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Das Leben zog vorbei

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17.04.2007
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Anmerkungen zum Text

Inspiriert von Tenet (Film)

Das Leben zog vorbei

Das erste, was sie von der Welt hörte, war ein dumpfes Pochen, das sie nicht verstand. Bald darauf wurde der Deckel geöffnet. Sonnenlicht blendete, als sie den ersten Atemzug nahm.
Erinnerungen der Zeit, die kommen würde, tröpfelten in ihren Geist. Um ihr Grab herum standen Familienangehörige in Schwarz, der Farbe der Freude. Der Priester half der alten Frau, über die Leiter aus dem Grab zu steigen. Oben wurde sie mit Umarmungen und Händeschütteln begrüßt. "Wie heiße ich?", wunderte sich die Frau und schaute zum Grabstein: Erika Johnson.
Dann, ohne auf die anderen zu achten, die bereits zu den Wagen vorgingen, untersuchte sie ihren Körper auf Spuren des Lebens, das sie erwartete, und fand eine Narbe quer über ihrem linken Handrücken. Oh je.
"Wie viele Kinder habe ich?", fragte sie eine Frau, die auf sie wartete.
"Eine Tochter", antwortete die Pflegerin. "Sie ist nicht gekommen."
Etwas enttäuscht musste Erika feststellen, dass es sich bei den anderen Leuten um entfernte Verwandte, Nachbarn und Freunde handelte. Ihre Tochter hätte schon von ihrer Existenz wissen müssen.

Erika wurde in ein Altenheim gebracht, wo sie die ersten Jahre oder Jahrzehnte verbringen würde, bis ihr Körper sich so weit verjüngt hatte, dass sie ein selbstständiges Leben antreten konnte. Das war bei jedem unterschiedlich. Schon einige Wochen später wurde sie von einer Pflegerin ans Telefon gerufen. "Ihre Tochter hat Sie gefunden, Frau Johnson. Meggie ist ihr Name." Sie hielt ihr lächelnd den Hörer hin.
Erika konnte es kaum glauben. "Meggie, mein Liebling."
"Hallo Mama. Ich hoffe, sie haben dich gut behandelt." Die Stimme klang reif, ließ noch das Alter erkennen, dem sie vor nicht all zu langer Zeit entwachsen war. "Sorry, ich hätte mich früher gemeldet, aber ich war damit beschäftigt, dir eine Wohnung zu kündigen und Zeug von Flohmärkten zu sammeln, das dir gefallen würde. Es soll ja nicht aussehen, als wärst du gerade erst eingezogen." Sie lachte. "Die Pflegerin sagte, du wärst bei bester Gesundheit. Ich hole dich nächste Woche ab, in Ordnung?"

Eine Woche später schleppte Erika ihre gepackten Koffer noch vor dem Abendbrot in den Eingangsbereich, so aufgeregt war sie. Nach ihrer Beerdigung hätte sie nicht die Kraft gehabt. Ihr Zustand besserte sich rasant.

Als Meggie kam, fielen sie einander freudestrahlend um den Hals. Dann half sie ihrer Mutter, die Koffer zum Auto zu tragen.
"Habe ich Enkelkinder?", fragte Erika aufgeregt darüber, den Rest ihrer Familie kennen zu lernen.
"Nein." Meggie verzog angewidert den Mund. "Das bleibt mir zum Glück erspart."

Erika musste sich die Zeit mit Spaziergängen und Kreuzworträtseln vertreiben, bis sie ein magisches Datum erreichte, ab dem es ihr erlaubt sein würde, arbeiten zu gehen. Jede Woche rief sie Meggie an, die sich zwar über den Anruf freute, aber kurz angebunden antwortete und sie schnell abwimmelte. Wahrscheinlich war sie beschäftigt. Erika versuchte sich vorzustellen, wie es war, beschäftigt zu sein.

In den Unterlagen fand sie ein Zeugnis, das sie zu als tüchtige Mitarbeiterin lobte und bedauerte, dass sie in Rente ging. Jeden Tag schob Erika den Marker auf dem Kalender einen Tag nach vorne. Endlich begab sie sich mit dem Zeugnis zum Bauunternehmen, wo sie als Sekretärin für den Geschäftsführer arbeitete.
Ihre Arbeit war nicht sehr anspruchsvoll, aber wichtig. Sie löschte E-Mails und Briefe mit der Rückwärts-Löschen-Taste, nachdem sie einige Formulierungen umständlicher gemacht, Rechtschreibfehler hinzugefügt und überhaupt die Struktur ein wenig durcheinander gebracht hatte. Sie zog Dokumente aus dem Aktenvernichter und heftete sie weg. Manchmal riefen Leute an, die ihr mitteilten, dass ein zurückliegendes Treffen mit ihrem Chef erfolgreich verlaufen war und sie daher den Termin aus dem Kalender löschen konnte. Dafür wurde ihr jeden Monat ein Betrag von ihrem Konto abgezogen.

Jahre vergingen. Eines Tages wurde sie zum Chef gerufen, um die Unterschrift auf ihrem Arbeitsvertrag zu löschen. Voller Vorfreude nahm sie ihren Lebenslauf entgegen und schaute gespannt, wo sie als nächstes arbeiten würde. Enttäuschenderweise lag eine Zeit der Arbeitslosigkeit vor ihr.

Zu Hause verbrachte sie die nächsten Wochen damit, ihre Bewerbungen zu vernichten, die mit der Post eintrafen. Bis die Kündigung einer anderen Wohnung mit mehr Zimmern eintraf und sie für eine größere Änderung begeisterte, die sich damit ankündigte.

Die neue Wohnung stand noch leer, doch es dauerte nicht lange, bis neben den Sachen, die der Umzugswagen brachte, Müllcontainer allerlei Zeug anlieferten. Tagelang war sie damit beschäftigt, die Sachen in die Wohnung zu räumen und freute sich über Kinderklamotten und Spielzeug. Allerdings wunderte sie sich über fast leere Farbkästen, Pinsel und Gemälde, mit denen sie zuerst nichts anzufangen wusste. Nach dem Renovieren, dem Entfernen der obersten Schicht weißer Wandfarbe allerdings, kamen Farbspritzer im Kinderzimmer zum Vorschein, daher platzierte sie die Dinge dort.

Meggie, die mittlerweile auf neunzehn Jahre verjüngt war und mit den Bewerbungsunterlagen für eine Universität wedelte, erschien in der Haustür. "Die Uni hat mich nach Hause entlassen", freute sie sich und fiel Erika um den Hals.
"Schön." Die Mutter dachte mit Unbehagen an die Kindheit, die vor dem Mädchen lag und schob den Gedanken beiseite.
Meggie öffnete alle Türen, bis sie ihr Kinderzimmer fand und große Augen machte. "Ich mache Aquarellmalerei!"
"Denk dran, dein Anmeldeformular zu löschen, Schatz", erinnerte Erika sie und schleppte ihr die Koffer ins Zimmer.
"Ich habe in der Uni meine Hefter leergekritzelt, aber ich habe nicht erwartet ..." Voller Begeisterung holte Meggie sich ein schmutziges Glas aus der Küche, das sie im Bad mit dunklem Wasser füllte, das mit einer Bewegung des Glases vom Abfluss in das Gefäß sprang. Sie tauchte einen schmutzigen Pinsel ein und fuhr mit zarten Bewegungen über die Leinwand. Mit jedem Tupfen saugte der Pinsel Farbe auf, die sie mit kreisenden Bewegungen in den Farbkasten brachte. Das Bild verschwand nach und nach von der Leinwand und das Wasser im Glas wurde klar.


Nach einigen Monaten, in denen sich Meggie der Malerei hingab, kam sie in die Schule. Der erste Tag war der anstrengendste, da sie stundenlang all ihre Antworten vom Papier löschen musste, ab da würde es immer leichter werden. Es wunderte Erika, wie Meggie es schaffte, jeden Abend voller Freude in die Schule zu hüpfen, obwohl sie dort nach und nach alles vergaß, was sie wusste.

Bis die Tochter eines Tages über ihren Hausaufgaben grübelte, der Füller schwebte reglos über einer Matheaufgabe.
Erika stand gerade beim Abwasch, als sie hörte, wie der Füller auf dem Papier aufschlug. Meggies Schultern bebten. "Ist alles in Ordnung?"
Da setzte das Schluchzen ein und die Mutter eilte herbei, sah das rot verquollene Gesicht und legte ihrer Tochter einen Arm um.
"Ich verstehe es nicht mehr", heulte das Mädchen und die Stimme brach unter einem Weinkrampf. "Es wird immer schlimmer. Ich werde jung und vergesse alles."
"Ach, Mädchen." Erika drehte sie zu sich und nahm sie in den Arm. Die Tränen flossen von der feuchten Schulter zurück in die Augen. "Du hast die schönste, unbeschwerte Zeit noch vor dir."
Das Mädchen krallte sich in den Stoff am Rücken der Mutter. "Ich werde mich nicht an dich erinnern."
"Das macht nichts."
Meggie drückte sich weg, um ihrer Mutter in die Augen zu sehen. "Ich werde dir grauenhafte Dinge antun."
"Ich liebe dich trotzdem." Sie zog das Mädchen wieder an sich und sie blieben in der Umarmung sitzen, bis Meggie sich beruhigt hatte.
"Ich habe versucht, es aufzuhalten. Ich dachte, wenn ich nicht bei dir einziehe, würde ich ... aber dann kam die Hausverwaltung mit meinem Mietvertrag und ich konnte nirgendwo anders hin." Sie wurde von einem Weinkrampf geschüttelt, sodass die Tränen nur so in ihre Augen zurückflogen.
"Man kann es nicht aufhalten. Wir wissen nicht, wo wir herkommen, aber wohin wir gehen, wissen wir ganz genau."
Nach und nach beruhigte sich das Mädchen und wischte sich die letzten Tränen in die Augen. "Was passiert, wenn ich es nicht mache? Keine Hausaufgaben mehr lösche? Bleibt dann mein Gedächtnis wie es war?"
"Schatz, das geht doch nicht ..."
Doch Meggie packte entschlossen den Block und die Stifte ein. "Doch, das geht. Ich lasse die Blätter zu Hause. Ich sage, ich hätte es vergessen. Ich stelle mich dumm. Du wirst schon sehen."
Erika seufzte. Das Mädchen würde es schon irgendwann merken.


Es dauerte nur einige Jahre. Mitten in der Nacht schreckte Meggie hoch, im Vergleich mit ihren Mitschülern insgeheim ein Genie. Sie lief ins Schlafzimmer. "Mama, wenn mein Gedächtnis so bleibt und ich in dich zurückkehre, werde ich dann ..."
Erika rieb sich verschlafen das Gesicht. Ja, sie würde ihre eigene Geburt mit vollem Bewusstsein erleben und alles, was danach geschah, doch dann würde es zu spät sein, um noch irgendwas zu ändern. Manche Leute hatten die gleiche Idee gehabt, doch es war keiner zurückgekehrt, um zu berichten.
Schockiert zog Meggie die Kartons mit all ihren Hausaufgaben hervor, die sie über die Jahre nicht gelöscht hatte, und holte alles über die nächsten drei Tage nach, bis ihr war, als würde sie nichts mehr wissen.


Erika saß am Rand des Spielplatzes auf einer Bank, neben ihr eine langjährige Freundin aus dem Altenheim. Sie hatte Emma kaum wiedererkannt. Die kleine Meggie tobte in einem Holzhäuschen herum. Das freudige Spiel und Gekreische der vielen Kinder erfüllte Erika mit Wehmut.
"Ich kann deine Falten nicht mehr sehen", sagte sie und betrachtete die glatte, reine Haut ihrer Bekannten.
"Deine Haare sind ganz braun geworden."
Erika lachte. "Ja, ich werde jung, wie wir alle. Erinnere mich nicht dran. Mir graut es davor, bei meinen Eltern einzuziehen. Sie schreien sich wegen Kleinigkeiten an."
"Ach, dann hast du sie schon gefunden."
"Ich habe eines Tages die Kündigung ihrer Wohnung im Briefkasten gefunden", erinnerte sich Erika. "Einige Monate später bekam ich einen Anruf aus dem Krankenhaus, dass meine Mutter erwacht war. Mein Vater kam nur ein paar Jahre später."
"Hm", machte Emma nachdenklich. "Eigentlich sollten sie schon längst da sein. Ich fürchte, sie kommen durch einen Autounfall ins Leben, kann das sein?"
Erika zuckte mit den Schultern. Wie üblich kündigten sich Veränderungen einige Zeit vor deren Eintreffen an. Daran ließ sich nichts ändern.
"Wo hast du eigentlich die Narbe her?" Emma deutete auf Erikas Unterarm, wo der weiße Strich unter dem langen Ärmel hervorgerutscht war.
"Ich habe noch keine Hinweise darauf entdeckt. Vermutlich dauert es noch eine Weile, bis sich das aufklärt."
Aufgeregt kam Meggie herbeigelaufen. "Guck mal, Mama, ich habe beim Klettern den Splitter verloren." Sie hielt den Zeigefinger nach vorne gestreckt, damit die Mutter die unversehrte Fingerkuppe sehen konnte.
"Schön, Mäuschen." Erika verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln. Man musste Kindern gegenüber positiv sein.
Meggie lachte und lief zurück zum Spielen.

Irgendwann wurden mit dem Müll Fotoalben angeliefert und Rahmen, deren Scherben sich zusammensetzten, als Erika sie herausholte. Die Bilder zeigten sie bei der Hochzeit mit einem Mann, den sie noch nie gesehen hatte. Keine Spur von Meggie. Das hieß, dass ihnen mindestens einige Jahre zusammen bevorstanden. Sie konnte es kaum erwarten, ihn zu treffen. Aus dem Abfluss hüpfte ihr ein Ehering entgegen.
Bis er eines Tages mit vollen Koffern vor der Tür stand, der durchschnittlich aussehende Mann, kurze dunkle Haare in einer Allerweltsfrisur, leicht muskulös mit einem kleinen Bierbauch. Freundlich lächelnd hielt er ihr ein Foto hin, das sie zusammen zeigte und gab ihr einen Kuss zur Begrüßung. Er stellte sich als Arnold vor.
Meggie eilte herbei, um hallo zu sagen. "Wo ist meine Kleine?", begrüßte er sie, nahm sie auf den Arm und gab auch ihr einen Kuss.

Die Narbe an Erikas linkem Handgelenk begann sich seit einigen Monaten rötlich zu färben und zu zwicken. Die Wunde öffnete sich und sie musste einen Verband anlegen. Eines Tages wurde der Schmerz so schlimm, dass sie sich von Arnold ins Krankenhaus fahren ließ. Dort nahmen sie ihr den Verband ab, gaben ihr ein blutdurchtränktes Geschirrhandtuch, das sie auf die Wunde drücken musste, und schickten sie nach Hause. Doch noch immer wurde es nicht besser.

Arnold fand Scherben im Mülleimer, zusammen mit einem blutigen Lappen und verteilte mit dem Mob eine Pfütze frischen Blutes in der Küche.
"Ich kann das nicht", erklärte Erika und drückte sich an die Wand, weit weg von der Küche.
"Du musst", erwiderte Arnold und zog sie sanft nach vorne. "Sonst wird es nicht besser." Sie verschränkte die Arme. "Nur ein kurzer Schmerz, dann ist es vorbei", versprach er.
Sie stellte sich vor den offenen Schrank in ihre Spuren und riss den Arm hoch. Die Scherben flogen am Boden zu zwei Tellerhälften zusammen, diese schossen nach oben, an Erikas Handgelenk vorbei und setzten sich auf dem Schrank so schnell zusammen, dass die Frau nicht mitbekam, was geschehen war. Im Vorbeiflug hatten sie das Blut mitgenommen und die Wunde geheilt. Erika schloss die Schranktür, die dadurch den Teller auf den Schrank hinausschob. Damit war das Rätsel gelöst. "Die Schränke sind zu voll", erklärte sie. "Wir müssen einkaufen gehen."
Erika packte die Teller zusammen mit einem Beutel voller Lebensmittel aus dem Kühlschrank ein und wollte das schnell alleine erledigen, doch Meggie bestand darauf, mitzukommen. Das Mädchen legte eifrig Sachen auf das Kassenband, sodass für Erika, außer zu bezahlen, kaum etwas zu tun blieb. Dann huschte die Kleine durch den Supermarkt und sortierte die Sachen in die Regale, lief dabei unnötigerweise hin und her, ohne darauf zu warten, dass Erika den Einkaufswagen durch die Korridore fuhr.
"Ich helfe dir, solange ich noch groß bin", erklärte das Mädchen. Erika wurde sich mit einem Stich ihrer Vergänglichkeit bewusst.

Zu Hause drängte sich Meggie mit dem Hintern an der Wand entlang, doch Erika entging der feuchte Fleck nicht, den das Mädchen versuchte, mit den Händen zu verstecken. "Was hast du getan?", fuhr Erika auf, von ihrer eigenen Lautstärke erschrocken.
Meggie fing laut an zu weinen. "Es tut mir leid, ich mache es wieder gut."
"Schon gut, es ist nicht schlimm", beruhigte Erika sie. "Musst du noch mehr?" Sie schaute in den Wäschekorb nach weiteren nassen Sachen, doch das Mädchen schüttelte mit fliegenden Haaren den Kopf. Dann stellte sie sich hinter die Tür, um die Nässe aufzunehmen.
Erika seufzte. "Ich wünschte, wir wären wieder alt. Als ich alt war, war ich weniger gestresst."

Bald lieferte die Müllabfuhr regelmäßig volle Windeln an und Meggie nahm mehr und mehr von Erikas Zeit in Anspruch. Anfangs entschuldigte sich das Mädchen noch, solange ihr Sprachverständnis das noch zuließ und sie machte zumindest Anstalten, mit ihren ungeschickten Händchen helfen zu wollen. Bald weinte sie nur noch, schließlich reagierte sie nicht mehr auf ihre Missgeschicke - sie hatte sich wohl mit ihrem Schicksal abgefunden. Der Anblick des Kindes, das immer schneller schrumpfte, machte Erika traurig. Wenigstens verbesserte sich auch ihre Beziehung zu Arnold, der ihr mehr und mehr mit Meggie zur Hand ging.

Erika lief mit der schlafenden Meggie im Arm durch die Wohnung. In ihrem Unterleib begann ein leichtes Brennen. Bald war es so weit.
Arnold schaute liebevoll auf das kleine Bündel. "Sie ist schon so klein, es wird Zeit. Soll ich dich ins Krankenhaus fahren?"
Die junge Mutter ließ den Blick durch den Raum schweifen. "Ist es zu spät, sich für eine Hausgeburt zu entscheiden?"
Der Mann folgte ihrem Blick und schaute in den Mülleimer. "Hier gibt es keine schmutzigen Handtücher. Du musst ins Krankenhaus."
Erika nickte traurig und sie begaben sich auf den Weg.

Traurig saß sie zu Hause und streichelte ihren dicken Bauch, der jeden Tag schrumpfte. Sie sprach noch immer ständig mit Meggie in der Gewissheit, dass diese sich an sie erinnerte, denn das Strampeln wurde ganz aufgeregt, sobald Erika die Stimme erhob.

Arnold umarmte sie von hinten, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und streichelte ihren Bauch, der mittlerweile kleiner war als seiner. "Ist sie noch da?"
"Ich vermisse sie."
"Sie wird immer bei uns sein."
Erika nickte traurig.

Die Frau näherte sich der Dusche, Wasser lief durch den Abfluss hinein. Nach dem Duschen war sie nassgeschwitzt und legte sich im Schlafanzug ins Bett. Arnold drängte sich an ihren Rücken, streichelte ihre Hüfte und küsste ihren Nacken. Dabei stöhnte er ihr ins Ohr: "Du bist ja ganz verschwitzt. Wie kommt das denn?"
Sie drehte sich zu ihm um und hielt ihre geöffneten Lippen provozierend knapp außerhalb seiner Reichweite. "Das wirst du mir bestimmt gleich zeigen."

Nach den Flitterwochen wurde ihre Ehe aufgelöst, doch Erika konnte sich nicht damit zufrieden geben, dass ihre gemeinsame Zeit vorbei sein sollte, und bat Arnold fast jeden zweiten Tag um ein Date. "Willst du Schluss machen?", fragte er über einer Pizza.
Sie erinnerte sich an das Bild. Gleich würde er ein Foto machen, sobald sie die Pizza vervollständigt hatten, bevor diese in die Küche gebracht wurde. "Mir ist, als würden wir einander fremd werden", versuchte sie ihre Gefühle zu erklären. "Als wüsste ich bald nicht mehr, wer du bist." Es war ihr, als würden sie am Anfang ihrer Beziehung stehen, nicht am Ende.
"Ich habe eine Wohnungskündigung bekommen." Er nahm ihre Hand und streichelte sie. "Ich muss ausziehen."
Erika nickte traurig.
"Hey, Kopf hoch. Ich bin hier, ich bin für dich da."

Sie half ihm dabei, seine Sachen zu packen und verabschiedete sich schweren Herzens von ihm. Er versprach, dass sie einander weiterhin oft sehen würden.
Ein paar Wochen später sahen sie sich auf einer Party zum letzten Mal.

 

Ich bin noch so im Grübeln über die Aspekte vertieft, dass ich zum einen oder anderen Satz noch gar nichts sage, also so Feinheiten im Stil. Das können wir aber gerne nachholen auf Discord.
Hi, Morphin.
Stilfragen? Immer her damit. Also mich, der selten auf Discord ist (und deshalb dort viel verpasst), und auch die vielen anderen, die nie auf Discord sind, würde das doch sicher auch interessieren. Was spricht dagegen, das hier bei den Wortkriegern zu besprechen?

Liebe Grüße,
GoMusic

 
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"Ich helfe dir, solange ich noch groß bin", erklärte das Mädchen. Erika wurde sich mit einem Stich ihrer Vergänglichkeit bewusst.

Bald weinte sie nur noch, schließlich reagierte sie nicht mehr auf ihre Missgeschicke - sie hatte sich wohl mit ihrem Schicksal abgefunden.

Vollkommen wäre diese m. E. feine Geschichte, wenn sie auch noch in Spiegelschrift geschrieben würde – was mit der herkömmlichen Tastatur schwerlich geht und auch nicht angeboten wird. Tatsächlich wäre ein solches „rückwärts“ gewendete Leben schrecklich in der Gewissheit seines Endes, wobei an seinem Ende das steht, was bei der Geburt eh nicht ist, das Bewusstsein, das in dem Maße, wie es sich korrekt gewendet entwickelt zurückwickelt, der sich im Sprachschatz äußert – der sich ein lebenlang ausweitet und rückwärtsgewandt schrumpft.

Wahnsinn, dergleichen durchzuhalten,

Jellyfish (shifylleJ),

aber stell Dear einmal vor, wir würden tatsächlich Anfang und Ende, aber auch alle Seiten im Buch des Lebens verkehrt herum erfahren/erleiden, also:osla, nedeilre/nerhafre mureh trhekrev snebeL sed chuB mi neteiS … .fsu .wsu,
und wir schrieben die Seite von unten rechts nach oben links ... oder was wäre dann, wenn Spiegelschrift nicht funktioniert i. S. von nicht durchgehalten werden kann? In einer Geschichte hab ich Lautschrift verwendet und wurde gefragt, ob das Spiegelschrift wäre. Die klappt nicht bei der herkömmlichen Tastatur. Handschriftlich aber doch.

Eselnesulf nekssiB

Dann, ohne auf die anderen zu achten, die bereits zu den Wagen vorgingen, untersuchte sie ihren Körper auf Spuren des Lebens, das sie erwarteteAMMOK und fand eine Narbe quer über ihrem linken Handrücken.
Du siehst, was passiert bei einer minimalsten konsequenten machbaren Lösung an der herkömmlichen Schreibmaschinentastatur...

Oh je.
(nix falsch, aber vllt. besser statt des Punktes ein !, finde zumindest ich)

In den Unterlagen fand sie ein Zeugnis, das sie als tüchtige Mitarbeiterin lobte und bedauerte, dass sie in Rente ging.
Was nix bedeuten muss, jedenfalls nach teutschem Recht müssen Zeugnisse wohlwollend formuliert werden und erzeugen so eine geheime Sprache, die zwischen „zu unserer Zufriedenheit“ übers Adjektiv „voll“ gesteuert wird – als leipsieB (schöner Effekt der Umkehrung/unvollkommenen Spiegelung) "zu unserer ...", zu unserer vollen ..." & "zu unserer vollsten Zufriedenheit" und das sind ja nur drei Wörtchen aus dem Code ...

Endlich begab sie sich mit dem Zeugnis zum Bauunternehmen, wo sie als Sekretärin für den Geschäftsführer arbeitete.
aus dem Zusammenhang, aber als „vollendete“ Vergangenheit „wo sie als Sekretärin für den Geschäftsführer gearbeitet hatte“ oder „… für den Geschäftsführer einst arbeitete“ scheint mir sicherer zu sein.

"Man kann es nicht aufhalten. Wir wissen nicht, wo wir herkommen, aber wohin wir gehen, wissen wir ganz genau."
eine Weisheit, die in beide Richtungen vor und hinter dem Spiegel gilt ...


zwo Flüchtigkeiten

Ja, sie würde ihre eigene Geburt mit vollem Bewusstsein erleben und alles, was danach geschah, doch dann würde es zu spät sein, um noch irgenwas zu ändern.
...
Die Scherben flogen am Boden zu zwei Tellerhälften zusammen, diese schossen nach oben, an Erikas Handgelenk vorbei und setzten sich auf dem Schrank so schnell zusamen, dass die Frau nicht mitbekam, was geschehen war.

Die Wunde öffnete sich und sie musste einen Verband rumwickeln.
Nix falsch, aber „anlegen“ wirkt eleganter ...

Nach den Flitterwochen wurde ihre Ehe aufgelöst, doch Erika konnte sich nicht damit zufrieden geben, dass ihre gemeinsame Zeit vorbei sein sollteKOMMA und bat Arnold fast jeden zweiten Tag um ein Date.

Wäre in dieser Welt auch nur ein menschengemachtes Unglück zu vermeiden?

Ich weiß die Antwort … und Du zeigst es ja auf.

Gern gelesen vom

FRiedel

 

Hallo allerseits.

:susp:

Ich bin wahrlich überrascht, da ich gedacht hatte, die Geschichte würde nicht gut ankommen. Erika wirkt recht flach, ihr "als ich alt war, war ich gelassener" kommt plump und mehr tell als show daher. Keiner findet die Szene am Spielplatz überflüssig (habe ich doch selbst überlegt, ob ich dies alles wirklich brauche, aber wenn ich schon mal dabei war, mir Gedanken zu machen, musste unbedingt auch die Bürotätigkeit rein). Mit dem Wortschatz stoße ich an meine Grenzen. Formulare kann man ausfüllen oder leeren/löschen/ausradieren. Eine Umkehrung von "malen" gibt es nicht. Wenn sich die Erde andersherum dreht, sollte der Morgen dann Abend heißen oder bleibt es prinzipiell dasselbe? Begrüßen sich die Leute mit Tschüss? Mit dem "einkaufen" war ich inkonsequent, aber "verkaufen" hat eine Assoziation mit stundenlangem Herumstehen, was nicht das Erlebnis im Supermarkt beschreibt.

Das Konzept, ja, das ist mein Hauptanliegen und das, was hier gefällt. Unser Universum bewegt sich auf dem Zeitstrahl vorwärts. Die Entropie nimmt zu, die Ordnung weicht dem Chaos. Wenn man einen Tropfen Tinte ins Wasser gibt, verteilt er sich von selbst, bis die größtmögliche Unordnung hergestellt ist. Hier streben die Teilchen diesem Gesetz entgegen, finden sich zum Tintentropfen zusammen und hüpfen wieder ins Glas zurück.

Ich kann mein Gehirn nicht anders um dieses Konzept wickeln als unter der Annahme, dass es irgendwann einmal vorwärts gelaufen sein muss und Spuren hinterlassen hat, die nun rückwärts abgegangen werden müssen, worüber sich die Charaktere bewusst sind. Sie haben genug Willen, um sich weigern zu können, doch sie wissen auch, dass Weigerungen Konsequenzen haben und daher unterlassen werden sollten. Man muss dem Unfall entgegen gehen, damit die Wunden heilen, die Gesundheit wiederhergestellt wird. Ich frage mich, wie man Konflikte auf dieser Basis erzeugt. Wenn ich von einem vorwärts laufenden Zeitstrahl ausgehe, müsste dort die Lösung am Anfang kommen. Schaffe ich nicht. Meggies Kampf mit dem Determinismus kommt einem Konflikt am nächsten. Wie funktionieren eigentlich Plottwists? Ich war kurz davor, Erika eine Affäre zu geben und sie hätte überrascht festgestellt, dass Meggie nicht Arnolds Tochter ist. Die Vergangenheit kann Geheimnisse enthüllen, die die Zukunft vergessen hatte.

Hallo @Morphin,

Spontan fühlte ich mich an den Stammtisch erinnert, an das Gespräch über Eltern sein, Bindungen, man wird älter, was bleibt und so ... hatte das Einfluss auf deinen Text? Interessiert mich einfach ...
Hast du Tenet von Christopher Nolan gesehen? Da laufen die einen Leute vorwärts durch die Zeit, die anderen gleichzeitig rückwärts. Da darf man nicht zu viel drüber nachdenken, sonst kommt sowas hier bei raus.
Am Anfang des Films (oder ist es das Ende ;)) kommen Gegenstände vor, die sich rückwärts durch die Zeit bewegen und damit die Ereignisse der Zukunft ankündigen.
Bei einer Geschichte über das Leben, einschließlich Geburt und Tod, ist es naheliegend, die Beziehungen in der Familie zu behandeln. Das hat sich ergeben, als ich nach einem Plot für das Konzept gesucht habe.

Oder: Unterscheiden sich unsere Entscheidungen wirklich von denen deiner Welt?
Manchmal bin ich verwirrt, überwältigt von den Möglichkeiten unserer Welt. Der Determinismus in der Geschichte gibt andererseits eine Sicherheit. Man weiß, was kommt. So wie die Leute, deren Ehen arrangiert werden, die wissen, dass sie ihr ganzes Leben zusammenbleiben werden und am gleichen Bürotisch ihre Beamtentätigkeit ausüben, bis zu dem Datum an dem sie in Rente gehen, welches mit Arbeitseintritt bereits feststeht. Aber manchmal finde ich den Gedanken auch erschreckend, all das schon vorher zu wissen, dann brauche ich das nicht mehr zu erleben.

Bei dieser Stelle wollte ich gerade ins Käsebrot beißen ...
Ja, ne? Ich finde Dosenerbsen auch eklig. ;)

Danke für den Hinweis, ich habe den Tag geändert.

Hallo @GoMusic,

Was spricht dagegen, das hier bei den Wortkriegern zu besprechen?
Die Zeichenbegrenzung. ;)
(Kleiner Scherz, weil ich dich nicht ohne Reaktion gehen lassen kann.)

Hallo @Friedrichard,

es sieht aus, als hättest du von allen Kommentaren bisher am meisten Spaß mit dem Text gehabt.

Vollkommen wäre diese m. E. feine Geschichte, wenn sie auch noch in Spiegelschrift geschrieben würde
In der Tat habe ich mich gefragt, ob die Leute nicht rückwärts sprechen müssten, doch zugunsten der Lesbarkeit habe ich den Gedanken nicht verfolgt.

Oh je.
(nix falsch, aber vllt. besser statt des Punktes ein !, finde zumindest ich)
Bei einer Schussverletzung oder wenn ihr halber Körper mit Brandnarben übersäht wäre, fände ich das Ausrufezeichen als Ausdruck einer starken Gefühlsreaktion angemessen. Bei einem leisen Seufzer ist es für mich eher ein Punkt.

Endlich begab sie sich mit dem Zeugnis zum Bauunternehmen, wo sie als Sekretärin für den Geschäftsführer arbeitete.
aus dem Zusammenhang, aber als „vollendete“ Vergangenheit „wo sie als Sekretärin für den Geschäftsführer gearbeitet hatte“ oder „… für den Geschäftsführer einst arbeitete“ scheint mir sicherer zu sein.
Ah, danke für den Hinweis, aber die Zeit des Universums ist gegenüber der erzählten Zeit umgekehrt, daher habe ich Futur draus gemacht.

Wäre in dieser Welt auch nur ein menschengemachtes Unglück zu vermeiden?
Die Katastrophen würden alle rückgängig gemacht werden. Das Fahren mit Verbrennungsmotoren bindet CO2 aus der Luft und produziert Kraftstoff. Tschernobyl setzt sich wieder zusammen. Man schickt ein Flugzeug aus, um die Atombomben aufzufangen, wodurch Hiroshima und Nagasaki wiederhergestellt werden ... Ich frage mich eher, ob diese Vorgänge jemand nicht rückgängig machen wollen würde.

Danke für die eselnesulF, die anderen Punkte habe ich übernommen.


Danke an alle für die Kommentare. Ich bin überwältigt und fliege davon ...

Viele Grüße
Jellyfish

 

Hi @Jellyfish

hui, ich bekomme Kopfschmerzen von deiner Geschichte. Da bildet sich ein Knoten nach dem anderen. :D

Erinnert mich an Benjamin Button. ich kann mit diesen Gedankenspielen leider nicht viel anfangen. Man kann das nie 100% erzeugen. Wenn alles rückwärtsläuft, wieso ist es dann nicht so wie in einem Film, der rückwärts abgespult wird? Wieso wissen sie manche Dinge, wie die Sachen, die sie in der Schule gelernt haben, aber nicht wer die eigenen Eltern sind?

Klar, da sind schon ein paar coole Stellen drin. Den Anfang fand ich richtig gut, der ist überraschend und mach neugierig.

Meggie verzog angewidert das Gesicht beim Anblick der heißen, vollständigen Mahlzeit. "Igitt. Gut, dass das aus mir raus ist."
Hier musst ich daran denken, wie das das dann überhaupt in die reingekommen ist. Sie sitzt auf dem Klo und dann von unten ... urgs.

Du verlässt dich bei diesem Text alleine auf diesen Effekt. Machst dir Gedanken über die ganzen Kleinigkeiten und wie diese dann ablaufen würden.
Aber eigentlich erzählst du nur die Geschichte eines Lebens und das von Erika ist nicht wirklich spannend.

Ich hätte mir gewünscht, dass du diese Idee mit einer Story verknüpfst, irgendetwas besonderes, das sich nur in so einer rückwärtsablaufenden Geschichte ereignen kann.

Liebe Grüße,
NGK

 

Hallo @Jellyfish ,

das ist mal eine beeindruckende Idee. Das Leben rückwärts zu leben und rückwärts zu entdecken.

Ganz anders als bei Søren Kierkegaard. Er soll gesagt haben:
"Es ist wohl war, was die Philosophen sagen, dass das Leben vorwärts gelebt werden muss. Aber verstanden werden kann es nur rückwärts."

Hier ist es genau anders herum und das macht die Erzählung faszinierend. Ich bin auch über ein paar sprachliche Unklarheiten gestolpert, aber dazu komme ich heute nicht.

Grundsätzlich finde ich die Idee wirklich gut. Aber ich stimme @Nichtgeburtstagskind zum wenn er schreibt:

Du verlässt dich bei diesem Text alleine auf diesen Effekt. Machst dir Gedanken über die ganzen Kleinigkeiten und wie diese dann ablaufen würden.

Aber eigentlich erzählst du nur die Geschichte eines Lebens und das von Erika ist nicht wirklich spannend. Ich hätte mir gewünscht, dass du diese Idee mit einer Story verknüpfst, irgendetwas besonderes, das sich nur in so einer rückwärtsablaufenden Geschichte ereignen kann.

Das wäre dann wirklich ganz großes Kino, äh ... Literatur.

Liebe Güße,
Gerald

 

Hallo @Nichtgeburtstagskind,

danke, auf einen Kommentar wie deinen habe ich gewartet!

Wenn alles rückwärtsläuft, wieso ist es dann nicht so wie in einem Film, der rückwärts abgespult wird?
Das Konzept ist nicht ganz ausgereift. Wie in meinem ersten Kommentar erläutert, hätte ich gerne ein Universum, in welchem die Ordnung zunimmt, während in unserem das Chaos zunimmt. Meine Vorstellungskraft stößt da allerdings an eine Grenze und ich brauche das Konzept, dass die Zeit rückwärts läuft, als Krücke.
In dem Film Tenet, wenn die Leute rückwärts durch die Zeit laufen, laufen sie nach eigenem Empfinden vorwärts und erleben die Welt um sich herum als rückwärts laufend.

Wieso wissen sie manche Dinge, wie die Sachen, die sie in der Schule gelernt haben, aber nicht wer die eigenen Eltern sind?
In der Jugend lernt man Dinge, im Alter vergisst man Dinge plötzlich aus dem Nichts. Hier ist es eben umgekehrt: Man erinnert sich aus dem Nichts an Dinge und verlernt sie in konkreten Situationen. (Oder weil es mir wegen Inkonsistenz mit dem Plot gerade so gepasst hat.)

Ich hätte mir gewünscht, dass du diese Idee mit einer Story verknüpfst, irgendetwas besonderes, das sich nur in so einer rückwärtsablaufenden Geschichte ereignen kann.
Ich auch. :heul: Vielleicht fällt mir eines Tages etwas ein. Meggies Kampf gegen die Vorhersehung kommt dem zumindest am Nächsten.


Hallo @C. Gerald Gerdsen,

danke für deinen Kommentar. Das philosophische Zitat erinnert mich an einen Logik-Kurs, wo wir eine "Logik mit Zukunft" behandelt haben. Die Ereignisse wurden als Baum dargestellt. Wenn man in die Vergangenheit blickt, erscheinen die Ereignisse schön linear geordnet, doch wenn man überlegt, was man als Nächstes tun soll, spalten sich die Möglichkeiten baumartig auf. Vielleicht hieße das, dass die Philosophen im Universum der Geschichte stattdessen die "Zukunft" verstehen anstatt der Vergangenheit? Vielleicht hast du mich auf eine Idee gebracht. Wer weiß. Die Ideen sind wie Samenkörner: Manchmal gehen sie sofort auf oder Jahre später und viele auch gar nicht. Vielleicht fällt mir irgendwann ein passender Konflikt ein, aber bis dahin ist "fertig" besser als "perfekt".

Viele Grüße
Jellyfish

 
Zuletzt bearbeitet:

Das Konzept ist nicht ganz ausgereift.

Kann es auch nicht, vllt. sogar niemals,

Jellyfish.

Was m. E. inkonsequent ist, ist die Sprache, die ja auch rückwärts laufen müsste, nicht aber Wort für Wort, sondern Laut für Laut, denn nicht der einzelne Buchstabe, sondern die (Laut-)Silbe bestimmt unsere Sprache, was natürlich für Sprachen, die auch auf den Laut (also kein Tual", sonder "Taul"), also eine Melodie abstellen, erst recht schwierig wird. Sing oder brumm mal den dritten Satz („An die Freude“) der Neunten rückwärts.

Tonträger verboten!

Kagel hätte vllt. so was hingekriegt (Bänder einfach rückwärtslaufen lassen wie George Martin & Lennon es durchzogen, genügt letztlich nicht - vgl. A Day in The Life)

Wer den Küchentisch „instrumentalisieren“ kann mit verschiedesten Küchenmessern, die ins Holz der Tischkanten geschoben und zum Vibrieren gebracht werden und in der Folge denk-/merkwürdige, aber hörbare Schwingungen erzeugen, bräuchte die Aufnahmebänder schlicht nicht rückwärtslaufen lassen mitsamt der gleichzeitig aufgenommen Zithermusik, die dann buchstäblich zur Zittermusik wird, sondern die Messer nebst Zithersaiten verkehrtherum anstoßen ...

Schönes Wochenende vom

Friedel,
der experimentell mal eine Gitarre falsch rum bespannt und Wild Thing schrammelt, weil Universal Soldier sonst wie ein Kriegsaufruf klänge (sprich "klänge" mal rückwärts ...)

Und was wäre mit Mr.B. - Amazonas/San'o'zama

 

Voller Vorfreude nahm sie ihren Lebenslauf entgegen und schaute gespannt, wo sie als nächstes arbeiten würde. Enttäuschenderweise lag eine Zeit der Arbeitslosigkeit vor ihr.
Liebe Jellyfish,

ich bin neu hier und diese Geschichte ist die erste, die ich hier gelesen habe. Was mir am besten gefallen hat? Dass ich bei dem Zitat oben lachen musste, obwohl der Grundton der Geschichte viel nachdenklicher ist!

Den Bejamin-Button-Effekt mal als Regalfall durchzuexerzieren ist spannend. Auch das Leben, in all seinen normalen Aspekten, die rückwärts stattfinden, ist ein interessanter Ausgangspunkt.

Mein größter Kritikpunkt an der Geschichte ist die Länge in der Mitte. Beim "Kochen" des Essens mit Fisch und Kartoffeln habe ich das erste Mal auf den Scrollbalken geschielt. Ich bin mehr am Schicksal der Mutter als an dem der Tochter interessiert. Erzählerisch ist eine Umsetzung des Sprachverlusts der Protagonistin sicher schwierig. Mit der Generation von Erikas Eltern wären auch noch mehr Figuren in die sonst wohltuend überschaubare Konstellation in der Geschichte gestürmt und hätten nur alles durcheinander gebracht. Aber der Moment, in dem die handelnde Figur ihren eigenen Namen vergisst, kann sehr kraftvoll sein. Aber das ist vielleicht eher eine Geschichte in der Ich-Perspektive, also eine andere Geschichte.

Den Austritt der Tochter und des Kindsvaters aus der Zeitlinie als Endpunkt der Geschichte zu wählen ist auch ein toller Ansatz, aber der lässt mich am Ende etwas verloren zurück. Vielleicht ist das auch genau das Ziel der Erzählung.

Mein zweiter Kritikpunkt ist der Titel. Irgendwie habe ich mir dabei ein eventloses Leben vorgestellt. Erika scheint mir im Guten wie im Schlechten Sinne ein normales Leben geführt zu haben. Für mich wird dadruch der Titel der tollen Geschichte nicht gerecht.

Vielen Dank für dieses spannende Experiment mit der Lebenszeit.

Beste Grüße
Lisa

 

Hallo @Jellyfish ,

das ist dann die kurze Geschichte, gell? Also ich fand sie beeindruckend und die Idee des Rückwärtslebens auch. Die Idee begegnete mir zuletzt bei Dr. Who, wo Dr.Who und seine Ehefrau River Phoenix auf entgegensetzten Zeitstrahlen leben und sein erstes Treffen mit ihr, ihr letztes mit ihm ist. Auch da gibt es ein paar Logikbrüche, aber das lässt sich nicht vermeiden. Und eigentlich wäre es dann auch konsequent, rückwärts zu sprechen, aber fein, dass Du das nicht gemacht hast. :lol:

Etwas enttäuscht musste Erika feststellen, dass es sich bei den anderen Leuten um entfernte Verwandte, Nachbarn und Freunde handelte. Ihre Tochter wusste noch nichts von ihrer Existenz und ihre eigenen Eltern würden erst in einigen Jahrzehnten ausgegraben werden.
Ich habe mir die Stelle beim Lesen markiert, um zu schreiben, dass ich ab da den Plot verstanden habe und, dass er mich packt. Jetzt im Nachgang merke ich, dass die Eltern nie auftauchen. Das finde ich schade. Mich verwundert auch, dass die Tochter nicht zur Beerdigung ist. Die Einladungen kamen sicher später, aber dann dürften da eigentlich auch keine Nachbarn sein. Oder kann die Tochter nicht den Tod der Mutter erkennen, weil überall verweinte Taschentücher sind oder Friedhofserde auf dem Flur, das schwarze Kleid in der Wäsche.
Die Stimme klang reif, ließ noch das Alter erkennen, dem sie vor nicht all zu langer Zeit entwachsen war.
Ebenfalls schön.
Erika musste sich die Zeit mit Spaziergängen und Kreuzworträtseln vertreiben, bis sie ein magisches Datum erreichte, ab dem es ihr erlaubt sein würde, arbeiten zu gehen.
Diese Umkehrung der Gefühle spannend. Ich denke, so mancher freut sich auf die Rente, um dann die Arbeit zu vermissen.
In den Unterlagen fand sie ein Zeugnis, das sie zu als tüchtige Mitarbeiterin lobte und bedauerte, dass sie in Rente ging.
Das finde ich auch spannend, wie die Leute sich ihr Leben zusammenrätseln. Was passiert eigentlich, wenn man sich irrt?
Ihre Arbeit war nicht sehr anspruchsvoll, aber wichtig. Sie löschte Emails und Briefe mit der Rückwärts-Löschen-Taste, nachdem sie einige Formulierungen umständlicher gemacht,
Jetzt habe ich noch einmal nachgeschlagen: Es heißt m. E. E-Mails, also mit Bindestrich, vgl. E-Mail .
Mit jedem Tupfen saugte der Pinsel Farbe auf, die sie mit kreisenden Bewegungen in den Farbkasten brachte. Das Bild verschwand nach und nach von der Leinwand und das Wasser im Glas wurde klar.
Der Satz gefällt mir. Der ist irgendwie sehr poetisch und zeigt das Schwinden gut.
Mahlzeit. "Igitt. Gut, dass das aus mir raus ist."
Irgendwie habe ich diese Stelle erwartet. :lol: Mich wundert aber, dass sie Igitt sagt. Läuft einem vor dem Essen nicht das Wasser im Mund zusammen?
sie. "Musst du noch mehr?" Sie schaute in den Wäschekorb nach weiteren nassen Sachen, doch das Mädchen schüttelte mit fliegenden Haaren den Kopf. Dann stellte sie sich hinter die Tür, um sich zu erleichtern.
Und hier habe ich mich im Gegenzug gefragt, ob sie nicht die nassen Flecken an der Wand aufnehmen müsste und dementsprechend auch den Rest der Erleichterung. Wo wir es doch gestern schon mit dem Thema hatten :D.
Mülleimer. "Hier gibt es keine schmutzigen Handtücher. Du musst ins Krankenhaus."
Erika nickte traurig und sie begaben sich auf den Weg.
Die Geburt bleibt uns also erspart. Mir gefiel aber Gedanke des Verschwindens, dass die Mutter die Chance hat, sich so langsam von der Tochter zu trennen, indem sie immer weniger wird, quasi auch körperlich.

Also, die Geschichte hat mich abgeholt. Ich fand sie sehr interessant zu lesen und mich stört auch gar nicht, dass die Figuren, wie Du schreibst, etwas flach bleiben. Die Geschichte lebt ja von den Ereignissen. Besonders interessant fand ich, dass die Figuren nicht einfach rückwärts leben, sondern sich mit diesem rückwärtsgewandten Leben beschäftigen, rätseln, was wohl als nächstes zu tun ist und vor/nach der Geburt Trauer und keine Freude empfinden, aber gleichzeitig vergessen.
Das ist irgendwie fast wie eine große Metapher für eine Demenzerkrankung. Und wie Morphin schrieb, man könnte da sehr lange auch Off-Topic drüber diskutieren. Vielleicht beim nächsten Stammtisch.

Sprachlich kann ich nichts anmerken. Du bist eine gute Autorin mit viel Sprachgefühl, was mir auch schon bei anderen Texten aufgefallen ist.

Also, gerne gelesen!
LG
Mae

 

Hallo @Friedrichard,

in der Tat gibt es diverse Möglichkeiten, umgekehrten Text am Computer zu erzeugen. Ich bin immer noch der Meinung, dass das die Leseschwierigkeit erhöhen, jedoch nichts zur Geschichte an sich beitragen würde. Für die Protagonisten selbst würde sich das Verständnis der Sprache in gleicher Weise umkehren, sodass sich für sie nichts ändert.

.Ɉɿɘbnä ƨɈʜɔin ɘiƨ ɿüʇ ʜɔiƨ ƨƨɒboƨ ,nɘɿʜɘʞmυ ɘƨiɘW ɿɘʜɔiɘlϱ ni ɘʜɔɒɿqƧ ɿɘb ƨinbnäɈƨɿɘV ƨɒb ʜɔiƨ ɘbɿüw Ɉƨdlɘƨ nɘɈƨinoϱɒɈoɿԳ ɘib ɿüᆿ .ɘbɿüw nɘϱɒɿɈiɘd ʜɔiƨ nɒ ɘɈʜɔiʜɔƨɘӘ ɿυz ƨɈʜɔin ʜɔobɘį ,nɘʜöʜɿɘ Ɉiɘʞϱiɿɘiwʜɔƨɘƨɘ⅃ ɘib ƨɒb ƨƨɒb ,ϱnυniɘM ɿɘb ʜɔon ɿɘmmi nid ʜɔI .nɘϱυɘzɿɘ υz ɿɘɈυqmoƆ mɒ ɈxɘT nɘɈɿʜɘʞɘϱmυ ,nɘɈiɘʞʜɔilϱöM ɘƨɿɘvib ƨɘ Ɉdiϱ ɈɒT ɿɘb ni

,bɿɒʜɔiɿbɘiɿᆿ@ ollɒH


Hallo @Lisa Bell,

danke für deinen Kommentar. Stimmt, die Geschichte funktioniert ohne die Essensszene. Ich habe sie als Gedankenspiel geschrieben, als ich mir überlegt habe, wie Kochen und Essen funktionieren. In der Geschichte selbst erfüllt sie keine Funktion, daher habe ich sie rausgenommen.

Den Austritt der Tochter und des Kindsvaters aus der Zeitlinie als Endpunkt der Geschichte zu wählen ist auch ein toller Ansatz, aber der lässt mich am Ende etwas verloren zurück. Vielleicht ist das auch genau das Ziel der Erzählung.
Das erschien mir als guter Abschlusspunkt. Mich erfüllt etwas Schmerz bei der Vorstellung, dass gerade zwei geliebte Menschen das Leben von Erika verlassen haben, an die sie sich aber nicht erinnert. Das gleiche Gefühl erfüllt mich am Ende von Stephen Kings ES, wenn die Freunde einander vergessen, oder bei dem Song Whatsername von Green Day, der das gleiche Thema behandelt.

Mein zweiter Kritikpunkt ist der Titel. Irgendwie habe ich mir dabei ein eventloses Leben vorgestellt. Erika scheint mir im Guten wie im Schlechten Sinne ein normales Leben geführt zu haben. Für mich wird dadruch der Titel der tollen Geschichte nicht gerecht.
Ich hatte die großartige Idee, dass der Titel auf dezente Weise die Umkehrung der Zeitlinie wiederspiegelt, indem ich auf kreative Weise die grammatische Zeitform nutze ... leider ist mir kein passender Titel eingefallen. Auf der Festplatte muss die Datei irgendeinen Namen haben und wenn mir sonst nichts einfällt, nehme ich zumindest etwas, das ich mit dem Inhalt assoziiere.


Hallo @Maedy,

Die Idee begegnete mir zuletzt bei Dr. Who, wo Dr.Who und seine Ehefrau River Phoenix auf entgegensetzten Zeitstrahlen leben und sein erstes Treffen mit ihr, ihr letztes mit ihm ist.
Das klingt ultra-spannend und ich würde mir die Episode gerne ansehen. Allerdings finde ich als "River Phoenix" einen männlichen Schauspieler und die Folge "The Doctor's Wife" klingt ganz anders als deine Zusammenfassung. Ist das die Folge, die du meinst?

Mich verwundert auch, dass die Tochter nicht zur Beerdigung ist.
Meggie kämpft gegen die Vorsehung an ... Sie hat ihre Mutter gemieden, musste aber wegen des Determinismus' bei ihr einziehen. Sie kann es nicht ertragen, jung zu werden und in ihrer Mutter zu verschwinden. Deswegen ist sie nicht zur Beerdigung gekommen.
Ach, das habe ich vorher anders geschrieben. Ist geändert.

Ja, Erikas Eltern tauchen nicht auf, ich brauche sie nicht, erwähne sie am Anfang nur, um die Regeln des Universums zu erklären ... habe sie rausgenommen.

Das finde ich auch spannend, wie die Leute sich ihr Leben zusammenrätseln. Was passiert eigentlich, wenn man sich irrt?
Eine spannende Frage! Wenn wir am besten wissen, was vor einer Sekunde passiert ist, wissen die Leute im umgekehrten Universum am besten, was in einer Sekunde passieren wird. Bisher kam mir nur der Gedanke, was passiert, wenn sich Leute aktiv weigern. Aber sich irren? Wie kann das zustande kommen? Ich denke mal drüber nach.

Jetzt habe ich noch einmal nachgeschlagen: Es heißt m. E. E-Mails, also mit Bindestrich
Email gibt es auch, aber das ist eher im Bad zu finden ... danke für den Hinweis. :lol:

Mich wundert aber, dass sie Igitt sagt. Läuft einem vor dem Essen nicht das Wasser im Mund zusammen?
Ich war hier mal ganz gemein. In unserem Universum kann man sich theoretisch aussuchen, was man isst. Dort hat man keine Wahl, als Zeug hochzuwürgen, das man nicht gegessen hätte, wenn man irgendwas zu sagen gehabt hätte.

Und hier habe ich mich im Gegenzug gefragt, ob sie nicht die nassen Flecken an der Wand aufnehmen müsste und dementsprechend auch den Rest der Erleichterung.
Ich stoße hier an die Grenzen unseres Wortschatzes. Für die Umkehrung gibt es kein Wort, "beschweren" hieße was anderes. Ich habe es mal auf deine Anregung hin zu "aufnehmen" abgeändert.

Die Geburt bleibt uns also erspart.
Ich fand die Andeutung und die Szene mit dem Essen schon abartig genug, als dass ich die Geburt hätte schreiben wollen. :sick:

Danke für deinen Besuch.

Viele Grüße
Jellyfish

 
Zuletzt bearbeitet:

Liebe @Jellyfish ,

sorry, da war ich irgendwie unkonzentriert. River Phoenix ist ein Schauspieler.
Die Frau vom Doktor heißt River Song. Sie kommt in vielen Folgen vor. Hier ein Überblick: Chronologie der Abenteuer von River Song


Die Folgen, die ich besonders meinte waren Staffel 4 Folge 9/10. Silence in the Library und Forest of the Dead.

LG

P. S.: Also Staffel 4 mit dem 10. Doktor. Ist ja nicht so ganz klar in der Dr. Who Welt, welche Staffel 4 ?

 

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