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Das Läuten der Glockenblumen - Teil 2 - Illusionen
Das Läuten der Glockenblumen
Teil 2
Illusionen
Ein kleines Einfamilienhaus am Rande einer der zahllosen Vorstädte von Frankfurt am Main zierte ein schlichtes Schild mit schwarzer Schrift auf weißem Grund: „Parawissenschaftliche Beratungsstelle“
In der Einfahrt parkte ein dunkelblauer Skoda. Der Großteil der Einwohner in der Gegend bestand aus Pendlern, kinderlosen Paaren oder Rentnern, die sich die Benzinkosten in die City und zurück leisten konnten, oder die Vorstadt ohnehin praktisch nicht verließen.
Das Erdgeschoss der Brecht-Straße 17 war vollständig dem täglichen Betrieb in der Beratungsstelle zum Opfer gefallen. Was früher Wohn- und Esszimmer gewesen war, war nun Empfang und Sekretariat. Die beiden kleineren Zimmer, in denen die Kinder der Vormieter geschlafen hatten, waren zu Einzelbüros für Michael und Gregor umfunktioniert worden, wobei Michaels Büro bis zu dessen Eintritt ins Unternehmen das Archiv gewesen war und er nun zwischen Kisten und Aktenschränken irgendwie zurecht kommen musste. Vielleicht auch deshalb hielt er sich nur darin auf, wenn es wirklich keine Alternative gab und fand sich meist bei Susanne im verwaltenden Dreh- und Angelpunkt der Buchhaltung und Auftragsannahme wieder. Dort saß er dann in einem der dicken, grünledernen Besuchersessel und blätterte in seinen Unterlagen, irgendeinem Buch oder seinem Notizblock, während die Sekretärin das Telefon bediente.
„Ja, Frau Gerke. Ich weiß, dass die Rohre immer noch diese Geräusche machen. Mhm. Ja. Mhm. Besessen?“, sie sah zu Michael hinüber, der beim Stichwort Besessenheit ebenfalls den Blick gehoben hatte und dezent in sich hinein grinste. „Frau Gerke, also Besessenheit ist ja im Grunde nicht das, wofür wir- Ja. Ja Frau Gerke. Mhm. Nein, natürlich nicht. Aber nicht doch. Ach, Frau Gerke. Bitte geraten Sie jetzt nicht in Panik!“
Michael atmete tief und fuhr sich mit der Rechten durch die Haare, als die Tür geöffnet wurde und Gregor aus seinem Büro kam, prompt das Gesicht seiner kaufmännischen Leiterin studierte und mit den Augen rollte. Er hob die Hand und gestikulierte, woraufhin Susanne die aufgebrachte Kundin mit abgehackten Worten der Entschuldigung unterbrach und endlich, eine Hand auf das Mundstück des Hörers pressend, denselben sinken ließ.
„Sag ihr, es handle sich um einen sehr seltenen Kobold – keinen Geist – der sich gerne in Wasserleitungen einnistet. Wir empfehlen dringend, ihn dort zu belassen, da nach noch unbestätigten aber vielversprechenden Untersuchungen diese Wesen zum finanziellen Wohlergehen des Hauses, in dem sie leben, beitragen“, erklärte Gregor trocken.
Susannes Brauen hoben sich und Michael ließ seine Papiere sinken.
„Gregor, das kannst du nicht bringen! Die zerrt dich vor Gericht!“, gab er zu bedenken.
Wallzeck seinerseits gab Susanne einen Wink, sie möge tun, was er angewiesen hatte und diese nahm nach kurzem Zögern den Hörer wieder ans Ohr.
„Hören Sie, Frau Gerke? Also es ist nun so, dass der Herr Wallzeck eben mitgehört hat und, also, Frau Gerke das ist ein südirischer Kobold in ihrem Heizungsrohr. Und Herr Wallzeck meint, er bringt ihnen Geldsegen und es wäre nicht klug ihn zu entfernen. Wir könnten das natürlich tun...“ Susanne begann zu schmunzeln. „Aber natürlich müssen wir nicht. Das ist ihr Rohr und ihre Entscheidung. Aber wirklich nur, wenn Sie- Ja. Ja natürlich. Mhm. Gut, Frau Gerke. Dann schicke ich also die Rechnung raus? Wunderbar. Ja. Ja, Ihnen auch noch einen schönen Tag!“
Gregor hob die Augenbrauen und meinte nickend: „Südirischer Kobold, wie? Nicht schlecht.“
Susanne hatte aufgelegt und schüttelte den Kopf, stützte ihn in eine Hand betrachtete das Telefon, während der Assistent im Besuchersessel ebenfalls kopfschüttelnd von einem zum anderen sah.
„Ihr habt der Frau vollkommenen Blödsinn erzählt und die schluckt das?“, fragte er prompt nach. „Die glaubt jetzt ernsthaft da sitzt ein Kobold in ihrer Heizung? Und warum überhaupt das Theater? Die Rohre sind alt! Ich hab den Bericht gelesen, da ist ganz und gar nichts geisterhaftes dran!“, fuhr er fort und gestikulierte hilflos mit einer Hand.
„Exakt“, antwortete Gregor, durchschritt den Raum und verschwand im Flur in Richtung Besuchertoilette. Susanne lehnte sich inzwischen auf den Tisch vor sich und sah den jungen Mann mit schiefgelegtem Kopf an.
„Frau Gerke ist so fest davon überzeugt, irgendwas müsste in ihrem Haus sein, dass sie erst Ruhe geben wird, wenn es aufhört oder sie eine Erklärung hat, mit der sie leben kann“, sagte sie.
„Sie hätte nur die Rohre austauschen lassen müssen, und es hätte aufgehört“, entgegnete Michael angefressen.
„Jupp. Einmal komplette Kupferrohre im gesamten Haus austauschen gegen unsere Rechnung. Was glaubst du kam billiger?“
„Sind wir hier bei der Caritas?“, meckerte der junge Wissenschaftler in sich hinein, stand auf und fasste die fliegenden Blätter zu einem sauberen Stoß zusammen.
„Was regt dich jetzt eigentlich so auf? Freu dich halt drüber, dass unser Gregor sich nur benimmt wie ein Arschloch und eigentlich ein Menschenfreund ist!“ Susanne seufzte und begann Akten auf dem Tisch zu sortieren, eine heraus zu greifen und zu öffnen.
„Na Prima. Ich arbeite für einen menschenfreundlichen Märchenonkel“, maulte der andere im Hinausgehen.
„Besser als für ein Arschloch von Wissenschaftler!“, rief Gregor ihm aus dem Flur hinterher, als Michael die Eingangstüre hinter sich ins Schloss zog.
Am Mittag befuhr der Skoda mit überhöhter Geschwindigkeit eine kaum frequentierte Landstraße, die quer durch Felder, Waldecken und diverse Dörfer führte.
„Wieso lässt du eigentlich Susanne bei Neukunden nicht genauer nachfragen, was los ist? Das hätte uns gestern auch die Fahrt zu dieser Reichmann erspart, oder?“, begann Michael irgendwann ein Gespräch, als das ausdauernde Schweigen seines Vorgesetzten einmal mehr an seinen Nerven zu kratzen begann.
„Nein, hätte es nicht. Nur weil jemand eine Holztreppe hat und sonst nichts passiert heißt das nicht, dass da nichts ist“, antwortete der, ohne den Blick von der Straße zu nehmen.
„Aha? Hast du nicht gestern genau deshalb die ganze Sache abgeblasen?“, gab der Jüngere spitz zurück.
„Nein, habe ich nicht.“
„Wie, hast du nicht? Wir waren nicht im Haus, haben nichts untersucht oder uns live angesehen und du hast gesagt, das ist nur das Holz und hast abgebrochen!“, ereiferte sich der Assistent und richtete sich in seinem Sitz auf, wandte sich dem anderen zu.
„Da war nichts.“
„Ach, und woher weißt du das bitte?“ Michaels Augen schmälerten sich.
„Erfahrung, Himmel noch eins!“, wiederholte Gregor mit Nachdruck und sah sich kurz missbilligend nach dem anderen um. „Ich mache diesen Job seit zehn Jahren und ich habe schon solche und solche Treppen gesehen und ich kann sie durchaus voneinander unterscheiden! Okay?“
Michael atmete tief, ließ sich in den Sitz zurücksinken und sah aus dem Seitenfenster nach vorüberziehenden Kühen auf einer Weide. Das Schweigen breitete sich wieder aus, diesmal allerdings war es ihm nur recht und er unternahm nichts weiter, um es zu unterbinden.
„Der Mann heißt Hillberg. Er sagt, er hört Geräusche aus dem Keller und nachts manchmal auch im restlichen Haus“, informierte Michael sachlich, als der Skoda auf dem Parkstreifen einer Straße in einer Reihenhaussiedlung in einer winzigen Stadt gehalten hatte. Gregor nickte lediglich, zog den Zündschlüssel und stieg aus. Der andere folgte. Der Wagen wurde abgeschlossen und Gregor bahnte sich an seinem Assistenten vorbei einen Weg zu dem weißhölzernen Gartenzaun und griff nach der Gartentüre.
Aus irgendeinem Schatten, einem Busch oder sonst einer unbeobachteten Ecke schoss plötzlich ein Gebiss mit Fellrahmen und stürzte sich mit blutgeiferndem Bellen auf die fremde Hand, die dem Revier zu nahe kam. Michael stolperte rückwärts und prallte gegen die Motorhaube des Skoda, während Gregor mit einem Ruck den Arm zurückzog, ansonsten aber nicht einen Schritt von der Stelle wich.
„Oh, Herr Wallzeck?“, klang eine Stimme durch das anhaltende Bellen und Knurren. „Entschuldigung! Er meint das nicht so. Zeus! Aus! Aus sag ich! Sitz!“
Der Rottweiler klappte tatsächlich das Maul zu, als hätte man ihn ausgeschaltet, machte kehrt und tappte schwanzwedelnd auf den Mann zu, der in T-Shirt und Jeans herangeeilt kam.
„Herr Hillberg?“, fing sich Michael im Hintergrund und kontrollierte die Richtigkeit des Namens mit einem Blick in die Unterlagen in seiner Hand.
„Ja, ich bin Waldemar Hillberg. Dann sind Sie die Geisterjäger, ja?“, erwiderte der Mann sichtlich begeistert und kraulte dem schwarzfelligen Ungetüm das rechte Ohr. Der Hund brummte gemütlich und schien mit dem Vieh, das ein paar Sekunden zuvor Gregor am liebsten zerfleischt hätte nichts zu tun zu haben.
„Wir sind von der parawissenschaftlichen Beratungsstelle“, korrigierte Wallzeck gedehnt und musterte das Tier, den Mann und schließlich das Haus.
„Ja wunderbar! Warten Sie kurz, ich sperre den Zeus eben weg, damit er Ihnen nicht im Weg rum läuft.“
„Nein, nein. Lassen Sie ihn ruhig“, sagte Wallzeck und führte die Bewegung zu Ende, griff die Gartentüre und öffnete sie, ungeachtet des skeptischen Blickes, mit dem Michael nur schleppend Anstalten machte, sich ebenfalls in Bewegung zu setzen.
„Na, ganz wie Sie meinen. Wollen Sie denn zuerst den Keller sehen? Oder brauchen Sie irgendwelche Grundrisse vom Haus?“, erkundigte Hillberg sich und drehte ab, um voraus zu gehen, um das Haus herum, an ordentlich angelegten Salatbeeten vorbei zur Terrasse hinter dem Haus. Gregor und Michael folgten.
„Der Reihe nach, Herr Hillberg“, fand Michael allmählich zu seiner Kundendienstmentalität zurück. „Zuerst erzählen Sie uns bitte noch einmal genau, was vorgefallen ist, wann und wie oft.“
Waldemar Hillberg zog die Schuhe aus und betrat, begleitet von seinem Hund, der ihm nicht von der Seite wich, das Haus durch die Terrassentüre. Gregor warf einen schiefen Blick zu Michael zurück, der sich an die Wand stützte, um ebenfalls die Schuhe auszuziehen, während er selbst dessen ungeachtet einfach eintrat. Hillberg ließ sich schwer auf das dunkelbraune Sofa fallen und deutete dem Mann, sich ebenfalls zu setzen.
„Sie wollten ja nichts trinken, nicht?“, fragte er.
„Nein. Nein, danke, wir sind ja nicht zum Vergnügen hier“, erwiderte Gregor, ließ sich nach kurzem Umsehen in einem der Sessel nieder und endlich kam auch Michael auf Socken ins Zimmer, als grade Zeus sich zu Füßen seines Herrchens der Länge nach fallen ließ.
„Na ja, wie erklär ich das jetzt. Es ist so, dass ja meine Mutter schon in diesem Haus gelebt hat, bis sie dann letztes Jahr im Herbst gestorben ist. Das Herz, wissen Sie“, erzählte Hillberg gedehnt und Gregor nickte, den Blick überall nur nicht bei dem Kunden. Michael hatte einmal mehr seinen Notizblock gezückt.
„Und meine Mutter, Gott hab Sie selig, hat schon immer gesagt, irgendwas wär mit dem Haus. Verstehn Sie mich nicht falsch, ich glaub an so was nicht. Also, an Geister und so was. Aber irgendwas macht halt nachts einen unheimlichen Radau hier. Und ich bin´s nicht und Zeus auch nicht!“
„Herr Hillberg“, mischte sich Wallzeck ein, „für uns ist wichtig, genau zu wissen, was wann geschehen ist und wie oft. Sie sagten, die Geräusche kämen nur nachts vor?“
„Also, nicht nur nachts. Ich hab auch schon am Tag oder grad ganz früh am Morgen Geräusche aus dem Keller gehört.“
„Gut. Was für Geräusche, Herr Hillberg?“, hakte Gregor nach. „Klopfen? Kratzen? Stimmen?“
„Also, na ja, sehen Sie...“, begann der Mann zu stammeln.
„Herr Hillberg, wenn Sie uns nicht sagen können, was hier vor sich geht, können wir Ihnen nicht sagen, woher es kommt“, erklärte Michael vorsichtig aus dem Hintergrund.
„Gut, also da sind Geräusche, als würde jemand gegen die Wand klopfen, da unten. Oder gegen die Decke. Manchmal ist es auch ein Kratzen, als würde man Erde oder irgendwas in der Art wegschaffen. Und einmal, aber Sie dürfen mich jetzt nicht für verrückt halten, einmal könnte ich schwören, ich hätte Nachts hier im Haus eine Stimme gehört.“
„Was hat sie gesagt, Herr Hillberg?“, fragte Gregor, beugte sich in seinem Sessel vor und sah dem Mann unmittelbar in die Augen, worauf dieser spontan die Decke ansah.
„Ich hab sie nicht richtig verstanden. Aber sie hatte so einen Ton. Sie wissen schon. So ein Jammern. Ganz eigenartig. Ich hab es als Windheulen abgetan, aber irgendwie...“
Michael malträtierte den kleinen Block mit dem Stift, blätterte hektisch um und setzte seine Notizen fort, während sein Blick bereits ab und an nach Gregor hinüberzuckte.
„Klingt nach einer unpersonifizierten Erscheinung telekinetischer Aktivitäten mit akustischem Schwerpunkt, nicht?“, fragte der Assistent nicht ohne eine gewisse Begeisterung. Wallzeck nickte, warf einen Blick zur Decke und fragte nebensächlich:
„Hört der Hund es auch?“
„Bitte?“, entgegnete Hillberg irritiert.
„Der Hund.“ Gregor deutete auf Zeus. „Ich fragte, ob der Hund es auch hören kann.“
Waldemar Hillberg warf einen befremdeten Blick auf sein Haustier, wie es da lag und seinen Strumpf vollsabberte, sah wiederum Wallzeck an und zuckte schließlich die Schultern.
„Keine Ahnung. Nachts ist er draußen in seinem Zwinger“, antwortete der Kunde schließlich.
„Fein“, Gregor stand auf. „Wir werden heute Nacht Ihr Haus observieren. Herr Gerber wird Ihnen erklären, was genau das bedeutet. Und er hier,“ Gregor deutete erneut auf den Hund, „bleibt heute Nacht hier drinnen.“
Hillberg blinzelte, sah von Wallzeck zu Gerber und zurück und nickte ergeben. Gregor stemmte sich aus dem Sessel hoch, zog seinen Mantel zurecht und verließ das Haus durch die Terrassentüre mit den Worten: „Ich hole das Equipment.“
Derweil baute Michael sich mit einem Verkäuferlächeln im Gesicht vor Herrn Hillberg auf und setzte an: „Also, Herr Hillberg. Es ist von immenser Wichtigkeit, dass Sie Ihre üblichen Verhaltensmuster in keiner Weise unserer Anwesenheit unterordnen, wenn wir durch unsere Untersuchungen repräsentative Ergebnisse erziehen wollen. Schlafen Sie nackt?“
Mitternacht war weit überschritten und der Hund kam endlich zur Ruhe, nachdem er die Männer drei Stunden lang auf Trapp gehalten hatte, vollkommen aufgedreht durch den Umstand, dass er im Haus bleiben durfte. Michael saß im Wohnzimmer vor den aufgebauten Monitoren, die mit den Kameras im Treppenhaus, dem Keller und dem Flur vor dem Schlafzimmer verbunden waren.
„Gut, dass wir die Nachtsichtkameras noch im Wagen hatten“, murmelte er abwesend und notierte sich zum dritten Mal „Keine Vorkommnisse“.
„Abwarten. Vielleicht müssen wir noch umschalten auf Normalmodus. Manche Erscheinungen sieht man mit Nachtsicht nicht“, erwiderte Gregor ruhig und ließ den Blick zwischen dem auf dem Wohnzimmerteppich dösenden Hund und der Kellertüre hin und her schweifen, die er von seiner Position im Türrahmen aus recht gut im Blick halten konnte.
„Was passiert eigentlich, wenn nichts passiert, so lange wir hier sind?“, fragte Michael nach, ließ Stift und Block in seinen Schoß sinken und lehnte sich zurück.
„Dann lassen wir die Kameras hier und verschwinden“, antwortete Gregor.
In diesem Augenblick ruckte der Kopf des Rottweilers hoch und das Tier gab ein eigenartig schnaubendes Geräusch von sich, als hätte es Bellen wollen, müsste sich aber erst erinnern, wie das ginge. Im gleichen Atemzug ruckte Gregors Blick zu dem Hund herum und Michael wurde mit einer energischen Geste dazu aufgefordert, seine Aufmerksamkeit wieder den Monitoren zu widmen.
Stille. Zähe, leere, unspektakuläre Stille. Kurz zumindest. Dann schaffte der Hund sich auf die Beine, ohne den Blick von der Wohnzimmertüre, genauer dem Flur dahinter zu lösen und legte allmählich die Ohren an. Leises, tiefes Knurren brachte Michael dazu, sich irritiert nach Gregor, dann nach dem Hund umzusehen, bis er das Geräusch zuordnen konnte. Da. Erst ganz leise, dann zunehmend lauter, ein Klopfen, durch die Wände zu hören, dumpf, ohne Rhythmus, die Pausen dazwischen mal lang, mal kurz, dann Stille. Das Knurren des Hundes wurde lauter, Michaels Bewegungen fahrig, der Griff zum Notizblock hektisch. Der Stift entglitt ihm, fiel zu Boden und er fand ihn blind tastend nicht. Seine Augen klebten förmlich an jenem Monitor, der den Keller in fahlgrünem Halblicht zeigte. Gregor hatte inzwischen ganz und gar die Kellertüre im Blick, die Augen geschmälert und rührte sich nicht mehr.
Als der Hund anfing zu bellen, fuhr Michael in sich zusammen und starrte das Tier an, während Gregor plötzlich mit ausgestrecktem Arm nach der Terrassentüre deutete.
„Mach die Tür auf! Schnell!“
Michael stolperte fast, als er vom Sofa sprang, am Couchtisch vorbei zur Terrassentüre hetzte und sie sperrangelweit aufriss. Zeus, der ausgewachsene Rottweiler, schlug urplötzlich von drohendem Kläffen in panisches Jaulen um, fuhr herum und schoss durch die offene Tür hinaus in den Garten. Stille.
Michaels Blick tastete suchend über die Wände, hoch zur Decke, während Gregor sich aus dem Türrahmen löste und zur Kellertüre ging, sich davor auf die Knie niedersinken ließ und die Augen schließend ein Ohr an das Holz legte. Es dauerte einige Augenblicke, bis Michael hinter ihm in der Wohnzimmertüre auftauchte, im Gesicht eine Mischung aus Fragen und Verwirrung.
„Kratzen“, wisperte Gregor. „Komm her.“
Irgendetwas in Michael Gerber sträubte sich dagegen, dieser Tür näher zu kommen, als er unbedingt musste. Die meditative Ruhe allerdings, mit der Gregor dort kniete, brachte ihn zu einem kurzen, inneren Monolog, der darauf hinauslief, dass es albern wäre, vor Dingen wegzulaufen, die man jagte, und schließlich kam er zu seinem Chef an die Türe, stützte eine Hand an die Wand daneben und beugte sich über Gregor hinweg nach vorne, um lauschen zu können.
Ein leises, anhaltendes Kratzen, fast wie ein Tier, das in Erde wühlte. Es war nicht wirklich laut und dennoch zog es einem sonderbar in die Eingeweide, wickelte sich um den Hals und machte ihn eng, dass man immerzu schlucken wollte, es aber nicht konnte.
„Das hier, das ist kein Blindgänger, oder?“, flüsterte Michael dem Knienden zu, sah auf ihn nieder und wunderte sich darüber, dass seine freie Hand zu zittern begonnen hatte, steckte sie in die Hosentasche, um sie davon ab zu halten.
„Kein Blindgänger“, erwiderte Gregor.