Das Kind im Manne
Das Kind im Manne
Hilfe, mein Mann hat mal wieder Urlaub, und das muss man ganz wörtlich nehmen
Nicht nur, dass er in dieser Zeit am Arbeitsplatz nicht anwesend ist, nein, der ganze Mann hat Urlaub, er ist einfach nicht da.
Stattdessen habe ich in der Zeit vier statt drei Kinder. Sie sitzen alle vor der Playstation und spielen Eishockey, man kann sich kaum vorstellen mit welchem Eifer. Natürlich gibt es dann hier völlig verschiedene Arten von Spielern. Der erste Typ ist total cool. Während er die anderen souverän abzockt, unterhält er sich dabei mit mir und telefoniert eventuell noch mit seiner Freundin. Der zweite Typ schaut eine Weile ruhig zu, verzieht sich aber dann in sein Zimmer, maulend, weil er nie wirklich mitspielen darf.
Der dritte Spieler hat einen nicht angeschlossenen Player in der Hand und schreit ständig, die Arme hochreißend, an der falschen Stelle „Tor!“ Der vierte Wahnsinnige haut wie wild auf dem Steuerknüppel herum, ruft immer wieder: „Das gibt’s doch gar nicht!“ und wirft bei jedem gegnerischen Tor den Player in die Ecke. Sein Verbrauch an diesen Dingern beträgt ca. einen pro Woche. Gott sei Dank steht die Playstation 2 aufrecht, der Gamecube konnte sich in seiner liegenden Position immer schlecht wehren. Sein junges Leben fand ein jähes Ende.
Wenn ich nun sage, dass meine drei Kinder 14, der große Sohn, 11, unsere Tochter und 2, der ganz kleine Kerl, sind, kann man sich sicherlich an zwei Fingern ausrechnen, wer wohl welcher Spieler ist.
Papa verliert einfach nicht mit Würde. Da der Teenager aber gerne mit seinem Vater spielt, ist er dazu über gegangen den Senior ab und zu gewinnen zu lassen.
Auch habe ich mich einmal bereit erklärt gegen Papa zu spielen um sein Ego auf zu bauen,
Gegen mich gewinnt garantiert jeder. Ich weiß noch nicht mal, wie man die Steuerung richtig bedient. Peinlich war nur, dass es mir nach zwei Minuten gelang ein Tor zu schießen, das erste in der Begegnung. Glücklichkicherweise habe ich die Partie doch noch haushoch verloren.
Seitdem steht das Höllengerät im Wohnzimmer. Günther Jauch und seine Arbeitskollegen sind seit diesem Tag Fremde für mich. Jeden Abend verwandelt sich unser Gemeinschaftsraum in einen brodelnden Hexenkessel und es gereicht mir nicht gerade zum Trost, wenn ich meinen Mann Laute ausstoßen höre, die ich sonst aus anderen Situationen kenne.
Gerade heute wurde ich dazu aufgefordert die Torhymne zu singen, oder, noch besser als Cheerleader zu funktionieren
Natürlich alles, während dem er? seine Schlachtrufe losließ.(„ Ihr könnt nach Hause fahren, ihr könnt nach Hause fahren!“) (Grammatikalisch leicht aufgebessert.)
Aber das alles allein ist ja nicht genug, nein, meine Küche ist mittlerweile eine Schiffswerft.
Mein Göttergatte hat nach langer Zeit seinen ferngesteuerten Fregattenkreuzer, entschuldigung, ich wurde korrigiert, Minensucher, wieder ausgegraben. Ein Monster von 1,10 m Länge, an dem so manches repariert und ausgebessert werden muss, was natürlich nur auf dem Küchentisch zu machen ist. Wenn der Kapitän jedoch mal nicht aufpasst, wird das kleine Schiffchen oft durch einen genauso großen Mann attackiert. Dabei fällt schon mal die Beleuchtung aus, vielleicht gibt es nach gründlicher Bearbeitung auch mal einen Getriebeschaden, sorry, der Kleine ist gerade mal 2.
Den größten Getriebeschaden gibt es jedoch dann, wenn mann sich im Teich in den Algen verfährt und „Volle Kraft voraus“ brüllt. Spätestens dann ist auch der „Tanker“ wieder reif für die Küchentischwerft. Also ist ein Besuch in einem Fachgeschäft nötig, Dort kauf mein Marinemännchen auch noch ein paar Marinemännchen zur Deko.
Hatte ich jedoch gedacht, mein Mann wäre ein Einzelfall, so musste ich heute beim Untergang unserer Titanic beobachten, es gibt noch mehr von der Sorte.
Junge Männer, eigentlich hatte ich ehr gedacht, dass ich sie in der Disco treffen würde, stehen am See und lassen ihre Bötchen zu Wasser. Jedes war etwas besonderes. Eins war besonders schnell, das andere konnte tauchen und das dritte ließ sogar noch ein Bötchen zu Wasser. Das soll eine Frau sich vorstellen, wir lernen jemanden kennen, und er sagt: „ Mein Name ist Jörg, und ich lasse Bötchen fahren.“ . Oder nachts um zwei: „ Ich heiße Dirk, willst Du mal meinen großen Zerstörer sehen?“
Die Briefmarkensammlung scheint mir definitiv out zu sein, aber offensichtlich haben die Herren andere Lockmittel gefunden, zumindest einige davon. Ob die aber attraktiver sind, ich weiß es nicht.
Stellen wir uns einen Nachmittag am See vor, bei dem der Angebete eine Fernsteuerung einem Butterbrottäschchen gleich um den Hals trägt, dem Fregättchen nachträumt und mit Gleichgesinnten über Kardanwellen und Frequenzen diskutiert. Der Nachmittag am See kann klasse sein, die Fernsteuerung und die Blickrichtung des Mannes stört beim Küssen, über den Rest wollen wir gar nicht erst reden.
Mit Kindern kann dieses Hobby jedoch wirklich toll sein, man wird als Mutter alle Nervensägen auf einen Schlag los
Lernt man so jemanden allerdings erst kennen, erweißt es sich sicherlich als nützlich, wenn man die Gesetze der Nautik kennt. Vorrausgesetzt man befindet sie der Mühe für Wert, denn die Sonntagnachmittage können lang sein. Sicherlich möchte man dann manchmal einen anderen „Großen Zerstörer“ kennenlernen.
Nun ja, nachdem es der Kapitän des Minensuchers heute nicht geschafft einem wütenden Schwan, der sich in seiner Ruhe gestört fühlte, auzuweichen, werde ich
wohl zunächst einmal meine Küche für mich haben.
Schade, dass es im Wohnzimmer keine Schwäne gibt.