabreichungs-Prozess war Ma’ im ersten Monat schwanger, sie brachte ein Feuer-Kind zur Welt und Lana trug ihre Farben mit Stolz.

Schnaufend sprang Lana durch die sich schließenden Türen. „Doch noch geschafft“. Sie liebte es Bus zu fahren, denn hier war sie unsichtbar. Die Menschen waren so auf die Bildschirme ihrer Lifecorders fixiert, dass selbst das rote Leuchten ihrer Haare sie nicht davon abzulenken vermochte. Nur hier war sie frei. Doch auch Lana musste nachschauen, was das System für sie geplant hatte. Auf dem Bildschirm ihres Lifecorders wurden die Nachricht von einem jungen Monarchen der vor Wochen verschwand eingeblendet, sie drückte es weg. Lana hasste die Monarchen.
Jeden Tag bekommen die Bürger der Republik Metropolia einen Tagesablauf geschickt, der Abhängig von der Klasse ist in die man eingeteilt wird.
Es gibt die Monarchen, eine kleine Gruppe von Menschen die über die Finanzen und die Gesetze der Republik verfügen können, auch wenn diese seit 10 Jahren nicht geändert wurden. Sie sind die Herrscher von Metropolia und werden von den Menschen verehrt, wer dies nicht tut, wird verwiesen.
Unter den Monarchen stehen die Programmierer, sie sind für das System zuständig, denn ohne System keine Republik. Ma’ sagt sie hätten noch mehr Macht als die Monarchen und vor ihnen müsse man Angst haben. Doch Lana hatte weder einen Programmierer noch einen Monarchen jemals außerhalb eines Bildschirms gesehen.
Die Programmierer erkennt man an ihrer Kleidung, sie sind die einzige Klasse denen es erlaubt ist die Farbe Weiß zu tragen. Die Monarchen erkennt man ebenfalls durch ihr Äußeres, sie tragen meist viele Ketten, Ohren-Schmuck, Ringe und sind auch gewissermaßen gezeichnet. Wenn sie mit 18 in das System aufgenommen werden, brennt man ihnen das Zeichen Metropolias, ein großes M, umhüllt von einem flammenden Lorbeerkranz auf die Brust, welches die Monarchen in der Öffentlichkeit stolz präsentieren.
Unter ihnen gibt es 5 Kasten, aufgeteilt von Medizinern, Juristen, Großgrundbesitzern, bis hin zu Bäckern, Maurern und Gärtnern. Arbeitgeber ist das System.
Unter den Kasten stehen die Obdachlosen Metropolias, Menschen, die ihre gestellten Aufgaben nicht erfüllen konnten und deshalb auf die Straße gejagt wurden, oft waren sie krank oder schwach. Mit ihnen verstand sich Lana am besten. Sie hoffte jeden Monat aufs neue, dass ihr Lifecorder eine Übereinstimmung mit einem der Straßenjungen zeigte, auch wenn sie wusste, dass dies nicht passieren würde.
Denn unter den Obdachlosen befand sich die Klasse der Gezeichneten. Eine Gruppe von Menschen, die mehr Arbeit als jegliche andere Gruppierung verrichten musste. Wenn sie dies nicht schafften wurde sie verwiesen. Partnerschaften waren nicht erlaubt, denn man wollte keine Feuer-Kinder.

Doch der Corder hatte auch andere Funktionen, man konnte alles über die Menschen um einen herum erfahren, ihre Geschichte, ihre Arbeit, ihren Familienstand. Es werden Bilder zur Verfügung gestellt und ihre Leidenschaften angezeigt, obwohl dieses Feld bei den meisten Bürgern frei ist. In Metropolia ist es verhöhnt Leidenschaften zu haben. Lana hatte das Laufen eintragen lassen, die einzige Leidenschaft die ihr möglich war. Sie war verrückt danach ihre Arme auszubreiten und den Wind in ihren Haaren zu spüren.
Und auch nun lief Lana, vorbei an weiteren Plakaten die sich mit dem verschwundenen Monarchen befassten. Lana wurde sauer, für einen ihrer Straßenjungen hätte sich das System nie so interessiert. Sie lief noch schneller, ihre Aufgabe war es heute Getränke für die höheren Kasten zu mischen, es war eine unangenehme Aufgabe, nicht selten wurde nach dem Mädchen mit Flaschen geworfen, sie wurde bespuckt oder belästigt, alles aufgrund ihrer roten Haare. In der Bar angekommen bereitete sie alles vor und verbrachte die Zeit bis zum ersten Gast mit dem Lesen alter Geschichten, von Flächen voller Bäume, Legenden in denen alle Menschen gleichberechtigt waren und Märchen von Prinzen und ihren Prinzessinnen, ganz besonders liebte sie die Geschichte von Rapunzel und wie sie es schaffte aus ihrer Gefangenschaft auszubrechen.
Die Menschen kamen und feierten, was bedeutet, dass viel getrunken wurde und einige wenige Gespräche zustande kamen. Die meisten blickten wieder auf die Bildschirme. Worüber sollte man auch reden, wenn man alles voneinander weiß?
Nur eine Person im Raum war anders, ein junger Mann ganz in schwarz gekleidet, auffällig unauffällig. Lana bekam das Gefühl nicht los als würde er sie anstarren und wenn sie wie zufällig auch kurz ihren Blick auf ihn richtete, sah es fast so aus als würde er lächeln. Den ganzen Abend, blieb er auf der gleichen Stelle stehen, rührte sich nicht und blickte auf keinen Bildschirm.
Lana musste ihn immer öfter anschauen und immer wenn sich ihre Blicke trafen, hatte sie das Gefühl als würde ihre Haut von tausend winzig kleinen Nadeln berührt werden, doch nicht unangenehm, sie wurde süchtig nach dem Gefühl, auch wenn es ihr so fremd schien.
Lana wollte wissen wer der Fremde in Schwarz war, doch die Arbeit machte es ihr unmöglich, den Lifecorder hervor zu holen.
Der Abend wurde älter und die Bar leerte sich, bis auch der letzte Betrunkene wankenden Schrittes die Nacht betrat. Sie waren alleine, Lana und der Junge. Sie betrachtete ihn nun genauer, er hatte blondes lockiges Haar und ein kantiges Gesicht, welches jedoch mehr Wärme ausstrahlte, als alles was Lana bisher empfunden hatte. Er machte einen Schritt auf sie zu: „Ich bin Leo.“ Lana griff in ihre Tasche, sie wollte mehr über ihn erfahren, doch Leo ging einen weiteren Schritt auf sie zu und umfasste ihr Handgelenk. Ein Blitz durchfuhr Lanas Körper und sie spürte, dass dies das Gefühl war worüber in den alten Märchen so oft geschrieben wurde. „Meine Leidenschaft ist das Sehen.“ Während er dies sagte, öffnete er seine Taschen, um zu zeigen was er bei sich trug. Lana erschrak „Wo ist dein Lifecorder? Wenn das jemand mit bekommt wirst du den Monarchen vorgeworfen? Wie hast du überhaupt…“
Leo unterbrach sie und umfasste ihre Hand, „Ich sagte doch schon, meine Leidenschaft ist das Sehen.“ Mit ruhiger Entschlossenheit geleitete er sie vor die Tür der Bar, küsste sie auf die Wange und richtete seinen Blick auf den Fluss, der sich weniger Meter entfernt durch das Gelände zog. Gefesselt von den stahlblauen Augen ihres Gegenübers verstand Lana plötzlich, sie verstand alles. Auch sie griff in ihre Tasche um ihren Corder hervorzuholen und schleuderte ihn ohne einen weiteren Blick in das reißende Wasser.

Dunkelheit. Sie wählte die Dunkelheit um zu leben.

Lächelnd schmiegte sich Lana an die Brust des fremden Jungen, der ihr doch so nah war. Er wärmte sie und Lana konnte in der Umarmung seine Brust spüren. Gezeichnet. Als wäre sie vor kurzem Verbrannt worden.

 

Hallo CharlieDarko

Herzlich Willkommen bei den Wortkriegern.

Ich finde, dass in deinem Text die Geschichte zu kurz kommt. Der Text ist ohnehin nicht besonders lang, aber gefühlte zwei Drittel davon beschreibst du die Dystopie, in der er spielt. Die klingt zwar nicht schlecht, aber so wie du es umsetzt ist es mehr ein Bericht. Ich habe den Eindruck, du hast dir viele Gedanken zu dieser Welt gemacht - den Regeln, den Kasten, den Monarchen usw. - und darüber hinaus die Geschichte aus den Augen verloren, die in dieser Welt spielen soll.

Es sollte aber umgekehrt sein. Im Vordergrund stehen die Figuren und die Handlung, und sie werden dann in diese Welt mit ihren bizarren Regeln eingebettet. Natürlich ist es in einer Kurzgeschichte schwierig, so etwas unterzubringen - wenn du dich entscheidest, eine KG in dieser Welt spielen zu lassen, musst du dich noch vielmehr fragen, welche Informationen der Leser wirklich braucht. Und das sind ausschließlich solche, die im Kontext deiner Erzählung notwendig sind. Hier zum Beispiel weiß ich nicht, warum die Programmierer erwähnt werden. Spielen die eine Rolle? Wäre die Geschichte eine andere, wenn sie nicht erwähnt würden? Ich glaube nicht. In einem Roman kann man auf so etwas dann schon eher eingehen - obwohl auch dort ein Bezug zur Erzählung bestehen sollte, sprich wenn die Programmierer erwähnt werden, sollten sie auch eine Rolle spielen - aber in einer KG muss das alles noch viel verdichteter sein.

Auch Lana selbst kommt ziemlich kurz. Die Idee mit den roten Haaren finde ich gut, aber was das für Konsequenzen für sie - und ihre Mutter - bedeutet wird allenfalls angedeutet. Gerade da könntest du bspw. tiefer einsteigen. Oder auch ihre Sehnsucht zu den Straßenjungen gibt durchaus Stoff für eine Geschichte her, wird hier aber auch nur in einem knappen Absatz erwähnt. Also inhaltlich solltest du dich auf jeden Fall fragen: Welche Geschichte will ich erzählen? Und das sollte dann der Fokus des Textes sein, die Informationen zu der Gesellschaft und der Welt fließen dann in diesem Kontext mit ein.

Handwerklich musst du vor allem an den Kommaregeln arbeiten, da fehlen einige im Text. Sonst:

Ma’ und sie waren Einzelgänger, die Menschen mieden sie, denn Ma’ war eine „Gezeichnete“, eine Frau die sich wehrte und ihren Mann verließ.

Vorvergangenheit: ... ihren Mann verlassen hatte

welches die Haare Feuer-Rot werden lässt

Als Adjektiv klein schreiben, außerdem zusammen: feuerrot

der Abhängig von der Klasse ist in die man eingeteilt wird.*

abhängig, Komma nach "ist"

Ich wünsche dir noch viel Spaß hier beim Schreiben & Kommentieren,
Schwups

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo CharlieDarko,

Ich habe deine Geschichte gern gelesen, da ich finde, dass die Hintergrundhandlung originell und interessant ist. Die Verachtung gegenüber Frauen mit feuerroten Haaren, erinnert fast an Hexenverfolgungen im Mittelalter und das konstante Starren auf die "Lifecorder" ist bezeichnend für neuere Entwicklungen sozialer Interaktion, nämlich die ständige Nutzung von Smartphones und sozialen Netzwerken und der damit einhergehenden Leidenschaftslosigkeit. Man könnte also sagen, dass deine Geschichte eine Art Science-Fiction/Fantasy Hybrid ist. Das war jedenfalls mein Eindruck.

Aber meine Vorredner haben natürlich recht, wenn sie sagen, dass die eigentliche Handlung und Lana als Protagonistin, in deiner deskriptiven Erzählweise zu kurz kommen. Aufgrund der interessanten Ausgangssituation muss man sagen: schade. Mit einem verstärkten Fokus auf die tatsächliche Handlung und geringerem Anteil der Beschreibungen, wäre dir hier eine sehr gute, anstatt "lediglich" eine gute, Kurzgeschichte gelungen.
Am Ende geht es mir zu schnell. Da ist dieser Typ, der sie ansieht, zwei Sätze sagt und plötzlich entschließt sie sich, ihren Lifecorder zu entsorgen und findet die Erleuchtung. Wobei ich mich natürlich frage, was sie denn plötzlich verstanden hat und warum das so eine große Sache ist. Entweder hab ich hier nicht aufmerksam genug gelesen, oder es wir in deinem Text nicht deutlich genug.

Während des Lesens ist mir nur eines negativ aufgefallen.

Lana bekam das Gefühl nicht los als würde er sie anstarren und wenn sie wie zufällig auch kurz ihren Blick auf ihn richtete, sah es fast so aus als würde er lächeln.

Besser:
Lana wurde das Gefühl nicht los, er würde sie anstarren...

Wie gesagt, eine interessante Geschichte, die vielleicht als Roman besser funktionieren würde, da hier viel beschrieben, kaum erzählt und wenig Spannung aufgebaut wird. Dabei ist Letzteres bei einer Kurzgeschichte unabdinglich. Mit etwas Feinarbeit kannst du da aber noch einiges rausholen. ;)

Beste Grüße, gibberish

 

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