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Das Mädchen aus Schweden

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21.04.2005
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Das Mädchen aus Schweden

Das Mädchen aus Schweden


Es war ein ganz gewöhnlicher Montag im Leben von Daniel Senf. Er stand morgens auf, frühstückte und ging zur Schule. Als er in den Raum der 4d kam, waren die meisten Schüler schon da. Er setzte sich auf seinen Platz und tratschte noch etwas mit seinem Nachbarn Herbert Petterson. Sie redeten über dies und das und merkten zuerst gar nicht, dass der Lehrer in den Klassenraum gekommen war. Erst als er in einem etwas lauten Tonfall um Ruhe bat, bemerkten ihn Daniel und Herbert.
Nun sagte der Lehrer: "Guten Morgen, liebe Klasse. Ich hoffe, ihr hattet ein schönes Wochenende und seid jetzt fit für eine neue Schulwoche. Heute habe ich eine besondere Überraschung für euch. In unsere Klasse kommt eine neue Schülerin. Sie heißt Prikilla Kopenka und kommt aus Stockholm." Der Lehrer öffnete die Tür und es erschien ein kleines Mädchen, das bestimmt zwei Jahre jünger war als Daniel. "Prikilla ist erst 8", fuhr der Lehrer fort, "weil ihre Eltern meinten, dass sie schon mit fünf in die Schule gehen müsse. Leider sind sie vor drei Wochen bei einem Autounfall gestorben. Nun wohnt Prikilla bei ihrer Schwester hier in Frankfurt. Seid nett zu ihr. Vielleicht muss sie ein Schuljahr zurück, denn sie versteht nur ein paar Wörter Deutsch." Damit beendete der Lehrer seine Einführung. Prikilla setzte er in die vorderste Reihe neben Mehmet Linkz. Nun begann der Unterricht. In den ersten beiden Stunden hatte die Klasse Mathe. Sie rechneten mit Tausendern. Prikilla sagte kein Wort, hatte aber die Rechenaufgaben im Buch als Erste gelöst.
In der Pause war Prikilla das einzige Gesprächsthema. Alle meinten, dass so ein kleines Kind nicht in die Klasse gehöre. Doch Daniel tat sie leid. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie es ist ohne Eltern in ein fremdes Land zu ziehen. Er ging zu Herbert und fragte ihn, ob sie nicht mal versuchen sollten, mit Prikilla zu reden. Doch der lehnte ab: "Wieso sollte ich zu der hingehen? Ich wäre froh, wenn sie bald wieder aus der Klasse raus ist."
Aber Daniel wollte unbedingt mit ihr reden. Sollte doch der blöde Herbert denken was er wollte. Er würde jetzt zu Prikilla gehen und sie ansprechen. Er lief zu der Ecke des Schulhofs, in der sie stand. Kein anderer Schüler der Klasse war bei ihr. Keiner wollte etwas mit ihr zu tun haben. Ein paar Erstklässler turnten auf den Bäumen, die ringsum standen. Er ging zu Prikilla und sagte: "Hallo!" Keine Antwort. Sie drehte sich nicht mal zu ihm. Er versuchte es wieder: "Hal-lo! Ich-hei-ße Da-ni-el!"
Doch auch dieser Versuch war erfolglos. Daniel versuchte noch bis zum Ende der Pause mit Prikilla zu reden, aber sie verstand ihn nicht. Daniel war enttäuscht. Konnte man sich denn gar nicht mit ihr verständigen?
In den nächsten zwei Stunden dachte er nicht mehr an die Ereignisse in der Pause, denn sie hatten Sport. Daniel war der beste Sportler in der Klasse. Doch beim Laufen überholte Prikilla selbst ihn. Obwohl sie eigentlich eine Zweitklässlerin hätte sein müssen, war sie einfach besser als alle anderen in der Klasse.
Die beiden letzten Stunden waren frei. Daniel beschloss, Prikilla auf dem Heimweg zu begleiten, doch aus seinem Plan wurde nichts. Ein weißer Mercedes fuhr vor und rollte, als Prikilla eingestiegen war, auch schon wieder ab.
Daniel ging traurig nach Hause. Er hätte sie so gern begleitet, aber sie schirmte sich von allem ab. Beim Mittagessen aß er nur ein bisschen, ging in sein Zimmer und machte Hausaufgaben. Dann ging er zu Herbert. Sie spielten mit Herberts neuem Nintendo 64. Dann redeten sie über die Schule. Daniel erzählte von seinen Versuchen, mit Prikilla zu reden. Herbert lachte und sagte: "Ich hab dir doch gleich gesagt, dass die doof ist. Außerdem müsste sie viel älter sein, um in die vierte Klasse gehen zu können."
Dann ging Daniel nach Hause. Er dachte den ganzen Abend darüber nach, wie er sich am nächsten Tag mit Prikilla unterhalten könnte. Doch es fiel ihm nichts ein. Sie konnte ihn eindeutig nicht verstehen und Zeichensprache konnte er nicht. Er dachte daran, sich ein schwedisches Wörterbuch zu kaufen, aber dann verwarf er diesen Gedanken wieder, denn genug Geld für so etwas hatte er nicht. Daniel überlegte sich noch viele Sachen, die aber alle nicht realisierbar waren. Dann ging er ins Bett. Er würde schon sehen, wie er sich mit Prikilla unterhalten konnte. Und wenn er ihr eigenhändig Deutsch beibringen würde, irgendwie könnte er sich bestimmt mit ihr verständigen.
Am nächsten Morgen ging Daniel fröhlich zur Schule. Heute würde er garantiert mit ihr ins Gespräch kommen. Als er ins Klassenzimmer kam, war Prikilla noch nicht da. Er setzte sich auf seinen Platz. Mit Herbert wechselte er kein Wort.
Der Lehrer erschien. Er begrüßte die Klasse. Dann sagte er: "Ihr habt sicher bemerkt, dass Prikilla nicht da ist. Sie wird auch nicht mehr kommen, denn sie ist mit ihrer Schwester zu ihren Großeltern nach Schweden gezogen. Dort hat sie es bestimmt leichter in der Schule als bei uns. So, nun lasst uns mit dem Mathe-Unterricht beginnen."

Daniel traute seinen Ohren nicht. Sie konnte doch nicht einfach weg sein.
Einen Tag war sie da - und jetzt einfach weg?
Dann fragte er sich:
Hätte er sich wirklich mit ihr unterhalten können?
Hätte sie ihn verstanden?
Doch diese Fragen blieben nun ungeklärt.

In der kurzen Zeit, in der sie zur Klasse gehörte, empfand Daniel für Prikilla etwas, das ein bisschen so wie Liebe war.


© 1998, 2005 by Jano Rohleder

 

Hallo Jano!

Herzlich willkommen auf kg.de!

Wenn Du jetzt Deine Geschichte direkt gepostet hättest und Deine Anmerkungen in einem anschließenden Beitrag, könnten Menschen wie ich, die PDF-Dateien in ihrem Browser nicht öffnen können, die Geschichte auch lesen und das ganze entspräche den Regeln auf kg.de.

Lieben Gruß

Jo

 

Hallo zusammen, möchte zum Anfang gerne mal eine Kurzgeschichte präsentieren.
Habe sie nämlich gerade gestern wiederentdeckt, als ich mal die Dateien meiner alten Festplatte durchstöbert habe. :D

Leider habe ich schon seit längerem keine Zeit (und deshalb auch keine Lust) mehr für kreatives Schreiben, aber ich hoffe mal, dass sich das nach Abschluss der Schule übernächsten Monat endlich mal wieder einrichten lässt. Die Geschichte, um die es geht, heißt "Das Mädchen aus Schweden" und war ein schulischer Beitrag zum damaligen ProFamilia Wettbewerb "Ein Bett im Kornfeld - oder: So stell ich mir die Liebe vor". Zur Teilnahme wurden wir quasi im Sozialkundeunterricht gezwungen, da unsere Beiträge als Arbeit gewertet wurden. Einschicken brauchte dann aber nur, wer wollte.
Habe ich dann jedenfalls gemacht, denn wenn man schon was geschrieben hat, kann man es ja auch abgeben. ;)
Die Geschichte hat bei besagtem Wettbewerb den ersten Platz in meiner Altersklasse und der Kategorie "Kurzgeschichte" belegt (was die damals für mich enorme Summe von 100 DM eingebracht hat). :)
Hat mich persönlich übrigens ziemlich gewundert, da sie mehr oder weniger frei geklaut von Peter Härtlings "Ben liebt Anna" ist, welches wir zwei Jahre zuvor in der vierten Klasse gelesen hatten. :D
Ok, was heißt geklaut... die Grundidee (Junge trifft in Schule Mädchen aus fremdem Land) stammt halt von dem Buch, denn was Besseres war mir literarischem Komplett-Antischnulzer zu dem Thema auch nicht eingefallen. ;)

Na ja, wie auch immer, die Geschichte ist von 1998 (als ich in der sechsten Klasse war). Verbesserungsvorschläge kommen also etwas zu spät, da ich die Geschichte heute sowieso anders schreiben würde.
Kommentare und Meinungen zur Geschichte sind aber natürlich auch heute noch ausdrücklich erwünscht und vielleicht helfen die Verbesserungsvorschläge ja noch jemand Anderem. :)
Inhaltlich ist im PDF alles exakt so wie damals, ich habe lediglich mir direkt auffallende Rechtschreibfehler korrigiert und alte durch neue Rechtschreibung ersetzt.

Also, hier ist sie:

"Das Mädchen aus Schweden" (PDF, 2 Seiten, 53 KB)

Wie gesagt, jetzt im Nachhinein betrachtet würde ich sicherlich die Geschichte etwas anders schreiben. Vielleicht ergibt sich demnächst tatsächlich mal Gelegenheit, eine neue, verbesserte Version zu erarbeiten, die dann auch etwas länger ist.

Angemerkt werden sollte vielleicht noch, dass ich die Geschichte noch schnell sonntags nachmittags (am Montag musste sie abgegeben werden) geschrieben hatte und entsprechend wenig Lust, sie besonders lang zu machen. ;)
Und das vorgegebene Thema hat auch nicht gerade zusätzliche Motivation beigesteuert, weil ich mit Literatur dieses Genres eigentlich nie wirklich was anfangen konnte.

Die Geschichte hat dann übrigens als Note auch "nur" eine 2 bekommen, da der Lehrerin die "Liebe"-Thematik etwas zu kurz gekommen war. Na ja, Geschmackssache.
Dafür ist der triefende Schnulz-Videofilm, den ein paar andere aus der Klasse gedreht hatten (und den sie ganz toll fand), bei der Preisverleihung leer ausgegangen. *immernochschadenfrohgrins* :D

Jano

 

jobär schrieb:
Wenn Du jetzt Deine Geschichte direkt gepostet hättest und Deine Anmerkungen in einem anschließenden Beitrag, könnten Menschen wie ich, die PDF-Dateien in ihrem Browser nicht öffnen können, die Geschichte auch lesen und das ganze entspräche den Regeln auf kg.de.

Hallo Jo,

ups, sorry, war keine böse Absicht. Kenne sonst nur Foren, bei denen man längere Texte als PDF anhängen muss, deshalb hatte ich das so übernommen.
Habe das Ganze jetzt mal geändert und die Anmerkungen separat eingefügt.

Hoffe, jetzt ist alles in Ordnung. :)

Viele Grüße
Jano

 

Hallo Jano!

Also ... hat mir vom Grundkonzept her gut gefallen, aber eine Überarbeitung wäre schon schön. ;) Da die Geschichte schon älter ist, kann ich mir vorstellen, dass Du Wortwiederholungen z.B. selber findest ;) Auch sind einige der Sätze sehr abgehakt, manches könntest Du eleganter verbinden und so weiter ... ich warte mit Detailkritik bis zur Überarbeitung. ;) Denn das allermeiste, was mir aufgefallen ist, findest Du sicher selber.

schöne Grüße
Anne

 

Hallo Jano,

ich habe zwar gelesen, dass du an dieser Geschichte nicht mehr allzu viel ändern willst, weil du mit ihr vor einigen Jahren einen Wettbewerb gewonnen hast und für einen Sechstklässer finde ich die Geschichte auch ganz in Ordnung, aber um den Text für meinen Geschmack richtig rund zu machen, wäre schon noch ein wenig Arbeit notwendig.
Du hast z.B. etliche Sätze mit dem Wort "dann" begonnen und das empfinde ich als eintönig und langweilig. Wenn du, wie du es im letzten Satz andeutest, mit deiner Geschichte eine kleine, zarte Liebesgeschichte schreiben wolltest, so reicht es für mein Gefühl nicht, diese Liebe nur am Ende der Geschichte zu erwähnen. Der Leser muss schon beim Lesen immer wieder merken, wie es zwischen Daniel und Prikilla knistert.

Unlogisch erschien mir, dass die beiden sich überhaupt nicht mit Hilfe einer Zeichensprache verständigen konnten. Gerade Kinder können so etwas nämlich sehr gut! Viel eher wollte doch Prikilla, traumatisiert durch den plötzlichen Tod ihrer Eltern, gar keinen Kontakt zur Außenwelt aufnehmen. Warum aber rechnet sie dann sehr zügig und nimmt auch leistungsorientiert am Sportunterricht teil?
Und ist es nicht total unlogisch, dass das Mädchen nur für einen einzigen Tag in einer neuen Schule eingeschult wird? Wenn die Schwester das organisieren kann, muss sie erwachsen sein und das Sorgerecht für Prikilla haben. Als Erwachsene sollte sie aber über genug Weitblick verfügen, um solch eine kurzsichtige Entscheidung nicht zu treffen. Und wieso kommt Prikilla überhaupt nach Deutschland, wenn doch in Schweden die Großeltern leben?

Und als letzten Kritikpunkt: Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Lehrer einen neuen Schüler erst draußen vor der Klasse stehen lässt, eine kurze Ansprache hält und dann gleichsam den Vorhang öffnet und "die Neue / den Neuen" auftreten lässt.

Vielleicht ringst du dich ja doch noch zu einer Überarbeitung durch - die Geschichte würde sicher sehr gewinnen!

Liebe Grüße
al-dente

 

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