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Das Leben ... life! - Beim Psychiater
Ich verstehe es nicht so ganz, aber ich werde in meinem Leben unverhältnismäßig häufig Zeugin unfreiwilligen Humors. Ich sammle diese Begebenheiten, wie andere Leute Briefmarken. Es versteht sich von selbst, dass die Geschichten, die ich aufschreibe weder frei erfunden, noch die Namen rein zufällig sind. Und ich schwöre: Ich verschweige nichts und füge nichts hinzu. Sonst gnade mir Gott!
Vor einiger Zeit war ich beim Psychiater. Das war abwechslungsreich. Um 9.00 Uhr erschien ich vereinbarungsgemäß und nüchtern in der Praxis eines Nervenarztes, dessen Namen ich aus Gründen der Höflichkeit und aus Angst vor Schadenersatzansprüchen nicht nennen möchte. An der Theke, wo ich eine durchschnittlich genervte Sprechstundenhilfe erwartete, empfing mich eine Punk-Oma, deren Haare ungefähr zwei Millimeter lang und eisgrau waren. An den Ohren befanden sich im Abstand von einem Millimeter etliche silberne Kreolen. Ob sie auch welche in der Nase hatte, daran erinnere ich mich wegen des zeitlichen Abstandes nicht mehr.
„Tach,“ freut sie sich. „Setzen Sie sich bitte in die Kabine und füllen Sie unseren Fragebogen aus!“
Mein Adrenalinspiegel hebt sich, denn ich bin eine ausgemachte Liebhaberin von Tests. Ich teste meine sozialen Kompetenzen. Ich teste, ob ich in meinem vorigen Leben ein anderes Wesen war und ich teste welches meiner Gesichter mein „Wahres Ich“ besitzt. Ich teste gnadenlos alles. Am liebsten in Cafés. Kaum habe ich mich gesetzt, geht es los.
So, dann wollen wir mal! In eifriger Vorfreude gehe ich in die mir genannte Kabine, die ich mit einem Mitpatienten teilen muss, der allerdings dauernd stöhnt und zu meiner Verwunderung überhaupt keinen Spaß an derlei Freizeitbeschäftigung zu haben scheint. Die Punk-Oma drückt mir einen Fragebogen in die Hand, den ich sofort als den Fragebogen erkenne, vor dem mich ein mir bekannter Sozialpädagoge eindringlich gewarnt hat. Warum? Weil man den nur verkehrt ausfüllen kann. Entwickelt von irgendwelchen Professoren, deren Namen ich mir nicht mir zu merken gedenke.
Aber: Ich habe beschlossen, mich nicht erschrecken zu lassen und kreuze, wie ich es gewohnt bin, kreuze ich locker und aufgeräumt an was das Zeug hält. Aber aufgepasst: Was hatte Christoph gesagt, wie lautete die Frage mit dem Lügen? Wenn man bei der Feststellung: „Ich lüge manchmal" „ja" ankreuzt, hat man völlig schlechte Karten bei der Auswertung. Und wenn man "nein" ankreuzt, hat man schlecht gelogen. Denn merke: Jeder lügt. Manchmal schon, wenn er jemanden einen schönen Tag wünscht. Besser wäre es, stellte er klipp und klar fest, wenn man "ja" ankreuzen würde. Damit zeige man wenigstens, dass man um diese unglückselige Schattenseite wisse. Und dann hat man wieder etwas bessere Karten. „Also auf Zack sein“, meinte er, falls uns irgendwann mal dieser Test begegne. „Sich am besten verweigern“, so seine Worte. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Jetzt heißt es aufpassen, wo die Frage mit dem Lügen auftaucht. Ich werde mordsschlau sein müssen.
Ich habe gerade mal zwei Seiten geschafft und die Frage, ob ich Märchen von Andersen mag, rechtschaffen mit „nein“ beantwortet, als ein jüngeres Sprechstundenfollein kommt und mich abholt. Zum EEG. Ich will protestieren. Ich will mich doch nicht selbst hereinlegen und muss mich konzentrieren. Aber das Frollein sitzt am längeren Hebel.
Sie klebt mir runde Plättchen ins Haar, die sie vorher hastig mit Gel bestrichen hat. Mein Kopf wird derart vollgestöpselt, dass man meinen könnte ich habe eine Zeitsprung-Rückwärtsrolle absolviert und befinde mich nun in den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts, wo mir würde gerade eine lebensgefährliche Dauerwelle verpasst wird. Das Frollein ist sehr quecksilbrig und spricht ununterbrochen von dem „lustigen Test“. Na, da hat Christoph aber ganz andere Worte benutzt. „Ha-ha“, lacht sie aufgedreht. „Mein Freund hat den auch mal gemacht. Da habe ich gesagt: ‚Du gehörst bestimmt zu den Hysterikern“ …
„Was gibt es denn noch für Kategorien?“ frage ich, um ein Gespräch in Gang zu bringen, denn sonst muss ich immer an die Stöpsel auf meinem Kopf denken und daran, dass ich mich ab sofort nicht mehr bewegen darf.
„Ja, Moment, ... hmmm ...“ rätselt sie und fasst sich gedankenverloren an den Kopf. „Ich muss mal überlegen ... Die Depressiven ... Die Hypochonder ...“
Ich muss an meinen Papa, Gott habe ihn selig, denken, der bei jedem Nieser, den er ausstieß an eine fiebrige Grippe dachte, die ihn von dieser Welt dahinraffen könnte und bei Verdauungsunregelmäßigkeiten eine schleichende, inoperable Krankheit befürchtete. Was ihn aber nicht im Mindesten davon abhielt, außerordentlich ungesund zu leben. Bin ich etwa auch so?
„Was war ihr Freund denn nun?“ frage ich aus müdem Interesse heraus.
„Genauso wie ich gesagt habe. Hysteriker“, zwitschert sie munter. „Tja, da kann man keinen beschummeln. Der Test stimmt immer. Das haben die sich gut ausgedacht. Da kommt immer raus, wie man ist.“
Ich will jetzt meine „Wahres Ich“ gar nicht mehr wissen.
„Mein Gott, haben Sie aber einen kleinen Kopf!“ klagt sie, genau so entsetzt wie übergangslos. „Aber ich sage immer: "Ist ja auch egal. Hauptsache, da ist was drin. Ha-ha."
Nach einer Weile sind meine sämtlichen Gelenke und auch mein Atem völlig festgezurrt. Ich fühle mich, als säße ich auf dem elektrischen Stuhl. Ich frage mich, ob die Tatsache, dass mein Kopf zu klein ist und dass ich die Frage, ob ich früher gerne Märchen von Andersen gelesen habe, mit „nein“ beantwortet habe, das Frollein dazu verleitet haben könnte, ihre Fesselkünste unter Beweis zu stellen. Und scheißkalt ist es hier in diesem ungemütlichen Zimmer an diesem ungemütlichen Montagmorgen bei dieser ungemütlichen Beschäftigung. Offensichtlich ist die Heizung noch nicht auf Touren. Oder stellen sie die in dieser Praxis im Sommer aus inquisitorischen Gründen grundsätzlich aus?
„Außerdem ist dabei herausgekommen, expliziert mir jetzt das Frollein mitteilungsbedürftig, dass mein Freund der ideale Lebenspartner für mich ist. Ich bin ja auch Hysterikerin, ha-ha. Manche scheuen sich ja, die Fragen mit dem Sex zu beantworten. Aber dann sage ich immer: Quatsch! Das lesen wir doch überhaupt nicht. Da kommt eine Schablone drüber. Und zack-zack haben wir alles herausgefunden. Machen Sie die Augen zu!“ befiehlt sie unversehens völlig ernst und schaltet den Apparat an, der das EEG aufzeichnen soll.
Ratter-ratter-ratter --- Quietsch --- Schalter aus. Schalter ein ...
Ratter-ratter-ratter --- Quietsch --- Schalter aus.
„Mist“, schimpft das hysterische Frollein. „Augen auf!“ Gewerkel am Apparat. „Augen zu!“
Ratter-ratter-ratter --- Quietsch --- Schalter aus. Schalter ein ...
Ratter-ratter-ratter --- Quietsch --- Schalter aus. Schalter ein. Schalter ein – aus.
Erneutes Gewerkel unter Beimischung diverser Flüche.
„Soll ich erst einmal die Augen auflassen?“ erkundige ich mich, weil ich auf so ein Hin und Her keine Lust habe. Was jetzt weiter passieren soll, erfahre ich nicht.
Also probiere ich es erneut: „Soll ich erst einmal die Augen auflassen?“
„Nee, auf gar keinen Fall, sonst kommen falsche Ergebnisse heraus. Und Sie müssen ganz entspannt bleiben. Und sprechen dürfen Sie auch auf gar keinen Fall, “ schnauzt sie hysterisch.
Entspannen ... Na klar. Nichts leichter als das. Ich beherrsche nicht nur Autogenes Training, ich gebe auch entsprechende Kurse. Trotzdem: Ich muss an Max denken, meinen ehemaligen Ausbildungsleiter. Der uns gelehrt hat, dass das vorherige Erklären von Abläufen für das allgemeine Verständnis immens wichtig ist, weil Vertrauen geschaffen wird. Aber das Frollein kennt ja weder Max noch seine gehaltvollen Anweisungen. Allerdings ist sie mit meinem aufkeimendem Widerstand auch nicht vertraut.
„Augen auf! ... Kerl, warum geht das denn nicht?“
Ich gehe davon aus, dass dies eine rhetorische Frage ist. Zumindest nehme ich an, dass sie nach menschlichem Ermessen nicht an mich gerichtet sein kann und versuche mich, trotz der Kälte, die meine Füße dreist eingewickelt hat, sich über meinen Körper verteilt und sich nun langsam aber zielstrebig meine Nasenspitze vornimmt, zu entspannen.
Nach ungefähr sechsmaligen Augen-auf-und-zu-Versuchen, muss die Punk-Oma ran. Derweil drängen sich mir Visionen vom Nordpol auf, obwohl ich zitternd aber tapfer in mich hineinaffirmiere, dass meine Füße angenehm warm sind.
„Wat hasse denn, Süße?“ meint sie und füllt mir ihrem Temperament umgehend den ganzen Raum aus, wie mir scheint. Sie beginnt, wie wild an den Köpfen herumzudrehen. Die Süße erklärt die Tücken des Objekts. Ich darf aber nichts drehen. Schon gar nicht den Kopf. Trotzdem probiere ich es kurz mal aus. Das hat allerdings ein synchrones Gekreisch beider Damen zur Folge. Ist die Punk-Oma auch Hysterikerin?
„Und überhaupt, wat is dat denn hier für 'ne Luft?“ donnert die Punk-Oma. „Merkst du dat denn überhaupt nich?“
„Was?“ fragt das Frollein, das plötzlich sämtliche Energien verloren hat, unschuldig in ihre Richtung.
„Ja, wat???!“ fragt sie erschüttert zurück. „Hier ist doch total schlechte Luft. Dat ist doch wie inne Sauna hier drin. Mach doch mal dat Fenster auf! Hier fängt man ja an zu kochen.“
Sofort merkt man, wer hier das Hausrecht besitzt. Wild entschlossen wird das Fenster ohne meine Zustimmung aufgerissen.
„Ich friere“, sage ich blöde und vor allen Dingen viel zu leise. Die Punk-Oma ist eindeutig älter als ich. Sie scheint Erfahrungen mit Hitzewellen zu haben. Ich allerdings nicht. Obwohl ich darum bete, sie zu bekommen. Wenigstens im Winter oder in Situationen wie dieser. Bis jetzt wurde ich nicht erhört. Weder von meinem Körper noch von den beiden Praxis-Dragonern.
Jetzt muss ich wieder ganz stillhalten und hoffe, dass ich nicht bis zum Ende der Prozedur erfroren bin. Denn dann sind die Ergebnisse ganz bestimmt verfälscht. Die Punk-Oma verkündet indes: „So! Wer sachtet denn. Klappt doch gezz wunderbar. Fertig.“
Dann bin ich entlassen und kann mich in Ruhe wieder meinem Fragebogen widmen. --- Denke ich. Ich schaffe nur vier Kreuzchen. Dann schleppt mich das Frollein zum Hirnstamm-Sowieso-Messen. Sie hat ihre Schüchternheit vollkommen überwunden, ihre Redelust wiedererlangt und bereitet mich seelisch und moralisch auf die nächste Gel-Prozedur vor.
„Das ist für die Haare viel schlimmer als das EEG, sage ich immer. Das ist wie Pattex und geht nur mit ganz viel Haarshampoo raus. Da sieht man vielleicht nachher aus ...,“ malt sie aus.
Jetzt kommt zuerst auf mein linkes Auge eine Piratenklappe. Später auf mein rechtes. Und dann muss ich endlos lange auf ein Schachbrettmuster starren - so lange kommt es mir wenigstens vor - wo im Takt von 1/100 Sekunden die schwarzen Felder nach weiß und die weißen nach schwarz wechseln. Aber die Krönung ist: In der Mitte befindet sich ein kleiner weißer Punkt, der von einem schwarzen Kreis umrahmt ist. Und eigentlich soll ich nur auf diesen blicken. Ab diesem Zeitpunkt stehen meine Haare auch ohne Pattex von selbst zu Berge.
Kurz nach Fertigstellung meiner Gehirn-Wartung frage ich das Frollein am Rande eines massiven Kontrollverlustes: „Du liebe Zeit, wie lange hat das denn gedauert?“ „Ooooooch, nicht lange“, lautet die präzise Antwort.
Ein Blick in einen vorhandenen Spiegel bestätigt die Drohungen des Praxis-Frolleins: Ich sehe vielleicht aus ... Meine Haare verhalten sich genau so aus, wie zuvor beschrieben. Sie scheint eine exzellente Fähigkeit zu Vorahnungen zu besitzen. Über meinen kleinen Kopf hat sie allerdings nichts mehr verlauten lassen. Wahrscheinlich hat sie sich damit abgefunden.
Dann darf ich mich erneut mit ganzer Hingabe meinem Fragebogen widmen. Da wird es jetzt immer haltloser. Und über den Sinn einiger Fragen und Aussagen lässt sich sicherlich ein längeres Streitgespräch führen.
Ich mag große Frauen
Ich habe fast nie Schmerzen im Nacken
Ich habe keine Scheu mit Geld umzugehen
Aus persönlichen Gründen würde ich den Katalog gerne ergänzen, denn mir fällt noch eine andere Aussage ein: Ich habe ab und zu mal einen Furz quersitzen, besonders an Tagen, an denen man mich zum Ausführen widersinniger Aufgaben zwingt.
Weiter.
Ich koche gerne (ich würde gerne mal ein bestimmtes Pilzgericht ausprobieren)
Ich habe früher gerne Abschlagen oder Plumpsack gespielt
Manchmal höre ich so gut, dass es mich stört
Ich bin so konzentriert auf meinen Bogen, dass ich nur von weitem höre, wie die Punk-Oma erneut stört: „So, der Herr Dockter, wartet auf Sie.“ Was denn? Schon wieder eine ungewollte Pause. Wie soll ich denn in Ruhe mein Rätsel beantworten?
Man muss wissen, wann Widerstand zwecklos ist. Also gehe ich los.
Der Herr Dockter ist ein Arsch. Das schlägt mir mein Gefühl in Kombination mit meinem visuellen Eindruck vor. Einer von der Sorte, die den Fragebogen entworfen haben. Das bestätigt mir auch sofort mein Gehirn und sämtliche anderen Sinne, insbesondere mein Gehör. Er ist offensichtlich schon lange ausgiebig genervt von sämtlichen Patienten, die sein Konto füllen und ihm ein angenehmes Leben ermöglichen.
Er fragt mich mit geschulter, sonorer Stimme, durch die er scheinbar professionell Vertrauen aufbauen will. Hält es aber für unnötig, mich ausreden zu lassen und stellt aus Effizienzgründen mitten in die Beschreibung meiner Beschwerden schon die nächste Frage. Das hinterlässt bei mir den Eindruck, dass es notwendig zu sein scheint, schneller sprechen zu lernen und zwar sofort.
Er fragt mich einiges. Weniges über meinen Seelenzustand. Ihn interessiert mehr, ob ich zur Miete wohne. Und als ich merke, dass sich bei mir wieder dieser Furz quersetzt, frage ich bockig, was das denn mit meinen Schlafstörungen zu tun hat.
Offensichtlich diagnostiziert er hier aufgrund seiner langjährigen Erfahrung eine tiefsitzende frühkindliche Beschämung, denn er antwortet mir ermunternd, dass ich mich dafür nicht zu schämen bräuchte, er wohne schließlich auch zur Miete. Ich bin, wie so oft, wenn ich es mit weit intelligenteren Menschen als mir zu tun habe, verwirrt.
Dann will er mich körperlich untersuchen. Nachdem ich mich bis auf meinen Slip ausgezogen habe, muss ich merkwürdige Sachen machen.
„Gucken Sie mal ins Licht! ... Arme hoch und mit den Händen wackeln! ... Schneller!“
Dann klopft er mir auf meine Arme und Knie, um meine Reflexe zu prüfen. Anschließend haut er mir mit dem Gummihammer auf die Schultern. Während ich vor Schmerzen benommen in die Knie gehe, verkündet er routiniert: „Keine Hals-Wirbelsäulen-Überempfindlichkeit. Oberer Schulterbereich o.B.!“ Mein Knie würde gerne zielstrebig auf diese gewisse Stelle hochschnellen, die sein graues Beinkleid vor mir verbirgt.
Kaum habe ich mich wieder einigermaßen aufgerichtet, folgen weitere Befehle:
„Machen Sie mal dies! ... Tun Sie mal jenes! ... Hüpfen Sie mal auf einem Bein! ... auf dem anderen!“ (Wackeln Sie mal mit dem rechten Ohr, kreisen sie mal mit dem linken Busen in Uhrzeiterrichtung).
Machen Sie mal: „Aaaaah!“ Ja, das tut gut. Das mache ich gerne. Habe ich doch am Wochenende reichlich Knoblauch in mich heinigeschaufelt.
Mir wird klar: Nervenarzt ist nicht der, der Patienten mit schlechten Nerven heilt, sondern einer, der seinen Patienten auf die Nerven geht. Und dieses Exemplar, das vor mir steht, erfüllt alle Vorurteile die Menschen über Psychiater jemals gehabt haben dürften. Irgendwann aber hat auch dieses untersuchungstechnische Abenteuer ein Ende.
Ich darf meinen Fragebogen abschließend bearbeiten. Und ich hoffe, dass ich jetzt dabeibleiben kann. Dort ist jetzt die dritte Steigerungsstufe angesagt.
Ich muss nicht öfter als andere Wasser lassen
Ich verdiene eine strenge Bestrafung für meine Sünden
Ich sehe um mich herum Dinge, die andere nicht sehen
Die Arbeit eines Försters würde mir gefallen
Jetzt fange selbst ich, als leidenschaftliche Test-Ausfüllerin, an, mit den Augen rollen. Und ich beginne nun meinen Mitpatienten und sein Gestöhne zu verstehen. Die Buchstaben verschwinden mittlerweile vor meinen Augen. Und ich bin sicher, so eine ähnliche Frage schon auf einer der Vorseiten anders beantwortet zu haben. Und dann werden sie es merken: Ich lüge, und zwar wie gedruckt. Aber das habe ich ja bereits auf Seite 2, wie empfohlen, mit „ja“ angekreuzt. Und wie das Frollein schon sagt: Da kommt immer raus, wie man ist.
Allerdings vermisse ich die Feststellung: „Manchmal ist mir beim Ausfüllen von Tests, die eine Dauer von eineinhalb Stunden überschreiten, langweilig“ oder „Wenn ich mehr als 155 Fragen beantworten muss und dabei ständig unterbrochen werde, neige ich zur Bockigkeit“ oder aber „Dem blasierten Dr. möchte ich gerne mal zeigen, wie stark ich bin.“
Aber der Fragebogen hat kein Erbarmen mit mir.
Alles schmeckt gleich
Mein Benehmen bei Tisch ist zu Hause weniger kontrolliert, als in Gesellschaft
Ich bin ein Sendbote Gottes
Verdammt! Ich habe einigermaßen gute Manieren und meine charakterlichen Eigenschaften sind im Großen und Ganzen auch passabel. Außerdem neige ich zur weder zur Gemeingefährlichkeit noch will ich in Rente gehen.
Ich will doch nur eine Kur!!!
Aber die letzte Frage, die habe ich mit Vergnügen angekreuzt und zwar ganz dick:
Ich versuche Geschichten zu behalten, um sie dann weiterzuerzählen.
Aber im Grunde ist das auch schon wieder gelogen. Denn: Ich schreibe Selbsterlebtes zur Erheiterung meiner Mitmenschen auf. Außerdem würde ich mir gewisse Dinge sonst nach einiger Zeit selbst nicht mehr glauben.