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Das Klavier

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22.12.2019
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Das Klavier

Wenn ich neuen Besuch bekomme, ist es stets das Klavier, dem der erste Ausruf gilt. Du hast ja ein Klavier! Toll! Spielst du? Dann folgt stets meine Geschichte: Habe mal gespielt. Mit neun angefangen. Schrecklicher Lehrer. Hat mitgesungen, auch wenn es ein instrumentalmusikalisches Stück war. Obwohl es mich rausgebracht hat. Echt? Ja. Das helfe. Hat mich an den Schultern gepackt und wollte mich beim Spielen wiegen machen. Was? Wie verrückt! Ja, sehr. Einziger Lehrer im Dorf. Daher lange bei ihm geblieben. Mit dreizehn dann doch aufgehört. Seither selbstständig Stücke geübt. Aber nur selten. Spaß blieb verloren seit Herrn Bolber. Lachen vom Gegenüber. Herr Bolber! Ja. Passt irgendwie, oder? Will aber bald mal wieder Unterricht nehmen. So einmal im Monat. Eigentlich nämlich Spaß am Klavierspielen. Will mir das nicht genommen haben lassen. Nein, das wäre schade!

Ich hasse das Klavier.
Immer wieder dieselbe Geschichte: Will mir das nicht genommen haben lassen.
Allein sein schwarzer Lack.
Immer wieder: Werde wohl bald Unterricht nehmen.
Seine 240 Kilo, die die Luft zu schwer zum Atmen machen.
Immer wieder: Gibt bestimmt auch gute Lehrende.
Seine Stille stinkt wie ein verwesender Vogel.
Immer wieder: Habe eigentlich Freude daran.

Ich stelle mir oft vor, wie ich das Klavier mit meinem Hammer zertrümmere. In meiner Fantasie können mir die berstenden Saiten nichts anhaben. Sie schlagen mir nicht um die Ohren, sondern sacken einfach in sich zusammen. Alle. Unter meinen unnachgiebigen Schlägen klirren Tasten. Elfenbeinfarbene Keramik und schwarzer Lack splittern, bedecken den Boden, auf dem ich stehe. Mein Schweiß schmiert die Saiten. Lose Filzköpfe der Hämmerchen bleiben an ihnen kleben. Holz bricht krachend auseinander. Der Resonanzboden und das Gehäuse bilden nur noch einen Trümmerhaufen.

Morgen ziehe ich um. Um 11:00 Uhr holt die Transport-Firma das Klavier. Vom dritten in den ersten Stock, das macht 448 Euro. Plus Versicherung von 30 Euro. Es ist der dritte Transport in vier Jahren. Werde wohl bald mal wieder Unterricht nehmen.

„Hallo, hallo“ ruft es im Treppenhaus. „Wir kommen jetzt hochgestiefelt.“ Nicht die Leute vom Sperrmüll, die einen Trümmerhaufen abholen wollen, sondern zwei gut gelaunte Männer, die Klaviere und Flügel transportieren.
„So, so, so. Dann wollen wir Ihre kostbaren 240 Kilo mal abholen. Guten Tag, erst mal“. Ein Grinsen. Auch der zweite Mann erscheint nun vor mir auf dem Treppenabsatz.
„Guten Tag“, grüßt er.
„Wo steht es denn, das gute Stück?“ Ich führe die Männer ins Wohnzimmer.
„Gutes Klima hier. Ob Sie´s glauben, oder nicht, gibt auch immer wieder mal Menschen, die ihr Klavier in die Küche stellen. Auch noch an eine Außenwand. Südseite. Man fragt sich, wieso wer ein Klavier hat, wenn er alles darauf anlegt, es zu beschädigen.“

Die beiden Männer keuchen, prusten, stoßen scharf Luft aus. Pause. Immer wieder sprechen sie sich ab. Du so. Ich so. Wir dann so. Ja, gut so. Pause. Mach du mal das. Genau. Stopp. Alles klar. Ich werd hier mal. Ja, mach. Weiter. Lass es kommen. Letzte Stufe. Das war´s.
„Tja, du besaiteter Mistbock, hättest du wohl nicht gedacht, dass du heute noch mit uns an die frische Luft kommst!
"Sind unten! Adresse haben wir ja. Bis gleich!“, ruft einer hoch.
Ich fahre ihnen hinterher. Wenn ich Gas gebe, könnte ich ihnen reinfahren. Wenn ich Glück habe, steht es ganz hinten im Heck.
Nach 40 Minuten sind wir da. Ich gehe voraus und öffne die Haustür und die Wohnungstür. Im Wohnzimmer warte ich auf die Transporteure.
Das Klavier soll hier in die Wandnische. In der rechten Ecke der Wandnische liegt eine Staubfluse. Ich versuche, sie mit dem Fuß wegzufegen. Es gelingt mir nicht. Ich lecke meine Hand an und haue klatschend auf die Stelle, wo die Fluse liegt. Sie bleibt kurz kleben, fällt aber auf dem Weg zum Mülleimer wieder ab. Ich lecke die andere Hand an, diesmal mit noch mehr Spucke. Endlich bleibt sie kleben. Ich forme einen kleinen Ball aus ihr und werfe sie weg. Als ich mir die Hände wasche, höre ich schweres Atmen im Hausflur.
„Stop! Ich bin noch nicht so weit. Was bist du denn plötzlich so hektisch? Lass uns alles in Ruhe machen.“
„Hast Recht.“

Sie schieben es in die Wandnische und fixieren dann die Rollen.
„Mensch, die ist ja wie gemacht für Ihr Klavier!“
Ich bezahle die Männer und schließe die Haustür.

Die Wohnung ist leer, bis auf das Klavier in der Nische und mich. Ich stelle mir vor, wie sich die Wände links und rechts vom Klavier langsam aufeinander zubewegen und das Klavier zwischen sich zerquetschen.

Inzwischen lebe ich seit sechs Wochen in der neuen Wohnung. Nicht einmal war Besuch da. Ich könnte es nicht ertragen. Nicht wieder dieselbe Geschichte.
An meinem Geburtstag habe ich dann doch Besuch. Die energischen Schritte meines Vaters kommen vor meiner Haustür zum Stehen. Ich öffne die Tür.
„Hallo Sohnemann“, sagt er. „Mensch, jetzt bist du schon fast dreißig. Dann zeig mal deine neue Wohnung.“
„Walter, lass mich meinen Sohn erst mal drücken. Hallo mein Schatz. Alles Gute zum Geburtstag.“ Meine Mutter drückt mich. „Schön, dass wir kommen durften.“
„Klar, Mama.“
„Wie geht es dir? Hast du heute noch was schönes vor?“
„Gut so weit. Ich – “
„He, Sohn, komm mal rüber, dein Geschenk wartet“, ruft mein Vater aus dem Wohnzimmer.

Ich gehe rüber. Ahne es bereits. Meine Mutter ruft hinterher: „Tut mir leid, ich habe ihm gesagt, es ist Schwachsinn.“
Der Deckel des Klaviers ist geöffnet. Auf der Ablage steht aufgeschlagen ein neues Notenheft. Mein Vater sitzt auf dem Hocker und beginnt mühelos zu spielen. Wiegt sich vor und zurück, so wie ich es auch hätte tun sollen. Ich blättere um, er spielt weiter, ich blättere um, er spielt weiter. Zwanzig Minuten Spieldauer hat Schuberts Komposition.
Nach acht Minuten reißt meine Mutter die Noten von der Ablage.
"Genug jetzt, Walter! Werd´ erwachsen. Er spielt nicht mehr."
Er beachtet sie nicht. Lässt die Finger auf der Tastatur liegen.
„Wäre schön, wenn du das an meinem sechzigsten mit mir spielst. Zwei Hände reichen nun mal nicht. Das haben wir gerade gehört.“
„Walter. Nicht heute!“
„Was denn? Andere Väter haben nicht so bescheidene Wünsche! Ich wünsche mir nur zwei weitere Hände für Schuberts Fantasie in f moll. Ich verlange ja gar nicht alle vier von ihm!“
"Du hast keine Ahnung, wie sehr du mir damit auf den Geist gehst, Walter."
"Jetzt werde nicht theatralisch, Anne."
"Sagt der Mann, der acht Minuten lang zweihändig ein Stück für vier Hände spielt. Sagt der Mann, der absurde zwanzig Minuten lang zweihändig ein Stück für vier Hände spielen würde. Er. Spielt. Nicht. Mehr."

Nachdem sie weg sind, gehe ich ins Wohnzimmer und betrachte die Noten. Dann meine Hände. Es sind meine Hände.
Das Klavier muss weg.
Ich bestelle eine Klavierstimmerin.
„Was schätzen Sie, wie viel kann ich dafür nehmen?“
Sie erfragt einige Informationen und untersucht es genau.
„Ich vermute zwölftausend.“

Ich verkaufe es für fünftausend an eine Grundschule und engagiere für achthundert zwei weitere Hände für den sechzigsten. In die Nische lasse ich eine Bar bauen. Noch zwei Wochen bis zum sechzigsten. Ich sende Einladungen für den gleichen Abend raus. Einweihungsparty!

 

Hola Flugsand,

Flugsand: schrieb:
Weniges vermag mich so zu erfüllen wie Schreiben. Und noch weniger vermag mich so zu frustrieren.
Dann nimmst Du die Sache gebührend ernst. Passt.

Nur ein paar Kleinigkeiten am Rande:

Wenn ich neuen Besuch bekomme, ...
Wenn jemand / Leute zum ersten Mal hier ist / sind ...
Klingt evtl. gefälliger als ‚neuer Besuch’?

ein instrumentalmusikalisches Stück
Könnte man das auch weniger kompliziert sagen?

Will mir das nicht genommen haben lassen.
Aber das ist wirklich sehr kompliziert! Aber auch schön verquer.

... Alles Gute zum Geburtstag.“ Meine Mutter drückt mich. „Schön, dass wir kommen durften.“
Klemmt da was?
"Genug jetzt, Walter! Werd´ erwachsen ...
... sagt die Mutter zum Vater! Tolles Milieu.
Noch zwei Wochen bis zu( ) sechzigsten.

Mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Beinahe fehlerfrei, guter (und glaubhafter :D ) Witz, nichts, was den Lesefluss aufgehalten oder beeinträchtigt hätte – ein schönes, rundes Ding.

Das kann gerne so weiter gehen!
José

 

Hallo @Flugsand

Deine Geschichte gefällt mir sehr. Sie ist gut strukturiert und sprachlich sehr ansprechend gestaltet. Die inbrünstige Darstellung des Hasses auf das Klavier hat mich zum Lächeln gebracht. Du stellst die innere Zerissenheit des Protagonisten sehr gut dar. Stellenweise hatte ich das Gefühl, dass es mir ein bisschen zu redundant sei, aber letztendlich erzeugt das auch die Wirkung einer humorvollen Leichtigkeit.
Die Darstellungen der Begegnungen mit den Klavierträgern und den Eltern und deren Charakterisierungen sind zwar leicht stereotyp, aber auch hier passt das gut zum Erzählton der Geschichte.

Die Geschichte erhält einen Mehrwert dadurch, dass man diese Situation auf viele andere Bereiche übertragen kann. Eltern, Lehrer und andere Mitmenschen, die Kindern die Freude an Musik, Literatur oder auch Sport oder Naturwissenschaften verhageln, sind leider der Normalfall in unserer Gesellschaft. Auch die Charakterschwäche, andere Menschen mit Heuchelei bis zum Selbstbetrug darüber hinwegzutäuschen, dass man deren Erwartungen nicht erfüllen kann, kennen sicher viele Leser.

Ein paar Anmerkungen:

Immer wieder: Gibt bestimmt auch gute Lehrende.
Es gibt einen Bedeutungsunterschied zwischen Lehrer und Lehrende. Hier würde Lehrer besser passen.
Vom dritten in den ersten Stock, das macht 448 Euro.
Hier dachte ich, er zöge innerhalb des gleichen Hauses in den ersten Stock. Das hat mich kurz irritiert und vom Text abgelenkt. Vielleicht war das nur meine Leseweise.
Das Klavier muss weg.
Ohne den Satz, könnte ich den Gedanken selbst entwickeln, dass er endlich Ernst macht.
und engagiere für achthundert zwei weitere Hände für den sechzigsten.
Der Bezug sollte spätestens im nächsten Satz klar sein.

Meine Lieblingszeile: "Seine Stille stinkt wie ein verwesender Vogel."
Ich vermute einen autobiographischen Hintergrund; das klingt nach Herzblut, das in die Geschichte der eingeflossen ist.

Schönen Gruß!
Kellerkind

 

Hallo,

ich habe permanent einen Sketch von Loriot vor Augen, und wie es immer absurder wird und in einer Groteske endet. Das tut der Text leider nicht, der bleibt einfach über die gesamte Länge brav und linear. Ich frage mich auch: Dieser Typ ist jetzt 30 Jahre alt, und lebt seit über zwanzig Jahren mit diesem Klavier, was ihn ja fast wie ein mystischer Gegenstand, ein Relikt, ein Fluch begleitet. Entweder trennt er sich schon viel früher, weil es keinen Sinn mehr macht, dieses klobige Ding zu besitzen, wenn er kaum spielt, oder es ist eine Art obsessive Beziehung, er ist wie besessen von dem Ding, von diesem Instrument, aber da fehlt mir eben jegliche Obsession. Hätte er jetzt bei diesem Besuch vom Vater reagiert, das Klavier zerstört und seinem Vater gleich mit den Schädel eingeschlagen, dann könnte ich dem Ganzen noch etwas abgewinnen. So frage ich mich aber: Was wird mir hier erzählt? Die eigentliche Geschichte, dieser Lehrer, der ihm das Klavier vermiest, die hätte ich gerne gelesen. Hier habe ich einen Enddreißiger upper middle class vor Augen, der vollkommen passiv ist und sich von den Ideen und Idealen seines Vaters dominieren lässt - da fehlt mir entweder eine Karthasis, oder aber die Selbstaufgabe, die Demütigung schlechthin. Dieser letzte Absatz wirkt überhastet, drangepappt, das wird viel zu schnell abgehandelt. Über Jahre beugt er sich dem Klavier, das ja als Symbol für vieles im Text steht, und dann verwendest du kaum drei Sätze auf den immensen Befreiungsakt. Wie er da steht, dem Klavier ein letztes Mal hinterhersieht - darüber hätte ich gerne etwas gelesen.

Sprachlich ist das nach meinem Geschmack zu betulich, da fehlt es mir an Schärfe und Präzision. Auch die Bilder halte ich für mißlungen - Stille kann nicht stinken, aber ich lehne sowieso die meisten sprachlichen Bilder, Metaphern und Vergleiche ab, das bin dann wahrscheinlich einfach ich. Der Text ist auch zu wenig szenisch: direkt der erste Absatz ist eine Nacherzählung plus indirekte Rede, warum nicht da eine Szene, dass dem Leser klar wird, was Sache ist? Das geht viel subtiler, es wirkt, als vertraust du dem Leser nicht, und somit im Endeffekt auch deinem eigenen Text nicht. Dann aber die Szene mit dem Möbelpackern - warum steht die da? Was soll die verdeutlichen, transportieren, erzählen? Was gibt die dem Text?

„Gutes Klima hier. Ob Sie´s glauben, oder nicht, gibt auch immer wieder mal Menschen, die ihr Klavier in die Küche stellen. Auch noch an eine Außenwand. Südseite. Man fragt sich, wieso wer ein Klavier hat, wenn er alles darauf anlegt, es zu beschädigen.“

Reden solche Leute so? Ich weiß nicht. Der Autor möchte mir hier gerne eine Information mitteilen, es soll eine Atmosphäre erschaffen werden, foreshadowing, aber das nutzt nichts, wenn die Konstruktion erkennbar wird. Dieser Dialog ist einfach nicht authentisch, der ist zweckmäßig, ein tool, aber deswegen auch durchschaubar. So werden deine Figuren zu Stichwortgebern und Pappkameraden.

Insgesamt ist mir dieser Charakter nicht entschlossen genug. Er hasst das Klavier ja gar nicht wirklich, sonst würde er es einfach zertrümmern. Im Grunde ist er ein Weichei, eine Lusche, und falls das so gedacht ist, und es soll eine Art Heldenreise erzählt werden, wo er am Ende über das Klavier mit all seiner pyschologisch implizierten Last triumphiert, dann fehlt mir hier eben diese Reise, diese Entwicklung. Das ist einfach zu linear, mit einem hohen Anspruch gemessen zu wenig.

Gruss, Jimmy

 

Hallo und vielen Dank für deinen Beitrag, @josefelipe.

Wenn jemand / Leute zum ersten Mal hier ist / sind ...
Klingt evtl. gefälliger als ‚neuer Besuch’?
"Neuer Besuch" überzeugt mich auch nicht wirklich, aber ich hab mich dann damit abgefunden. Gut, dass du es mir nicht durchgehen lässt. Werde mir was überlegen.

Hat mitgesungen, auch, wenn es ein instrumentalmusikalisches Stück war.
Könnte man das auch weniger kompliziert sagen?
Im Entwurf stand: "Hat mitgesungen, auch, wenn es ein Stück ohne Gesang war." Aber dann hatte ich zweimal singen und außerdem wollte ich gerne eine positive Charakterisierung statt einer negativen. Vielleicht reicht: " (...) auch, wenn es ein instrumentales Stück war." ...?

Will mir das nicht genommen haben lassen.
Aber das ist wirklich sehr kompliziert! Aber auch schön verquer.
Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen. Die Freude wurde dem Protagonisten bereits genommen. Daher sagt er nicht: Ich will mir das nicht nehmen lassen.
Passt es aus der Sicht so für dich?

Klemmt da was?
Ja, zwischen Vater und Sohn. Ich hab gehofft, das macht die Geschichte deutlich. Den Satz sagt die Mutter übrigens mehr zum Vater als zum Protagonisten. Sei froh, dass er uns überhaupt reinlässt, angesichts deiner wiederholten Schikanen. Diesen Aspekt hätte ich sicher besser darstellen können. Beispielsweise: "Schön, dass wir kommen durften", sagt meine Mutter und schaut dabei meinen Vater an.

Mir hat Deine Geschichte gut gefallen. Beinahe fehlerfrei, guter (und glaubhafter :D ) Witz, nichts, was den Lesefluss aufgehalten oder beeinträchtigt hätte – ein schönes, rundes Ding.
Ich freue mich, dass dir die Geschichte gefällt! Spannend finde ich, dass du den Witz hervorhebst.
Auch @Kellerkind hat das humorvolle erwähnt. Ich wollte durchaus gerne Witz mit reinbringen, allerdings ist mir auch wichtig, die Schwermütigkeit des Protagonisten zu zeigen. Kam da was von an?


Hallo @Kellerkind,

danke für deine Rückmeldung!


Stellenweise hatte ich das Gefühl, dass es mir ein bisschen zu redundant sei, aber letztendlich erzeugt das auch die Wirkung einer humorvollen Leichtigkeit.
Meinst du inhaltliche Redundanz oder formale? Oder meinst du Wiederholungen von Sätzen?
Ich würde mich damit gerne näher auseinandersetzen.

Die Darstellungen der Begegnungen mit den Klavierträgern und den Eltern und deren Charakterisierungen sind zwar leicht stereotyp, aber auch hier passt das gut zum Erzählton der Geschichte.
Du hast Recht, mit den Stereotypen. Ich weiß noch nicht genau, ob es mich stört, oder nicht. Vielleicht traue ich mir auch einfach nicht mehr zu. In diesem Fall sollte ich erst rech nochmal ran.

Es gibt einen Bedeutungsunterschied zwischen Lehrer und Lehrende. Hier würde Lehrer besser passen.
Worin zeichnet sich der Bedeutungsunterschied für dich aus?

Hier dachte ich, er zöge innerhalb des gleichen Hauses in den ersten Stock. Das hat mich kurz irritiert und vom Text abgelenkt. Vielleicht war das nur meine Leseweise.
Okay, ich schaue mal, ob das noch ähnliche Rückmeldungen kommen bzw. ob ich es eindeutiger formulieren kann.

Ohne den Satz, könnte ich den Gedanken selbst entwickeln, dass er endlich Ernst macht.
Eine interessante Anmerkung. Danke. Ich wünsche mir so, dass der Protagonist mal auf den Tisch haut und wollte das hören und/oder sehen. Aber dafür braucht es den Satz nicht unbedingt. Mhm. Vielleicht leitet mich bei diesem Satz - ja, du hast Recht mit deiner Vermutung - die Portion autobiographischer Hintergrund. Ich denke drüber nach.

Meine Lieblingszeile: "Seine Stille stinkt wie ein verwesender Vogel."
Wie schön, dass du eine Lieblingszeile hast. Und schön, dass du mir verrätst, welche es ist. Danke.

Der Bezug sollte spätestens im nächsten Satz klar sein.
Stimmt, werde ich ändern.

Die Antwort auf @jimmysalaryman folgt

 
Zuletzt bearbeitet:

Will mir das nicht genommen haben lassen.
Wenn das nicht Loriot ist, lieber @jimmysalaryman, dann hab ich den gesamten Loriot von den Cartoons über die Sketche bis zum Film missverstanden. Der gutbürgerliche Neurotiker (nebst Familie) kommt am besten in der Flusenszene in der geplanten Nische fürs Klavieres raus
Ich lecke meine Hand an und haue klatschend auf die Stelle, wo die Fluse liegt. Sie bleibt kurz kleben, fällt aber auf dem Weg zum Mülleimer wieder ab. Ich lecke die andere Hand an, diesmal mit noch mehr Spucke. Endlich bleibt sie kleben. Ich forme einen kleinen Ball aus ihr und werfe sie weg

oder die Gesamtschau der Familie, wenn der Vater ein Stück für vier Hände alleine spielt – und da passt die gezwirbelte Sprache, über die ich anfangs mokieren wollte. Das ist alles so bekloppt, dass selbst die Möbelpacker in den Jargon verfallen ...

Genug gelobt,
und damit herzlich willkommen hierorts,

Flugsand!,

und ein bissken Flusenlese

Hat mitgesungen, auch, wenn es ein instrumentalmusikalisches Stück war.
Ein Komma muss weg, das übriggeblieben zeigt an, welches Wort – entweder „auch“ oder die Konjunktion „wenn“ den Nebensatz einleitet

Hat mich an den Schultern gepackt und wollte mich beim Spielen wiegen machen.
Wiegen machen? Bekannt ist die Partizipbildung „gewogen machen", da bleibt aber vom Gewicht nur der übertragene Sinn „wohlwollend“ übrig.

Guten Tag, erstmal“.
„erst mal“, weil eigentlich ein verkürztes „erst einmal“und den Punkt vors auslaufende Gänsefüßchen ...

„Wo stehe es denn, das gute Stück?“
Indirekte Rede in Gänsefüßchen? Weg mit denen oder statt Konj. I „stehe“ der Indikativ „steht“

Mach du mal das. Genau. Stop. Alles klar.
Der „Stopp“/“ oder der Imperativ „stopp“ kommen beide vom „stoppen“

Hier wird mal gestottert

„Mensch, jetzt bist du schon fast dreißig. Dann dann zeig mal deine neue Wohnung.“
„Gut so[...]weit. Ich – “
„soweit“ nur als Konjunktion zusammen („soweit ich weiß“), alles andere auseinander. Tipp: Im Zweifel immer auseinander, verringert die Fehlerwahrscheinlichkeit von 0,9 auf 0,1

"Sagt der Mann, der 8 Minuten lang zweihändig ein Stück für vier Hände spielt.
Üblich ist, Zahlen in lit. Texten auszuschreiben. Ich machs grundsätzlich nur bis zwölf, weil ab da nur noch zusammengesetzte Zahlen Zeilen fressen. Seltsam genug, dass Du‘s hier
Sagt der Mann, der absurde zwanzig Minuten lang zweihändig ein Stück für vier Hände spielen würde.
tust

Allemal gern gelesen und gespannt auf das nächste Werk ist der

Friedel

 
Zuletzt bearbeitet:

Hallo @jimmysalaryman,

danke für diese konkrete Kritik, die mich herausfordert, weitere Entscheidungen zu treffen und mich mit bereits getroffenen auseinanderzusetzen.


Hätte er jetzt bei diesem Besuch vom Vater reagiert, das Klavier zerstört und seinem Vater gleich mit den Schädel eingeschlagen, dann könnte ich dem Ganzen noch etwas abgewinnen. So frage ich mich aber: Was wird mir hier erzählt?
(...) Hier habe ich einen Enddreißiger upper middle class vor Augen, der vollkommen passiv ist und sich von den Ideen und Idealen seines Vaters dominieren lässt - da fehlt mir entweder eine Karthasis, oder aber die Selbstaufgabe, die Demütigung schlechthin.
Mir gefällt die Idee, mehr ins Extreme zu gehen. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich das authentisch erzählen kann, aber einen Versuch ist es wert! Bisher traute ich dem Protagonisten nicht zu, sich entweder selbst vollständig aufzugeben oder sich auf der anderen Seite mit einem lauten Knall zu befreien. Für das eine ist er zu wütend (siehe z.B. Aggression gegenüber der Staubfluse), für das andere zu verängstigt (siehe z.B. das Assistieren beim Vater, indem er die Noten umblättert). Er wurschtelt sich immer so durch. Nie ganz verstummen, aber auch nie vollständig hörbar sein. Das kann beim Lesen wahnsinnig machen, verstehe ich. In dieser Hinsicht kann ich deinen Luschen-Eindruck nachvollziehen. Auch wenn ich das Wort "Lusche" nicht mag, ist mir zu normativ.

Insgesamt ist mir dieser Charakter nicht entschlossen genug. Er hasst das Klavier ja gar nicht wirklich, sonst würde er es einfach zertrümmern. Im Grunde ist er ein Weichei, eine Lusche, und falls das so gedacht ist, und es soll eine Art Heldenreise erzählt werden, wo er am Ende über das Klavier mit all seiner pyschologisch implizierten Last triumphiert, dann fehlt mir hier eben diese Reise, diese Entwicklung. Das ist einfach zu linear, mit einem hohen Anspruch gemessen zu wenig.

Hass und Ohnmacht schließen sich meiner Meinung nach nicht aus.

Es "soll" keine Art Heldenreise werden, aber wenn es dennoch eine wird (weil es z.B. so gedeutet wird,) ist das auch okay. Ich orientiere mich beim Schreiben nicht an etablierten Formen oder Stilmitteln (und was es sonst noch so gibt - da fehlt mir das Vokabular). In mir gibt es widerstreitende Interessen. Einerseits finde ich literaturwissenschaftliche Diskurse total spannend, andererseits möchte ich mein Schreiben nicht anpassen an das, was man sich so erzählt übers Erzählen. Ich finde Handwerk und dessen gekonnten Einsatz beeindruckend, aber ich schätze auch Spontanität und Intuition. Insofern fühlt sich die Mitgliedschaft bei Wortkrieger wie ein Spiel mit dem Feuer an. Ich möchte immer fähig bleiben, Literatur wirken zu lassen, ohne sie gleich durch eine bestimmte Brille zu sehen. Gleichzeitig begeistert mich die Auseinandersetzung hier sehr. Wie findet man die Balance? Ist vielleicht eher ein Thema für das Autoren/Kritiker-Forum.


Dieser letzte Absatz wirkt überhastet, drangepappt, das wird viel zu schnell abgehandelt.
Ich stimme dir zu. Am Ende bin ich ungeduldig geworden.
Das überarbeite ich nochmal.


Sprachlich ist das nach meinem Geschmack zu betulich, da fehlt es mir an Schärfe und Präzision.
Zu diese Aussage habe ich noch keine Meinung.


Auch die Bilder halte ich für mißlungen - Stille kann nicht stinken, aber ich lehne sowieso die meisten sprachlichen Bilder, Metaphern und Vergleiche ab, das bin dann wahrscheinlich einfach ich.
Stille kann stinken. Farben können schmecken. Sogar ganz "in echt"!
"Synästhesie" bezeichnet einerseits besondere Fähigkeiten in Bezug auf Kognition und die Wahrnehmung von Sinnesreizen -> Was ist Synästhesie? | Deutsche Synästhesie-Gesellschaft e.V.
und andererseits ein rhetorisches Stilmittel, welches dir augenscheinlich nicht schmeckt.

Der Text ist auch zu wenig szenisch: direkt der erste Absatz ist eine Nacherzählung plus indirekte Rede, warum nicht da eine Szene, dass dem Leser klar wird, was Sache ist? Das geht viel subtiler, es wirkt, als vertraust du dem Leser nicht, und somit im Endeffekt auch deinem eigenen Text nicht.
Eine Szene wäre nicht so stichwortartig formuliert. Das stichwortartige hat mir aber gefallen, um die Monotonie rüberzubringen. Außerdem kann ich mir auch vorstellen, wie der Protagonist einen Anruf bekommt, mit der Frage ob man ihn besuchen könne, er druckst rum und lehnt dann ab, geht ins Wohnzimmer, bleibt minutenlang angewidert vor dem Klavier stehen, hört dabei wie bei einem verhassten Ohrwurm immer wieder diese heuchlerischen Gespräche. Auch dieser quälende Ohrwurm wäre in meiner Vorstellung eher indirekt und stichwortartig. Vielleicht wäre solch ein Anfang gehaltvoller. Ich werde mal was in die Richtung versuchen.


Flugsand schrieb:
„Gutes Klima hier. Ob Sie´s glauben, oder nicht, gibt auch immer wieder mal Menschen, die ihr Klavier in die Küche stellen. Auch noch an eine Außenwand. Südseite. Man fragt sich, wieso wer ein Klavier hat, wenn er alles darauf anlegt, es zu beschädigen.“
Reden solche Leute so? Ich weiß nicht. Der Autor möchte mir hier gerne eine Information mitteilen, es soll eine Atmosphäre erschaffen werden, foreshadowing, aber das nutzt nichts, wenn die Konstruktion erkennbar wird.
Hier stimme ich dir zu. Es wirkt konstruiert.

Dann aber die Szene mit dem Möbelpackern - warum steht die da? Was soll die verdeutlichen, transportieren, erzählen? Was gibt die dem Text?
Ganz überflüssig finde ich die Transporteure allerdings nicht.
Die beiden Männer achten aufeinander, schätzen sich wert und sie lieben, was sie tun. Ihre Art miteinander umzugehen sowie deren Berufsfreude stärken den Protagonisten in der Entscheidung seine Hände zurückzuerobern. Zudem bilden sie einen Kontrast zu der Stimmung des freudlosen und wortkargen Protagonisten. Wichtig ist mir auch, dass bei den Lesenden eine Beklemmung entsteht. Ein Eindruck von Sinnlosigkeit. Der Transport wird beschrieben, und man denkt (hoffentlich): Wozu? Wozu nimmt er es schon wieder mit? Er hasst das Ding doch.


Hallo @Ronnie

danke für deinen Beitrag! Ich freue mich, dass dir der Text im Großen und Ganzen gefallen hat.

Die Sprache ist ungewöhnlich kurzatmig, passt aber zum Kontext.
Finde ich auch. Insofern freue ich mich, dass es für dich auch passt.

Ein praktisches Problem treibt mich noch um:
„So, so, so. Dann wollen wir Ihre kostbaren 240 Kilo mal abholen. Guten Tag, erstmal“. Ein Grinsen. Auch der zweite Mann erscheint nun vor mir auf dem Treppenabsatz.
240 Kilo = knapp 5 Zentner.
Können zwei Mann so ein Klavier tatsächlich nach unten tragen? :confused:
Ja, die kommen üblicherweise zu zweit. Ich finde es selbst höchst erstaunlich! Manche Klaviere wiegen sogar deutlich mehr als 240 Kilo.

Lieber @Friedrichard,

vielen Dank für deine Flusenlese und das Hervorheben der Beklopptheit der Figuren.


Wenn das nicht Loriot ist, lieber @jimmysalaryman, dann hab ich den gesamten Loriot von den Cartoons über die Sketche bis zum Film missverstanden. Der gutbürgerliche Neurotiker (nebst Familie) kommt am besten in der Flusenszene in der geplanten Nische fürs Klavieres raus
(...) oder die Gesamtschau der Familie, wenn der Vater ein Stück für vier Hände alleine spielt – und da passt die gezwirbelte Sprache, über die ich anfangs mokieren wollte. Das ist alles so bekloppt, dass selbst die Möbelpacker in den Jargon verfallen ...
Sehr interessant eure Auseinandersetzung über die Loriotartigkeit der Vorkommnisse in meiner Geschichte! Sie hat mir Lust darauf gemacht, demnächst was so richtig beklopptes zu schreiben.


Genug gelobt,
und damit herzlich willkommen hierorts,
Vielen Dank. Fühle mich bereits sehr willkommen, nach all den hilfreichen Kommentaren!

Hat mich an den Schultern gepackt und wollte mich beim Spielen wiegen machen.
Wiegen machen? Bekannt ist die Partizipbildung „gewogen machen", da bleibt aber vom Gewicht nur der übertragene Sinn „wohlwollend“ übrig.
Ich dachte an sowas wie "jemanden tanzen lassen" (wenn man ihn/sie in der Hand hat) nur eben mit "wiegen" und "machen". Geht das durch, Friedel?

 
Zuletzt bearbeitet:

Sehr interessant eure Auseinandersetzung über die Loriotartigkeit der Vorkommnisse in meiner Geschichte! Sie hat mir Lust darauf gemacht, demnächst was so richtig beklopptes zu schreiben.

Da steh ich ganz auf Deiner Seite,

lieber Flugsand,

lachen soll gesund sein, wenn man sich nicht gleich totlacht oder verschluckt und nicht wieder rauskommt.

Also im „Muttertext“ steht der Satz

Hat mich an den Schultern gepackt und wollte mich beim Spielen wiegen machen.
Zu dem ich behaupte
Wiegen machen? Bekannt ist die Partizipbildung „gewogen machen", da bleibt aber vom Gewicht nur der übertragene Sinn „wohlwollend“ übrig.
womit wir bei Deiner Frage samt Erläuterung sind
… an sowas wie "jemanden tanzen lassen" (wenn man ihn/sie in der Hand hat) nur eben mit "wiegen" und "machen". Geht das durch, Friedel?

Gute Frage,beim Friedel geht das durch, sogar so weit, dass er bei der Hüterin der deutschen Sprache nachgeschaut hat und die hat überwiegend Belege aus der Presse – also einer Institution an sich, die nicht gerade die Hüterin der deutschen Grammatik ist. Also jetzt nicht erschrecken, wenn es beim Leibniz Institut für deutsche Sprache (kurz: IdS) zum Verb „wiegen“ in der Vatiantengrammatik, daselbst zuletzt am 1. März 2019 um 11:30 Uhr geändert, von mir kopiert am 5.02.2020 um 10:30 Uhr unter: "wiegen – Variantengrammatik des Standarddeutschen"
recht aufwendig zugeht und der entscheidende Satz lautet denn auch »Beim Verb wiegen tritt in der Bedeutung 'sanft hin und her bewegen, sich leicht schwingend hin und her bewegen'«,
eben näherungsweise „wiegen“ in der Bedeutung, wie Du sie verwendest.

Alles in Ordnung, findet der

Friedel

 

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