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Das kleine Nashorn Hischel 1. Teil
Es ist so, wie es isst. Das kleine Nilpferd im Nürnberger Zoo. Es hat einen blau-lila Leib und wenn es Kohlsuppe in den Napf geschüttet bekommt, flippt es aus, wie ein Lottomillionär. Kohl ist Leibspeise, Geruchsschmankerl und Medizin gegen alles. Gras und Heu schmeckt ihm nicht. Auch nicht die Sahnetörtchenstückchen, die debile Besucher in das Gehege werfen. Außerdem ist dann sowieso immer Dreck dran.
Wenn Hischel, so heißt es, Kohldampf hat, hilft nur Kohl und manchmal auch Kautabak, Kohlrabi, koscheres Katzenfleisch, Karotten, Kartoffeln oder ins Gehege geflatterte alte Kinokarten. Muss halt alles mit „K“ anfangen. Das ist so ne kleine Marotte. Jedoch nicht die einzige. Zum Beispiel, aber nur wenn keine Besucher am Start sind, spielt das Tier gegen sich selber Schach und wenn es gewinnt, das passiert immer mal wieder, pfeift es „Lilli Marlen“ und tanzt dabei Lambada.
Dies allein würde schon zu den Hauptattraktionen zählen, aber es ist ja nicht öffentlich. Ein weiterer Tick hat etwas mit Stürmen zu tun. Das kleine Nilpferd ist nämlich das einzige Nashorn, dass Stürme, Orkane und Wirbelstürme synchronisieren kann.
Oh ein Fehler. Hat der schlaue Leser ihn bemerkt?
Mensch Robert, man schreibt doch in eine Kindergeschichte nicht das Wort „synchronisieren“ hinein. Die Kinder wissen doch gar nicht, was damit gemeint ist. Am Ende assoziieren sie das noch mit Geschlechtsverkehr oder so. Nachäffen hätte ich schreiben müssen. Das kennen die Kinder von der Sozialarbeiterin oder/und von der Mutter. „Alle Affen äffen Affen alles nach“
Doch zurück zu Hischel.
Jetzt im Moment lehnt das Nilpferd gegen ein Stück Holz und schaut aus nassen Augen in die Freiheit. Nicht das es in Freiheit will. Nee, nee, aber gucken darf man ja mal. Ist ja auch ganz ohne Sehnsucht.
Ein Kind steht da mit einem Eis und glotzt blöd. Auch die Mutter glotzt weniger schlau und der Freund der Mutter, der nicht der Vater des Kindes sein kann, steht mit dem Hinterkopf zu Hischel.
„Ach schau mal wie süß das kleine Nilpferd mit den Stampfern dribbelt“ und Hischel steht da und stellt sich vor, wie es ein paar der Besuchern, mit Hilfe der Fußstampfer, ins Jenseits befördert. Dabei schmunzelt es innerlich so stark, dass es gar nicht mitbekommt, dass es Groß muss und ein Nilpferdapfel landet neben dem Holz. Das glotzende Kind schaut hin, deutet mit den Finger drauf und sagt „A,A“.
Das Nilpferd drippelt weiter.
Am liebsten mag es Rentner. Solche, die stehen bleiben und leis mit einem reden. „Ja, da is ja das Nilpferdchen. Putt, putt, putt. Und was hab ich hier? Feine leckere Sahnetörtchenhappen. Mnjam, mnjam“. Wie wir gelernt haben, mag Hischel die aber nicht und schaut dann uninteressiert in den Himmel, auf den Boden oder auf die Torte. Er mag ihren Tonfall, die Wärme, die darin schwimmt und er schätzt es sehr, dass manche Rentnerschlampen jeden Tag kommen. Gemeinsame Zeit verbindet und da ist es ja ganz egal, ob einer ein Mensch oder ein Nilpferd ist. Hauptsache man kennt sich.
Eine Rentnerin kennt Hischel schon lange, denn sie war die erste Besucherin, die nur wegen ihm kam. Sie hatte in der Zeitung von dem Tierbaby gelesen. „Schwangeres Nilpferd unterschreibt Gehegeboden mit einem Kind. Hurra, Hurra.“
Kurz darauf gab es dann einen Wettbewerb. Gesucht wurde ein brauchbarer Name für das Nilpferdfohlen und es gingen zahlreiche Briefe ein. Ganze Schulen beteiligten sich und am Ende hatte die Jury 6 beste Vorschläge prämiert.
6. Platz „Kleines Nilbeben“
5. Platz „Jörg Friedemanns Baby“ von Jörg Friedemann.
4. Platz „Kasperle“
3. Platz „Selterknochen“
2. Platz „Elbesel“
und dann halt als 1. Platz „Hischel“.
Das ist polnisch oder friesisch und bedeutet „ein ganzer großer Tisch mit belegten Brötchen“.
Doch wir wollen die Rentnerin nicht vergessen. Die kennt Hischel seitdem er denken kann und sie alleine darf ihn streicheln. Natürlich nicht wirklich und nur in ihrer Fantasie, aber das würde das kleine Nilpferd zulassen, wenn es davon wüsste. Is ja kein Arsch das Vieh. St ja kein schlechtes Nashorn oder gar ein Rentnerfeind. Es ist nur ein kleines Nilpferd, dass gerne Stürme synchronisiert/nachäfft, Sachen mit K isst und Schach spielt.
Außerdem würde Hischel sich auch in echt mal streicheln lassen, aber dazu müsste es in den Wassergraben springen, unter den Starkstromzaun klettern und den Leib dann an die kalten Gitterstäbe drücken und dann wäre es noch nicht einmal klar, ob die gichtgeschwollenen Griffel der lieben Rentnerfrau bis an den lila-blauen Körper reichen würden. Denn auf der freien Seite trennt die Besucher vom Gitter auch noch ein kleiner Zaun. Jeder normale Mensch könnte leicht hinüberhüpfen, aber eine Rentnerin mit Klumpschuhen vom Orthopäden kann das nicht.