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05.03.2013
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Das Liebesmahl

„Matharis, du Gute, Matharis, du Reine, behüte und beschütze uns in deinem Heime.“
Ergriffen lauschte Matharis, die Göttin der Liebe, dem Gesang des Volkes von Axmundi. Heute war ihr Ehrentag: der 9. November. An diesem Tag zelebrierten die Stadtbewohner das alljährliche „Geistfest der Harmonie“ zum fünfzigsten Mal. Sie dankten Matharis für die Befreiung von der Herrschaft Archéns, des Gottes des Hasses. Vor fünfzig Jahren hatte sie ihn vertrieben. Zu grausam war seine Herrschaft. Die wenigen Reichen lebten in Saus und Braus. Aus reiner Freude folterten, töteten und vergewaltigten die Mitglieder der kleinen „Ritterschaft“ die Untertanen. Zum Leben blieb nach den Raubzügen der Herrscher für die Bauern nicht mehr viel übrig, eigentlich nichts. Sie hatten bereits begonnen, sich gegenseitig abzuschlachten. Da griff Matharis ein und bekämpfte und besiegte Archén: Axmundi war von der Tyrannei des Hasses befreit. Seit seiner Flucht ward Archén nicht mehr gesehen.
Nach dem Sieg über den Hass entstand eine Gemeinschaft, die Menschen und Natur in harmonischer Liebe einte. Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Untaten gab es nicht mehr in Axmundi. Alle verdienten den Betrag, den sie in einem Monat sinnvoll und verantwortungsbewusst verbrauchten. Jeder arbeitete, solange es seine Kräfte erlaubten, ohne sich zu überanstrengen oder zu faulenzen. Ab dem fünfundzwanzigsten Jahr lebten zwei Erwachsene in einer eheähnlichen Gemeinschaft mit zwei bis vier Kindern. Diese holten sie im „Kaufhaus der Mitte“ in der Abteilung »Lebendiges« ab. Scheidungen gab es keine. Gefängnisse waren überflüssig geworden. Es gab immer weniger Krankheiten. Schüler verleibten sich den Unterrichtsstoff per Tablette ein. Die Natur gestaltete außerhalb der Städte einen Garten Eden, der Urwald und Gartenbaukunst verband. Das tägliche Leben floss in Ruhe, Gelassenheit und Harmonie einher. Die Seelen der Menschen waren gleichförmig wie der Takt einer Uhr. Die Liebe ordnete alle Lebensbereiche ihren Vorstellungen von Anstand, Rücksichtnahme und Fürsorge unter.
Ein Computer steuerte dies alles vom „Heiliggeistturm“ aus. Er berechnete den Intelligenzeinsatz jedes einzelnen Menschen. Auch die Moralvorstellungen spuckte die Software aus. Für die Ernte berechnete der Computer die Menge der benötigten Sonnenstunden und des Regens. Die Befehle wurden von ihm in elektromagnetische Schwingungen umgewandelt, die er an die vorgesehenen Personen sandte. Sie erreichten im Gehirn des Menschen eine eingepflanzte, winzige Kapsel, die die Signale in eindeutige Gedanken und Handlungen umsetzte. Niemand konnte sich dem entziehen.
Vier Männer und vier Frauen, das „Kabinett“, wachten über das Herz von Axmundi. Was zu geschehen hatte, teilte ihnen die Göttin der Liebe im Schlaf mit.
*
Feierlich zog die Bevölkerung an Matharistempel vorbei und sang: „Wir ehren dich, wir lieben dich, wir ...“
Da flüsterte der Göttin eine unangenehm spitze Stimme in das rechte Ohr: „Oh, Matharis, dich vernichte ich,
Oh, Matharis, dich zerstöre ich!
Du Mistweib, die Rache ist mein."
„Archén!“
„Erfreut, dich zu sehen.“
„Verschwinde, reicht dir die letzte Niederlage nicht?“
„Ich bin gekommen, um mich zu rächen.“
Matharis stieß Archén von sich weg. Der drang weiter auf sie ein, bis sie mit dem Rücken an einer Felswand nicht mehr ausweichen konnte.
„Jetzt habe ich dich! Du wirst für meine Niederlage büßen!“
„Die Menschen haben sich für mich entschieden, für die Liebe. Schau nur hinunter, wie sehr sich mich anbeten, mich, nicht dich.“
„Das werde ich ihnen tüchtig versalzen. Ich bin nicht mehr der Tölpel von früher. Du wirst ich nicht mehr besiegen.“
Sein meckerndes Gelächter ging der Göttin der Liebe durch Mark und Bein. Sollte er jetzt wirklich überlegen sein?
Der Himmel verdüsterte sich urplötzlich. Mit grellem Geschrei stürzten sich groteske, pferdeähnliche Figuren von allen Seiten auf die Betenden. Mit ihren hörnergespickten Köpfen spießten sie die Umstehenden auf. Die stierähnlichen Vorderbeine trampelten die am Boden Liegenden zu Tode. Das schwanzförmige Hinterteil mähte die Marktbesucher wie Grashalme um. Die meterhohen Körper der Monster walzten todbringend die Massen der Feiernden nieder.
Aber die Menschen hatten im Nu Waffen aus allen beweglichen Gegenständen gemacht, sodass sie nach anfänglichem Zurückweichen bald eine Menge der Schreckenstiere umgebracht hatten. Sie hieben und stachen auf die Aggressoren ein, dass man ihnen die langen Jahre friedlichen Lebens nicht glauben mochte. Die ersten Triumph- und Siegesschreie ertönten, obwohl eine ansehnliche Anzahl von Menschen auf dem Platz und in den Straßen tot oder sterbend herumlag. Nur noch zwei Tiere waren zu töten.
Liebevoll schlug Matharis Archén vor: „Sei friedlich. Begrabe deinen Hass und lebe mit uns ein Leben in Liebe. Dann bist du uns willkommen.“
„Ich soll hier bei euch leben, meinen Garten pflegen und vielleicht als Religionslehrer meine Zeit vertrödeln? Womöglich auch noch heiraten? Dich vielleicht?“
„Wäre eine gute Idee. Was ist daran so schlimm?“
„Mein ganzes Wesen müsste ich ändern. Nicht mit mir! So, wie ich lebe, lebe ich gern!“
„Du hast doch schon verloren. Gib auf! Deine letzten Monster sind auch vernichtet. Deine ganze Streitmacht ist tot.“
„Du wirst noch überrascht sein!“, höhnte Archén. Auf seinen Wink hin erschienen neue Kampftiere. Wie eine Armee von Panzern bewegten sich krebsähnliche Gebilde auf die Menschenmenge zu. Begleitet von einem tiefen Brummen schleuderten sie Feuerstrahlen heraus, die die Kleidung der Menschen erfassten und sie als lebendige Fackeln durch die Straßen jagten, bis sie tot zu Boden sanken. Gestank, Dröhnen und Schreie zeigten den Erfolg des Gemetzels der Tiere Archéns. Die Menschen rannten, bis sie sich am Ende wimmernd auf dem Boden wälzten. Nicht nur Archén lachte über die seltsamen Zuckungen der Sterbenden, sondern auch die krebsähnlichen Gebilde schüttelten sich vor Vergnügen, die Menschenleiber zu rösten.
Bald hatten die Unterlegenen aber ein Gegenmittel gefunden. Mit unzähligen Rohren bespritzen sie die Krebsgebilde mit kochendem und vergiftetem Wasser, so dass sie in ihrem Panzer zugrunde gingen. Aber auch von den Menschen waren viele verwundet oder tot.
„Deine Menschen sind für Leute, die nach der Liebe leben, ganz schön aggressiv.“
„Lieben heißt nicht Wehrlossein. Du hast uns angegriffen, nicht wir dich. Und jetzt bist du der Verlierer. Noch mal ein Angebot an dich. Werde friedlich, vergiss deinen Hass und lebe mit uns. Ich habe die Menschen so weit, dass sie friedlich miteinander existieren. Du willst das alles zerstören. Warum?“
„Leben nennst du das? Deine Marionetten dämmern von Tag zu Tag unter deiner Nächstenliebe-Diktatur dahin. Sie vertrödeln ihre Lebenszeit im Rausch deiner Wattebauschregierung, die sie erstickt. Mein Hass weckt sie auf, bringt Buntheit in ihr Leben und reinigt ihre Seele. Hass macht frei!“
„Du verbreitest nur Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Betrug, Streit ...“
„Hör auf, hör auf, beides macht das Leben lebenswert. Ein Leben ohne Leid bringt keine Freude. Nur jubeln macht dumm und Bravheit wird zur Lahmarschigkeit! Widerwärtig ist es, wie diese Halbblöden dir in den Arsch kriechen. Und du schwillst an voller Stolz. Du nennst es Liebe. Selbstsucht befriedigst du mit deinem Liebesgesäusel, das die Menschen noch dümmer macht, als sie schon sind. Ich werde sie vor dir retten. Ich werde …“ Archén fuchtelte wild mit seinen Armen in der Luft herum.
Ein riesiger Drache verdunkelte die Szene. Er düste über die verblieben Menschen hinweg und spritzte so viel Exkremente aus sich heraus, dass die Menschen bis zum Hals drinnen stecken blieben. Jammervoll schlugen die Hilfeschreie an das Ohr ihrer verehrten Göttin. Die sah sich ratlos um.
„Na, am Ende deines Lateins, du große Mutter! Bin halt doch der Stärkere.“ Ein Wink ließ den Drachen erneut so lange über die Stadt donnern, bis nur noch ein Hügel zu sehen war.
„Das überleben sie nicht, deine Menschlein. Sie ersticken in der Scheiße meines Drachens. Was soll ich jetzt mit dir machen, du Süße? Wer ist nun der Sieger?“
Im Nu zauberte er ein Sammelsurium von Marterinstrumenten herbei. „Diese Instrumente habe ich in jahrelanger Arbeit nur für dich erfunden. Ich hoffe, du weißt das zu schätzen. Wir werden beide Spaß daran haben!“
Matharis zog sich zurück.
„Du entkommst mir nicht“, jubelte Archén.
Mit einer Nilpferdpeitsche schlug er in Richtung Matharis.
Aber diese hielt sie in der Mitte zwischen ihnen auf und verwandelte sie in einen Monitor.
„Fernsehen bildet, Archén, du Zwerg mit dem großen Mund.“
Auf dem Bildschirm zeigte sich dieselbe Szene, die vor dem Erscheinen von Archén zu sehen war: Gesang ertönte, Kirchenglocken dröhnten, die Menschen marschierten und die Häuser standen unversehrt in dieser unterirdischen Stadt. „Die Liebe überwindet den Tod“, kommentierte Matharis. "Sie macht aus jeder Situation für sich ein Glück. Wie ich meine Menschen wieder zum Leben erwecken kann, so gebe ich ihnen die Kraft, aus deinem Dreckshaufen eine liebenswerte, unterirdische Stadt zu bauen."
„Du Miststück, du schweinische Liebesflüsterin, du Menschenliebhaberin, ich habe noch ...“
„Mein Lieber, du wirst verstehen, dass es mir jetzt reicht. Du hast keine Chance mehr.“
Sprach's, packte den Gott des Hasses und schlang ihn in sich hinein.
Seither geht die Liebe mit dem Hass im Bauch umher.
Und die Menschen?
Das steht in den Geschichtsbüchern.

 

Hallo Wilhelm Berliner,

Das ist eine schöne Geschichte zum Sonntag. :)

Die verknüpft zwei Dinge, die ich beide sehr gern lese, die aber nicht unbedingt miteinander harmonieren: Mythen und Science Fiction. Die Verschmelzung ist dir aber ziemlich gut gelungen, ich finde, die Geschichte wirkt rund und die Elemente aus verschiedenen Genres passen zueinander. Die Erzählweise funktioniert für mich sehr gut. Es gibt zwar viele Einzelheiten, die nur angedeutet werden und die vielleicht einer detaillierten Betrachtung nicht standhalten würden, aber vordergründig ist die Geschichte so einfach, dass man sich als Leser gut darauf einlassen kann und nicht hinterfragen muss, wie genau diese Gesellschaft funktioniert und was genau diese Götter eigentlich sind.

Extra-Lob gibt es für den Titel, den angesichts des Endes der Geschichte geradezu perfekt finde. :thumbsup:

Ein paar kleine Fehler habe ich noch gefunden, aber davon abgesehen habe ich hier wirklich nicht viel auszusetzen.

Außer reiner Freude folterten, töteten und vergewaltigen die Mitglieder der kleinen „Ritterschaft“ die Untertanen.
Aus; vergewaltigten

Alle verdienten bis auf den Cent den Betrag, den sie in einem Monat sinnvoll und verantwortungsbewusst verbrauchten.
Ich finde, an der Stelle eine bestimmte Währung zu benennen, "verankert" die Geschichte zu sehr, ein Mythos sollte zeitlos sein und muss auch nicht unbedingt geographisch festgelegt werden. Außerdem ist das auch gar nicht nötig, eine Formulierung wie "exakt den Betrag ..." oder ähnliches würde doch genau so gut funktionieren ... oder vielleicht wäre sogar denkbar, dass diese neue Gesellschaft das Geld komplett abschafft. :)

Für die Ernte berechnete der Computer Menge der benötigten Sonnenstunden und des Regens.
die Menge
alternativ: berechnete der Computer die benötigten Sonnenstunden und die Regenmenge.

Da flüsterte der Göttin eine unangenehm spitze Stimme in das rechte Ohr: „Oh, Matharis, dich vernichte ich,
Oh, Matharis, dich zerstöre ich!
Du Mistweib, die Rache ist mein.
Ausführungszeichen fehlen

Du wirst ich nicht mehr besiegen.“
mich

Aber die Menschen hatten im Nu Waffen aus allen beweglichen Gegenständen gemacht, sodass sie nach anfänglichen Zurückweichen bald eine Menge der Schreckenstiere umgebracht hatten.
anfänglichem

„Wäre eine gute Idee. Was ist daran so schlimm?“§
Nichts, nur das überflüssige Paragraphensymbol. :)

Auf seinen Wink hin erschienen neue Kampftiere des Meisters des Bösen.
Das würde ich weg lassen, dieser doppelte Genitiv klingt einfach nicht gut in meinen Ohren.

Wie eine Armee von Panzern bewegten sie sich krebsähnliche Gebilde auf die Menschenmenge zu.
sie weg

Er düste rasend schnell über die verblieben Menschen hinweg und spritzte so viel Exkremente aus sich heraus, dass die Menschen bis zum Hals drinnen stecken blieben.
in "düsen" steckt das "rasend schnell" eigentlich schon drin. Aber abgesehen vom überflüssigen Adverb finde ich das Wort auch irgendwie zu niedlich für einen Scheiße sprühenden Drachen. :)
Vorschlag: "Er raste über die verbliebenen Menschen hinweg ..."

Ein Wink ließ den Drachen erneut über die Stadt so lange fliegen, bis nur noch ein Hügel zu sehen war.
Die Wortstellung wirkt etwas ungelenk, finde ich. "erneut so lange über die Stadt fliegen, bis ..." würde ich vorziehen.

Auf dem Bildschirm zeigte sich dieselbe Szene, die vor dem Erscheinen von Archém zu sehen war:
Archén

Sprachs, packte den Gott des Hasses und schlang ihn in sich hinein.
Sprach's

Und die Menschen???
Ein Fragezeichen reicht

Das, lieber Leser, entnimmst du besser einem Geschichtsbuch.
Das ist so ein persönlicher Fimmel von mir, aber ich finde es nur in absoluten Ausnahmefällen passend, den Leser direkt anzusprechen. In dem Fall gefällt es mir nicht, zumal die Geschichte vorher die "vierte Wand" artig in Ruhe gelassen hat, so dass das hier total abrupt kommt.
Vorschlag: "Das verraten die Geschichtsbücher."

Grüße von Perdita

 

aber vordergründig ist die Geschichte so einfach, dass man sich als Leser gut darauf einlassen kann und nicht hinterfragen muss, wie genau diese Gesellschaft funktioniert und was genau diese Götter eigentlich sind.

Ich komm mir grad ein bisschen doof vor, aber ich verstehe die Geschichte nicht. Vielleicht ist sie zu einfach für mich? :D

Aber diese hielt sie in der Mitte zwischen ihnen auf und verwandelte sie in einen Monitor.
„Fernsehen bildet, Archén, du Zwerg mit dem großen Mund.“
Auf dem Bildschirm zeigte sich dieselbe Szene, die vor dem Erscheinen von Archém zu sehen war: Gesang ertönte, Kirchenglocken dröhnten, die Menschen marschierten und die Häuser standen unversehrt in dieser unterirdischen Stadt. „Die Liebe überwindet den Tod“, kommentierte Matharis.
Die Liebe hat den Tod doch gar nicht überwunden. Die Menschen hocken alle immer noch unter dem Scheißeberg und sind vermutlich erstickt. Und was soll da der Fernseher, ich meine, ich finde das herrlich bescheuert, dass der Hassgott die Menschen vom Drachen bescheißen lässt, bis sie über die Halskrause bedeckt sind und die Liebesgöttin dann den Fernseher zückt. Auch dass die Liebesgöttin nachher den Hasskerl auffrisst und nun alle Welt damit leben muss, dass die Liebe einen Hassklumpen im Darm trägt. Ich mein, ich hab schon immer allzu laut vorgetragenen Liebes- oder Verständnishymnen misstraut, aber ob das nun damit meintest? Puuhh.
Lieber Herr Berliner, rette mich von meinem Unverständnis.

 

Liebe Perdita,
zuerst vielen Dank für die Entdeckung der kleinen Fehler. Weiß Gott, warum ich die nicht gesehen habe. Aber je mehr ich korrigiere, desto mehr Fehler werden es. Ich habe das „düste“ gelassen. Es ist ja auch ein wenig humorvoll gedacht.

Die verknüpft zwei Dinge, die ich beide sehr gern lese, die aber nicht unbedingt miteinander harmonieren: Mythen und Science Fiction.
Ich meine doch, dass Mythen und SF die zwei Seiten eines Themas sind. Nämlich das überreale Betrachten von gesellschaftlichen Entwicklungen.
Dank für das Extra-Lob für den Titel.
Es gibt zwar viele Einzelheiten,
Die sind eher exemplarisch, als Beispiele für komplexe Prozesse; ich wollte keine totale Beschreibung geben.
Das ist eine schöne Geschichte zum Sonntag.
Vielen Dank für dieses Kompliment. Eine Sonntagsgeschichte, aber ob ich sie von einer Kanzel herab lesen dürfte?
Übrigens: Diese Geschichte bezieht sich auf ein Bild mit Mann und Frau und drei Fantasietieren. Sie wird zu einer Ausstellung von mehreren Bildern im Rahmen einer Lesung vorgelesen und durfte 10 Minuten nicht überschreiten.
Vielen Dank und fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Liebe Novak,
die Rettung naht.
Wirklich ist die Geschichte einfach (tut mir leid). Liebesdiktatur und Gewaltdiktatur bekämpfen einander. Der Erfolg: Beide Gefühle (über)leben. Otello hasste und liebte und mit ihm Tausende. Ohne Liebe gebe es keine Familienkatastrophen.

Auch dass die Liebesgöttin nachher den Hasskerl auffrisst und nun alle Welt damit leben muss, dass die Liebe einen Hassklumpen im Darm trägt. Ich meine, ich hab schon immer allzu laut vorgetragenen Liebes- oder Verständnishymnen misstraut, aber ob das nun damit meintest?
Genau das meinte ich; die Doppelgesichtigkeit der Liebe (und nicht nur von ihr): Man liebt die Heimat und hasst die Feinde usw.
Die Liebe hat den Tod doch gar nicht überwunden. Die Menschen hocken alle immer noch unter dem Scheißeberg und sind vermutlich erstickt.
Vielleicht war das zu kurzschrittig: Es steht ja da, dass in dem Hügel auf zauberische Schnelle eine unterirdische Stadt gebaut wurde. Ich mache das deutlicher.
Ich wünsche dir nun KLarheit

Herzliche Grüße
Wilhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Seit 2.000 Jahren lebt die Erde ohne Liebe.
Es regiert der Herr des Hasses.
Hässlich, ich bin so hässlich, so grässlich hässlich:
Ich bin der Hass!
Hassen, ganz hässlich hassen, ich kann's nicht lassen:
Ich bin der Hass!

DÖF, "Codo" 1983​

Wilhelm Berliner schrieb:
Weiß Gott, warum ich die nicht gesehen habe. Aber je mehr ich korrigiere, desto mehr Fehler werden es.
Du sagst es, Wilhelm:

Alle verdienten bis den Betrag, den sie ...

Ein Wink ließ den Drachen erneut so lange über die Stadt [...?], bis nur noch ein Hügel zu sehen war.

Auch wenn aus den einen wie aus den anderen bisweilen der pure Schalk hervorblitzt, Wilhelm, halte ich dich aufgrund der Texte und Kommentare, die ich von dir kenne, für einen Menschen, der sich bei allem, was er sagt und schreibt, viel denkt. Sehr viel sogar. Nicht von ungefähr hast du immer wieder einmal das Stichwort Philosophisches über deinen Geschichten. Das lässt einen Simpel wie mich zwar in aller Regel gleich mal die Augen verdrehen, weil es nichts anderes heißt, als dass ich mir die Geschichte nicht einfach so nebenbei als reine Unterhaltungslektüre reinziehen kann, sondern dass Mitdenken, Grübeln, den Kopf zerbrechen angesagt ist, aber immerhin bin ich quasi vorgewarnt.
Bei dieser Geschichte hier sogar doppelt vorgewarnt, sagt doch selbst die schlaue Novak:

Novak schrieb:
Ich komm mir grad ein bisschen doof vor, aber ich verstehe die Geschichte nicht.
Hm.

Und die Menschen?
Das steht in den Geschichtsbüchern.
Und dieses Ende bestärkt mich in der Vermutung, dass wirklich alles, was in der Geschichte steht, von dir quasi gleichnishaft gemeint ist.
Jessas, soll ich mir das wirklich antun? Um anschließend wieder einmal blöd dazustehen?
Ach was, scheiß drauf, hab ich mir gedacht, in Wahrheit kennt mich ja eh niemand hier (der alte Horvath, den ich an meiner statt immer zu den Gatherings und zu den Wiener Stammtischen schicke, wird mich schon nicht verpfeifen), also kann ich mich auch ruhig an einer … hüstel ... „Interpretation“ versuchen.

Nun denn:
Wir haben ein Volk, das offenbar die längste Zeit in übelster Unterdrückung gelebt hat, geknechtet und ausgebeutet von einer elitären Oberschicht. Soweit entspricht das durchaus realen historischen Vorbildern. Dass es sich einige wenige auf Kosten aller anderen gut gehen lassen, gehört ja quasi zur Folklore der Menschheitsgeschichte, Beispiele für diese Art von Gemeinwesen gab und gibt es zuhauf.
Allerdings ist hier der oberste Chef nicht ein skrupelloses Homo Sapiens-Männchen, sondern schlicht ein Gott.
Und dieser Gott hat eine Gegenspielerin. Die schickt den Witzbold, der sich offenbar ergötzt am heillosen Chaos, an diesem zutiefst menschlichen Unvermögen, solidarisch und friedvoll zusammenzuleben, mir nichts dir nichts in die Wüste, um den armen Menschlein das Paradies auf Erden zu ermöglichen, bzw. das, was sie sich darunter vorstellt:
.

Das tägliche Leben floss in Ruhe, Gelassenheit und Harmonie einher. Die Seelen der Menschen waren gleichförmig wie der Takt einer Uhr. Die Liebe ordnete alle Lebensbereiche ihren Vorstellungen von Anstand, Rücksichtnahme und Fürsorge unter.
Pff, klingt eigentlich verdammt langweilig.

Tja, für wen stehen jetzt die beiden Gottheiten?
Stehen sie allegorisch für den ewigen Kampf Gut gegen Böse? (Wobei es ja immer eine Frage des Standpunktes bzw. der Definition ist, was nun gut und was böse ist.)
Für zwei konträre Gesellschaftssysteme, z.B. Kapitalismus und Kommunismus? Oder gar für zwei Weltreligionen? Die mit zwar besten Absichten ihre Lehren verbreiten wollen, mit ihrem Absolutheitsanspruch aber einfach scheitern müssen?

Ist der Gute in Wahrheit Archén, weil er die Eigenverantwortung jedes Individuums höher schätzt als ein fragwürdiges Gemeinwohl?

Und die (unbeabsichtigt) Böse ist letztlich Matharis, weil sie in ihrer verblendeten Fürsorge für die Menschen weit über das Ziel hinausgeschossen hat? Weil sie den „freien Willen“ als die Wurzel allen Übels zu erkennen meint und ihn mit fragwürdigen Methoden bekämpft?

Auf dem Bildschirm zeigte sich dieselbe Szene, die vor dem Erscheinen von Archén zu sehen war: Gesang ertönte, Kirchenglocken dröhnten, die Menschen marschierten und die Häuser standen unversehrt in dieser unterirdischen Stadt. „Die Liebe überwindet den Tod“, kommentierte Matharis
Na klar, dieser Fernseher symbolisiert nichts anderes als die massenverdummenden Medien. Die Menschen können noch so in der Scheiße sitzen, solange ihnen eine heile Welr vorgegaukelt wird, ist alles paletti.
Hm.

Mann, in Wahrheit geht’s mir wie Novak. Ich kapier die Geschichte einfach nicht.
Aber, ich will’s mal so sagen, Wilhelm: Irgendwie fand ich sie ... hm, schon witzig.

So, und jetzt werde ich mir einfach einen hirnsedierenden Fernsehfilm reinziehen.
(Verdammt, ich hab ja gar keinen Fernseher.)
Na, dann geh ich halt mit dem alten Horvath auf ein Bier.

(Oder sollte ich lieber darüber nachdenken, ob sich in deiner Wahl des Datums für den fünfzigsten Ehrentag Matharis‘ etwa gar ein Hintersinn versteckt?)


Ernst Horvath offshore

 

Von allen Geistern, die verneinen,
ist mir der Schalk am wenigsten verhasst.
Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruhe …
„Der Herr“ in Goethe: Faust I


Lieber Offschore,
es hat mich sehr gefreut, dass du aus dem Land der „Ersten Allgemeinen Verunsicherung“ zu mir, dem „Ersten Allgemeinen Verunsicherer“, gekommen bist. Ist das nicht das Land, in dem die Bernhards, Horvaths, Wittgensteins, Musils und, ach, all die Kakanier blühen wie die Zitronen im Goetheland. (Muss geschrieben werden, dass man Kakanien ohne c schreibt, oder doch?)
Denken wir an das Land der „Ersten Allgemeinen Versicherung“: Das ist das Land, in dem nach zweckrationalen Gesichtspunkten Leben gestaltet = berechnet wird. Es ist versicherungsmathematisch optimiert.

Auch wenn aus den einen wie aus den anderen bisweilen der pure Schalk hervorblitzt, Wilhelm, halte ich dich aufgrund der Texte und Kommentare, die ich von dir kenne, für einen Menschen, der sich bei allem, was er sagt und schreibt, viel denkt. Sehr viel sogar.
Das passiert schon manchmal.
Nicht von ungefähr hast du immer wieder einmal das Stichwort Philosophisches über deinen Geschichten. Das lässt einen Simpel
Simpl? War nicht Simplicius Simplicissimus auch ein Schalk? Ein Simpl ist ein Mann/Frau, der so einfache Fragen stellt, dass sie schwer zu beantworten sind: Was ist Glück usw. Und der sich über Antworten, die gegeben werden, ob ihrer Unvollkommenheit bzw. ob der Wichtigtuerei ihrer Erfinder, lustig macht und die Vanitas hervorruft, damit die Dummheiten, auch seine eigene, nicht gar so wehtun.
wie mich zwar in aller Regel gleich mal die Augen verdrehen, weil es nichts anderes heißt, als dass ich mir die Geschichte nicht einfach so nebenbei als reine Unterhaltungslektüre
Es ist halt eine Oberhaltungsliteratur.
reinziehen kann, sondern dass Mitdenken, Grübeln, den Kopf zerbrechen angesagt ist, aber immerhin bin ich quasi vorgewarnt.
Wozu braucht es eine Warnung, wenn einem Gutes widerfährt.
Manche meiner Geschichten sollen sehr wohl auch unterhalten, denn es könnte ja sein, dass man darüber durchaus in das Lachen der Thrakerin ausbrechen kann.

Bei dieser Geschichte hier sogar doppelt vorgewarnt, sagt doch selbst die schlaue Novak:
Zitat von Novak
Ich komm mir grad ein bisschen doof vor, aber ich verstehe die Geschichte nicht.
Hm.
Und die Menschen?
Das steht in den Geschichtsbüchern.
Und dieses Ende bestärkt mich in der Vermutung, dass wirklich alles, was in der Geschichte steht, von dir quasi gleichnishaft gemeint ist.
Ja, ist schon so, aber halt alles mit der Schalksmütze und nicht mit der Maschinenpistole.

Jessas, soll ich mir das wirklich antun? Um anschließend wieder einmal blöd dazustehen?
Das Blöd-dastehen ist vielleicht hilfreich, wenn man bedenkt, wie viele zuerst gescheit reden und dann die Blöden sind.

Ach was, scheiß drauf, hab ich mir gedacht, in Wahrheit kennt mich ja eh niemand hier (der alte Horvath, den ich an meiner statt immer zu den Gatherings und zu den Wiener Stammtischen schicke, wird mich schon nicht verpfeifen), also kann ich mich auch ruhig an einer, … hüstel, „Interpretation“ versuchen.


Nun denn:
Wir haben ein Volk, das offenbar die längste Zeit in übelster Unterdrückung gelebt hat, geknechtet und ausgebeutet von einer elitären Oberschicht. Soweit entspricht das durchaus realen historischen Vorbildern.

Richtig
Dass es sich einige wenige auf Kosten aller anderen gut gehen lassen, gehört ja quasi zur Folklore der Menschheitsgeschichte, Beispiele für diese Art von Gemeinwesen gab und gibt es zuhauf.
Richtig

Allerdings ist hier der oberste Chef nicht ein skrupelloses Homo Sapiens-Männchen, sondern schlicht ein Gott.
Auch richtig
Und dieser Gott hat eine Gegenspielerin. Die schickt den Witzbold, der sich offenbar am heillosen Chaos, an diesem zutiefst menschlichen Unvermögen, solidarisch und friedvoll zusammenzuleben, ergötzt, mir nichts dir nichts in die Wüste, um den armen Menschlein das Paradies auf Erden zu ermöglichen, bzw. das, was sie sich darunter vorstellt:
So ist es.
Das tägliche Leben floss in Ruhe, Gelassenheit und Harmonie einher. Die Seelen der Menschen waren gleichförmig wie der Takt einer Uhr. Die Liebe ordnete alle Lebensbereiche ihren Vorstellungen von Anstand, Rücksichtnahme und Fürsorge unter.
Pff, klingt eigentlich verdammt langweilig.
Wie im Kerker!

Tja, für wen stehen jetzt die beidn Gottheiten?
Stehen sie allegorisch für den ewigen Kampf Gut gegen Böse? (Wobei es ja immer eine Frage des Standpunktes, bzw. der Definition ist, was nun gut und was böse ist.)
Für zwei konträre Gesellschaftssysteme, z.B. Kapitalismus und Kommunismus? Oder gar für zwei Weltreligionen? Die mit zwar besten Absichten ihre Lehren verfolgen, mit ihrem Absolutheitsanspruch aber einfach scheitern müssen?

Ist der Gute in Wahrheit Archén, weil er die Eigenverantwortung jedes Individuums höher schätzt als ein fragwürdiges Gemeinwohl?

Und die (unbeabsichtigt) Böse ist letztlich Matharis, weil sie in ihrer verblendeten Fürsorge für die Menschen weit über das Ziel hinausgeschossen hat? Weil sie den „freien Willen“ als die Wurzel allen Übels erkannt hat und ihn mit fragwürdigen Methoden bekämpft?

Das sind die richtigen Fragen.
Auf dem Bildschirm zeigte sich dieselbe Szene, die vor dem Erscheinen von Archén zu sehen war: Gesang ertönte, Kirchenglocken dröhnten, die Menschen marschierten und die Häuser standen unversehrt in dieser unterirdischen Stadt. „Die Liebe überwindet den Tod“, kommentierte Matharis
Na klar, dieser Fernseher symbolisiert nichts anderes als die massenverdummenden Medien. Die Menschen können noch so in der Scheiße sitzen, solange ihnen eine heile Welr vorgegaukelt wird, ist alles paletti.
Hm.
Vielleicht habe ich hier einen zu großen Sprung gemacht (ist korrigiert). Die Liebe hat aus dem Scheißhaufen eine schöne unterirdische Stadt gemacht, in der durch Zauber die goldenen Zeiten ewig bleiben.
Mein Fehler

Mann, in Wahrheit geht’s mir wie Novak. Ich kapier die Geschichte einfach nicht.
Aber, ich will’s mal so sagen, Wilhelm: Irgendwie fand ich sie ... hm, schon witzig.

So, und jetzt werde ich mir einfach einen hirnsedierenden Fernsehfilm reinziehen.
(Verdammt, ich hab ja gar keinen Fernseher.)
Na, dann geh ich halt mit dem alten Horvath auf ein Bier.

Man bemüht sich immer um Bildung, aber man braucht auch Zeiten der Verblödung und dazu ist das (normale) Fernsehen eine Lebensnotwenigkeit.
Deine Anstrengung führte ja zu einem guten Ergebnis. Die Geschichte ist einfach.

Irgendwie fand ich sie ... hm, schon witzig.
Witzig und wahr ist, dass mit jedem Gefühl irgendwo im Körper das Gegengefühl lauert.
Himmelhoch jauchzend- zu Tode betrübt.
Vielen Dank für deine wunderbare Einlassung, auch deiner Bescheidenheit sitzt die Schalksmütze auf dem Kopf.
Fröhliche Grüße
Wilhelm Berliner

 
Zuletzt bearbeitet:

Seither geht die Liebe mit dem Hass im Bauch umher.

Lieber Wilhelm Berliner,

das ist die Erkenntnis, die ich als Leser aus deiner kleinen quasi-mythologischen Erklärungsgeschichte mitnehmen soll. Da kämpft das Gute gegen das Böse, Matharis gegen Archén. Matharis ist dabei die Göttin der Liebe, während Archén ihr Gegenpol, der Gott des Hasses ist. Zum Schluss frisst das Gute das Böse und der Liebe wohnt von diesem Zeitpunkt an der Hass inne.

Du lieferst uns eine wild bewegte Geschichte mit schönen und ekligen Bildern, verpackst in ihr gesellschaftskritische Aspekte und vieles andere, was sicherlich einer Diskussion wert wäre.

Ich möchte mich hier aber nicht auf die Einzelheiten deines Textes beziehen, nur auf die Schlussfolgerung, die du als Autor ziehst:

Seither geht die Liebe mit dem Hass im Bauch umher.
Und die Menschen?
Das steht in den Geschichtsbüchern.

Und da frage ich nun: Ist das wirklich so? Gehört zur Liebe wie Yin und Yang der Hass? Und bewegt dieses Prinzip die Menschheitsgeschichte? Gibt es wirklich eine derartige Bedingtheit?

Für mich hat der Begriff ‚Liebe’ zuallererst seinen Platz im zwischenmenschlichen Bereich, ob ich ihn nun ganz alltäglich benutze oder weiter gefasst in der Frommschen Betrachtungsweise.

In den Geschichtsbüchern finde ich ihn als Resultat von Verblendetheit, Indoktrination, Populismus (‚die Liebe zum Führer’). Und auch der Begriff ‚Hass’ ist in der Regel nicht Auslöser politischen Handelns, eher sind es Gier, Unterdrückung, Machtstreben usw.

Die Politik erzeugt und instrumentalisiert die Gefühle Liebe und Hass, um ihre Ziele zu erreichen, sie sind mMn nicht die wirklichen Gründe ihres Handelns, allenfalls vorgeschobene.
Natürlich gibt es den Hass in der Geschichte: Hitler hasste die Juden, der Dritte Stand hasste den Adel. Aber wo ist hier die Verbindung zum Begriff ‚Liebe’? Wenn ich dich recht verstehe, gehört der Hass ja zur Liebe, fast janusköpfig.
Natürlich bedient sich die Politik dieses Gegensatzes, um zu polarisieren, so wie du es in deinem Komm zu Novak sagst:

Genau das meinte ich; die Doppelgesichtigkeit der Liebe (und nicht nur von ihr): Man liebt die Heimat und hasst die Feinde usw.
Aber das ist doch kein Definitionskriterium der Liebe: Ich kann doch meine Heimat auch lieben, ohne jemanden zu hassen. Natürlich kann sich enttäuschte Liebe in Hass verwandeln, aber das ist doch sicher nicht das, was du meinst.

Mit den Begriffen ‚Liebe und Hass’ als Erklärungsansatz für geschichtliches Geschehen kann ich leider nichts anfangen. Die wirklichen Zusammenhänge und Antriebe lassen sich mit ihnen nicht auf den Punkt bringen. (Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob du es so gemeint hast, wie ich es aufgefasst habe.)

Deshalb bleibt deine Geschichte für mich zum Schluss ein gern gelesenes farbenfrohes Spektakel, mit der Einschränkung, dass dessen Einzelheiten – da stimme ich Perdita zu

nur angedeutet werden und (die) vielleicht einer detaillierten Betrachtung nicht standhalten würden,

Und auch dein Land Axmundi, deine ‚schöne neue Welt’, eine Mischung aus Paradies, Schlaraffenland, Singapur und Orwells 1984 mit Menschen, deren Aggressionstrieb sofort wieder intakt ist, als sie von außen angegriffen werden, bietet sicher noch einigen Diskussionsstoff. Ich bin gespannt.

Liebe Grüße
barnhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe Barnhelm

Seither geht die Liebe mit dem Hass im Bauch umher.
das ist die Erkenntnis, die ich als Leser aus deiner kleinen quasi-mythologischen Erklärungsgeschichte mitnehmen soll.
Der Leser soll von seiten eines Autors nichts mitnehmen, sondern die Geschichte lesen und darüber nachdenken. Es handelt sich hier um keine didaktische Literatur. Im Denken ist der Leser frei.
Und da frage ich nun: Ist das wirklich so?
Diese Frage kann man sich nicht oft genug stellen. Und die Antwort? Meistens oder immer ? ist es nicht so, wie jemand gerade behauptet, dass es so ist. Nie ist etwas so , wie es scheint.

Gehört zur Liebe wie Yin und Yang der Hass? Und bewegt dieses Prinzip die Menschheitsgeschichte? Gibt es wirklich eine derartige Bedingtheit?
Das könnte schon so sein. Aber nur, wenn man bipolar denkt. Denkt man multidimensional, gehören Machtstreben, Unterwürfigkeit, Angst, Hysterie und was weiß ich noch dazu. Dann wird es nicht mehr darstellbar.

Für mich hat der Begriff ‚Liebe’ zuallererst seinen Platz im zwischenmenschlichen Bereich, ob ich ihn nun ganz alltäglich benutze oder weiter gefasst in der Frommschen Betrachtungsweise.
Ich sehe die Vereinigungsmetapher bei Beibehaltung der Individualität skeptisch und es scheint mir eher als Wunsch zu verstehen zu sein denn als Realitätsbeschreibung.

In den Geschichtsbüchern finde ich ihn als Resultat von Verblendetheit, Indoktrination, Populismus (‚die Liebe zum Führer’). Und auch der Begriff ‚Hass’ ist in der Regel nicht Auslöser politischen Handelns, eher sind es Gier, Unterdrückung, Machtstreben usw.
Hass auf die anderen Rassen oder Glaubensmitglieder sind durchaus Auslöser politischen Handelns (Iran/USA, IS).

Die Politik erzeugt und instrumentalisiert die Gefühle Liebe und Hass, um ihre Ziele zu erreichen, sie sind mMn nicht die wirklichen Gründe ihres Handelns, allenfalls vorgeschobene.
Auch im „zwischenmenschlichen Bereich“ wird doch Liebe instrumentalisiert. Wie viele Heiraten wurden aus anderen Gründen als Liebe geschlossen.

Natürlich gibt es den Hass in der Geschichte: Hitler hasste die Juden, der Dritte Stand hasste den Adel. Aber wo ist hier die Verbindung zum Begriff ‚Liebe’?
Bei Hitler die Vaterlandsliebe, die Arierverehrung, bei den Franzosen die Liebe zur Gerechtigkeit, bei Stalin die Liebe zum Sozialismus …
Wenn ich dich recht verstehe, gehört der Hass ja zur Liebe, fast janusköpfig.
Natürlich bedient sich die Politik dieses Gegensatzes, um zu polarisieren, so wie du es in deinem Komm zu Novak sagst:
Genau das meinte ich; die Doppelgesichtigkeit der Liebe (und nicht nur von ihr): Man liebt die Heimat und hasst die Feinde usw.
Das immer unter der Voraussetzung des bipolaren Denkens. Multidimensional s.o. Aber eindimensional Liebe zu denken scheint mir lebensfremd.

Aber das ist doch kein Definitionskriterium der Liebe: Ich kann doch meine Heimat auch lieben, ohne jemanden zu hassen. Natürlich kann sich enttäuschte Liebe in Hass verwandeln, aber das ist doch sicher nicht das, was du meinst.
Das meine ich sicherlich auch. Ich habe oben Otello erwähnt. Die Tendenz zur Enttäuschung liegt in jeder Erwartung. Die Angst, den geliebten Partner zu verlieren, liegt doch auch in dem Gefühlsbereich Liebe. Bipolar hätte ich auch Liebe und Angst koppeln können.

Mit den Begriffen ‚Liebe und Hass’ als Erklärungsansatz für geschichtliches Geschehen kann ich leider nichts anfangen. Die wirklichen Zusammenhänge und Antriebe lassen sich mit ihnen nicht auf den Punkt bringen. (Ich bin mir aber auch nicht sicher, ob du es so gemeint hast, wie ich es aufgefasst habe.)
Auf „den“ Punkt lässt sich nichts bringen, nur wenn man zu einfach denkt. Oben habe ich geschrieben, das mir die „Erste Allgemeine Verunsicherung“ nicht fremd ist.

Deshalb bleibt deine Geschichte für mich zum Schluss ein gern gelesenes farbenfrohes Spektakel,
Mit „farbenfrohem Spaktakel“ hast du mir höchstes Lob ausgesprochen, denn das trifft meine Vorstellung sehr genau. Spektakel heißt auch Lärm machen und eben volktheatralisches Vergnügen. Der Gegensatz dazu wäre das Theater der Empfindsamkeit im innerseelischen Räumen.
mit der Einschränkung, dass dessen Einzelheiten – da stimme ich @Perdita zu
nur angedeutet werden und (die) vielleicht einer detaillierten Betrachtung nicht standhalten würden,
Das tun sie sicher nicht, ich wollte kein Grundgesetz schreiben, sondern nur Tendenzen andeuten. Außerdem habe ich nur zehn Minuten Zeit zum Vortrag.

Und auch dein Land Axmundi, deine ‚schöne neue Welt’, eine Mischung aus Paradies, Schlaraffenland, Singapur und Orwells 1984 mit Menschen, deren Aggressionstrieb sofort wieder intakt ist, als sie von außen angegriffen werden, bietet sicher noch einigen Diskussionsstoff. Ich bin gespannt.
Das hoffe ich auch, dass eine so lebendige Argumentation wie die deine sich noch fortsetzt.
Es war mir eine Freude, mit dir zu argumentieren.
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 
Zuletzt bearbeitet:

„…
viel lieber wolt ich leiden den todt,
das ich dich herzlieb mus meiden,
gleich heut als ferd, auf dieser erd,
und der mir liebt, den las ich mir nicht leiden.“
Ambraser Liederbuch​

„Matharis, du Gute, Matharis, du Reine, behüte und beschütze uns in deinem Heime.“
Ergriffen lauschte Matharis, die Göttin der Liebe, dem Gesang des Volkes von Axmundi. Heute war ihr Ehrentag: der 9. November. An diesem Tag zelebrierten die Stadtbewohner das alljährliche „Geistfest der Harmonie“ zum fünfzigsten Mal. Sie dankten Matharis für die Befreiung von der Herrschaft Archéns, des Gottes des Hasses.

Der 9. November – ein unheilig heiliges Datum teutscher Geschichte –

lieber Wilhelm,

1918 Novemberrevolution, Monarchie adieu,
1923 noch Mal am Faschismus vorbeigeschreddert und doch nicht auf Dauer davongekommen, siehe
1938 Reichspogromnacht,
1989 Bornholmer Straße (zu empfehlende Fernsehsatire, manchmal haben Bildschirme doch was an sich ...) und Fall der Mauer,

blieben also je 50 Jahre später:
1968/69 (Ende der berühmten „Nachkriegszeit“ und Ende des Wirtschaftswunders (Zechenstilllegungen, Krise der Schwerindustrie etc.), dem Attentat auf Dutschke (allerdings schon Gründonnerstag 68) und dem Anfang vom Ende der Großen Koalition unter Federführung des NSDAP-Mitgliedes Kiesinger, 1973 Kanzler Brandt auf dem Höhepunkt seiner Karriere, beide deutschen Staaten Mitglied der UNO, 1988 die Nikolaikirche zu Leipzig ahnt noch nix von ihrer Rolle ein Jahr später …

Aber 2039 ? Mutmaßlich: Silicon Valley wähnt sich als Welthauptstadt … Gott Guugel wird inthronisiert ...

Ich sehe eine Fortsetzung "der Burg" und nicht nur wegen der

Mitglieder der kleinen „Ritterschaft“
(warum Gänsefüßchen, die in dem Fall ja nix anderes ersetzen als das noch leidigere „sogenannte(n)“, als wäre nicht alles sogenannt und hätte nicht der alte Ritteradel gewusst, dass mit der Ritterlichkeit und Minne bestenfalls eine Frau zu erobern war, selbst das „buhurten“ auf den Turnieren ging nicht ohne Blutvergießen ab), wobei das Individuelle der älteren Geschichte nun in den Götterhimmel der beiden scheinbaren Konkurrenten Liebe und Hass nebst Bevölkerung übergestülpt wird, beides aber nicht so ist, denn
Die Liebe ordnete alle Lebensbereiche ihren Vorstellungen von Anstand, Rücksichtnahme und Fürsorge unter.

Das klingt eher nach Verwaltungsakt, denn nach Gefühlsleben, mit der einen Göttin an der Spitze der Hierarchie (die dann nicht von anderen gottgleichen Kolleg/inn/en, sondern der Priesterschaft gebildet wird, die das vermeintliche Wort Gottes verbreitet.

Und Religion als staatserhaltend/-tragend feiert von Israel über den IS bis Iran und VatisKanstaat fröhlich Hochkonjunktur. Und nehmen wir den Konsumismus als Ersatzreligion, in der die Wahl über 250 verschiedene Joghurts als Freiheit angesehen wird ... da muss man den Amazonasindianer, der sich noch der Globalisierung entziehen kann, glücklich schätzen ...

Da lässt sich leichtfertig über die Mauerwerke innerhalb der Köpfe rufen

Du wirst [m]ich nicht mehr besiegen.“

Einiges deutet etwas schwerfällig auf den hellenistischen Mythenhimmel hin wie die Umschreibung
Die stierähnlichen Vorderbeine trampelten die am Boden Liegenden zu Tode.
oder auch
Das schwanzförmige Hinterteil mähte die Marktbesucher wie Grashalme um.
Aber sind die Hellenen noch Hellenen nach langjähriger osmanischer und hernach bairisch-wittelbacherischen und nun troikanischer Besatzung? Und Matharis erinnert mich irgendwie an die Makkabäer ...

Letzte Trivialitäten

Hier wäre m. E. Der Plural fehl am Platz

, obwohl eine ansehnliche Anzahl von Menschen auf dem Platz und in den Straßen tot oder sterbend herumlagen.
bezieht sich doch das Sterben der Menschen auf die „ansehnliche Anzahl“ und nicht auf "die" Menschen ...

Hier gefällt mir's German gerund nicht so sehr

„Du bist doch am Verlieren.
Gut, so spricht man, aber auch Gott? Warum nicht „Du verlierst doch soeben“ oder „Du bist doch der Verlierer“ (was sehr schön die mythischen Götterhimmel als das darlegt, was sie sind: Projektionen menschlichen Alltags).

Und der Satz

Ein Leben ohne Leid bringt keine Freude.
verleitet mich dann zum Hinweis, dass Liebe und Hass eigentlich sehr indirekt zu Gegensätzen wurden. Denn Gegensatz zur Liebe ist das Leid, dessen intransitive Ableitung im leid sein/tun es nicht so sehr offenbart, wie das transitive Verb zusammengesetzt mit der Vorsilbe ver… (die eigentlich das verfehlte Ziel meint und die angehängten Verben in ihr Gegenteil verkehrt, am deutlichsten im „verlaufen“ zu erkennen) verleiden (= verhasst machen).

Wie immer, gern gelesen vom

Friedel,
der nicht ausschließt, noch mal vorbeizuschau'n

 

Lieber Friedel,
wie immer sprühen deine Gedanken in deiner Stellungnahme zum "Liebesmahl".
Der 9. November, das hat schon die Bedeutung einer Anspielung auf politische Wandelpunkte. Mit dieser Erkenntnis kommt man schon in manche Überlegungszwänge zur politischen Psychologie von Hass und Liebe, außer wir lieben wie weiland im deutschesten Deutschland alle Menschen. Da ist dann der Hass fern (oder unterm Teppich).
Du kannst nicht einfach ein Jahr 2039 gründen. Die Geschichte spielt in der Prä-, Mittel- und in der Postgeschichte.
Sicher gibt es Ähnlichkeiten mit der „Burg“. Das ist schon richtig, hier etwas volkstümlicher, jahrmarktmäßiger aufgebrezelt.
Du monierst Gänsefüßchen oder Gänseaugen oder Hasenöhrchen, auch das „sogenannten“ und raubst mir dabei den distanzierenden Effekt, holst mich zurück aus der Sprache der Uneigentlichkeit zur Eigentlichkeit, obwohl ich eigentlich uneigentlich sein wollte, damit das Eigentliche sich besser abhebt.
Du schreibst so, als würde es dich wundern, dass Matharis Liebe als Verwaltungsakt benutze. Was denn sonst? Schreibt doch schon Luhmann „Liebe ist ein symbolisch generiertes Kommunikationsmedium“. (Der Gänsehirt lässt grüßen und verhindert ein Plagiat.)
Und zur Liebe soll nicht Hass gehören? Liebe verursacht Leid, worauf Hass ja auf das indogermanische kados = Leid zurückgeht und ich somit in wunderbarer Schleife den Gegensatz richtig gewählt habe.
Und so grüßt dich fröhlich von Liebe und Hass befreit
Wilhelm Berliner

 

Lieber Wilhelm!

Nach dem Sieg über den Hass entstand eine Gemeinschaft, die Menschen und Natur in harmonischer Liebe einte.
Oh, wie schön!
Aber schon der nächste Satz zeigt, dass vielleicht das Stichwort „Horror“ hier auch nicht verkehrt wäre:
Ungleichheiten, Ungerechtigkeiten und Untaten gab es nicht mehr

Alle verdienten den Betrag, den sie in einem Monat sinnvoll und verantwortungsbewusst verbrauchten.
Wer bestimmt denn hier, was sinnvoll und verantwortungsbewusst ist, oder leben die Axmundis in Anarchie, der einzig idealen Gesellschafts(un)ordnung? Sollte die Evolution so gnädig gewesen sein (Science Fiktion), die Menschen für diese Form des Zusammenlebens reif werden zu lassen?
Leider nicht. Sie haben den Hass-Gott vertrieben, nur um sogleich einen neuen Gott sich zu erschaffen. Schade, schade. Und so kommen sie vom Regen in die Traufe. Matharis und Archén sind, wie kann es anders sein, vom gleichen Schlage, nur ihre Methoden unterscheiden sich.

Lieben Gruß

Asterix

 

Lieber Asterix,

„Horror“ ist ein guter Ausdruck. Sehe ich mir heute so die nachrichtlich vermittelte Welt an, so geschieht genau das, was durch die Verwirrung er Gefühle, die man vielleicht hat, sich einbildet oder taktisch ausnutzt oder alles zusammen, und was Horror ausmacht, nämlich Mord und Totschlag.Wer weiß, wie viele Parteien in und um Syrien herum gegen wer weiß wie viele Feinde kämpft - aus Liebe zu Vaterland, Menschenrechte, für Frau und Kind usw..
Das Liebesmahl ist ja nur eine bescheidene Geschichte, die von der Wirklichkeit weit betroffen wird.
Man sage nicht, da spielten Liebe und Hass keine Rolle. Es gibt noch andere "Gefühle", aber die scheinen mit die wichtigsten zu sein. Wer heiratet, denkt nicht an den Rosenkrieg. Wer eine Mission hat, denkt nicht an die Opfer.
Ein klein wenig denke ich bei der Geschichte doch an die Gegenwart: So schriebt Pankaj Mishra in der jetzigen Lettre 110, dass man diese jetzige Zeit "mit dem unkoordinierten Abschlachten" (S. 31) als Ausbruch des Dritten Weltkriegsansehen könnte.
Kann man andere Wörter einsetzen als Liebe und Hass. Ist die Liebe zu einem Gott, für den man tötet, keine Liebe? Andere Wörter lösen das Problem nicht.
Insofern kann man fröhlichen Gemüts der Zukunft entgegenschauen: Wir wissen, was kommt. Oder nicht?
Fröhliche Grüße
Wilhelm

 

Du monierst Gänsefüßchen

jaraja (wie's irgendwo im Mitelhochdeutschen heißt (bei Wolfram?), denn waren es nicht die schnatternden Gänse, die aufgeregt auf ihren Füßchen herumwatschelten und so Rom und die Geschichtsschreibung retteten, wie wir sie heute zu kennen meinen, aufpassen sollen die Tiere und eigentlich nicht als Geflügelklein Wörter umzingeln,

lieber Wilhelm,

aber ob das bis zur Anrede abgeschliffene Adjektiv lieb noch was mit der Liebe zutun hat, ist mehr als fraglich (wer verwendet denn noch die Floskel "Sehr geehrte/r ..., und alle grüßen wir freundlich am Ende eines Schriftstücks, und wenn wir dem Empfänger am liebsten (!) den Hals umdrehten. So ist das Wort Liebe zur Maskerade geworden.

Aber auch am Anfang der Liebe steht der Zwang, nicht so sehr der Mutter zum Säugling, als die Kinderliebe zur Mutter/Amme o. a. Erziehern.

Lieben Gruß aus'm Pott vom

Friedel

 

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