Das Kind in mir
Als ich wesentlich jünger war, dachte ich ernsthaft, dass man im würdevollen Erwachsendasein seine als Kind so geliebten Gewohnheiten völlig ablegt.
Das trifft auf mich nur teilweise zu. Beispielsweise trinke ich heute noch gerne einen Milchkaffee, vom Malzkaffee ganz zu schweigen, wie ich es in meiner Kindheit getan habe.
Wenn ich mit meinen Nichten und Neffen spiele, tue ich nicht in erster Linie den Kid`s einen Gefallen, sondern wirklich und wahrhaftig mir selber. Sie spielen gerne mit mir – wahrscheinlich ist ihnen bewusst, dass ich mit ganzem Herzen dabei bin.
Oder nehmen wir ein Schwimmbad mit seiner Rutschlandschaft her. Ich würde mich nicht trauen, ohne die Kinder meiner Schwester nach Herzenslust zu rutschen – sind diese dabei, kann ich unter dem Deckmantel der Tante nach Lust und Laune – und wie ich denke, mit begeistertem Gesichtsausdruck – dieser Leidenschaft frönen.
Wenn ich mir am Abend irgendeinen schaurigen Film angesehen habe und mein Lebensgefährte auswärts unterwegs ist, ziehe ich mir vor dem Einschlafen die Bettdecke über den Kopf wie seit eh und je, darauf bedacht, dass meine Füße nicht hervorlugen. Es könnte ja gut möglich sein, dass eine Hand unter dem Bett nach meinem Fußknöchel greift.
Ich denke mir noch immer Geschichten aus, wenn ich auf der Straße gehe, im Bus sitze oder ganz einfach Zeit dafür habe. Meine Fantasie ist immer noch vorhanden – und wenn sich die ausgedachten Geschichten von denen in meiner Kindheit auch unterscheiden – sie alle sind in meinem Kopf gespeichert, ob alt oder neu.
Manchmal gehe ich spontan in die Spielwarenabteilung eines Kaufhauses und betrachte die Stofftiere. Dafür hatte ich immer schon eine Schwäche, für lebensecht nachgebildete Plüschtiere, nicht für jene, die man auf Jahrmärkten zu kaufen bekommt. Dann ist es leicht möglich, dass ich mit einer Einkaufstüte das Geschäft verlasse, mit einem zufriedenen Grinsen auf dem Gesicht.
Sämtliche gebundene Ausgaben der Astrid-Lindgren-Bücher sind in meinem Besitz. Ja, ich lese gerne Kinderbücher. Ich kann mich auf die für Kinder geschriebenen Bücher, von beispielsweise Michael Ende, Otfried Preußler, Alan Miles und Mark Twain ebenso einlassen, wie auf die Schreibe von Elfriede Jelinek, Michel Houellebecq, Gustav Flaubert oder Louis-Ferdinand Celine.
Lediglich die Art und Weise der Herangehensweise ist unterschiedlich.
Begeisterung bleibt Begeisterung.
Unter Wasser schlage ich gerne Purzelbäume. Ich würde Achterbahn fahren, gäbe es diese bei uns. Im Urlaub wate ich im Meer und sammle Muscheln.
Das Kind in mir habe ich immer geliebt – so oft lässt es sich ja auch wieder nicht blicken – was eigentlich gut ist und seinen Zweck erfüllt – wo kämen wir dahin, wenn es anders wäre, ich bitte Sie.
Ich mag einfach die Unbekümmertheit, mit dem es jeden Einspruch des „Ich-bin-Erwachsen-Ich`s“ widerlegt – das Kind in mir, versteht sich von selbst.
Manchmal und wohldosiert eingesetzt. Schließlich bin ich ein erwachsener Mensch.