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Das Kraftwerk

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01.08.2013
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Das Kraftwerk

Petra fotografierte den ausgebrannten Hochspannungstransformator von allen Seiten. Rauch kräuselte sich über der Maschine, es roch nach Chlor und verbranntem Kunststoff. Die Keramikreste der ehemals schräg nach oben führenden Stromleitungen baumelten von der isolierten Sammelschiene. Der haushohe Kühlkörper des Transformators war senkrecht geborsten und zwischen den Rissen im Stahl quollen, zu seltsamen Windungen verschmolzen, erkaltete Kupferwicklungen wie Gedärme ins Freie. Schwarz vom Brand lag der Koloss, einst weiß gestrichen, inmitten dutzender Großtransformatoren.
Brand wegen Kurzschluss, dachte Petra. Wegen Kurzschluss durch einen gewaltigen subtransienten Stromstoß, der in dieser Stärke weder erklärt noch von den Schutzsystemen des Kraftwerks unterbrochen werden kann.

Es war still im Kontrollraum des Kernkraftwerks, als Petra zurückkam. Leise surrte die Klimaanlage. Die vier anderen Reaktoroperateure und der neue Einsatzleiter saßen vor ihren Monitoren. Johannes, der neben ihrem leeren Arbeitsplatz saß, warf ihr einen kurzen Blick zu. Petra überflog wie gewohnt die Angaben auf dem halbkreisförmigen Bildschirm, der die halbe Wand des ovalen Raumes einnahm. Als sich ihre Augen an das gedämpfte Licht gewöhnt hatten, ging sie zu ihrem Arbeitsplatz, lud die Fotos von der Kamera auf den Rechner und öffnete die Bilder. Der neue Einsatzleiter erhob sich, kam schlurfend durch den Raum und blieb neben ihr stehen. Er kniff seine unnatürlich vorstehenden Augen zusammen, beugte sich näher zum Bildschirm und betrachtete die Fotos des ausgebrannten Transformators.
„Nicht gut“, nuschelte er, „gar nicht gut“, und, lauter, zu Petra gewandt: „Sind Sie wieder mit dem Motorrad durch die Halle gefahren?“
Petra stand auf, schälte sich umständlich aus dem Schutzanzug, kramte in den Taschen, als ob sie etwas suchte und nicht fände, vergriff sich beim Kleiderbügel - mit Filzstift hatten sie sie beschriften müssen - und hängte den Overall in den Schrank. Seit das schwer umweltschädliche Isoliergas in den Stromleitungen ausgetauscht worden war gegen ungefährlichen, für Menschen allerdings giftigen Flüssigstoff, musste man im Kraftwerk Schutzanzüge tragen.
„Sind Sie wieder mit dem Motorrad durch die Halle gefahren?“, wiederholte der neue Einsatzleiter.
Ob er nicht gerade die Fotos gesehen habe, knurrte Petra, da draußen sei alles schwarz vom Ruß, Motorradfahren spiele jetzt auch keine Rolle mehr.
Zwei Operateure kicherten.

Über zweitausend Jahre waren nötig, um zur Kernkraft zu gelangen, dachte Petra. Zwanzig Jahre hatten gereicht, den Weg zurückzugehen. Sie erinnerte sich an staatliche Nuklearsicherheitsinspektorate, öffentliche Stellenausschreibungen und daran, dass man Dinge tat, weil sie richtig waren. Die damalige Technik war noch da, doch die Menschen – die Menschen waren verrückt geworden.
Gleich beim Amtsantritt des neuen Einsatzleiters hatten die Reaktoroperateure bemerkt, dass der junge Mann inkompetent war. Inkompetent, aber Neffe des Kraftwerkdirektors, wie sich später herausstellte, was seine Position erklärte. In den ersten Wochen hatten sie sich nach Vorschrift verhalten, Beschwerden und Rapporte geschrieben, doch der nächsthöhere Abteilungsleiter wollte seinen Ruf beim Direktor nicht gefährden und weigerte sich, diese weiterzuleiten. An Umgehung des Abteilungsleiters war nicht zu denken, Dienstweg ist Dienstweg. Kurzum, jede Beschwerde war vergeblich. Also hatten die Operateure beschlossen, den neuen Einsatzleiter derart zu schikanieren, dass er von selbst gehen würde.
Leicht fiel es ihnen allerdings nicht. Gemeinheit erfordert ein Höchstmaß an sozialer Kompetenz. Es galt, über Jahre geübte Umgangsformen zu vergessen und ins Gegenteil zu wenden, ohne dabei dem Einsatzleiter einen Kündigungsgrund zu geben oder, was weitaus schwieriger war, sich komplett lächerlich zu machen. Die Idee mit dem Motorrad stammte von Petra. Natürlich war es sinnlos, damit durch die Kraftwerkshalle zu fahren, obwohl die Halle groß war, sehr groß. Doch das Motorrad bot genau die gesuchte Art von Konfliktpotential. Es war wegen der ausgestoßenen Rußpartikeln zwar verboten, aber nicht schlimm genug, um eine Meldung beim Abteilungsleiter zu rechtfertigen, ohne dass sich der neue Einsatzleiter selbst lächerlich machen und darüber hinaus seinen Ruf als Führungsperson aufs Spiel setzen würde. Außerdem fuhr Petra gerne mit dem Motorrad durch die riesigen Hallen, in die selten ein Mensch seinen Fuß setzte. Sie spürte etwas Unbeschreibliches zwischen den schwer atmenden Turbinen und Generatoren, etwas wie - Leben. Doch das sagte sie ihren Kollegen nicht.

Überhaupt, Petra sagte nichts, wo es nichts zu sagen gab.
An diesem Abend, als die Schicht zu Ende war und die Reaktoroperateure im Pausenraum ihre Kaffeetassen in die Spülmaschine stapelten, sagte Johannes: „Sieht nicht gut aus, die Sache mit dem Transformator. Gar nicht gut. Hat einer von euch eine Ahnung, weshalb das Ding ausgebrannt ist?“
Die anderen Operateure schüttelten den Kopf.
Petra sagte: „Transformatoren haben etwas gemeinsam mit Menschen. Folgsam stehen sie in ihrer Reihe und treten in die Stufen des Rades, das endlos um sich selbst dreht. Krepiert dabei einer, gibt es Untersuchungen und neue Sicherheitsrichtlinien, welche die Gefahr höchstens verschieben, denn absolute Sicherheit ist illusorisch.“
Solche Dinge sagte Petra.

Die Physiker vom Untersuchungskomitee, welche am nächsten Tag den ausgebrannten Transformator umschwirrten wie Fliegen einen stinkenden Kadaver, kamen nachmittags zum Schluss, ein Kurzschluss habe den Brand verursacht.
Die Operateure im Kontrollraum lachten. „Das hätte jeder hier nach zehn Sekunden festgestellt“, sagten sie. Bemerkenswert sei einzig die Vermutung, ein bisher unbekanntes Zusammenspiel elektromagnetischer Wirkungen könnte einen hohen Ausschaltstromstoß und damit den Brand verursacht haben, als ein tausende Kilometer weit entferntes Umspannwerk von der neuen Höchstspannungsleitung getrennt wurde.

An diesem Nachmittag kam ein Sturm auf. Die Monitore im Kontrollraum zeigten Windgeschwindigkeiten von über hundert Stundenkilometern an verschiedenen Messpunkten auf dem Kraftwerksgelände. Die Übertragungsbilder der draußen montierten Überwachungskameras wackelten.
Kurz vor Schichtende trat der Pressesprecher des Kraftwerks in den Kontrollraum. Sein schmales Gesicht wirkte skelettartig im fahlen Licht der Kontrollbildschirme. Er sagte, er brauche eine Erklärung zur gestrigen Notabschaltung von Feld vier, für die Pressemitteilung.
Die Reaktoroperateure zeigten auf Petra.
Petra wandte den Blick nicht von den Monitoren. „Die technologische Komplexität unseres Kraftwerks ist unermesslich“, sagte sie, „ein Meisterwerk an Ingenieurskunst - gottgleich, sofern man den Vergleich wagen darf. Trotzdem versuche ich eine kurze Erklärung.“
Die Operateure lachten.
„Der zerstörte Transformator war Teil der elektrischen Maschinen, welche den Reaktor vier mit den neuen Höchstspannungsleitungen verbinden“, fuhr Petra fort. „Übrigens arbeiten diese Leitungen mit der höchsten Gleichspannung, die je zur Stromübertragung erzeugt wurde, was nahezu verlustlosen Transport sagenhafter Energiemengen erlaubt. Wir sprechen von Strom für Millionen von Menschen - doch ich schweife ab. Beim Ausschalten langer Leitungen können aufgrund der elektrischen Felder zwischen Kabeln und Erde enorme Überspannungen und Abschaltströme auftreten, und so ein subtransienter Abschaltstrom mit einer kurzzeitigen Leistung, welche dem Verbrauch einiger Millionenstädte entspricht, könnte – wobei die realen Vorgänge viel komplexer sind, als ich hier in Kürze zu erklären vermag – den Kurzschluss im Transformator und damit den Brand verursacht haben. Dies jedenfalls behaupten die Herren des Untersuchungskomitees.“
„Alles klar?“, rief einer der Operateure hämisch zum Pressesprecher.
„Energietechnik, erstes Semester“, schob ein anderer nach.
Der Pressesprecher klappte sein Notizbuch zu und hob den gestreckten Mittelfinger.

In dieser Nacht konnte Petra nicht schlafen. Sie lag im Bett und überlegte. Falls das Ausschalten eines relativ kleinen Strangs der neuen Höchstspannungsleitung ausreicht, um hier, tausende Kilometer entfernt, einen Großtransformator in Brand zu setzen, dachte sie – was geschieht dann, wenn jemand alle Leitungen ausschaltet?
Am Morgen stellte sie die Frage während der Kaffeepause ihren Kollegen.
„Ihr wisst genau, wie sich ein Generator bei maximaler Phasenverschiebung verhält“, versuchte sie zu erklären und blickte in die Runde. „Er explodiert wie eine Bombe. Was ist, wenn das Untersuchungskomitee recht hat und der subtransiente Abschaltstrom der neuen Leitungen die Generatoren erreicht? Halten die Reaktorhüllen dem Druck und den Splittern stand?“
Gleichgültige Gesichter blickten ihr im farbig aufblinkenden Licht der Kontrollbildschirme entgegen. Johannes zuckte mit den Schultern, wobei ihm etwas Kaffee aus der Tasse schwappte, zwei andere Operateure nickten bedächtig, weiter an ihrer dampfenden Brühe nippend, und der vierte sagte, es wäre ohnehin um diese Welt nicht allzu schade.
Petra hatte damit gerechnet, von ihren Kollegen keine Unterstützung zu erhalten. Dass auch der Dienstweg nicht helfen würde, war ihr ebenso klar. Der neue Einsatzleiter, der nicht mehr wagte, Kaffeepausen mit den Operateuren zu verbringen, gab sich beschäftigt vor seinen Bildschirmen. „Lecken Sie mich“ war alles, was er ihre Bedenken betreffend erwiderte.
Sie setzte sich zurück an ihren Arbeitsplatz. Draußen tobte noch immer der Sturm. Die durchschnittliche Windgeschwindigkeit war auf knapp sechzig Stundenkilometer gesunken, doch die Böen erreichten immer noch über hundert. Petra verfolgte die Messdaten auf ihrem Monitor.
Nach Schichtende zog sie Johannes beiseite, während die anderen ihre Kaffeetassen zur Spülmaschine im Pausenraum brachten.
„Du verstehst es doch, Johannes“, sagte sie. „Wir müssen melden, dass man diese Leitungen auf keinen Fall ausschalten darf, bis der Sachverhalt geklärt ist.“
„Warum sollten sie alle Leitungen ausschalten?“, erwiderte Johannes. „Das geschieht nie.“
„Zugegeben, die Wahrscheinlichkeit ist gering. Dennoch gibt es denkbare…“
Da berührte sie Johannes sanft an der Schulter. „Petra, du weißt, keiner in diesem Kraftwerk versteht auch nur annähernd so viel von dieser Sache wie du. Etwas kann ich dir aber versichern: Erklär diesen Idioten, was sie auf keinen Fall tun dürfen, und irgendeiner wird genau das tun.“

Nachdem Petra ihre Kaffeetasse in die Spülmaschine gelegt hatte, holte sie ihren Schutzanzug aus dem Schrank, fuhr mit dem Warenlift hinunter und trat durch die Schleuse in die riesige, hell erleuchtete Halle. Das Motorrad stand im Materialraum. Viermal musste sie in den Kickstarter treten, bis die alte Honda lief. Einzylinder-Viertaktmotor, achtundvierzig Newtonmeter Drehmoment. Petra strich liebevoll über den breiten Lenker. „Motocross-Maschinen sind leicht und wendig“, hatte Johannes gesagt. „Genau, was wir im Kraftwerk brauchen.“ Die Maschine hatte jahrelang unbenutzt in seiner Garage gestanden.
Mit gezogener Kupplung rollte Petra im Schritttempo an den Schaltfeldern entlang. Sie betrachtete die makellos gestrichenen, meterdicken und wie Gedärme gewundenen Rohre der Leiterisolationen. In der Mitte der Schaltanlage stieg sie ab, setzte sich auf den Boden und legte beide Hände auf eine der Zuleitungen. Fünfzehn Meter über ihr hing der gelbe Stahlhaken des Hallenkrans. Der Betonboden war angenehm kühl. Kein Laut verriet die fließenden Energiemassen. Leise hörte sie das Summen der wassergekühlten Stromrichter in der Ferne. Die Hallenbeleuchtung zeichnete ein Labyrinth verschlungener Schatten auf den Boden.
Petra blieb lange sitzen. Als sie sich erhob, wusste sie, was sie tun würde.

An diesem Abend schrieb sie einen ausführlichen Rapport, begründete ausführlich die Gefahr und schickte diesen ihrem Abteilungsleiter. Antwort erhielt sie keine, doch am nächsten Abend bat sie der zuständige Bereichsleiter, Vorgesetzter ihres Abteilungsleiters, in sein Büro. Er polterte, bei den Transformatoren der neuen Höchstspannungsleitung gebe es ein Sicherheitsrisiko, ob sie etwas davon wisse. Auf seinem Schreibtisch erkannte Petra eine Abwandlung ihres Rapports, der Text zerstückelt und auf eine Seite reduziert.
Sie erläuterte, kurz und knapp, die Gefahr für ihn und die Menschheit im Allgemeinen, und dass man auf keinen Fall diese Leitungen abschalten dürfe - was nicht einfach war, da sie wusste, dass der Bereichsleiter Untergebenen aus Prinzip nicht länger als zwei Minuten zuhört und auch von Physik nichts versteht.
Doch Petra wusste auch, dass sich Erfolg und Vorankommen im Labyrinth der Konzernstrukturen, wie überhaupt im Leben, in kürzer werdenden Irrwegen äußerte. Mathematisch betrachtet: die Distanz zum Startpunkt nahm, bei gleicher Geschwindigkeit, exponentiell zu.
Am nächsten Morgen, vor der Kantine, wurde Petra vom Vizedirektor des Kraftwerks, der sie normalerweise keineswegs kennen und erst recht nicht ansprechen würde, überraschenderweise gegrüßt. „Alles unter Kontrolle im Kontrollzentrum?“, gackerte er anerkennend und schwang seine Aktentasche. Außerdem erhielt Petra ein knappes Antwortschreiben des Abteilungsleiters, der Sachverhalt ihres Scheibens werde abgeklärt. Am Abend raunte ihr der Sekretär des Vizedirektors beim Warten auf den Lift zu, er verstehe zwar von diesem technischen Kram nichts, es interessiere ihn auch nicht, aber der Direktor persönlich habe sich nach ihrem Rapport erkundigt – Direktor Herder, der Geschäftsführer des Großkraftwerks – was ihm offensichtlich imponierte, und am folgenden Nachmittag landete ein Hubschrauber der Regierung vor dem Haupteingang des Kraftwerks. Es war der Energieminister. Das war knapp eine Stunde, bevor im Kontrollraum informiert wurde, die Regierung befehle aus Sicherheitsgründen die sofortige Abschaltung der neuen Höchstspannungsleitungen, um gravierende Sicherheitsmängel zu untersuchen.

Natürlich versuchten die Reaktoroperateure, die Katastrophe zu verhindern. Sobald Petras Schock über die Nachricht so weit verflogen war, dass sie sich nicht mehr vor Schwindel am Stuhl festhalten musste, stürzte sie zum Telefon und wählte die Nummer des Kraftwerksdirektors. Sie sah, wie Johannes neben ihr am Telefon die Operateure vom Netzleitzentrum anbrüllte und wie ein anderer Operateur den neuen Einsatzleiter an den Schultern packte und schüttelte. Sie vernahm das Abnehmen am anderen Ende der Telefonverbindung und schrie ihrerseits in den Hörer. Doch plötzlich begannen die jahrelang eingeübten Reflexe wie von selbst ihre Handlungen zu steuern. Sie achtete nicht mehr auf die Vorstandsassistentin, die das Telefon abgenommen hatte. Die Symbole der Höchstspannungs-Leistungsschalter auf dem meterlangen, halbrunden Bildschirm an der Wand wechselten von grün auf rot. Der erste Ruck riss sie fast von den Füssen. Fast alle Figuren auf dem Bildschirm blinkten jetzt rot. Sie spürte die gesamte Anlage wie ihre eigenen Glieder. Den zweiten Ruck, ausgelöst durch die Notabschaltung der Reaktoren, kannte sie. Eine Staubwolke peitschte von außen gegen die Überwachungskameras, doch Petra brauchte keine Kameras mehr um zu wissen, was soeben geschehen war.

 

Hallo Jered,

ich bin sehr angetan von deiner Geschichte. Sie hat einen sehr angenehmen, ruhigen, aber trotzdem eindringlichen Erzählton und erzeugt eine sehr interessante Stimmung: ein mulmiges Gefühl, eine unterschwellige Bedrohung - trotz des technisch-nüchternen Settings.

Die Handlung ist nicht gerade actionreich, eigentlich passiert nur ganz zum Schluss etwas; dann aber richtig. ;) Langeweile ist bei mir dennoch nicht aufgekommen. Die technische Plausibilität kann ich nicht gut beurteilen, da ich kein E-Techniker bin, geschweige denn Kraftwerksingenieur; es klang aber für mich okay. Wenn das Ganze allerdings in der Zukunft spielen soll (siehe dazu auch unten) und in Deutschland stattfindet, dann frage ich mich, was wohl aus dem Atomausstieg geworden ist ... :D

Deine Hauptperson Petra ist auch gut gezeichnet, etwas sonderlich, so dass sie interessant und ein bisschen unberechenbar bleibt. Schön, dass du die Rolle mit einer Frau besetzt hast. Und cool, dass sie im Kraftwerk Motorrad fährt. :cool: Alle anderen Personen bleiben allerdings äußerst blass.

Zu meckern habe ich dementsprechend fast nichts, jedenfalls nur Kleinigkeiten. Ich gehe mal der Reihe nach durch den Text:

Rauch kräuselte über der Maschine
nach meinem Sprachgefühl: kräuselte sich

Seit das umweltschädliche Isoliergas in den Stromleitungen ausgetauscht worden war gegen ungefährlichen, für Menschen allerdings giftigen Flüssigstoff
Wenn er giftig ist, kann man ihn m.E. nicht als ungefährlich bezeichnen. Ein Synonym zu "nicht umweltschädlich" habe ich allerdings auch gerade nicht parat.

Gemeinheit erfordert ein Höchstmaß an sozialer Kompetenz.
Ungewöhnlicher Gedanke. Erstaunlicherweise ist das wahr, und du machst das im Folgenden auch sehr gut deutlich.

Es war wegen den ausgestoßenen Rußpartikeln zwar verboten
Auch wenn der Duden nicht mehr so streng ist, würde ich hier lieber den Genitiv verwenden.

Sie spürte Leben zwischen den schwer atmenden Turbinen und Generatoren, Leben.
Das setzt mir den Verdacht in den Kopf, sie würde dort Lebewesen vermuten. Zombies, Mutanten, irgendwas in der Art. Natürlich wird daraus nichts. Ich weiß nicht, ob es deine Absicht war, den Leser so irrezuleiten. Ich fand es jedenfalls im nachhinein eher unpassend. Wenn du ausdrücken wolltest, dass Petra die Maschinen wie lebendige Wesen empfindet (oder - noch eine Variante - dass sie sich selbst in dieser Umgebung besonders lebendig fühlt), dann könntest du das mit einer geeigneten Formulierung klarer machen.

Solche Sachen sagte Petra.
Klingt ein bisschen flapsig im Vergleich zum restlichen Text. Das ließe sich schon ändern, wenn du "Sachen" durch "Dinge" ersetztest. Oder du schaust noch mal, ob es den Satz überhaupt braucht. Allerdings hat Petra davor tatsächlich etwas Eigentümliches gesagt.

... als ein tausende Kilometer weit entferntes Umspannwerk von der neuen Höchstspannungsleitung getrennt wurde.
An diesem Nachmittag kam ein Sturm auf.
Da habe ich erst angenommen, der Sturm gehöre noch zur Erklärung der Physikerkommission. Aber es soll wohl ein Szenenwechsel sein, deshalb würde ich da eine Leerzeile spendieren.

... Reaktor fünfzehn ... Wir sprechen von Strom für Millionen von Menschen
Erst hier wird mir klar, dass dies offenbar ein futuristisches Szenario ist, denn solch riesige Kraftwerke gibt es bei uns meines Wissens noch nicht. Vielleicht könntest du das etwas früher klarmachen, damit man nicht mitten in der Geschichte seine Vorstellung umwerfen muss. Ober aber du verzichtest auf diese Angaben, denn im Prinzip könnte das alles doch auch mit unseren heutigen AKW in gleicher Weise passieren, oder?

In dieser Nacht konnte Petra nicht schlafen. Sie lag im Bett und überlegte. Falls das Ausschalten eines relativ kleinen Strangs der neuen Höchstspannungsleitung ausreichtKomma um hier, tausende Kilometer entfernt, einen Großtransformator in Brand zu setzen – was geschieht dann, wenn jemand alle Leitungen ausschaltet?
Die Passage, die Petras Gedanken darstellt, würde ich kursiv setzen. Andernfalls finde ich das Präsens irritierend (s.u.).

Petra hatte damit gerechnet, von ihren Mitarbeitern keine Unterstützung zu erhalten.
"Mitarbeiter" ist in meinem Job gleichbedeutend mit "Untergebene", d.h. Petra ist die Vorgesetzte der anderen. Das kommt spät und damit überraschend. Falls sie keine Vorgesetzte sein soll, würde ich "Kollegen" schreiben.

Etwas kann ich dir aber versichern: Erklär diesen Idioten, was sie auf keinen Fall tun dürfen, und irgendeiner wird genau das tun.“
Wo er Recht hat, hat er Recht ... :D

Mit gezogener Kupplung rollte Petra im Schritttempo den Schaltfeldern entlang.
an den Schaltfeldern entlang?

Er polterte, bei den Transformatoren der neuen Höchstspannungsleitung gäbe es ein Sicherheitsrisiko, ob sie etwas davon wüsste.
Besser: gebe und wisse

... da sie wusste, dass der Bereichsleiter Untergebenen aus Prinzip nicht länger als zwei Minuten zuhört und auch von Physik nichts versteht.
Doch Petra wusste auch, dass sich Erfolg und Vorankommen im Labyrinth der Konzernstrukturen, wie überhaupt im Leben, in kürzer werdenden Irrwegen äußert. Mathematisch betrachtet: die Distanz zum Startpunkt nimmt, bei gleicher Geschwindigkeit, exponentiell zu.
Der Wechsel ins Präsens erscheint mir unpassend. Inhaltlich mag das ja alles auch in der Gegenwart noch so sein, aber stilistisch ist das ein unschöner Sprung. Ich würde durchgängig in der Vergangenheit schreiben.

Sobald Petras Schock über die Nachricht soweit verflogen war, dass sie sich vor Schwindel nicht mehr am Stuhl festhalten musste
so weit
nicht mehr vor Schwindel

... als die Schicht zu Ende war und die Reaktoroperateure im Pausenraum ihre Kaffeetassen in die Spülmaschine stapelten ...
... während die anderen ihre Kaffeetassen zur Spülmaschine im Pausenraum brachten.
Nachdem Petra ihre Kaffeetasse in die Spülmaschine gelegt hatte ...
Das finde ich etwas zu häufig.

So, das war jetzt wirklich alles Kleinkram.

Sehr gern gelesen!

Grüße vom Holg ...

 

Hallo Jered,

willkommen hierzuboard. :)

Die Geschichte ist solide geschrieben. Mehr leider nicht. Angesichts des Themas paradox, aber ich finde sie nicht spannend, nicht im Ansatz, sorry. Das mag zum Gutteil daran gelegen haben, dass du den Clou vorwegnimmst mit der Aussage von Johannes.

Die Prot ist, da stimme ich mit dem Holg überein, ist gut gezeichnet. Die Namen der anderen Teammitglieder hängen sinnlos im Raum, so kommts mir vor. Gestalte auch die Nebenfiguren ein bisschen mehr, und wenn es nur ist, dass Simon ständig an den Fingernägeln kaut oder Andreas in flagranti beim Nasebohren erwischt wird. Der Fairness halber muss ich sagen, hätten sie keine Namen, würde ich dir an dieser Stelle genau das ankreiden ;). Mir gefallen hat, dass du selektiv dem Einsatzleiter keinen gegeben hast, das illustriert schön seine psychosoziale Rolle im Team.

Science Fiction muss ja definitionsgemäß nicht in der Zukunft spielen. Wäre das so, könnten die Cyber-Punker wohl einpacken. Ich kenne mich mit den Subgenres auch ned so aus, finde aber, dass "Industrial Punk" nicht nur eine Musikrichtung sein muss.

 

Hallo Holg,

Vielen Dank für die ausführliche Rückmeldung und Korrektur!

Du hast geschrieben, die Geschichte "erzeugt eine sehr interessante Stimmung: ein mulmiges Gefühl, eine unterschwellige Bedrohung - trotz des technisch-nüchternen Settings". Freut mich, dass das funktioniert hat, das war eines meiner Ziele - diese Atmosphäre.

Viel Science Fiction steckt tatsächlich nicht in der Geschichte, alle Beschreibungen sind technisch ziemlich korrekt und es kommt nichts vor, was es heute nicht gibt, nur bei der Kraftwerksgrösse habe ich etwas übertrieben (aber vielleicht gibt's das auch bald).
Ich war nicht sicher, welchem Genre ich den Text zuordnen soll. Spannung war kein Ziel des Textes und ich dachte, Science Fiction-Leser ertragen am ehesten ein paar technische Passagen. Ausserdem spielt der Text in naher Zukunft. Die Bezeichnung "Industrial Punk" von floritiv würde es gut treffen, falls es so etwas gibt.

Du schreibst noch, "Alle anderen Personen bleiben allerdings äußerst blass." Das stimmt, hatte ich mir auch überlegt. Gefällt mir nicht, wenn in einer so kurzen Geschichte mehr als 3-4 Personen vorkommen, aber ich wusste nicht recht, was ich mit denen machen soll, die gehören sozusagen zum Setting. Vielleicht sollte ich einfach von "Arbeitskollegen" schreiben und nicht näher drauf eingehen, ausser vielleicht noch auf einen.

Die Sache mit dieser häufigen Erwähnung der Kaffeepause und Spülmaschine: ich wollte damit einen Eindruck von Eintönigkeit erzeugen, die Protagonisten verbringen ja ihr ganzes Arbeitsleben im immer gleichen Kontrollraum.

Vielen Dank auch für all die anderen Korrekturen!

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Hallo Floritiv,

Danke auch für Deine Rückmeldung. Ja, die Sache mit der Spannung... Spannung war zwar nicht mein Ziel, aber es wäre dennoch gut, Spannung reinzubringen, kann nie schaden. Ich muss mir mal überlegen, wie ich das umsetzen könnte in diesem Text, zur Übung.

Und das mit den farblosen Teammitgliedern: wie ich bereits oben geschrieben habe, ich weiss nicht recht, was ich mit denen machen soll. Gehören dazu, sind aber nicht wichtig.

Und danke für den Begriff "Industrial Punk". Das würde das gewünschte Genre, rein von der Bezeichnung her (ich kenne mich da auch nicht aus), sehr gut treffen.

Danke und Grüsse
Jered

 

Hallo Jered,

ich habe Deine Geschichte mit gemischten Gefühlen gelesen. Da sind für mich auf jeden Fall gute Ansätze drin, aber es gibt auch Details, die mich stören oder die ich nicht verstehe.

Beschreibungen des Kraftwerks, technische Details

Vom Technischen her wirkt das alles auf mich recht komplex. Ich hatte ja bei Deiner Geschichte "Sammelpunkt Charon " kritisiert, dass man zu wenig von den Details der Anlage erfährt. Jetzt kippt das Ganze für mein Empfinden ein wenig ins Gegenteil. Die Aufzählung von Transformatoren, Höchstspannungsleitungen, subtransienten Abschaltströmen, Leiterisolationen und Stromrichtern ufert etwas aus. Meinem Eindruck nach sollten die technischen Details besser verpackt werden.

Mir sagt zwar die Behauptung, dass "ein Generator bei maximaler Phasenverschiebung ... wie eine Bombe explodiert" so einigermaßen, wo der Plot lang geht, aber ich verstehe weder, was "höchste Gleichspannung" mit dem "nahezu verlustlosen Transport sagenhafter Energiemengen" zu tun hat, noch wie die mögliche Explosion eines Kraftwerks die ganze Menschheit gefährden könnte. ("Sie erläuterte, kurz und knapp, die Gefahr für ihn und die Menschheit im Allgemeinen ...")

Kurzum, die Beschreibungen des Kraftwerks finde ich gelungen, aber die technischen Details und die Zusammenhänge sind mir ein wenig schleierhaft.

Die Protagonistin

Deine Protagonistin ist eigenwillig, das ist gut für die Geschichte. Was mich allerdings nicht so ganz überzeugt, ist die Art, wie sie spricht. Solche Monologe hört man in der Realität eher selten, auch von eigenwilligen Menschen hört man so etwas nicht oft. Die Frau spricht, als hätte ihr ein Autor die Worte in den Mund gelegt. Das hat er ja auch, aber es wäre gut, wenn man das nicht so deutlich raushören würde:

„Transformatoren haben etwas gemeinsam mit Menschen. Folgsam stehen sie in ihrer Reihe und treten keuchend in die Stufen des Rades, das endlos um sich selbst dreht. Krepiert dabei einer, gibt es Untersuchungen und Beschlüsse neuer Sicherheitsrichtlinien, welche die Gefahr höchstens verschieben, denn absolute Sicherheit ist illusorisch.“

Klingt, wie auswendig gelernt. So spricht sie die ganze Zeit. Es ist ja okay, wenn sie merkwürdige Sachen sagt. Aber in Dialogen sprechen Menschen meistens in kürzeren Sätzen, drücken sich nicht so gewählt aus.

Die Logik der Katastrophe

„Petra, du weißt, keiner in diesem Kraftwerk versteht auch nur annähernd so viel von dieser Sache wie du. Etwas kann ich dir aber versichern: Erklär diesen Idioten, was sie auf keinen Fall tun dürfen, und irgendeiner wird genau das tun.“

Tut mir leid, das verstehe ich nicht. Ich kann nachvollziehen, dass Inkompetenz zu Fehlern führt und Unachtsamkeit, Ignoranz, Profitgier, Machtstreben, Karrieregeilheit allesamt problematisch sein können, wenn es um Sicherheitsfragen geht. Aber dass die Warnung vor einem spezifischen Gefahrenauslöser dazu führt, dass genau dieser Auslöser betätigt wird, erschließt sich mir nicht.

Klar können Risikoeinschätzungen und Gefahrenberichte zu Reaktionen führen, die genau das eintreten lassen, was man eigentlich vermeiden will. Aber wenn eine Ingenieurin konkret sagt: Diesen Schalter dürfen wir nicht drücken!, warum in aller Welt wird es dann doch getan? Weil man ihr das Gegenteil beweisen will? Weil inkompetente Bürokraten das Sagen haben? Überzeugt mich nicht.

Spannung

Ich finde schon, dass Du Deine Geschichte solide geschrieben hast. Aber ich vermisse – wie Floritiv – den Spannungsaufbau. Ich denke, das ist ein handwerklicher Aspekt, an dem Du arbeiten kannst. Wie könnte eine Abfolge der Ereignisse geschildert werden, die das Ganze ein wenig nervenaufreibender macht? Mein Tipp: Schau Dir an, wie es Hollywood macht. Auch wenn der inhaltliche Anspruch vieler Kino-Geschichten nicht sonderlich hoch sein mag, wissen viele Regisseure, wie man den Zuschauer packt. Da kann man sich einiges abschauen.

Ansonsten, gern gelesen. Weiter so! Freue mich auf Deine nächste Geschichte.

Gruß Achillus

 

Grüß dich, Jared!

Nette Katastrophen-Story. Ein bisschen was vom Film "China-Syndrom" und Tschernobyl. Gut geschrieben und unterhaltsam zu lesen.
Von der deatillierten Technik-Analyse und den von dir beschriebenen Gefahren verstehe ich zu wenig, so dass ich nicht beurteilen kann, ob deine Erklärungen und das damit zusammenhängende Bedrohungs-Szenario jetzt realistisch oder hanebüchen sind. Das ist ja aber auch egal - ich nehme es einfach mal als "im Bereich des Möglichen und damit Geschichten-tauglich" hin.;)

Was ich hingegen nicht so ohne Weiteres hinnehme, sind zwei Punkte:
1) Der Klischee-Inkompetente-Nur-durch-Beziehungen-an-den-Job-gekommene-Trottel-Idioten-Chef, der von nix Anhnung hat, aber dumm-ignorant alle Warnungen in den Wind schlägt und darüber hinaus auch noch allmächtig-unantastbar ist. Glaub mir - niemand ist eine soooo dicke Nummer, dass es nicht immer trotzdem noch jemanden gibt, der über ihm sitzt und an den man sich wenden kann. Ich verstehe vielleicht nicht viel von Hochspannungstechnik, aber ich verstehe eine ganze Menge über Dienstwege. Wie gesagt - sich gegen so eine Person nur durch Weg-Mobben und Motorradfahren zur Wehr setzen zu können, ist sogar in meinen Augen jetzt eine deutliche Spur zu unglaubwürdig gewesen.

2) Das Petra als mehr oder weniger einzige Person die Katastrophe kommen sieht, ihr (natürlich) keiner glaubt und man (mega-natürlich) genau das macht, wovor sie warnt - sorry, auch dieser Punkt sprengt die Glaubwürdigkeitsskala Richtung Fukushima. Es wäre etwas anderes, wenn Petra "nur" vage Bedenken gehabt hätte und man den Unfallverlauf nicht hätte erklären können. Ich glaube aber nicht, dass man -seitens der Regierung- so auf Petras Bericht reagiert hätte. Das hätten doch erst mal 20 Professoren und Experten geprüft.
Wenn ein Pilot während des Fluges Probleme mit dem Triebwerk meldet, befiehlt der Tower ja auch nicht, bei 10.000 Fuss Höhe die Maschinen auszuschalten!;)

Eine gute Geschichte, Jared, aber diese beiden Punkte würde ich noch mal überarbeiten.

Energetische Grüße vom EISENMANN

 

Hallo Achillus,

Vielen Dank für Deine Rückmeldungen! Erstaunlich, dass Du meinen letzten Text noch kanntest, das ist lange her... aber ich habe endlich wieder etwas Zeit zum Schreiben und Üben.

Du schreibst, dass die technische Beschreibung etwas ausufert. Ich habe tatsächlich nur Fachwörter verwendet, die zwar existieren, aber nur von Fachleuten verstanden werden. Ziel war, dem Setting eine authentische Wirkung zu geben, aber ich ging dabei vielleicht etwas zu weit.

Zum einen Satz der Protagonistin scheibst Du, er klinge wie auswendig gelernt und würde so nie gesagt. Das stimmt, ich werde die 2 Sätze ein wenig vereinfachen und kürzen.

Du schreibst noch zum Auslöser der Katastrophe:

dass die Warnung vor einem spezifischen Gefahrenauslöser dazu führt, dass genau dieser Auslöser betätigt wird, erschließt sich mir nicht
Ich denke, hier sollte ich das Setting noch etwas genauer klären. Die Geschichte sollte in einer nahen Zukunft spielen, in welcher sich Einstellung und Verhalten von Menschen ins Negative wenden (Misstrauen, Egoismus, Resignation etc.). Vor diesem Hintergrund wird vielleicht das Misstrauen und dieses überhebliche Falschverstehen, das zur Katastrophe führt, deutlicher und nachvollziehbarer.

Werde auch den Spannungsaufbau der Geschichte nochmals überdenken. Allzu viel ist in dieser Hinsicht wohl nicht zu retten, aber vielleicht helfen ein paar kleine Umstellungen. Ich habe gerade Deine Geschichte "Ein normaler Fall" gelesen - das ist schon komplett anders von der Spannung her, da zieht es einen gleich rein...

---

Hallo Eisenmann,

Danke auch für Deine Kritik. Beides gute, verständliche Punkte. Unter heutigen Umständen (zumindest in westlichen Ländern wie DE) würde der Idiot sicher nicht in diese Führungsposition gesteckt und der Fall würde sofort von Experten übernommen und geprüft.
Die Geschichte spielt aber in einer nahen Zukunft, in welcher sich die bekannten Spielregeln geändert haben. Dies ist aber nirgendwo beschrieben. Werde versuchen, das irgendwie einzubringen, damit diese Punkte plausibler scheinen.

Ich werde versuchen, den Text heute oder morgen zu überarbeiten.

Vielen Dank für die Kommentare und Rückmeldungen!

 

Hallo Jered

Habe deine Geschichte gern gelesen. Sie ist ruhig erzählt und in einer eigenen Weise auch spannend. Es scheint aber nicht so eine Thriller-Spannung zu sein, die sich durch deine Geschichte zieht.

Petra stand auf, schälte sich umständlich aus dem Schutzanzug, kramte in den Taschen, als ob sie etwas suchte und nicht fände, vergriff sich beim Kleiderbügel - mit Filzstift hatten sie sie beschriften müssen - und hängte den Overall in den Schrank.

Hier dachte ich, dass sie die Kleiderbügel angeschrieben hat, weil sie nicht will, dass die anderen sie nehmen.

Erklär diesen Idioten, was sie auf keinen Fall tun dürfen, und irgendeiner wird genau das tun.“

Fallschirmspringer lernen folgendes: Willst du auf einer Wiese landen, auf der ein Baum steht, dann merke dir eine Stelle, auf der du landen willst. Achte aber nicht auf den Baum! Willst du ihn nämlich im Augen behalten, musst du um ihn herum kreisen und wirst zuletzt genau dort landen, wo du eigentlich nicht landen wolltest – auf dem Baum.

Wahrscheinlich ist es das, was deine Geschichte spannend macht. Nicht allein die Technik bestimmt, ob ein Kernkraftwerk gut und sicher arbeitet, auch menschliche und gesellschaftliche Faktoren spielen mit. Man ahnt, dass es dabei zu irrationalen Reaktionen und fatalen Fehlern kommen kann, und dann passiert, was man eigentlich vermeiden wollte – der Fallschirmspringer landet auf dem Baum und das Stromnetz wird ausgeschalten.

Gruss teoma

 

Hallo Jered,
Ich bin ein absoluter Gegner der Kernkraft und du hast mit deiner Geschichte bei mir genau den Nerv getroffen. Denn sie wissen nicht was sie tun ...
Saubererer Text, an dem ich nix zu mäkeln habe. Selbst den Technikkram habe ich problemlos verstanden.
Liebe Grüße
Goldene Dame

 

Danke für all die Rückmeldungen! Ich habe den Text jetzt entsprechend überarbeitet.
Änderungen:

- Die Korrekturen von Holg übernommen
- Kurze Gefahrenbeschreibung am Anfang eingefügt, um Spannung zu schaffen
- Die Namen der anderen Operateure gelöscht; sie werden jetzt nur noch "Operateure" genannt, nur einer wird namentlich erwähnt (Johannes)
- Kurzen Hinweis eingefügt, dass der Text in ca. 20 Jahren spielt und dass sich einiges geändert hat seither
- Einige Korrekturen bei Sätzen von Petra wie empfohlen

Hallo teoma

Danke für Deine Rückmeldung, und für die Bemerkung:

Sie ist ruhig erzählt und in einer eigenen Weise auch spannend. Es scheint aber nicht so eine Thriller-Spannung zu sein, die sich durch deine Geschichte zieht.
Mir persönlich gefällt diese "Thriller-Spannung" nicht so, da ich jeweils das Gefühl habe, ich lese nur weiter um zu wissen, wie die Geschichte ausgeht. Schön, dass Du meinen Text trotzdem irgendwie spannend findest, auch ohne diese Spannungselemente.

Nicht allein die Technik bestimmt, ob ein Kernkraftwerk gut und sicher arbeitet, auch menschliche und gesellschaftliche Faktoren spielen mit.
Das war eines der Dinge, die ich im Text ausdrücken wollte.

Hallo Goldene Dame,

Danke für die Rückmeldung. Genau das wollte ich im Text zu Ausdruck bringen:

Denn sie wissen nicht was sie tun ...

Viele Grüsse,
Jered

 

Die Geschichte spielt aber in einer nahen Zukunft, in welcher sich die bekannten Spielregeln geändert haben. Dies ist aber nirgendwo beschrieben. Werde versuchen, das irgendwie einzubringen, damit diese Punkte plausibler scheinen.

Nee, mein Lieber! Einfach mal NEE!
Also wenn du es dir jetzt so einfach machen willst, die Ungereimtheiten, Logikfehler und Diskrepanzen in deiner Geschichte wegzulavieren, indem du das auf irgendwelche abstrusen "Spielregeln" schiebst, die sich in der "Zukunft" geändert haben, dann nehme ich dich ab sofort keinen Nanometer mehr ernst! Dann kannst du auch schreiben, dass Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg zusammen das Kernkraftwerk bombardiert haben.

Da gibt dir jetzt also wirklich mal ein bisschen mehr Mühe - das grenzt ja schon an Leserverarschung, hier mit so einer halbgaren Pseudo-Erklärung aus der Sonne zu kommen!!!!

 

Hallo Eisenmann,

Du hast recht, ich muss mir die Korrekturen und Änderungen nochmals genauer überlegen. Ich hatte deine Punkte genau angeschaut für die Korrektur der Geschichte.

Der Klischee-Inkompetente-Nur-durch-Beziehungen-an-den-Job-gekommene-Trottel-Idioten-Chef, der von nix Anhnung hat, aber dumm-ignorant alle Warnungen in den Wind schlägt und darüber hinaus auch noch allmächtig-unantastbar ist. Glaub mir - niemand ist eine soooo dicke Nummer, dass es nicht immer trotzdem noch jemanden gibt, der über ihm sitzt und an den man sich wenden kann.
In der ersten Fassung der Geschichte hatte ich allen Personen im Kraftwerk militärische Dienstgrade gegeben und das Setting war, dass eine militärische Organisation das Kraftwerk führt. Meine Vorstellung dabei war das Militär eines komplett korrupten Staates, wo sich keiner mehr traut, jegliche Verantwortung zu übernehmen. Dieses militärische Setting fand ich dann zu verwirrend und änderte es zu einem Firmen-Setting. Ich muss mir überlegen, wie ich das erklären oder die Geschichte ändern könnte. Ich fügte nun ziemlich am Anfang folgenden Abschnitt ein, werde das aber wie gesagt nochmals überdenken:
Über zweitausend Jahre waren nötig, um zur Kernkraft zu gelangen, dachte Petra. Zwanzig Jahre hatten gereicht, den Weg zurückzugehen. Sie erinnerte sich an staatliche Nuklearsicherheitsinspektorate, öffentliche Stellenausschreibungen und daran, dass man Dinge tat, weil sie richtig waren. Die damalige Technik war noch da, doch die Menschen – die Menschen waren verrückt geworden.

Auch deinen zweiten Punkt hatte ich mir überlegt, das geht in die ähnliche Richtung:
Ich glaube aber nicht, dass man -seitens der Regierung- so auf Petras Bericht reagiert hätte. Das hätten doch erst mal 20 Professoren und Experten geprüft.

Ich ging von einer Zukunft aus, in der jeder nur noch um das eigene Wohl besorgt ist, in der Ingenieure und Warnungen nicht mehr ernst genommen werden. Du hast aber recht, hier besteht eine Diskrepanz, denn in einer solchen Welt wäre dieses Kraftwerk wohl in einem desolaten Zustand, was anders beschrieben wird. Ausserdem wird es nirgend beschrieben.

Wie gesagt, ich muss das nochmals überdenken, da hast du recht. Werde mir überlegen, wie ich das umsetzen kann.

Danke, Grüsse ;)
Jered

 

Hallo Jered,

eine schöne Idee, die du da zu „Papier“ gebracht hast. Mir gefallen vor allem die nüchterne Atmosphäre und die Verwendung des Technik-Jargons.
Die Pointe ist reizvoll, aber absehbar. Was bei mir auf im ersten Moment noch nicht so gut rüber kam, ist die Gefahr für die ganze Welt, die durch das Abschalten gegeben ist.

In dieser Nacht konnte Petra nicht schlafen. Sie lag im Bett und überlegte. Falls das Ausschalten eines relativ kleinen Strangs der neuen Höchstspannungsleitung ausreicht, um hier, tausende Kilometer entfernt, einen Großtransformator in Brand zu setzen, dachte sie – was geschieht dann, wenn jemand alle Leitungen ausschaltet?

Das Kraftwerk geht hoch – dachte ich gleich, und akzeptiere die Gefahr, die das für die Protagonistin und ihre Kollegen darstellt.
Dann kommt aber:
… und der vierte sagte, es wäre ohnehin um diese Welt nicht allzu schade.

Moment, wieso die Welt? Ich gehe also nochmal im Text zurück, habe ich da was überlesen? Nein.
Was mir fehlt ist eine Beschreibung des absoluten Schrecken Szenarios, das die Menschheit erwartet, wenn der Strom abgeschaltet wird – ergo das Kraftwerk durch die Explosion der Generatoren hops geht. Am besten natürlich im gewohnten, abgekühlten Technojargon ala „fortschreitender Abbrand des Kernbrennstoffes und Verlust des Kühlwassers führt zur Auslösung einer explosionsartigen Leistungsexkursion … blablabla … die Folgen wären vergleichbar mit dem Einschlag eines Meteoriten von 30 km Durchmesser … Tod und Verderben“.

Mit so einer Beschreibung gibst du eine dramatische Fallhöhe für die Welt vor, die Petra natürlich verhindern möchte. Die Ironie des Ganzen liegt im erreichen des Gegenteils, aufgrund der Kommunikationsprobleme innerhalb der Firma. Die Mechanik des ganzen liegt im Dienstweg und funktioniert ähnlich wie bei dem Spiel Stille Post:

1. Das Kraftwerk birgt ein technisches Risiko. Das Abschalten des Stroms führt zum Kollaps, um den Weltuntergang zu verhindern, dürfen auf keinen Fall alle Generatoren gleichzeitig ausgeschaltet werden.
2. Das Kraftwerk birgt ein technisches Risiko. ------------ Strom- führt zum Kollaps, um den Weltuntergang zu verhindern dürfen, auf keinen Fall alle Generatoren gleichzeitig ausgeschaltet werden.
3. Das Kraftwerk --------- technisches Risiko. ------------ Strom- führt zum Kollaps, ---------- Weltuntergang -- verhindern ------------------------ alle Generatoren gleichzeitig aus--schalte-----------.

Vielleicht kannst du dass in folgendem Absatz irgendwie mit vermitteln, denn dadurch, dass die Pointe ein wenig zu absehbar ist, baut sich gerade durch dem Folgen eines unabwendbaren Schicksals wieder Spannung auf. Der Leser erlebt sozusagen am eigenen Leib mit, wie alles gegen den Baum gefahren wird (die sich selbst erfüllende Prophezeiung wird erfüllt) und hofft die ganze Zeit, dass die Heldin trotzdem eine Lösung findet.

Das ist besagter Absatz:

Am nächsten Morgen, vor der Kantine, wurde Petra vom Vizedirektor des Kraftwerks, der sie normalerweise keineswegs kennen und erst recht nicht ansprechen würde, überraschenderweise gegrüßt. „Alles unter Kontrolle im Kontrollzentrum?“, gackerte er anerkennend und schwang seine Aktentasche. Außerdem erhielt Petra ein knappes Antwortschreiben des Abteilungsleiters, der Sachverhalt ihres Scheibens werde abgeklärt. Am Abend raunte ihr der Sekretär des Vizedirektors beim Warten auf den Lift zu, er verstehe zwar von diesem technischen Kram nichts, es interessiere ihn auch nicht, aber der Direktor persönlich habe sich nach ihrem Rapport erkundigt – Direktor Herder, der Geschäftsführer des Großkraftwerks – was ihm offensichtlich imponierte, und am folgenden Nachmittag landete ein Hubschrauber der Regierung vor dem Haupteingang des Kraftwerks. Es war der Energieminister. Das war knapp eine Stunde, bevor im Kontrollraum informiert wurde, die Regierung befehle aus Sicherheitsgründen die sofortige Abschaltung der neuen Höchstspannungsleitungen, um gravierende Sicherheitsmängel zu untersuchen.

Am Ende folgt anstatt der erhofften Rettung, die Resignation der Heldin, die gemeinsam mit dem Leser, die Machtlosigkeit gegenüber dem System verspürt. Offenes Ende. Fertig.

Wie schon gesagt. Die Idee und noch viel mehr an der Geschichte sagen mir sehr zu, ich hoffe meine Tipps sind dir eine Hilfe und du feilst die Geschichte noch weiter aus.

Schöne Grüße

Lem Pala

 

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