Das Kind
Das Kind
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Wenn ich Dich anschaue, dann sehe ich Deine großen, blauen Augen, die leuchten,
als ob jemand dahinter wohne und sie jeden Tag aufs Neue entzündete, Dein blondes Haar,
das Dein sanftes Gesicht rahmt, Deinen Mund, der sich öffnet, um sich
dann wieder zu schließen und die unsagbar, teuren Worte, die ihm entweichen, unterstreicht,
diese tief- surrealistische Welt, die Du mir mit Deiner bloßen Anwesenheit zeigst und anbietest, damit ich sie mir nehmen kann, um mich von ihr zu ernähren.
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Dabei ist die Welt schon unfassbar genug, als, dass es mir absurd vorkommt,
sie auch noch greifen zu dürfen. Die Voyeurin im Spiegel ihrer Unfähigkeit Liebe
zu geben und Liebe zu empfangen. Denn bevor ich überhaupt existieren kann, bin
ich schon dazu bestimmt, zu versagen.
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Wenn ich Dich anschaue, dann sehe ich Deinen langen Leidensweg, der verdunkelt,
was hell sein könnte und Dich jeden Tag verzweifeln lässt, obgleich Du denkst,
ihn mit mir kompensieren zu können, die trockenen Tränen, die Deine Wange zieren
und die ständige Falte auf Deiner Stirn, die mich bittet für immer zu gehen, um
dann für immer zu bleiben.
Du läufst die Treppe hinauf, während dessen ich renne. Atemlos, aus Angst nicht
mehr oben ankommen zu können.
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Wenn ich Dich anschaue, dann sehe ich die schmerzhafte Hoffnung in Dir,
die brennt, um alles auszulöschen, was nicht uns gehört, die Zukunft, den Strand
und die glasklare Nacht, die über uns liegt und uns zudeckt, wenn wir es nur zulassen.
Dein Puls geht schneller, ich kann Erregung spüren, Deinen heißen Atem auf meiner
warmen Haut und ich wünsche mir, dass wir Unsterblichkeit erlangen, dass wir
verschmelzen, zu einem Körper, einem Geist und einer Seele, bis wir nur noch Eins sind.
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Wenn ich Dich anschaue, dann sehe ich die physische Vollkommenheit, die Du schon allein dadurch erlangst, dass Du Dich für unvollkommen hältst und den lebendigen Tod.
Dein Gelb, Dein Rot. Dein Wunder, Dein Du.
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Untertänigst lege ich Dir mein Leben in die Hände, damit Du alles machen kannst
mit ihm. Verletzen jedoch kannst Du nicht mehr, denn alles, was mir je weh tun könnte, betäubst du bereits mit Deiner Zuneigung...unsere Uhren laufen, doch glaube ich
an den Wert, den wir füreinander empfinden so läuft sie lang, weil teuer.
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Wenn ich Dich anschaue, sehe ich mein Leben in einer leichten Seifenblase davon schweben, meine Wunden sich schließen, meinen Geist leben, mich meine Sinne nutzen
und eine kleine, blaue Feder, die in der Luft schwebt und trotz des Vakuums,
das Du literarisch findest, frei ist und frei ist und frei ist.
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Und wenn ich Dich anschaue, sehe ich mich
nicht mehr,
wie einen schwarzen Ebenholzrahmen,
auf dem rotes Blut in weißen Schnee rinnt.
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