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Das Land der Träume
Es war einmal ein Mädchen, das war so traurig, weil es nie träumte. Oft erzählten seine Freunde im Kindergarten von ihren aufregenden Träumen, und es musste immer schweigend zuhören. Es hatte wirklich alles versucht. Ein Bilderbuch anschauen vor dem Schlafengehen, Musik hören, ein Bild aus einem Wunschtraum unter das Kopfkissen legen, alles half nichts, Julia, so war ihr Name, blieb traumlos.
Eines Nachts wurde es ihr zu dumm. Sie beschloss auszuwandern, in ein Land, wo es mehr Träume gibt, genug auch für sie.
Sie suchte ihren Rucksack und packte alles was ihr wichtig erschien ein. Ihr Lieblingsbuch, zwei Kuscheltiere, einen Pullover, falls es kalt wurde, und einen Regenschirm. Als ihre Eltern eingeschlafen waren, wollte sie ihr zuhause für immer verlassen. Nun, ein wenig traurig war sie schon, ihre Eltern mochte sie nämlich eigentlich ganz gern. Aber die konnten ihr ja auch nicht helfen.
Julia schlich also zur Tür und griff nach der Türklinke. Plötzlich vernahm sie eine Stimme, die flüsterte: „Halt, du hast etwas vergessen!“
Julia erschrak sehr! „Wer ist da?“ fragte sie. Doch sie erhielt keine Antwort. So startete sie ihr Vorhaben erneut. Aber sowie sie nach der Türklinke griff, entgegnete ihr wieder die Stimme, wieder flüsterte sie: „Halt, du hast etwas vergessen!“ Und wieder fragte Julia: „Wer ist da?“ Diesmal antwortete die Stimme, jedoch flüsterte sie ganz leise: „Ich bin’s doch, Henry, dein Kuschelbär!“
Henry war Julias Lieblingskuscheltier, ein Bär, der in ihrem Rucksack verstaut war. Julia hatte Angst ihre Eltern aufzuwecken, so ging sie leise zurück in ihr Zimmer, nahm den Bären aus dem Rucksack und fragte ihn, was er wollte.
Der Bär klärte Julia auf, dass sie einige Dinge vergessen hatte, die für eine Reise ins Land der Träume aber sehr wichtig waren. „Und was wäre das bitteschön?“ drängte Julia den Bären leicht genervt. „Du brauchst einen Schal!“ sagte der Bär. „Einen Schal?“ fragte Julia. „Ja, einen Schal, frage lieber nicht, sonst kommst du heute Nacht nicht mehr weg, wenn wenn wir so lange beim Packen diskutieren. Außer dem Schal brauchst Du auch noch zwei Bonbons, ein Honigbrot und eine Sonnenbrille.“
Auch wenn Julia leicht verwundert war, packte sie um der Zeit willen alle genannten Dinge behutsam in den Rucksack. Und wieder schlich sie zur Tür, diesmal öffnete sie sie, und zog sie leise hinter sich zu.
Draußen war es schön warm, das wunderte Julia, schließlich war es schon spät.
Julia ging also mit ihrem Rucksack tief in die Nacht hinein. Sie fragte sich, wohin sie wohl gehen sollte. Links, oder rechts? In den Wald, oder lieber an der Straße entlang? Da fiel ihr etwas ein! Vor ein paar Tagen ging sie mit ihrer Mutter einen Feldweg entlang, der war so schön, so stellte sie sich ihren Traum vor. Sie machte sich auf zu diesem Feldweg und sie fand ihn auch.
Als sie abbiegen wollte, sah sie ein grelles Licht. Was war das nur? Sie ging ein Stück weiter, um Gewissheit zu bekommen. Auf einmal löste sich das Rätsel. Julia sah das Licht. Eine Eule saß auf einem Baum, sie hatte eine Taschenlampe und suchte damit nach Mäusen. Die Eule sah herab, nickte freundlich, und suchte weiter. Auch Julia ging weiter. Plötzlich sah sie wieder ein Licht. Es war, als käme es aus einer Hütte. Sie näherte sich langsam dem Fenster, und wollte hineinsehen. „Halt, du hast was vergessen!“ tönte es wieder aus ihrem Rucksack. „Was denn?“ fragte Julia. „Du musst die Sonnenbrille aufsetzen um hineinzusehen!“ sagte Henry der Bär. „Wieso?“ fragte Julia. „Glaub mir einfach!“ sagte Henry.
Julia packte also die Sonnenbrille aus, setzte sie auf, obwohl es Nacht war, und blickte durch das Fenster. Man hörte nur ein leises: „Wow!“ von Julia. Der Bär fragte: "Was siehst du dort?"
„Die Sonne, das ist das Haus der Sonne!", rief Julia aufgeregt.
"Die Sonne geht nachts nach Hause, um sich auszuruhen", erklärte ihr der Bär. "So kann sie am nächsten Tag die Erde wieder erwärmen. Weil sie so hell ist, sollte man nur mit einer Sonnenbrille in ihr Haus schauen."
Julia ging weiter. Dieser Feldweg war so wunderschön, da begann sie vor Freude zu singen. Sie sang und hüpfte von einem Bein aufs andere. Das schönste an dem Weg war, dass er nie zu Ende ging, alle paar Meter konnte man abbiegen und kam dann nach einer Runde wieder auf den ersten Weg zurück, jede dieser Abzweigungen war ganz anders angelegt und eine war schöner wie die andere.
Als sie so sang, hörte sie plötzlich, wie jemand mit ihr sang. Aber die Stimme klang nicht schön, nein, sie war sehr rau. Julia sah sich um. Da bemerkte sie, dass ein kleiner Dachs aus seiner Höhle blinzelte und das Lied mitsang. Julia wollte nicht gemein sein, und sagte: „Hallo kleiner Freund, du singst aber schön!“ Der Dachs antwortete: „Das stimmt nicht. Ich singe grässlich. Ich wollte, ich könnte es besser!“
Da streichelte Julia den Dachs und sagte ihm, dass es sicher noch besser wird, wenn er fleißig übt. Als sie gehen wollte, flüsterte Henry wieder aus dem Rucksack: „Halt, du hast was vergessen!“ Und Julia fragte wieder ein mal: „Was denn?“ Henry sagte: „Gib ihm eins der Bonbons, und er wird singen können wie eine Nachtigall!“ Da gab das Mädchen dem Dachs eines der beiden Bonbons aus ihrem Rucksack. Und sogleich stimmte der Dachs ein Lied an, welches so schön war, dass es Julia die Tränen in die Augen trieb. Der Dachs war sehr dankbar und freute sich fortan seines Lebens.
Julia ging weiter, ein ganzes Stück, bis sie wieder an eine Kreuzung kam, diesmal entschloss sie sich abzubiegen. Sie ging ein ganz schönes Stück, es war zwar eine ganz andere, aber auch eine sehr schöne Gegend, in die sie der Weg führte. Aus der Ferne hörte Julia ein Geräusch, sie wusste nicht genau was es war, doch es machte ihr Angst. Es war ein komisches Geräusch. So beschloss Julia lieber umzudrehen. Möglicherweise war sie ja auf einem falschen Weg. Doch ihr Bär flüsterte aus dem Rucksack: „Hab keine Angst, es ist alles in Ordnung, geh nur weiter, du musst auf diesem Weg bleiben!“
Weil es das erste Mal war, dass Julia etwas anderes als „Halt, du hast etwas vergessen“ von Henry zu hören bekam, gehorchte sie und folgte weiterhin dem einst beschrittenen Weg. Das außergewöhnliche Geräusch wurde immer lauter. Nach einem weiteren Stück hörte es sich an wie ein Winseln, oder gar ein leises Weinen. Als sie so weiterging, kam sie an einen Baum, von ihm ging dieses Geräusch aus! „Wieso weinst du, Baum?“ fragte Julia. Der Baum weinte unbeeindruckt weiter. Da ging Julia wieder weiter, ohne sich umzudrehen. Da begann plötzlich Henry zu weinen. „Henry? Was hast du denn plötzlich?“ fragte Julia erschrocken. Henry antwortete: „Nun sind wir schon so lange unterwegs, und noch immer hast du nichts gelernt. Wie konntest du den armen Baum nur seinem Schicksal überlassen, ohne ihm zu helfen?“
Julia war verwundert. „Was hätte ich denn bitte machen sollen?“ fragte sie. „Geh zurück, der Baum wird es dir, sobald du es ehrlich und gut mit ihm meinst, umgehend sagen!“
Julia ging schnell den Weg zurück, und schon war sie wieder bei diesem weinenden Baum. Erneut fragte sie ihn: „Was hast du, Baum?“
Diesmal bekam sie eine Antwort, der Baum schluchzte nämlich: „Menschen, böse Menschen kamen des Weges, ihnen gefiel meine Rinde so sehr, dass sie sich erdreisteten ein Messer zu zücken, und mir ein ganzes Stück meiner Rinde herauszuschneiden. Du glaubst nicht, wie sehr ich leide, ich habe Schmerzen und mir ist entsetzlich kalt." Julia überlegte, wie sie dem Baum nur helfen konnte. Da fiel ihr der Schal in ihrem Rucksack ein. Sie packte ihn aus und wickelte ihn um die verwundete Stelle des Baumstammes. Dieser beendete augenblicklich sein Jammern und dankte dem Mädchen vielmals. Julia fühlte sich sehr gut. Nun ging sie wieder weiter. Kaum war sie auf dem ursprünglichen Weg zurück, kam auch schon wieder eine Kreuzung. Sie war sich sehr unsicher, ob sie es schon wieder wagen sollte, einen ungewissen Weg zu erforschen. Doch die Neugier überwog und sie bog ab. Verwundert bemerkte sie, dass dies ein besonderer Weg sein muss. Alle Tiere waren nämlich besonders zutraulich, ließen sich sogar streicheln. Auffällig war, dass alle Tiere viel kleiner waren, als man es gewohnt war. Ein Bär kreuzte ihren Weg, er war kaum größer als Henry. Hier war einfach alles kleiner. Julia fühlte sich wie ein Riese. Da begegnete sie einer Mäusefamilie. Die Kinder waren am Quengeln und die Mäusemutter war sichtlich erschöpft. „Haaaaalt!“ rief Henry, „hier müssen wir bleiben!“
Julia setzte sich also an den Wegesrand zu den kleinen, flinken Gesellen. Kaum hatte sie ein wenig mit den Mäusekindern gespielt, wurden diese müde und gingen in ihr Nest. Die Mäusemutter aber blieb noch für einen Moment bei Julia, und erzählte, dass heute ein Mäusefeiertag ist. Aber weil die Mäusekinder so viel Ärger machen, kam die Mäusemutter nicht dazu, etwas vorzubereiten. Deshalb sind die Mäuskinder unzufrieden, weil es kein Festmahl, keinen Kuchen oder ähnliches gab. Julia dachte sich, dass diese kleinen Mäuse lange von dem zweiten Bonbon, welches sie dabei hatte, essen könnten. So packte sie es aus ihrem Rucksack aus, wickelte es aus dem Papier und gab es der Mäusemutter. Diese war unglaublich glücklich und dankbar und zerrte das Bonbon schließlich in das Nest. Wenn man genau hinhörte, konnte man die Freudenrufe der Mäusekinder hören. Julia ging wieder weiter. Mittlerweile war sie ein wenig müde geworden und entschloss sich, sobald sie wieder auf dem Hauptweg ist, auf den Heimweg zu machen. Gesagt, getan. Kurz bevor sie den Feldweg verließ, blieb Julia stehen, nahm ihren Rucksack ab, holte Henry heraus und sagte: „Eine Frage habe ich aber noch!“
Henry bat Julia, ihm die Frage zu stellen. So sagte Julia: „Wozu nun das Honigbrot, das blieb übrig. Haben wir etwa jemanden vergessen?“
Henry lächelte und sagte: „Nein, wir haben nichts vergessen. Das Honigbrot ist für mich, so eine lange Reise macht mich doch sehr hungrig und Honigbrote mag ich immer noch am liebsten." Julia lachte und gab ihm das Brot.
Die Sonne ging schon langsam auf, und Julia eilte zurück nach Hause, bevor ihre Eltern aufwachten und bemerken würden, dass sie abgehauen ist. Doch, was war das? Ein Licht und ein merkwürdiger Ton tauchten auf. Was konnte das sein? Plötzlich wurde alles verschwommen, Henry winkte und löste sich in Luft auf. Was war nur los so plötzlich?
Da hörte Julia ihre Mutter sagen: „Aufstehen Kind, du musst in den Kindergarten!“
So war die kleine Julia doch noch zu einem Traum gekommen.