Das Lachen des Glücks
Ich träumte letzte Nacht, ich würde durch Nepal gehen. In meinem Traum war es fast dunkel, man sah noch, wie die Sonne hinter den weit entfernten Häusern verschwand und ich ging mit diesem wunderbaren Anblick durch eine menschenleere, ruhige Landschaft. Ich war noch nie zuvor in Nepal gewesen, somit hatte ich auch keine Erklärung dafür, weshalb mir bewusst war, wo ich mich befand, doch es bestand kein Grund zu Zweifeln.
Die Landschaft durch die ich ging war karg. Die Wiese auf dem Boden glich eher Stroh und die vereinzelten Bäume ließen traurig die vertrockneten Blätter hängen. Ich sah mich verwundert um, denn ich wusste nicht was ich hier machte. Keine Menschenseele war zu sehen und ich ging immer weiter, unendlich, und die Umgebung änderte sich nicht im Geringsten.
Da sah ich einen dicken Mann unter einem der vertrockneten Bäume sitzen. Er war bis auf ein Tuch um seine Hüften nackt und man sah nahezu alles seines gewaltigen Körpers. Ich bin durch und durch atheistisch und interessiere mich auch nicht für Religionen, doch so viel Grundwissen habe ich, dass ich erkannte, dass es sich um einen buddhistischen Mönch handelte. Da ich dem Laufen müde geworden war und froh war endlich jemand lebendigen zu erblicken, setzte ich mich zu ihm. Zuerst reagierte er nicht auf meine Gesellschaft, doch dann drehte er langsam und bedächtig seinen Kopf.
Ich sah ihn an, ich sah seinen ruhigen Gesichtsausdruck, seine dunklen Augen und sein Doppelkinn, das sich langsam mit bewegte. Doch trotz dieser Dinge, die nicht als Schönheitsideal gelten und obwohl ich hetero sexuell bin, also mein Interesse den Frauen gilt, sah ich die Perfektion, die ihn umgab. Ich hatte vorher noch nie eine so perfekte Gestalt gesehen, dessen war und bin ich mir noch immer sicher.
Nun sah er mich an aber er sagte nichts, er sah mich einfach nur an. Ich konnte die Zeit nicht einschätzen, aber es dauerte eine Ewigkeit bis er zu reden begann. Langsam und ruhig fragte er mich, was ich auf diesem verlassenen Grund zu suchen habe. Ich sagte, dass ich es nicht weiß und dass ich nichts suche. Doch da lachte er nur, er lachte über mich, das war eindeutig. Es war auch kein schönes Lachen, es wirkte verächtlich, so wie wenn man über jemanden lacht, der eine wirklich dumme Frage stellt.
Er erklärte mir, dass jeder etwas suchen würde und es nur nicht wüsste und, dass ich nur träumen würde und mein Unterbewusstsein mich zu ihm geschickt habe, um mir zu helfen. Dies überraschte mich sehr. Ich wusste nicht, dass ich träumte, doch als er es sagte wurde es mir schlagartig bewusst.
Ich redete viele Stunden mit ihm über mein Leben. Von ihm kam so eine tiefsitzende Ruhe, dass er mich damit ansteckte und ich mir irgendwann sicher war, dass seine Art zu leben die einzige sei, die Glück verspricht. Ich erzählte ihm das und er meinte, dass seine Lebenseinstellung die Richtige für ihn und auch für viele andere sei, er aber der Meinung wäre, dass ich so ein Leben nicht meistern könnte. Wieder war ich überrascht, er schaffte es mit jedem seiner Sätze mich zu verblüffen. Ich dachte das wäre sein Plan gewesen, mich zum Buddhismus zu bewegen. Doch als ich nachfragte, verneinte er entschieden. Er meinte er habe keinen Plan, er sei im Moment auch nicht real, sondern nur ein Teil von meiner Vorstellung. Außerdem erklärte er mir, dass man nicht plötzlich einfach Buddhist werden könne. Zumindest nicht ehrlich und vom ganzen Herzen und dies sei die einzig wahre Art seiner Religion.
Daraufhin schwiegen wir eine Weile und ich bedachte seine Worte. Er hatte Recht, aber sein Leben und er erschienen mir Perfekt und von Glück erfüllt.
Plötzlich fasste ich einen Entschluss. Ich sagte ihm, ich wolle nach Nepal reisen und ihn suchen. In der Realität. Er sagte ich solle auf jeden Fall nach Nepal reisen, doch wäre es unmöglich genau ihn zu finden, da er bereits seit langem aus dem Kreislauf des Lebens entflohen sei. Doch hatte ich meinen Entschluss und ich wusste er war richtig. Also zeigte ich ihm meine Entschlossenheit und daraufhin lachte er erneut. Doch diesmal war es das ehrlichste, schönste und perfekteste Lachen, das ich je gehört hatte. Es war nicht klar, sondern ein bisschen kratzig, aber es klang wunderschön. Während dieses Lachens wurde aus dem alten dicken Mann ein kleines Kind. Er warf den Kopf nach hinten, so dass sein Doppelkinn gewaltig wackelte. Seine Fußsohlen berührten sich und er fasste sich vor Lachen an den kugelrunden Bauch. Ab seinem ersten Ton erschien die graue Welt ein wenig an Farbe zu gewinnen, das Gras schien zu wachsen, die Luft wirkte wärmer. Es war so befreiend ihn so Lachen zu sehen, dass ich mit einstimmen musste. Doch sobald ich zu lachen begann, erwachte ich und fand mich glucksend in meinem Bett wieder.
Ich buchte sofort Flüge nach Nepal und packte meinen Koffer. Ich würde ihn finden, das wusste ich.
Und so kam es auch. Doch dies ist eine andere weitaus längere Geschichte, die ich euch vielleicht erzählen werde, wenn ihr mich in euren Träumen besucht.