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Das letzte Schöne

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17.10.2001
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Das letzte Schöne

A sudden blow: the great wings beating still
Above the staggering girl, her thighs caressed
By the dark webs, her nape caught in his bill,
He holds her helpless breast upon his breast.

How can those terrified vague fingers push
The feathered glory from her loosening thighs?
And how can body, laid in that white rush,
But feel the strange heart beating where it lies?

A shudder in the loins engenders there
The broken wall, the burning roof and tower
And Agamemnon dead.
Being so caught up,
So mastered by the brute blood of the air,
Did she put on his knowledge with his power
Before the indifferent beak could let her drop?

(Leda and the swan by W.B. Yeats)


Das letzte Schöne

(Ein junges Mädchen läuft über die Bühne. Auf den Armen trägt sie einen schweren Sack. Sie ist dünn und sieht bemitleidenswert aus. Ihre Kleidung ist zerfetzt und schmutzig. Sie schaut sich um und beginnt zu rennen. Dann kommt sie rennend aus einer Ecke der Bühne, blickt zurück und läuft zur anderen Ecke. Als sie zurück auf die Bühne kommt, trägt sie einen Mann huckepack auf dem Rücken. Er trägt einen schwarzen Anzug. Sie geht langsam und gebeugt.)

LITA: Geh weg!

MANN: Ist es nicht ein schöner Tag?

LITA: Geh weg! (Sie fällt auf die Knie. Er bleibt auf ihrem Rücken.)

MANN: Du solltest aufstehen. Wir sind hier nicht in der Kirche. Komm von deinen Knien hoch!

LITA: Du bist nicht hier... Ich sehe dich nicht... Ich höre dich nicht.

MANN: Das ist hier kein Affe auf deinem Rücken. (Er rutscht von ihr herunter. Sie bleibt kniend.) Was machst du da?

LITA: Ich bete.

MANN: Spar die dir Kraft! (Er fängt an, ihren Beutel zu durchwühlen.)

LITA: Lass deine Finger davon!

MANN: Aber ich mache doch gar nichts! Denk dran... ich bin nicht real. (Er nimmt einen Apfel heraus und beißt hinein.)

LITA: Nicht! Das war mein letzter Apfel! Das war alles, was ich noch hatte!

MANN: Verzweiflung macht ihn süßer, findest du nicht? (Er wirft den halb gegessenen Apfel weg. Sie hebt ihn auf. Er geht zu einigen alten Holzkisten und einer rostigen, mit Dreck gefüllten Badewanne herüber, die in einem ausgedorrten Garten stehen.) Ignorierst du mich? (Sie ist damit beschäftigt, Unkraut zu jäten.) Düngst du den Dreck? Weißt du... dies ist der beschämendste Garten, den ich je zu Gesicht bekam. Du fütterst doch nur das Ungeziefer! (Man hört eine Explosion. Lita zuckt zusammen, entspannt sich wieder. Der Mann bleibt ungerührt.) Er kommt näher.

LITA: Ich höre nichts.

MANN: Siehst du? Du kannst mich nicht ignorieren. (Man hört eine weitere Explosion.) Und du kannst ihn nicht ignorieren.

LITA: Ich kümmere mich um nichts als um diesen Garten. (Vorsichtig gießt sie einige Pflanzen.) Ich kümmere mich um diese Tomate. Um diese Bohnen. Um diese Kartoffel. Und um dich kümmere ich mich nicht, also geh endlich weg! Geh und mache jemand anderen traurig!

MANN: Das tut weh. (Noch eine Explosion.) Glaubst du, die Bomben werden anhalten, wenn sie deine Tomate sehen? Glaubst du, die Soldaten werden sich um sie kümmern? Oder um dich?

LITA: Der Krieg ist Millionen von Kilometern entfernt. Er ist nicht wichtig. Genauso wie du nicht wichtig bist, schließlich gibt es dich nicht.

MANN: Ich schätze, es ist auch nicht wichtig, dass du hier in den Hügeln lebst und nichts isst außer faulen Äpfeln und Dreck. Es muss wundervoll sein, so viel Zeit für sich zu haben, ohne eine komplizierte Familie, ohne Schule, ohne Spaß, ohne Freunde. Schließlich ist das alles nicht wichtig. (Sie fängt an zu weinen.) Weinst du?

LITA: Ich habe kein Wasser mehr... also mache ich neues. (Man hört Schüsse. Sie duckt sich hinter die Wanne.)

MANN: Lass mich dir hier raus helfen. Bitte lass mich dir sagen, wie du von all dem hier weg kommst.

LITA: Geh weg von mir! Ich will keinen deiner Ratschläge. Du wirst mir doch nur raten aufzugeben.

MANN: Das ist der einzige Weg.

LITA: Das ist dein Weg... Mann im Anzug!

MANN: Oh, endlich habe ich einen Namen. Danke, (Er verbeugt sich.) ich bin gerührt. Du kümmerst dich um mich.

LITA: Tue ich nicht! (Sie schlägt ihr Bett auf, dass aus einer dünnen Decke besteht.) Du bist nur eine Stimme für mich, und nichts anderes.

MANN: Hör mal! Es wir leiser. Ob sie aufhören, weil es dunkel wird? Oder ob sie sich auf Zehenspitzen anschleichen? (Sie beginnt, sich hinzulegen.) Solltest du heute Nacht spüren, wie etwas an deine Schläfe schlägt und sich deine Füße erwärmen, war es eine sehr leise Patrone. (Sie setzt sich auf.) Du solltest nicht hier draußen schlafen. Du bist mitten in einem Krieg!

LITA: Falls du weiterreden willst... dann sag etwas nettes.

MANN: Etwas nettes. (Er setzt sich hin und lockert seine Krawatte.)

LITA: Nein... etwas angenehmes!

MANN: Etwas angenehmes.

LITA: Hör auf!

MANN: Hör auf.

LITA: Hör auf, mir alles nachzuplappern!

MANN: Hör auf, mir alles nachzuplappern.

LITA: (Sie steht auf. Er steht auf.) Sei still!

MANN: Sei still.

LITA: Argghh!

MANN: Argghh.

LITA: Ich bin dies alles so leid. (Sie setzt sich.)

MANN: Du bist dies alles so leid. (Er setzt sich.)

LITA: Es ist zu schade, dass du nicht real bist. Ich würde dich umbringen wollen.

MANN: Würde ich auch.

LITA: Ich bin real.

MANN: Niemand, der am Tag einen nur einen Apfel isst und trotzdem lebt, ist real.

LITA: (Sie schaut in ihren Beutel.) Mir geht es gut.

MANN: Gib mir deine Hand!

LITA: Warum?

MANN: Ich will mir etwas anschauen.

LITA: (Sie streckt ihre Hand aus, zieht sie wieder zurück.) Da!

MANN: Nein. Lass mich sie halten, Lita.

LITA: Wirst du sie mir zurückgeben?

MANN: Vielleicht.

LITA: Was wirst du mit ihr tun?

MANN: Es ist nur ein Test.

LITA: Ich habe alle fünf Finger.

MANN: Nicht so ein Test. Jetzt gib mir bitte deine Hand, oder ich vergesse, was ich eigentlich damit wollte. (Sie streckt langsam die Hand aus. Er nimmt sie sehr vorsichtig und kneift etwas Haut auf ihrem Handrücken zusammen.)

LITA: Au! (Zieht die Hand zurück.) Warum hast du das gemacht?

MANN: Du kannst so nicht weitermachen. Siehst du? (Er streckt seine Hand aus und tut dasselbe mit seinem Handrücken.) Siehst du das? Meine Haut zog sich gleich wieder zusammen. Deine nicht.

LITA: Und was soll das heißen?

MANN: Das bedeutet, dass du dehydrierst. Es bedeutet, die kleine Lita aus der Stadt wird hier auf dem Land in der Kälte sterben.

LITA: Werde ich nicht!

MANN: Niemand mag den Tod. (Explosion.) Das ist eine Tatsache.

LITA: Ich kann mich mit Äpfeln ernähren.

MANN. Nicht mit einem verfaulten am Tag.

LITA: Ich werde frische finden.

MANN: Wo? Im Zelt des Generals?

LITA: Ich werde die Sanitäter vom Roten Kreuz finden. Oder die NATO Soldaten... nein, amerikanische Soldaten... die geben einem immer etwas zu essen.

MANN: Aber die wollen dich nicht finden.

LITA: Warum nicht?

MANN: (Explosion.) Weil sie nicht wollen, dass ihre Panzer schmutzig werden.

LITA: Ich werde sie finden.

MANN: Ich kann dir helfen.

LITA: Du?

MANN: Ich kann dir helfen, von all dem hier wegzukommen.

LITA: Wie?

MANN: Stirb.

LITA: Da haben wir es wieder! (Sie steht auf.) Da haben wir wieder dein Todesgerede! Du schaust mich an, als wäre ich... So geht es jedes Mal. Lita, lass mich dein Freund sein! Lita, lass mich dir helfen! Lita, würdest du sterben, hättest du nicht so viele Schmerzen!

MANN: Das ist die Wahrheit.

LITA: Was für eine Kreatur bist du? Der Teufel? Ein Todesengel?

MANN: Der Krieg hat viele merkwürdige Begleiter.

LITA: Es reicht! (Sie hebt ihre Sachen auf.)

MANN: Wohin gehst du?

LITA: Weg von dir! (Man hört Schüsse und Geschrei. Sie geht los.)

MANN: (Er stellt sich ihr in den Weg.) Hörst du denn nicht? Zu deiner Rechten Pistolen und von Wut zerfressene Männer. Zu deiner Linken Bomben und hasserfüllte Männer. Hinter dir Einschlaglöcher und verzweifelte Männer. Und vor dir Messer und böse Männer. (Sie bleibt stehen.) Sie werden mit dir spielen wollen... schöne Lita. Obwohl du so dünn bist wie die Schale eines Apfels, werden sie dir deine Sachen ausziehen wollen... und sie werden dich nicht küssen. (Er geht sehr nahe an sie heran.) Sie werden sich nehmen, was sie wollen und dann das faulende Herz wegwerfen. Sag Lita... wer warst du in der Stadt? Warst du eine Studentin, eine Sekretärin, eine Nutte?

LITA: Ich bin Tänzerin.

MANN: Tänzerin? Ich glaube nicht, dass sie (Er kreist mit dem Zeigefinger um sich.) das kümmern würde, du etwas? (Noch eine Explosion.) Warst du wenigstens gut?

LITA: Ich konnte fliegen...

MANN: Was für eine Tänzerin denn? (Mann hört Schüsse, die lauter werden.) Bauchtänzerin, Stripperin...

LITA: Eine Ballerina.

MANN: Oh, du warst der Schwan. Ich wette, auf der Bühne bist du Millionen Male gefallen und gestorben. Anmutiger und graziöser als jeder Mann, jede Frau und jedes Kind in diesem Krieg.

LITA: Krieg ist keine Kunst.

MANN: Darüber kann man streiten. (Er geht zu der Wanne und holt einen Geigenkasten hervor.) Sag Lita, worum kümmerst du dich noch, neben deinen Tomaten, Bohnen und Kartoffeln? (Er nimmt eine Violine und beginnt, sie zu stimmen.)

LITA: Tanzen. Ich lebe, um zu tanzen.

MANN: Ist es das, was du in deinem Beutel versteckst? Deinen Tanz? (Mann hört Rufe von Männern. Er wühlt in der Tasche und zieht einen mit Federn besetzen Hut heraus.) Hältst du hiermit deine Ohren warm?

LITA: Nein... das ist mein Schwan. (Sie reißt ihn ihm weg.)

MANN: Wozu ist er gut?

LITA: Er lässt mich fliegen. (Explosion. Sie blickt panisch um sich.)

MANN: Beruhige dich. Niemand kann dir wehtun, wenn du ihn aufsetzt.

LITA: Lügst du mich an?

MANN: Wem willst du sonst vertrauen? (Sie setzt ihn auf. Er beginnt zu spielen, langsam und mit sehr viel Gefühl.) Leda und der Schwan. Kennst du das Gedicht?

LITA: Nein, warum? Und warum spielst du auf dieser Geige? (Man hört Männerstimmen.) Die Soldaten kommen näher... bald werden sie hier sein... ich sollte fliehen.

MANN: Dann flieh.

LITA: Aber die... die Musik. Sie ist so zart... sie lässt mich...

MANN: Tanzen.

LITA: Aber wenn ich tanze... werde ich sterben. Sie werden mich erschießen... und ich werde aufgeben haben.

MANN: Du bist sowieso schon tot. Noch eine Woche mit einem Apfel pro Tag, und du wirst verhungern. Fliegen werden in deiner Nase hoch kriechen, und du wirst nach mir beten, dass ich komme und dich mit mir nehme. Und du wirst leiden. Darin liegt keine Schönheit, Lita, und du hast keinen anderen Ausweg. Die Hügel sind voller Feuer und die Städte voll mit Trümmern und Leichen. Überall liegt Hässlichkeit... und du bist das letzte Schöne, das übrig geblieben ist.

LITA: Aber ich will nicht sterben. (Explosion.)

MANN: Das will niemand.

LITA: Werden sie mich gleich töten?

MANN: Sie werden dir in den Kopf schießen.

LITA: Werden sie mich vergewaltigen?

MANN: Nein. Ich werde es ihnen verbieten.

LITA: Wie das?

MANN: Ich habe einen gewissen Einfluss. (Man hört mehrere heftige Explosionen. Dann Rufe.) Jetzt möchte ich, dass du auf nichts hörst, außer auf die Musik.

LITA: Ich will mich von meiner Familie verabschieden!

MANN: Sie sind alle tot. (Er spielt weiter.) Höre zu, und all der Schmerz und all die Angst werden verschwinden, Lita.

LITA: Wir Gott mir vergeben? Wird er mich meine Familie wiedersehen lassen?

MANN: Vielleicht. Höre einfach auf die Musik und du wirst dich viel besser fühlen. (Die Rufe der Männer werden leiser, je mehr sich Lita auf das Spiel konzentriert. Die Schüsse, Explosionen und Schreie nehmen ab und verschwinden, man hört nur noch das schöne traurige Spiel der Violine. Lita nimmt langsam die erste Position ein und beginnt zu tanzen.) Ja... genau so... tanze.

LITA: Ich kann in diesen Stiefeln nicht tanzen.

MANN: Du trägst keine Stiefel, du bist nicht in den Hügeln, du bist auf der Bühne. Du bist der Schwan, Lita, und tausende Menschen sind heute Abend gekommen, und dich zu sehen.

LITA: Bin ich schön?

MANN: Das Publikum ist verzaubert. (Sie tanzt jetzt mit großem Ausdruck. Musik und Tanz erreichen ein Crescendo. Sie flattert und stirbt wie ein Schwan. Das Licht geht aus und man hört einen Schuss. Die Musik wird immer leiser und man hört Männerstimmen.)

 

Hi San,
dass Du wirklich schreiben kannst, also ein großes Talent hast und das glücklichweise auch aktiv nutzt und förderst, muss ich wohl nicht extra betonen. :dozey: :bla:

Deswegen gleich zu Deiner "Geschichte": Die hat mir nämlich unheimlich gut gefallen. Ich bin ja ein kleiner Theaterfreak und konnte mir bildlich vorstellen, wie Dein Stück auf der Bühne unseres kleinen, kuschligen Stadttheaters aufgeführt wird und ich von der Loge aus zusehe. Dieses Bild hat sich aber immer wieder mit der kargen, zerstörten Landschaft abgewechselt. Von daher bei den Beschreibungen schon mal ein Treffer. Überhaupt hat mich Dein Text unheimlich gefesselt, bedrückend und eindrücklich geschrieben, und trotzdem mit einem Happy End, das aber nicht wirklich glücklich stimmt, sondern nachdenklich macht.

Zu Meckern habe ich gar nichts (wie öde), nur zwei Minifehlerchen sind mir aufgefallen:

Dann kommt sie rennend aus einen Ecke der Bühne
In dieser Passage fand ich es übrigens anfangs etwas mißverständlich, dass sie aus einer Ecke auftaucht, vorher aber nicht erwähnt wird, dass man sie nicht mehr sieht.
Ja... genau so.... tanze.
Und gleich eine dumme Frage dazu: Kommt nicht vor und nach den Pünktchen ein Leerzeichen?

Nunja, tut mir leid, dass ich nichts Konstruktives beitragen kann, aber ein Kritiker meiner Klasse findet für eine Autorin mit Deiner Qualität eben nur bedingungsloses Lob. Für mehr langt mein Sachverstand einfach nicht.
Aber falls Du ein Fan von Yeats sein solltest, empfehle ich Dir "Die Keltennadel" von Patrick Dunne. Bin nicht sicher, ob es genremäßig Dein Fall ist, aber die Gedichte von Yeats haben eine zentrale Rolle in diesem Buch.
Und achja, versuch mal das Stück an eine Theatergruppe zu verticken, an der Uni habt Ihr doch sicher auch so etwas.

 

Hallo Rabenschwarz!

Insgesamt kann ich im Gegensatz zu Bibliothekar diese Art zu schreiben, dieses Theaterformat eigentlich zum Lesen nicht besonders leiden.
Dein Text allerdings hat mich dennoch (oder deswegen...) ziemlich fasziniert, er ist nämlich wirklich sehr gut. Nur eine kurze Szene eigentlich, aber es steckt sehr viel drin.

"LITA: Falls du weiterreden willst... dann sag etwas nettes.

MANN: Etwas nettes...." Genial, es passt so wunderbar.

Und dann, der Schluss, der ist einfach nur schön.

"Tanzen. Ich lebe, um zu tanzen." vorher, der Schuss in diesem Augenblick...

Sehr gelungen, auch meiner Ansicht nach. Und... probiers doch echt mal bei einer Gruppe... ich könnte mir das gut vorstellen.

schöne Grüße, Anne

 

Danke fürs Lesen und Kommentieren, Bib und Maus.

Fehler werde ich gleich editieren.

Ich konnte leider keine deutsche Übersetzung des Yeats Gedicht finden, ohne das der Text allein nur seinen halben Zweck erfüllt, schließlich habe ich mit ihm versucht, die Fragen, die Yeats seinem Leser stellt, zu beantworten.

So far,
San

 

Hallo Sandra,

wie immer eine gutgelungene Darstellung voller Atmosphäre. Du erzeugst eine düstere unheilvolle Stimmung, und, was mich am meisten an dieser Geschichte überzeugt, baust eine fast schon prickelnde Spannung zwischen deinen Protagonisten auf. Der Tod und das Mädchen, so würde ich deine Geschichte charakterisieren, sind miteinander auf höchst spannende Weise verfangen. Sie lehnt ihn ab und muß ihn ablehnen, aber gleichzeitig fühlt sie sich zu ihm hingezogen, ist sich wahrscheinlich der Ausweglosigkeit ihres Überlebenwollens klar, er hat sein Ziel, welches er im Prinzip nicht eine Sekunde aus den Augen verliert, nämlich sie in den Tod zu führen und doch tut er es auf eine barmherzige, sie fast liebende Weise in die sie sich am Ende hinein ergibt. Diese Umsetzung hat mir einfach supergut gefallen.
Und nun zu den kleinen Dingen, die ich vielleicht verbessern würde, wobei ich damit meine, dass sie nur dann Verbesserungen darstellen, wenn sie auch in deinem Kopf als solche angenommen werden.


Mich persönlich hat ziemlich der englische Text gestört, bitte versuche doch noch eine gute deutsche Übersetzung dafür zu erhalten. Einmal hab ich nicht alle Vokabeln im Kopf, um ihn mir selbst fließend in seiner Bedeutung übersetzen zu können und andererseits hab ich nicht so recht Lust gehabt, mir mehr Mühe beim Übersetzen zu geben.
Wenn es anderen auch so ergeht, dann verliert ein eventuell wichtiger Teil deiner Geschichte an Bedeutung.
Aber ganz grundsätzlich stellt sich mir die Frage, ob du überhaupt dies Gedicht an den Anfang stellen mußt, deine Geschichte wirkt ohne diesen Part für sich genommen gut. Benötigst du daher wirklich den Rückgriff auf einen Dichter?
Ich bin da etwas unsicher, was besser ist.


Ein junges Mädchen läuft über die Bühne. Auf den Armen trägt sie einen schweren Sack. Sie ist dünn und sieht bemitleidenswert aus. Ihre Kleidung ist zerfetzt und schmutzig. Sie schaut sich um und beginnt zu rennen. Dann kommt sie rennend aus einer Ecke der Bühne, blickt zurück und läuft zur anderen Ecke. Als sie zurück auf die Bühne kommt, trägt sie einen Mann huckepack auf dem Rücken. Er trägt einen schwarzen Anzug. Sie geht langsam und gebeugt.)

Dieser Sack ist nachher der Beutel,. dann die Tasche, ich finde, du solltest eventuell im weiteren Text entweder dich für das eine oder andere entscheiden, Typenvielfalt fände ich hier eher verwirrend. Da sie ärmlich ist, dürfte es wohl eher ein Beutel sein, den sie trägt, das wäre stimmiger. Und in der weiteren Regieanweisung sollte es dann dieser Beutel bleiben.
Gleichfalls sehe ich dies mit der Geige/Violine so. Entweder es ist ein Geigenkasten mit einer Geige oder ein Violinenkasten mit einer Violine, bitte wechsele hier nicht von einem zum anderen, das bringt Unruhe hinein.

bemitleidenswert ist eine Wertung, besser wären Beschreibungen, die geradezu auf das Bemitleidenswerte führen würden. Vielleicht wäre als Zwischennotlösung "verhärmt" ok? Nur so als Idee, du weißt ja, nichts von alledem muß
von dir genauso gesehen werden.

huckepack auf dem Rücken. Entweder huckepack oder auf dem Rücken, so ist es doppelt.

LITA: Geh weg! (Sie fällt auf die Knie. Er bleibt auf ihrem Rücken.)
Ich würde mir wünschen, dass deine Regieanweisung etwas genauer wäre, nämlich wie er noch auf ihrem Rücken verbleibt.
Hängt er auf ihr wie ein schlaffer schwerer Sack oder steht er schon mit den Füssen und hat sie nur umklammert oder baumeln seine Füsse frei. Ich weiß, es sieht nicht so gut aus, wenn du hier längeren Text schreibst, denn schließlich soll ja grad der Dialog im Vordergrund stehen.
Ich denke nur, dass präzise Regieanweisungen und Kürze sich nicht ausschließen müssen. Versuchs bitte.


(Vorsichtig gießt sie einige Pflanzen.) Behutsam?

An dieser Stelle hat der Dialog etwas Brüchigkeit:

LITA: Ich höre nichts.
MANN: Siehst du? Du kannst mich nicht ignorieren. (Man hört eine weitere Explosion.) Und du kannst ihn nicht ignorieren.
Oder besser gesagt, wahrscheinlich ich versteh den Dialog an dieser Stelle nicht. Wenn sie sagt, nichts zuhören, weshalb antwortet er ihr dann mit "siehst du und du kannst mich nicht ignorieren."? Die Aussage "siehst du" findet bei mir keine Einpassung.
Schlage vor, sie zu löschen.

Hier ist eine weitere Stelle, an der ich stockte:

LITA: Ich habe kein Wasser mehr... also mache
ich neues.
Vorher hat sie angefangen zu weinen, dann folgen diese beiden Sätze und man ist versucht ihr Weinen in Beziehung zum fehlenden Wasser zu setzen. Meinst du das wirklich so? Ich hatte das Weinen eher so einsortiert, dass er ihr ja deutlich vor Augen führt, welch furchtbares Leben sie hat.
Ebenso komme ich mit der Aussage "...also mache ich neues." nicht klar, wie will sie denn neues Wasser machen? Will sie nicht eher neues Wasser schöpfen, irgendwo holen, so klingt es zu unrealistisch.

Es wir leiser. d fehlt.
etwas nettes, etwas angenehmes richtig: etwas Nettes, etwas Angenehmes

MANN. Nicht mit einem verfaulten am Tag.
LITA: Ich werde frische finden. Ich glaube verfaulten und frische werden groß geschrieben, weil es ja nun keine Adjektive mehr sind.

Ich glaube nicht, dass sie (Er kreist mit dem Zeigefinger um sich.) das kümmern würde, du etwas?
Irgendetwas stimmt am Ende nicht.

Sag Lita, worum kümmerst du dich noch, neben deinen Tomaten, Bohnen und Kartoffeln? (Er nimmt eine Violine und beginnt, sie zu stimmen.)

Also der Übergang zu ihrer nachfolgenden Antwort ist zu plump, das ist fast wie Boulevardtheater (verzeih, aber das war meine Assoziation dazu) Jeder aufmerksame Leser merkt, dass du hier gezielt auf ihr Tanzen kommen möchtest. Vielleicht fällt dir da eine elegantere Lösung ein, die dann eben ein paar Sätzchen mehr erfordert, aber ich bin sicher, es wäre es wert.

(Mann hört Rufe von Männern. Er wühlt in der Tasche und zieht einen mit Federn besetzen Hut heraus.) Hältst du hiermit
Es ist zwar Korinthenkackerei, aber da ist ein Tippfehler, nämlich das n zuviel und ich fände es besser, du bleibst bei dem Beutel, das ist klarer. Hab ja oben schon was dazu geschrieben.

(Explosion. Sie blickt panisch um sich.)
Weshalb blickt sie panisch um sich? Vorher haben sie die jeweiligen Explosionen auch nicht tangiert. Wie wäre es, wenn sie deshalb in Panik schaut, weil diese Explosion näher herangekommen ist.
Bitte also eine genauere Regieanweisung schreiben.

MANN: Beruhige dich. Niemand kann dir wehtun, wenn du ihn aufsetzt.
Vorher guckt sie panisch, dann kommt dieser Satz, der zwar, wenn es nur der erste Satz wäre, so verständlich ist, jedoch sind mir die nachfolgenden zu wenig angeklickt an das Vorangegangene. Das, was sie dann darauf erwidert, macht den Bruch komplett. Weshalb fragt sie, ob er sie anlügt?
Mir ist sehr wohl bewußt, dass es sich um diese doppelten Ebenen handelt, einmal der Krieg, der heranrückt, um sie zu vernichten und ihr Tanz, in welchem sie ebenfalls den sterbenden Schwan tanzt.

Trotzdem stört es mich, es könnte homogener umgesetzt werden, ohne dass ich dir hier Vorschläge unterbreiten könnte.

MANN: Tanzen. tanzen.

Der weitere Dialog ist unvollständig und zu rasant, die Geschichte läuft jetzt zu schnell ihrem Ende zu.
Dieser Satz ist eine Zusammenfassung der Erkenntnise der Protagonistein vermischt mit Zukunftsvisionen, ohne, dass sich dies irgendwo zuvor schon so recht angedeutet hatte. An dieser Stelle beschleunigst du durch diesen Satz ungemein und bringst für meine Begriffe Unruhe in den Text.
Diesen Satz mein ich:

LITA: Aber wenn ich tanze... werde ich sterben. Sie werden mich erschießen... und ich werde aufgeben haben.
(aufgegeben)Weshalb hat sie plötzlich diese Erkenntnis, dass sie sterben wird, wo sie vorher trotzig dagegen gehalten hat?
Wie wäre es, wenn sie sagt, dass wenn sie tanzt, die Truppen immer näher rücken würden, was du gut durch die entsprechenden Regieanweisungen andeuten kannst, dass da was vorrückt. Vielleicht weist sie ihn darauf hin, dass der Tanz ja eine Weile dauert und in der Zwischenzeit dann keine Zeit mehr zur Flucht ist. Aber sicher findest du etwas Besseres, wenn du diese Textstelle verändern magst.

Ich weiß, ich kritisiere hier wohl genau den Part in deiner Geschichte, den du selbst mit kritischen Augen beargwöhnst, denn es geht hier um die Wende in der Geschichte. Vorher war sie trotzig und gewillt zu leben, jetzt ergibt sie sich in das Schicksal, halb willig, halb von ihm gezogen.

Der Vollständigkeit halber noch ein Tippfehler zum Schluß:
LITA: Wir Gott mir vergeben d.

Lieben Gruß
elvira

 

Ah, Theater. Ich liebe Theater. Leider war´s mir nur vergönnt, in zwei banalen Komödien mitzuspielen... schnief...

Warum grade "Tod eines Handlungsreisenden" was für dich sein soll, weiß ich nicht. Aber anschauen würd´ nicht´schaden, ist gutes Theater.

Ach ja, Kritik: Das ist ja gar keine Kurzgeschichte.
Pfuipfui du. Und das Gedicht am Anfang... kannst du die deutsche Übersetzung nachreichen? :rolleyes:
Also eine Theaterkritik. Die da lautet: inspirierend, nicht zu abstrakt. Menschlich, irgendwie.
...para

lllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllllll

(Sie schlägt ihr Bett auf, dass aus einer dünnen Decke besteht.)

Das Bett kommt zu plötzlich

etwas nettes
Nicht: "etwas Nettes"?

Zu deiner Rechten Pistolen und von Wut zerfressene Männer.
Pistolen spielen im Krieg eine untergeordnete Rolle; Messer geht ja noch in Ordnung unter dem Aspekt der Metaphorik oder des künstlerischen Was-auch-immer.
Aber Pistolen? Wirkt irgendwie kindich, ungelenk.
Kurzfeuerwaffen setze ich auf unter 50 meter ein. Der normale Soldat besitzt eine Langfeuerwaffe, womit Durchschlagskraft, Reichweite und Präzision sich deutlich erhöhen.
:teach:

PS:
Die Protagonistin nimmt den Tod ihrer Eltern zu gelassen auf, finde ich.

 

Danke fürs Lesen und Kommentieren.

Habe einiges geändert, Drucker läuft, ich muss heute Nachmittag abgeben. Wird schon in die Hose gehen.

Vor allem Dir, Elvira, vielen vielen Dank für die ausführlichen Anmerkungen. Ich hab nicht eher antworten können, weil ich bis letzte Nacht rumgebastelt hab, aber jetzt, wo es eh zu spät ist, komm ich noch dazu: :kuss: ;)

Grüße,
San

P.S. Ach so, Rewrite hau ich später mal rein, das Formatieren mit dem ganzen Kursivkram dauert so lange.

 

Hallo Rabenschwarz,

jetzt hat es sich doch gelohnt, dass ich wieder einmal etwas gelesen habe, Dein Text ist sehr ansprechend.
Lita stemmt sich gegen ihr Schicksal, sie versucht die Dinge zu ignorieren, die ihren Lebensmut brechen würden, ihre Handlungen reduziert sie auf das Naheliegende, das Wesentliche. Als sie schließlich das Unabwendbare ihres Schicksals erkennt, trotzt sie ihm, indem sie ihm Kunst, Schönheit (das Ideelle?) entgegenstellt.
Du beschreibst die Schrecken des Krieges nicht so sehr durch Darstellung von Gewalt, vielmehr durch den Mangel an Möglichkeiten sich ihm zu entziehen. Doch eine Möglichkeit bleibt: Dieses `sich der Umwelt entziehen´, sich selbst zum Mittelpunkt zu machen, als Überwindungsstrategie, ist sehr interessant.
Churchill soll, als man ihm während des Krieges die Kürzung de Kulturausgaben nahelegte, gesagt haben: `Culture? That´s what we are fighting for !´.

Tschüß... Woltochinon

 

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