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Das Labor Des Dr. Thod
Menschenmassen. Reges Treiben. Gedrücke und Gedränge. Exotische Düfte. Markttag wie jede Woche. Ein Mann schreit. Die Massen beginnen sich zu teilen. Er schreit lauter. Es wird ruhig. Sie starren ihn an, wie er sich vor Schmerzen windend auf dem Kopfsteinpflaster wälzt. Blut. Viel Blut dringt ihm aus Mund und Nase. Er kann nicht mehr schreien. Er kann nicht mehr atmen. Er hört auf sich zu wehren. Er ist nicht mehr...
„Lasst mich durch, ich bin Arzt!“, schrie ein hagerer, düster aussehender Mann den Gaffern vor ihm zu. Widerwillig traten sie zur Seite. Sein grauer Mantel wehte wild hinter ihm her, als er zu dem zuckenden, blutüberströmten Körper auf dem Boden trat. Er stellte seinen Koffer zu seiner Linken ab. Zu seiner Rechten saß ein riesiger, schwarzer Hund, über dessen gesamtes Gesicht eine fürchterliche Narbe verlief. Der Arzt zog sich einen seiner Handschuhe aus und fühlte den Puls. Er war tot, kein Zweifel. Er wischte sich das an seiner Hand klebende Blut an seinem Mantel ab und streifte sich den Handschuh wieder über. Ganz beiläufig zog er eine kleine Nadel aus dem Hals des Leichnams, ohne dass es einer der Umstehenden gesehen hatte, und stand auf. Es hat schneller und vor allem besser gewirkt, als ich mir es erträumt hatte, dachte er nüchtern. Heute wird ein guter Tag. „Er ist tot.“ Mit diesen Worten drehte der mysteriöse Mann sich wieder um und verschwand so schnell wie er erschienen war wieder im großen Durcheinander der Masse. Der Hund folgte ihm. Dr. Thod war sehr zufrieden mit sich und dem, was er geschaffen hatte.
Es war ein Morgen wie jeder andere - zumindest war ich dieser kindlichen Annahme, als mich meine Haushälterin - Miss Kult - mit frischem Gebäck, einer Ausgabe der Morgenzeitung und einer wohltuend gut duftenden Kanne Kaffees weckte. Wie immer stand ich um 7.15 Uhr auf, setze mich in meinen Lieblingssessel und las die Zeitung, während ich das Gebäck in den warmen Kaffee tauchte und es schmatzend verschlang. Dann, so gegen 8 Uhr, zog ich mich um, warf mir meinen Mantel über und trat durch die massive Eingangstür meines Innenstadt-Reihenhaus-Hauses auf die Straße. Ich nahm einen tiefen Atemzug. Ich liebte den Geschmack, den Duft des Nebels, des Smogs, in all seinen Facetten. Denn eben Reste jenes Nebels hingen noch in den Straßen und Gassen, in Parks und versteckten Hinterhöfen der Stadt, dort, wo die wärmenden Strahlen der Sonne noch nicht angelangt waren. Wenn um 8 Uhr steht noch der Nebel, legt um die Sonne einen Hebel und es wird ein schöner Tag, dachte ich mir. Und ja, es würde ein schöner Tag werden. Ich setzte mich in Bewegung. Ich hatte einen Termin, den zu versäumen mir nicht im Sinne stand, weshalb ich beschloss, nicht über den verstopften Marktplatz zu gehen, sondern in eine kleine Seitengasse einbog, welche wegen des penetranten Gestanks nach Unrat selten besucht wurde. Ich hielt die Luft an, dann atmete ich flach durch den Mund weiter. An diesem Tag war sie leer, was sie - es war sehr dunkel, da die Dächer der Häuser links und rechts überstanden und so dem Licht nicht die Möglichkeit gaben, von oben in die Gasse einzudringen - unheimlicher und menschenfeindlicher als sonst erscheinen ließ. Zügigen Schrittes stieß ich in sie vor, denn ich wurde des beklemmenden Gefühls nicht habhaft, welches mich bei Betreten der Gasse überkommen hatte, dass etwas nicht stimmte.
Der Doktor und sein treuer Gefährte waren in eine kleine, dunkle Seitengasse getreten und schlichen nun durch die Finsternis – zwei Vorboten des Todes, unheimlich und gefährlich. Sein neues Wundertötungsmittel hatte er fest in der Tasche verstaut. Wieder ein geglücktes Experiment, es würde ihm viel Geld einbringen. „Wenn ich so weitermache“, sagte er zu seinem Hund, "dann erhalte ich noch die Auszeichnung des Schurken des Jahres.“ Der Hund sah ihn an. Irgendwie hatte dieser etwas Menschliches an sich.
Ich hörte eine Stimme, nicht weit vor mir in der Dunkelheit der engen Gasse. Sie kam näher. Eigentlich sind sprechende Menschen nichts Ungewöhnliches, sondern etwas, teilweise Nerviges, dem man jeden Tag begegnet. Doch diese Stimme ließ mir das Blut in den Adern gerfrieren. Sie klang nach Tod.
Dr. Thod blieb stehen und lauschte. Da kam jemand näher. Sein Tier hatte ihn auch gewittert. Fabelhaft, dachte er sich, ein neues Objekt.
Etwas Hünenhaftes schoss an mir vorbei, ich zuckte zusammen. Mein Herz setzte einen kurzen Augenblick lang aus, dann fing es wieder an zu schlagen, zu hämmern, als ob es schnellstmöglich von hier weg wollte. Kurz darauf ertönte die Stimme vor mir in der Dunkelheit, die mir eisige Schauer über den Rücken gejagt hatte: „Guten Morgen, Sir.“ Plötzlich stand er vor mir. Ein düster aussehender Mann mittleren Alters, mit einer Brille auf der Nase - getönte, runde Gläser- die mir die Sicht auf seine wahrscheinlich ebenso düsteren Augen ersparte. Er trug einen Mantel, grau, möglicherweise, denn das war bei den schlechten Lichtverhältnissen schwer zu erkennen. In der einen Hand hielt er einen großen Koffer, in der anderen eine... eine Spritze mit einer seltsam schimmernden Flüssigkeit darin. Der Mann grinste mich an, als ich auf sie hinabsah und erblasste. „Würde es Ihnen etwas ausmachen, mit mir zu kommen? Es ist sehr wichtig. Im Namen der Wissenschaft.“ Er kam mit erhobener Spritze und diesem höllischen Lächeln im Gesicht auf mich zu. Panik ergriff mich. Ich drehte mich um und wollte davonrennen, doch ich stolperte über etwas Weiches, Großes, das hinter mir auf dem Boden lag. Ein Hund, der mich mit roten, bösen Augen anstarrte, während ich zu Boden ging. Ich lag mit dem Gesicht nach unten. Ich wollte wieder aufstehen, drehte mich um – und dann stand er über mir. Die seltsame Flüssigkeit drang in mich ein und alles um mich herum verschwamm...
Gesucht: Thomas Wergut. Seit Montagmorgen vor zwei Tagen vermisst. Mit Informationen über seinen Aufenthalt wenden sie sich bitte an die Polizei.
Grässlicher Todesfall auf dem Marktplatz!
Geht eine neue Seuche um?
Neuer Todesfall der Roten Flut
Ein düsterer Mann beschreitet einen schmalen Weg, er führt zu einem alten Hain. Er kommt auf mich zu. Er trägt einen schwarzen Anzug, schwarze Schuhe - an ihnen klebt Blut - und einen schwarzen Hut. Sein Gesicht ist schwarz - alles an ihm ist schwarz. Die Tiere erschrecken und verstummen, wo er auch geht. Dann steht er vor mir. Wach auf, mein Guter. Wach auf...Wach auf...wachauf...
„Wach auf.“ Der Fremde mit der Brille klopfte mir auf die Schulter. „Es wäre doch schade, wenn sie alles verpassen würden.“ Langsam dämmerte ich aus dem Schlaf zurück in die Wirklichkeit. Doch als ich erkannte, wo ich war, wo ich lag, sehnte ich mich sofort in mein dunkles Reich der Träume zurück. Es blubberte und brodelte überall um mich herum aus seltsam geformten Gläsern und metallenen Behältern. Schläuche führten in diese Behälter und wieder aus ihnen heraus, zu mir, genauso wie Kabel aus einem knatternden Generator zu mir geleitet wurden, der in einer durch Gaslicht erhellten Ecke des Gewölbes stand – denn ein solches war es, in welchem ich mich derzeit befand – und sowohl Schläuche als auch Kabel verschwanden in meinem schweißnassen Körper. Ich war nackt, bis auf einen Lendenschurz. Ich konnte mich auch nicht bewegen. Mein Kopf war auf einem angewinkelten Tisch mit dicken Lederriemen festgebunden. Es gab keinen Ausweg für mich. Ich konnte mich nur dem stellen, was unmittelbar folgen sollte. „Es war solch ein Glücksfall, dass ich sie in der Gasse entdeckt hatte. Ich danke Ihnen.“, sagte er. „Sie haben das ganze Unterfangen um Monate verkürzt. Ein prächtiger Körper und ein starker Geist. Genau richtig für das, was ich vorhabe.“ „Wer chind chie?“ presste ich unter zusammengebissenen Zähnen hervor (zusätzlich wurde das Sprechen von einem Stück Leder erschwert, das zwischen meinen Zähnen steckte). „Oh, wie unhöflich von mir.“ Er machte eine ausholende Bewegung und verbeugte sich bei den folgenden Worten: „Ich bin Dr. Henry Thod der Erste. Und das“ er deutete auf seinen gruseligen Hund, welcher zu seinen Füßen lag „ist Charles, mein Treuer Freund und Helfer.“ Der Hund schnaubte kurz, wie zur Begrüßung. „Sie werden sich sicherlich fragen“ fuhr er fort „was ich mit ihnen vorhabe. Ich werde es ihnen ohne Umschweife erklären. Ich mache sie zu etwas Besseren. Einer unbesiegbaren Bestie. Meiner größten und besten Tötungsmaschine. Und sie können nichts dagegen machen.“ Er lachte kühl. „Doch nun wollen wir anfangen.“ Er verschwand kurz aus meinem Gesichtsfeld. Es klapperte, etwas fiel zu Boden und wurde vom Doktor mit einem unerhörten Fluchen quittiert. Dann stand er wieder vor mir mit einem Tablett voller höllisch aussehender Werkzeuge in den Händen, welches er auf einem kleinen Abstelltisch neben mir legte. „Nach den Schmerzen, welche sie jetzt durchleben werden“ sagte er „werden sie alles Spätere als kleine, unbedeutende Mückenstiche abtun. Doch um sie zu etwas Besseren zu machen, muss ich sie nun eben erst einmal zerstören.“ Er nahm ein großes Hackmesser zur Hand, wog es kurz, überprüfte die Schärfe der Klinge – und dann fuhr es auf mich herab und trennte mir den rechten Arm vom Körper. Ich bäumte mich vor Schmerzen auf. Mein Martyrium hatte begonnen...
Ich hob die Schnauze in die Luft und nahm die Witterung auf. Die Witterung des Mannes, der den Doktor hatte erschießen wollen. Den Doktor, meinen Mentor. Er war wie ein Vater für mich geworden. Norden. Er war nach Norden gestolpert. Charles und ich begannen mit der Hetzjagd. Ich knurrte ihm etwas zu, er knurrte zurück und wir trennten uns. Wir kreisten den Attentäter ein. Dann, wir waren bereits weit außerhalb der Stadt, stellten wir ihn in einer alten Ruine (einst ein Wachturm und Bollwerk gegen Feinde der Stadt) welche auf der Lichtung eines dunklen Fichtenwaldes thronte. „Nein, nein, bitte nicht. Es war ein Versehen. Ich... Es war ein Versehen. Ich wollte nicht auf euren Herren schießen.“ Stammelte er, während er mich - mein neues besseres Ich - ansah. Irgendwie hatte ich Mitleid mit dem armen Mann, ich wollte ihn nicht töten. Hier draußen käme er schon schnell genug ums Leben, bei all den hungrigen Wölfen und Bären. Ich roch sie und sah sie. Sie waren überall. Sie warteten nur auf den richtigen Moment. Doch jetzt hatten sie noch zuviel Angst vor dem Unbekannten – vor mir. Ich wollte mich gerade von dem bösen Menschen abwenden, als ich das mechanische Klicken einer sich ladenden Pistole hörte. Er hatte sie hinter seinem Rücken gespannt. Noch ehe er schießen konnte, hatte ich ihn bereits mit ausgefahrenen Krallen reflexartig angesprungen und zu Boden gedrückt. Was nun geschah, konnte ich nicht verhindern. Voller Abscheu schaute ich mir dabei zu, wie mein instinktgeleiteter Körper den Mann tötete. Ich trat von den Überresten zurück. Charles nickte mir anerkennend zu. Gemeinsam trotteten wir aus der Ruine zurück auf die Lichtung. Dann sah ich ihn. Ein schwarzgekleideter Mann kam mit einem Lächeln auf uns zu. Die Tiere wichen vor ihm angsterfüllt zur Seite. Doch wir eilten mit wedelnden Schwänzen in seine Richtung. Mit diesem herzerwärmenden Lächeln tätschelte der Mann mit der getönten Brille mir den Kopf. „Gut gemacht.“ Sagte der Doktor...