"Das Kleiderregal"
„Das Kleiderregal“
Erlebt und geschrieben von Shayenne
Alles begann als mir meine Ma ein Regal aus einem Baumarkt mitbrachte, damit ich es in meinem Flur zur Aufbewahrung meiner Klamotten aufstellen konnte. Ich hatte also nun ein in Folie eingeschweißtes Bündel Holz in meinem Einzimmer-Appartement stehen und als noch nicht ganz emanzipierte Frau besaß ich zwar einen Schraubendreher aber leider keinen Akkuschrauber. Nun ja was tut man als tatkräftiges Wesen gesegnet mit einer übergroßen Portion Ungeduld? Richtig, man packt alles aus, um gar nicht mehr die Möglichkeit des Abwartens zu haben, da ein Einzimmerappartement es nicht zulässt, große sperrige Dinge zu ignorieren. Und Fichtenholz, so dachte ich jedenfalls, kann ja auch nicht so widerspenstigen sein, oder?
Das Regal bestand aus 8 ca. 2m hohen 4kanthölzern und 8 Ablageflächen (siehe Zeichnung)
Ich begann also die 50mm langen Spaxxschrauben mit dem Schraubendreher in das Fichtenholz zu schrauben. Nach den ersten 15 Schrauben stellte ich fest das Fichtenholz doch ein bisschen mehr Wiederstand zu bieten hat als ich erwartet hatte. Aber ich befand mich im Rausch meines Tatendrangs. Und Rauschzustände haben im allgemeinen empfindliche Folgen. So auch dieser, er zeigte sich in Form einer niedlichen, sich in rasantem Wachstum befindlichen Blase die sich in meiner rechten Handfläche befand, da änderten auch die verschiedensten. „Schraubendreherhaltungsmethoden“ nix dran. Das schöne an einem Lernprozess, wenn man ihn richtig auslebt und sich durch nix unterkriegen lässt (man kann nämlich im eingetretenen Notfall auch mit der linken Hand schrauben) ist eine sich immer deutlicher einprägende Erkenntnis, die mir in diesem Fall die physischen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen in aller Deutlichkeit aufzeigte. Diesmal in Form der nächsten Blase, die sich dank meines Tatendrangs in meiner linken Handfläche ausbreitete. Ich kann nun praktisch belegt sagen das 2 untrainierte aber motivierte Handflächen in der Lage sind 60 Spaxxschrauben in nicht vorgebohrtes Fichtenholz zu schrauben!!! (Die Gefahr möglicher Spätfolgen nicht berücksichtigt).
Ich platzte fast vor Stolz, ohne mich auf Hilfe anderer Leute berufen zu haben stand nun mein eigens aufgebautes Regal mitten in meinem Appartement und ich konnte es kaum erwarten es allen zu erzählen. Na ja ich würde nicht näher darauf eingehen warum ich kaum noch in der Lage war ein Glas festzuhalten um auf den Erfolg anzustoßen, aber wer wird sich denn bei so einem Erfolgserlebnis von solchen Kleinigkeiten beeinträchtigen lassen.
Wenn man etwas richtig gut gemacht hat ist man für Steigerungen allzu empfänglich und ich wollte meinen Stolz nicht von einer Bemerkung schmälern lassen die in etwa lauten könnte. „ Du hast das wirklich ganz toll hingekriegt aber warum steht das an ein Gerippe erinnernde Regal leer und unwesentlich im Weg MITTEN in deinem Appartement.
Und es kann ja nicht so schwer sein ein Fichtenholzregal mal eben 2m über den Teppichboden an die Wand zu schieben. Ein Fichtenholzregal kann ja auch nicht so widerspenstig sein, oder?
Des weiteren lässt man sich ja auch nicht von Kleinigkeiten abhalten wie z.B. minimal angeschwollenen Handflächen die sich gerade deutlich für die „ich will jetzt aber mit dem Schraubendreher durch einen halben Fichtenwald“ Aktion bedanken.
Nachdem ich eine Schiebeposition gefunden hatte, die mir das differenzierte Ausführen des nötigen Drucks ermöglichte ohne meine Handinnenflächen mehr als unbedingt nötig weiter zu verärgern, machte ich mich siegessicher ans Werk und schob das Regal an der kurzen Seite in Richtung Endhaltestelle.
Das Regal reagierte auf den Druck, wenn auch nicht ganz in gewünschter Weise. Der obere Teil bewegte sich brav in die gewünschte Richtung, während der untere Teil lieber an Ort und Stelle verharrte, was zur Folge hatte, das mein schönes Fichtenholzregal eine „ ich bin der schiefe Turm von Pisa“ Psychose erlitt. Von dem es sich nicht mehr erholte, sondern infolge dessen in sich zusammenbrach.
Zu meiner Verteidigung und als Beweis für den Humor meines Schicksals muss ich hinzufügen, dass die von mir mit insgesamt 60 Spaxxschrauben geschaffenen Verbindungsstellen einwandfrei gehalten haben. Das Übel war an anderer Stelle zu finden. Nämlich in den Skizzierten „Regalbrettern“
Die zur Pisaturmpsychose meines Fichtenholzregals führende Schwachstelle waren die getackerten Leisten die in ihrer Summe die Regalböden ergaben. Diese Leisten lösten sich und das Fichtenholzgerippe viel mit leiser Geräuschkulisse theatralisch langsam in sich zusammen. Nach einer gewissen Zeit, die ich in einer Art Schreckstarre zubrachte, kehrte wieder Leben in mich. Ich meinerseits erlitt auch etwas, nämlich einen ausgewachsenen Wutanfall. Mit Hilfe eines Hammers durchlebte das einstige Fichtenholzregal eine Metamorphose und verwandelte sich in einen ansehnlichen Haufen aus groß geratener Sägespäne, gespickt mit 60 Spaxxschrauben. Meine Hände meldeten sich, nachdem sie interessanter Weise während dieser Aktion nicht das Wort ergriffen hatten, anschließend doch unignorierbar zurück.
Da ich mich nicht zu dem Typ Mensch entwickeln wollte, der sich heulend in die Ecke setzt (obwohl mir durchaus danach war) entschied ich mich, meine Wut in der nächsten Kneipe mit ein bis zwei Bieren zu kühlen, was sicherlich auch meinen Handflächen zugute kommen würde, die nun teilweise mit offenem Fleisch prahlten.
Ich trank und grübelte doch wirklich ruhig wurde ich nicht. Das Bedürfnis meiner Mutter mitzuteilen in welche Miesere ich dank ihres Regals geraten war ließ sich nicht mit 2 Bier wegspülen. Ich stand anschließend zitternd in einer Telefonzelle und rief sie an, um mir ein wenig Mitgefühl abzuholen. Aber aus irgendeinem mir unverständlichen Grund führte die Beschreibung meines harten Kampfes mit und schließlich gegen das Regal aus dem ich nur scheinbar als leicht lädierter Sieger hervorging, nicht zu dem erhofften „das tut mir aber leid für dich und wir kriegen das schon wieder hin“. Nein, es hatte meiner Mutter geradezu die Sprache verschlagen, sie kämpfte mit ihrem Zwerchfell welches ihr bei dem ausführlichem Lachanfall, den sie erlitt keine Luft mehr zum Atmen, geschweige denn reden ließ. Nach einiger Zeit gluckste Sie dann doch etwas in der Art: „ wie furchtbar“, aber der tröstende Effekt auf mich blieb aus. Nun fehlten mir auch die Worte und ich legte auf. Ausgelacht zu werden, so fand ich war nicht das, was ich mir an diesem Tag hart erarbeitet hatte.